Tag Archiv für Möckel

Rot-Weiß Erfurt oder Ah ah ah ah, stayin‘ alive!

Stefan-Kraemer-rwe_posterDabei mag ich die Bee Gees nicht mal. Trotzdem ist es die titelgebende Liedzeile, die mir am Samstag nach unserem Sieg gegen Aalen in den Sinn kam und diesen winzigen Ort seitdem nicht verlässt. Es war eine Saison, seien wir ehrlich, die über lange Zeit das Abgründigste was einem Drittligaverein zustoßen kann, mehr als nur befürchten ließ. Den Abstieg in die Hölle. Auch bekannt unter dem Namen Regionalliga. Wenn der Verein, unser Verein, das finanziell überhaupt in seiner bisherigen Form überlebt hätte. Wer zählt die Vereine, nennt die Namen, die ungastlich dort zusammenkamen? (Sorry, Friedrich!) Und seit Jahren vergeblich versuchen, der sportlichen Randständigkeit zu fliehen. In manchen Minuten war mir, während ich auf der Tribüne oder vor dem Fernsehen saß, der Abstieg schon Gewissheit. Da dachte es in mir (Sorry, Günter!): Das ist so jämmerlich, unmöglich, dass sie dies noch korrigiert bekommen.

Dass es anders kam, wird – und zwar isoliert davon, ob wir den verdammten Thüringenpokal gewinnen – immer mit dem Namen und der Person Stefan Krämers verbunden bleiben. Es ist ja nicht so, dass er nur einen schlafenden Riesen wach küssen musste. Eine Mannschaft, die für jeden offensichtlich weit unter ihrem Potenzial spielte. So gut wie alle waren sich vor der Saison einig, dass es vermutlich sehr schwierig werden würde. Diese berechtigte Sorge gründete sich auf dem Weggang von Leistungsträgern wie Möhwald, Czichos und Wiegel. Sowie auf mehrheitlich desolaten Leistungen der Mannschaft in der zweiten Hälfte der letzten Saison. Eine Niederlagenserie, die auch Christian Preußer zunächst nicht zu stoppen wusste, bildete die Basis einer tief wirkenden Skepsis, die sich bis in die neue Saison hinein konservierte.

Aus der Skepsis wurde alsbald Gewissheit. Auch wenn wir nur bis zum 5. Spieltag auf einem Abstiegsplatz standen, gelang es Preußer nicht, die Mannschaft fußballerisch zu stabilisieren. Der Kontakt zur Abstiegszone riss nie ab, einhergehend mit einer Dauerpanik, die allen aufs Gemüt drückte. Eine erneute Niederlagenserie vor der Winterpause besiegelte Christian Preußers Aus.

Was seit der Berufung Stefan Krämers zum Cheftrainer des FC Rot-Weiß Erfurt geschah, ist erstaunlich. Vor allem, weil er es vermochte, viele Dinge gleichzeitig zu verbessern. Nimmt man nur den Kader und die taktische Grundformation, wird man feststellen, dass sich bei beiden so viel nicht geändert hat. Krämer vertraute im Wesentlichen auf die Spieler, die schon unter Preußer zum Einsatz kamen, und auch Krämer ließ (mehrheitlich) ein 4-2-3-1-System spielen. Klar, mit Brückner und Benamar kamen zwei wichtige Offensivspieler hinzu und zuweilen variiert er mit einem 4-1-4-1-System. Das allein erklärt aber nicht, warum einige Spieler plötzlich sehr viel besser spielen als vorher – unter Preußer und teilweise sogar unter Kogler. Aydin, Menz, Tyrala. Selbst Odak gehört für mich in diese Kategorie.

Ich denke, dass es sich bei Krämer lohnt, sehr genau zuzuhören, wenn er sich öffentlich äußert. Er betonte am Anfang seiner Tätigkeit nachdrücklich, es sei für ihn von entscheidender Bedeutung, dass die Mannschaft kollektiv angreift und verteidigt. Wer bei ihm nicht defensiv arbeite, habe keine Chance. Okay, das klingt zunächst nach einer Plattitüde, wie sie Trainer oft und gern benutzen. So wie die Mannschaft sich nach und nach entwickelte, zeigte allerdings, wie ernst es ihm damit war.

