RWE – BURGHAUSEN 3:3

Nur scheinbar eine Spätsommeridylle: Augenblicke später fällt der Anschlusstreffer zum 3:2

Es waren fast siebzig Minuten gespielt, als Weidlich und Rauw an der rechten Außenlinie einen Angriff von Wacker stoppen. Doch statt den Ball in Richtung Marathontor zu entsorgen, versuchten sie mit spielerischen Mitteln den Konter einzuleiten. An sich löblich, aber hier leider die falsche Entscheidung: Rauw passt auf Manno, der legt zurück zu Pfingsten. Die Situation gerät außer Kontrolle, weil Pfingsten unter Druck kommt und einen Fehlpass ins zentrale Mittelfeld spielt. Senesie (im Bild oben noch unbeteiligter Zuschauer) läuft zentral aufs Tor, wird bedient und nutzt seine Chance erstklassig. Für Bertram kaum zu verteidigen, da sein Innenverteidiger-Kollege (Rauw) noch nicht wieder eingerückt ist und der linke Außenverteidiger (Ströhl) sich zu zögerlich in die Mitte orientiert.

Fußball ist ein komplexes Spiel. Taktisch machen die Spieler hier nichts falsch. Durch die extrem offensive Grundkonstellation die Emmerling auf der rechten Seite spielen lässt, muss ein Innenverteidiger (in dem Fall Rauw) herausrücken, um Weidlich zu unterstützen. Manno lässt sich zurückfallen (quasi von Rechtsaußen) um anspielbar zu sein, Pfingsten-Reddig ist sowieso schon zur Stelle, um den Gegenangriff einzuleiten. Alles perfekt, bis der Ball bei einem Burghauser landet.

Fußball ist ein einfaches Spiel. Bei dieser Situation vor dem zweiten Gegentreffer führt der RWE 3:1, es sind noch zwanzig Minuten zu spielen. Bis dahin war es das beste Saisonspiel der Erfurter. Neun Minuten zuvor hatte Manno (nach toller Vorarbeit von Pfingsten und vor allem von Weidlich) ein wunderbares Tor erzielt. Niemand hätte sich beschwert, wenn Weidlich den Ball einfach mal ins Seitenaus drischt. Aber sie alle wollten gute Jungs sein.

Eine Niederlage nach einem schlechten Spiel, bei dem man dem Gegner klar unterlegen war, ist bitter. Ein Unentschieden nach einem wirklich guten Spiel, das man schon zur Halbzeit mit drei zu null im Sack haben muss, ist schlimmer. Mir jedenfalls hat es gestern den Tag versaut.

Ich musste an das unselige 3:4 in Ahlen denken, das uns in der letzten Saison alle Aufstiegshoffnungen und die Teilnahme am DFB-Pokal ruinierte. Auch da hatte der RWE zweimal mit zwei Toren vorne gelegen, um sich – wie die zartfühligen Fußballlehrer von heute so gerne sagen – am Ende nicht selbst zu belohnen. Ich musste an die letzte Regionalliga-Saison denken, als wir 70 Tore erzielten und man mit Kohlmann, Rockenbach, Cinaz, Brückner, Bunjaku und Kumbela Spieler beieinander hatte, mit denen es schwierig war, nicht in die 2.Liga aufzusteigen. Daran, dass das Steigerwald-Stadion insgesamt ein Ort ist, der für dauerhafte Euphorien ungeeignet scheint. Vielleicht gehöre ich deshalb zu denen, die einen Stadionneubau an anderer Stelle bevorzugt hätten.

Genug der düsteren Gedanken. Ein paar Anmerkungen zur Taktik. Emmerling ließ auch gestern ein sehr offensiv angelegtes 4-4-2 System spielen. Bei Angriffen mutierte es sofort zu einem 4-3-3. Wann immer der RWE nach vorn spielte, orientierte sich Manno auf die Linie der beiden anderen Stürmer. Das bot ein hübsch asymmetrisches Bild, weil Caillas auf der linken Seite – eher klassisch – in Höhe der Mittellinie auf die Zuspiele wartete. Trotzdem klappte die Abstimmung mit Weidlich nach hinten über weite Strecken des Spiels gut, weil Manno einen immensen läuferischen Aufwand betrieb, um die Defensive adäquat zu unterstützen. In anderen Situationen rückte ein Innenverteidiger nach außen, um Weidlich zu helfen. Im Vergleich zum Spiel gegen Wiesbaden funktionierte unsere rechte Seite exzellent. Man kann auch schlecht das Tor zum 3:1 toll finden und sich im gleichen Atemzug über Lücken in der Defensive beschweren. Bei vielen Offensivaktionen wird die Reihe der Stürmer durch Zedi komplettiert, der dann zu dem wuchtigen zentralen Angreifer wird, den wir sonst nicht haben.

Emmerling ist seiner Spielidee der letzten Saison treu geblieben: schnelles, vertikales und durchaus riskantes Spiel nach vorn, getragen von Offensivallroundern und situationsbezogen unterstützt vom zentralen Mittelfeld und den beiden Außenverteidigern. Die Variante mit Weidlich und Manno auf der rechten Seite macht das ganze dann noch etwas offensiver als im letzten Jahr.

Der RWE hat es gestern leider verpasst, die etwas langweilige Komfortposition im Mittelfeld zu konsolidieren. Derzeit (und angesichts der beiden Auswärtsspiele) muss man eher nach unten schauen. Trotzdem, die Mannschaft hat ein gutes Potential für die 3.Liga und ist in der Lage gegen jeden zu gewinnen. Sie kann überaus attraktiven Angriffsfußball spielen. Allerdings muss es gelingen, die individuellen Fehler deutlich zu reduzieren. Sonst kann es noch richtig ungemütlich werden. Im deutschen Drittliga-Herbst und darüber hinaus.

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