Sponsel gegen Jena / FCC – RWE 1:0

Der Siegtreffer für Jena fiel in der 90. Minute. Verloren (im Wortsinn) hat der RWE das Spiel bereits in der ersten Halbzeit. Die ersten zehn Minuten sahen passabel aus. Jena war gefordert das Spiel zu gestalten, was Erfurt in die komfortable Situation versetzte durch schnelles Umkehrspiel die sich bietenden Räume zu nutzen. Das klappte ansatzweise ganz gut, vor allem über den agilen Morabit, allerdings misslang stets der finale Pass zum einschussbereiten Mitspieler. Danach akkumulierten sich zunächst individuelle Fehlleistungen: Rauws schlampiger Fehlpass¹, ein schlimmes Fehlabspiel von Oumari², Morabits Egotrip³ – der ihm eine Verbalattacke Mannos einbrachte-, um hier nur einige zu nennen. Zudem erwies sich eine taktische Maßnahme Emmerlings als kontraproduktiv.

Gemeint ist das sehr aggressive Pressing, an dem sich der RWE in der ersten Halbzeit phasenweise versuchte. Daran nahmen sowohl die beiden Angreifer, als auch die Mittelfeldspieler teil. Attackiert wurden die jeweils ballführenden Jenaer Defensivspieler, wodurch sich dieses Pressing relativ weit in der Jenaer Hälfte abspielte. Das Problem bestand darin, dass die hintere Viererkette viel zu tief stand, was zu großen offenen Räumen zwischen beiden Reihen führte (siehe Bild). Mit zunehmender Spieldauer nutzen der FCC diese Räume immer konsequenter. Entweder gelang es, die Pressing-Reihe aus der Abwehr heraus zu überspielen, oder einer der Jenaer Angreifer ließ sich in diesen Raum zurückfallen um mit einem langen Pass angespielt werden zu können und seinerseits den Ball auf einen der nachrückenden Außenspieler zu verteilen. Im nebenstehenden Bild zerfällt der RWE  in zwei voneinander isolierte Mannschaftsteile, mit einem Abstand von mindestens 20 Metern zwischen dem hintersten Mittelfeldspieler und dem ersten Verteidiger (als optimal gelten zehn Meter). Man muss keinen A-Schein der Kölner Trainerakademie besitzen, um zu begreifen, dass dies eine deutlich zu große Lücke darstellt.

Diese Gemengelage aus individuellen Fehlern und falscher Raumaufteilung führte zur Dominanz des FCC. Allein Andreas Sponsel war es zu verdanken, dass sich dies nicht schon in Halbzeit eins in einer klaren Führung der Saalestädter manifestierte. Ein offensives und hohes Pressing ist zweifellos ein probates taktisches Mittel. Aber es birgt Risiken und sollte – wie beinahe alles im modernen Fußball – gut organisiert umgesetzt werden. Das war ersichtlich nicht der Fall. Zudem frage ich mich, warum Stefan Emmerling es in diesem konkreten Spiel überhaupt für notwendig hielt. Jena ist eine Mannschaft die große Probleme hat zwei tief gestaffelte Abwehrreihen mit überraschenden Offensivaktionen in Verlegenheit zu bringen. Gelingt es Simak zu isolieren, bleibt nicht viel wovor man Angst haben müsste. Eines der Risiken aggressiven Pressings ist auch, dass man (gerade auf tiefem Boden – wie in Jena) viel Kraft dafür benötigt. Kraft die verschwendet ist und im weiteren Verlauf des Spiels fehlt, wenn das zu erreichende Ziel (die Unterbindung des gegnerischen Spielaufbaus) so gravierend verfehlt wird wie am Samstag geschehen.

