Einige lose Gedanken zur Situation des FC Rot-Weiß Erfurt

Befänden wir uns in einem Filmdrama, wäre jetzt der Zeitpunkt, an dem ein Mitglied der Familie dem Priester zuflüstert: «Danke für Ihr Kommen Hochwürden, aber Sie können erst mal wieder nach Hause gehen.» Der Patient Rot-Weiß Erfurt befindet sich nach wie vor in einem kritischen Zustand, aber die Letzte Ölung kann getrost verschoben werden.

Das verdankt sich in nicht geringem Umfang dem neuen Trainer des Vereins, Stefan Krämer. Er hat es in vergleichsweise kurzer Zeit verstanden, eine erschreckend hinfällige Mannschaft zu revitalisieren. Ich will damit nicht sagen, dass der Kampf gegen den Abstieg bereits gewonnen sei, allerdings deutet vieles darauf hin, dass wir uns in der nächsten Saison, dann in einem neuen Stadion, auf ein weiteres Jahr Dritte Liga freuen dürfen.

Was sind die Gründe für die sportliche Schubumkehr? Ich denke zunächst, dass Stefan Krämer ein außergewöhnlich talentierter Kommunikator ist. Quasi alles, was er seit seiner Berufung sagte (in Interviews, Pressekonferenzen, etc.), war geeignet, die öffentliche Meinung für sich und seine Arbeit einzunehmen. In der auf Weltniveau agierenden Unmut-Fabrik namens Erfurter Fußball eine Leistung, von nicht zu unterschätzendem Wert.

In der Spielidee sehe ich gar keine so grundlegenden Unterschiede zu unseren ersten Saisonspielen unter Christian Preußer. (Man erinnere sich an die unglückliche Niederlage in Magdeburg.) Auch Preußer wollte schnell vertikal spielen lassen, Räume verdichten, forderte Pressing und Gegenpressing von seiner Mannschaft. Zumindest war das die initiale Spielidee. Die aber in einer Mühle aus halb garen taktischen Änderungen, individuellen Defiziten der verfügbaren Spieler (vor allem in der Offensive) und immer größer werdendem Druck bis zur Unkenntlichkeit zermahlen wurde.

Mit anderen Worten: Stefan Krämer ist es bis hierher offensichtlich gelungen, Theorie und Praxis des Fußballs in Einklang zu bringen. (Hier lag wohl das größte Defizit seines Vorgängers.) Und nichts im Fußball ist erfolgsfördernder als Erfolg. Die Mannschaft glaubt dem Trainer, weil sich mit ihm Erfolge einstellen. Dazu benötigt es allerdings immer einen Anteil Glück. Die Spiele gegen Würzburg und Dresden hätten wir bei gleicher Leistung ebenso gut verlieren können. Daher sollten wir uns bei allem Optimismus nach wie vor Zurückhaltung auferlegen. Die Liga ist so unglaublich leistungsdicht, jedes Nachlassen der eigenen Konzentration, jede Pechsträhne (Verletzungen, Schiedsrichterentscheidungen, Chancenverwertung) haben das Potenzial, die Tore zur Hölle (aka Regionalliga) erneut weit aufzustoßen.

Die Fairness gebietet es, die Winterverpflichtungen von Daniel Brückner und Samir Benamar als gleichfalls essenziell für die Leistungssteigerung der Mannschaft zu notieren. Beides Spieler, die – mit unterschiedlichen Fertigkeiten ausgestattet – deutlich über Liganiveau agieren. Zumindest an guten Tagen. Daniel Brückner ist vielleicht nicht mehr so dominant in der Offensive wie in seiner ersten Zeit in Erfurt. (Als die Rechtsverteidiger der Gegner reihenweise zur Halbzeit ausgewechselt wurden.) Aber seine große Ruhe am Ball, seine Passsicherheit und die inzwischen hinzugekommenen defensiven Fähigkeiten machen ihn zu dem Spieler, der uns vorher fehlte. Gleiches trifft auf Benamar zu: technisch brillant, schnell und – im besten Sinn – unberechenbar.

Es ist bei Weitem nicht alles gut im Fußballspiel des FC Rot-Weiß Erfurt. Niemand weiß das besser als Stefan Krämer und er hat keinerlei Scheu es zuzugeben. Standards, Raumaufteilung, Umkehr- und Aufbauspiel – mit den nach wie vor vorhandenen Defiziten lassen sich ganze Schwarzbücher über Fußballtaktik füllen. Aber ihr kennt ja den alten Witz: Man muss nicht schneller sein als der Löwe. Für diese Saison genügt es, einfach nur schneller zu sein als drei andere Teilnehmer der Drittliga-Safari. Diesbezüglich darf man optimistisch sein, dass wir den Priester nicht so schnell erneut rufen müssen.

3 comments

  1. HUKL sagt:

    Lieber „eingefleischter „ Fan des FC RWE und Inhaber des Blogs „Fedor Freytag!