Im modernen Fußballkauderwelsch existiert dafür ein Begriff: Kompaktheit. Kein schönes Wort und ich würde gern ein anderes verwenden, mir fällt nur kein passenderer Begriff ein. Selbst Zuschauern, die während eines Spiels nicht ständig auf die Positionen der Spieler achten, fällt am Spiel der Rot-Weißen auf, was damit gemeint ist: Wenn der Gegner angreift, dann muss er sich (oft) gegen eine scheinbar nicht enden wollende Kaskade Erfurter Spieler behaupten, die ihm für seine Angriffsbemühungen weder Raum noch Zeit zu geben die Absicht haben. Weswegen die Angriffe oft wirkungslos bleiben. Das liest sich jetzt ebenfalls relativ banal, ist aber, taktisch (und physisch) betrachtet, großes Kino. Nur so war es möglich, dass wir, gerade in den letzten Spielen, man denke nur an den durchgängig famosen Auftritt in Stuttgart, über weite Teile des Spiels das dominante Team waren. Dies ist keinesfalls selbstverständlich, und es ist, wie vieles im Fußball, anfällig für Störungen jeder Art. Man kann mit einem forcierten Pressingfußball auch grandios scheitern, wie es das Beispiel Zorniger in Stuttgart belegt. Die Feinjustierung innerhalb der Mannschaft muss schon sehr gut passen, sonst hat der Gegner immer die Möglichkeit, freie Räume zu bespielen. Bei Preußer war zum Beispiel das Pressing im Mittelfeld des Öfteren mangelhaft. Die gegnerischen Mittelfeldspieler hatten zu häufig die entscheidenden 2-3 Sekunden Zeit, den Ball anzunehmen, sich zu orientieren und abzuspielen.

Diese Zeit lässt ihnen die Mannschaft unter Krämers Anleitung nicht mehr. Oder präziser: viel seltener. Das erreicht man nur mit einem höheren Laufaufwand und einem variableren Positionsspiel. Damit der Druck auf den angreifenden Gegner überall in den relevanten Zonen des Spielfeldes aufrecht erhalten werden kann, müssen Spieler – situativ – ihre Positionen verlassen, um die Räume (und damit die Ballbesitzzeiten des Gegners) klein zu halten. Das wiederum beeinflusst die Positionen der noch hinter dem Ball befindlichen Abwehrspieler, sie müssen diese Räume dann besetzen. Ich sagte ja, es klingt nur banal.

Ich kann nicht beurteilen, ob Krämer mit den oben erwähnten Spielern individuell viel gearbeitet hat. Einen Grund für ihre offensichtliche Verbesserung sehe ich darin, dass sich Spieler wohler fühlen, wenn ihr Spiel Teil eines Konzeptes ist, dass ihnen schlüssig erscheint und mit dem sie erfolgreich sind. Das trifft sicher auf alle Spieler einer Mannschaft zu, bei einigen scheint es aber Potenziale freizulegen, die man ihnen gar nicht mehr zugetraut hätte.

Abschließend möchte ich noch zwei Spieler hervorheben, denen in Krämers System eine maßgebliche Rolle zukommt. Carsten Kammlott ist nicht nur deshalb so wichtig, weil er entscheidende Tore schießt und vorbereitet. Er ist ebenfalls eine grandiose Ein-Mann-Angriffs-Pressing-Maschine und in dieser Eigenschaft vermutlich ohne Gleichen in der Liga. Seine Dynamik und Aggressivität sorgen nicht selten dafür, dass die Verteidiger (oder auch der Torwart) sich lieber dafür entscheiden, lange (weniger kontrollierte) Bälle zu spielen, die natürlich leichter zu verteidigen sind. Mit anderen Worten: sie haben die Buxe voll, wenn Kammlott wie ein Berserker auf sie zu stürmt.