Nimmt man alles in allem, dann haben wir die schlechteste Vorstellung des RWE in dieser Saison gesehen. An dieser Einschätzung ändern die beiden klaren Möglichkeiten durch Oumari und Reichwein wenig. Nur eine davon, die unseres Mittelstürmers, war herausgespielt, wenn auch durch eine Einzelaktion von Gaetano Manno. Der Rest war eine einzige Orgie von Fehlpässen und sinnwidrigen Einzelaktionen gegen eine meist gut doppelnde FCC-Abwehr. Es war schlimm anzusehen was die Mannschaft bot. Solche Tage gibt es im Fußball, im Drittliga-Fußball sind sie ohnehin deutlich häufiger als beispielsweise in der Premier League. Trotzdem schade, dass Emmerlings Mannschaft eine durchaus verheißungsvolle erste Saisonhälfte so enden lassen musste. Da will sich der für die bevorstehenden grauen Wintertage benötigte Optimismus nicht wirklich einstellen. Eher das Gegenteil davon.

Daran ändert auch die Charity-Veranstaltung am 15. Januar nichts. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ist gut, dass die Bayern kommen, gut vor allem für die notorisch klammen Finanzen unseres Klubs. Der sportliche Wert des Spiels hingegen ist nahe null. Viel wichtiger wird sein – eine Woche später – den Schaden des leichtfertigen Derby-Verlustes auf Platz 11 des Weserstadions vor 500 Zuschauer durch einen Sieg in Grenzen zu halten. Darauf sollte sich die Mannschaft konzentrieren, nicht auf Robbery, Schweinsteiger und Gomez. Denn – ich bin erstaunt, dass ich das einen Tag nach diesem Debakel schon wieder schreiben kann – alles ist möglich. Drei Punkte auf den Relegationsplatz sind bei 17 ausstehenden Spielen völlig zu vernachlässigen. Regensburg und Sandhausen werden gleichfalls nicht derart souverän die Spitzenposition behaupten wie Braunschweig und Hansa in der letzten Saison. Es fällt schwer das nach so einem schwachen Spiel zu belegen, aber der RWE zählt zu den Mannschaften die davon profitieren könnten.

Eigentlich wollte ich zum Thema «Pyrotechnik» einen separaten Artikel schreiben. Das werde ich nicht tun. Es ist schlichtweg sinnlos. Sinnlos vor allem deshalb, weil jede – noch so unbedeutende – öffentliche Äußerung weitere Aufmerksamkeit verschafft. Die diese Pyromanen nicht verdienen. Wer diesen Sport liebt und wessen Herz dem RWE gehört, der kann ob der Vorfälle am Samstag nur verzweifeln. Wir alle sind ratlos, jedenfalls lassen viele Äußerungen darauf schließen, da bilden die Einlassungen des Präsidenten zum Thema keine Ausnahme. Eines wird immer deutlicher: die eine, irgendwie «saubere» Lösung wird es nicht geben. Weder kann die Polizei allein dafür sorgen, noch der Verein oder die 99 Prozent der Fans die an diesem kriminellen Schwachsinn unbeteiligt sind. Es kann nur eine gemeinsame Lösung geben und das Präsidium wäre gut beraten sich nicht in starken (aber zahnlosen) Statements zu verschleißen, sondern Vertreter der verschiedenen Fangruppen und der Polizei schnellstmöglich an einen Tisch zu bekommen, um in einer ergebnisoffenen Diskussion einen Weg aus der fremdbestimmten Pyro-Hölle zu finden.

Es ist ein sensibles Thema, deshalb sei mir noch eine Anmerkung gestattet: Mit Pyromanen meine ich expressis verbis all diejenigen, die – wie am Samstag – gegen die derzeit geltenden Verbote in den Stadien verstoßen und auf diese Weise dem Fußball vor allem aber «ihren» Vereinen irreparablen Schaden zufügen. Ausgenommen sind all diejenigen, die auf legale Weise eine Zulassung von Bengalos erreichen wollen. Ich halte das zwar für illusorisch, aber es ist zweifelsfrei legitim dafür einzutreten.

Fußnoten – Beziehen sich alle auf dieses Link (Livestream 1. Halbzeit FCC-RWE):

  • Rauw – ab 09:00¹
  • Oumari – ab 24:00²
  • Morabit – ab 27:00 (Morabit setzt sich auf halbrechts schön durch, zieht dann aber eigensinnig in die Mitte, statt den freien Manno zu bedienen.³

2 comments

  1. Ist egal gönnen wir den Jenaern auch mal einen Sieg!!! Zeigt nur das sie wie immer mehr Glück als Verstand haben!!!

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