    Mit großem Interesse lese ich öfters Deine akribisch geschrieben Zeilen rund um das Geschehen Deines Lieblingsclubs, bin allerdings enttäuscht, dass diese meistens erst dann erscheinen, wenn sich die verschieden geschilderten Situationen zwischenzeitlich veränderten bzw. bereits der Vergangenheit angehören…..

    Ganz nebenbei darf ich Dir zur Information aus Bescheidenheit verraten, dass der Autor dieser Zeilen durch die Empfehlung eines Thüringer Oberligaschiedsrichters im „Geburtsjahr 1966“ diesem Club beitrat, allerdings eher als Hobbyspieler in der Oberliga-Reserve, der „2.“ in der DDR-Liga bzw. den unteren Mannschaften, da das Studium an der Ingenieurschule für Bauwesen Priorität besaß. Die Räumlichkeiten des gerade aufgefrischten Stadions sowie viele Personen, die ihre unterschiedlichen sportlichen und sonstigen Leistungen für diverse „Laufzeiten“ diesem Club fast bis zur Gegenwart anboten, sind mir deshalb bestens bekannt.

    Es ist durchaus nachfühlbar, dass bei der erneut gegenwärtigen gefährlichen Lage die Gedanken oftmals bei der Vergangenheit sind, als z.B. das gut harmonierende Duo Dotchev/Beutel, trotz einer hoffnungsvollen Situation, eventuell wieder aufzusteigen, aus verschiedenen Gründen plötzlich auseinanderbrach. Als zufälliger Zeitzeuge an der rasch einberufenen Pressekonferenz im Februar 2008 war ich wie bei dem ersten Spiel danach dabei, als der schon damals als „Leitfigur“ dominierende heutige Präsident den jungen H. Nowak für den Interimstrainer bestimmte, dessen Tätigkeit allerdings nach dem ersten (!) in Emden mit 0:1 verlorenen Spiel bereits wieder zu Ende war. Wenig später wurde bekanntlich auch der heute (noch) in Chemnitz angestellte Manager Beutel vorfristig beurlaubt. Und genau dieser Punkt des völlig unnormal hohen immer wiederkehrenden Aderlasses scheint nicht nur für mich, wie es immer wieder die zahlreichen Foreneinträge belegen, die Hauptursache zu sein, dass es mit dem Erfurter Club einfach nicht wieder aufwärts geht! Die wechselwilligen Spieler, Betreuer, Trainer, Aufsichtsratschefs und sonstigen Funktionäre, die auch zum Teil oftmals (vorzeitig) gehen mussten, sind wahrlich kein Garant für positive Entwicklungen gewesen, um die vorhandene katastrophale Außendarstellung zu vertreiben! Es ist doch deshalb auch nur logisch, dass sich durch das abwandernde Sponsoren-, Mitglieder- und Zuschauerinteresse die Clubkasse nicht mehr füllen wird und nur durch nicht ganz „astreine“ Genussscheine ein von Beobachtern etwas belächelter Ausweg gefunden wurde, den Club überhaupt noch am Leben zu erhalten.

    Beispielsweise erinnere ich mich, als den Vorzeigespielern und sportlichen Leitern, wie Kogler, Hörtnagl, Pfingsten-Reddig, Sponsel, Engelhardt , Möhwald, Stolze u.a. von allen Seiten erst vor ca. drei Jahren für die damalige Saison alles Gute gewünscht und schon für die Arena-Eröffnung mit der „Mission 2016“ bei gleichzeitig angestrebten Aufstieg in Liga 2 , geworben wurde. Heute weiß man, was daraus geworden ist…….

    Der immer wieder vom Präsident verkündete Zusammenhalt sieht in der Realität einfach anders aus. Ein „unglückliches“ Beispiel war die vorzeitige unnötige „Jungtrainerverlängerung“ mit Preußer, die inmitten einer schlechten Serie erfolgte und diesen damit unter einen besonderen Druck stellte, der allerdings nach seiner fast zu erwartenden vorzeitigen Entlassung, wie übrigens viele andere ehemaligen Clubmitglieder zuvor auch, vermutlich wohl anständig finanziell vergütet wurde…..

    Dem äußerst sympathisch wirkenden Nachfolger ist einfach insgesamt mehr Erfolg zu wünschen! Wenn allerdings der Präsident endlich vom „ich“ zum „wir“ umschalten könnte und die derzeitigen „Marionetten“ seines direkten Umfeldes von ihm auch als gemeinsam an einem Strang ziehende gleichgesinnte Truppe anerkannt werden würde, wäre eine Rettung des hoffentlich dann noch solventen Hauptmieters in der zukünftig fertiggestellten MFA bestimmt noch möglich!

    Das wollte ich Dir eigentlich nur mitteilen……

  2. Drago sagt:

    Um Europameister zu werden, braucht es Qualität und Mentalität. Das DFB-Team sollte gewarnt sein. Denn Gegner wie Frankreich, Belgien, England oder Italien haben einen Vorteil.

  3. Hermann sagt:

    Hallo bin neu auf diesem Blog und hab die „auflösung der Quizfragen“ im Apirl post gesehen. Wo finde ich denn immer deine Quizfragen? Danke

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