Last but least: Jens Möckel. Bereits nach seiner letzten langen Verletzung war ich verblüfft, wie schnell er wieder auf hohem Niveau zu spielen in der Lage war. Diesmal, nach einer noch längeren, noch schwereren Verletzung, bin ich das nicht minder. Weiter oben habe ich versucht zu erläutern, wie wichtig es ist, dass die Spieler situativ ihre Positionen verlassen, um die mannschaftliche Kompaktheit (und damit den Gegnerdruck) aufrecht zu erhalten. Genau hier liegt eine von Jens Möckels größten Stärken. Wirklich beeindruckend, wie er mitunter – nicht frei von Risiko – seine Position in der Innenverteidigung verlässt, um Spieler zu attackieren, die sich in den Räumen zwischen den Linien anbieten. Dabei gelingen ihm zuweilen äußerst spektakuläre Ballgewinne, die er, nächstes großes Lob, dann auch häufig direkt in die Einleitung von Gegenangriffen umwandeln kann.

Oh, das ist mir jetzt relativ ausführlich geraten. Dabei bin auf verschiedene andere, nicht weniger wichtige Aspekte gar nicht zu sprechen gekommen. Als da wären: die Standards und die Fokussierung bzw. Überladung bestimmter Zonen des Spielfeldes bei eigenen Angriffen.

Das wird in den nächsten Wochen nachgeholt; denen wir auf wunderbare Weise, plötzlich aber alles andere als zufällig, sehr gelassen entgegen sehen können. Habt Euch wohl, Ihr Lieben.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. Holstein Kiel 3:2

Nach dem Spiel konnte niemand sagen, wann der FC Rot-Weiß Erfurt zuletzt drei Tore nach Standards erzielt hatte. Abgesehen von Pfingsten-Reddigs Elfmetern war das lange Zeit eine vernachlässigte Toreinnahme-Quelle. Es blieb Walter Kogler vorbehalten, die Gründe dafür zu nennen: Mehr gute Standardschützen (in diesem Fall: Tyrala, Aydin und Möhwald) und eine größere Anzahl potenzieller Abnehmer. Daraus resultierend: weniger Ausrechenbarkeit für den Gegner.

Soweit zu den ausschließlich positiven Aspekten des Spiels. Auf der anderen Seite ist zu vermerken, dass RWE die Standards so dringend benötigte wie die FDP Zweitstimmen, weil aus dem Spiel heraus wenig Konstruktives gelang. Das lag in erster Linie an einer bockstarken defensiven Vorstellung der Kieler. Carsten Neitzel und sein Trainerteam hatten definitiv ihre Hausaufgaben erledigt. Nichts war es mit einem gepflegten, vertikal orientierten Spielaufbau aus einer Dreierkette heraus. Quasi alle Aufbauspieler wurden früh und aggressiv gestört, sodass oft nur der Rückpass zu Klewin blieb. Dessen einzige wirkliche Schwäche, mangelnde Präzision bei langen Bällen, war ebenfalls nicht dazu angetan, das Offensivspiel von RWE zu befördern.

Kiel brachte zwar zunächst in direkter gegnerischer Tornähe auch nicht viel zustande, erwies sich aber als erstaunlich ballsicher und entzog sich so immer wieder dem Pressing der Erfurter. Beide Tore fielen dann wie aus dem Nichts. Zuerst hatte Judt einen Aussetzer und foulte Heider völlig unnötig, wenig später bilderbuchte Brandstetter die Ecke von Tyrala zum Ausgleich ins Kieler Tor.

Nach dem Wechsel brachte Kogler Aydin für den erneut wenig überzeugenden Bukva. Zunächst änderte sich dadurch wenig. Mit der folgenden Einwechslung von Kammlott (für Tyrala) wurde auf ein 4-4-2 umgestellt hatte. Aydin fand nach zehn Minuten besser ins Spiel, bzw. wurde von seinen Mitspielern in Selbiges eingebunden. Auch Wiegel, am anderen Flügel, wurde stärker. Es ergaben sich Chancen, doch erneut benötigte es einen Standard zur Führung. Danach «rächte» sicht die numerische Unterzahl im Mittelfeld, Holstein reagierte druckvoll und mit gutem Fußball auf den Rückstand, fast folgerichtig fiel der Ausgleich. Das Spiel wurde ein völlig offenes, aber der Fußballgott hatte an diesem Samstag ein Faible für Kevin Möhwald und ließ dessen Freistoß durch Freund und Feind passieren. Jetzt reagiert Kogler praktisch sofort, revidierte das 4-4-2 und wechselte Baumgarten für Brandstetter ein. Kiel mühte sich zwar noch um den Ausgleich, konnte aber die zwischenzeitliche Dominanz im Mittelfeld bis zum Ende nicht mehr erreichen.

Die drei Punkte lassen Rot-Weiß den Anschluss nach oben nicht verlieren, damit dies aber weiterhin gilt, sollte in Wiesbaden natürlich nicht verloren werden. Aber wenn ich mich recht entsinne, haben wir da eigentlich immer ganz gut ausgesehen und gepunktet. Wird trotzdem schwer, da der SVWW jetzt drei Mal in Folge verloren hat und sicher nicht scharf darauf ist, diese Serie fortzusetzen.

Der Saisonstart des FC Rot-Weiß Erfurt

Es ist das Wochenende der ersten DFB-Pokalrunde. Oder wie wir es in Erfurt nennen: Zeit der Schmerzen. Als am Freitag der Chemnitzer FC in einem denkwürdigen Spiel den Bundesligisten Mainz 05 aus dem Wettbewerb schoss, kamen die Gedanken an den 10. August 2008 wieder hoch, als es fünf späterer Weltmeister bedurfte, damit der FC Bayern München die Rot-Weißen mit 4:3 besiegte. Es war das letzte Mal, dass ein Spiel im Steigerwaldstadion im Blickpunkt einer landesweiten Öffentlichkeit stand. Das ist 6 Jahre her. Seitdem leben wir im fußballerischen Konjunktiv – immer in der Hoffnung auf eine neue Verheißung. Die aktuell ausgegebene Parole hört auf den Namen Mission 2016. Für das nämliche Jahr hat sich der Verein den Aufstieg in die 2. Bundesliga vorgenommen. Niemand hier hätte etwas dagegen. Allein, es sind Zweifel am Wirklichkeitssinn dieses Ziels angebracht. In den letzten beiden Jahren mussten sich die Anhänger eher um den Verbleib in der 3. Liga sorgen. Wohin deuten die Instrumente in dieser Saison? Nun, wir haben 4 Spieltage absolviert, mehr als eine erste, provisorische Bilanz lässt sich derzeit seriös nicht wagen. Hier ist sie:

Der letzte Auftritt in Cottbus mutete exemplarisch für die bisherigen Saisonspiele an. Die Mannschaft stand defensiv halbwegs stabil. Aus dem laufenden Spiel gab es kaum Chancen für die Lausitzer. Allerdings muss sich noch erweisen, ob sich diese Defensivstärke auch gegen spiel- und offensivstärkere Mannschaften als solche herausstellt. Gemessen an den Erfahrungen aus dem Spiel gegen den BVB-Nachwuchs ist es nicht übelwollend, skeptisch zu bleiben. Die offensiven Leistungen waren in Cottbus überschaubar. Diesmal reichte ein guter Angriff in Halbzeit eins (die Chance von Brandstetter) nicht zur Führung. Erst als Energie am Ende des Spiels für das hohe Tempo bezahlte, kam Rot-Weiß zu einigen Halbchancen. Ansonsten: viele Abspielfehler und in Folge davon kaum Gefahr für das Tor des Gegners.

Natürlich gibt es entlastende Gründe für die momentan durchwachsenen Leistungen: in Cottbus standen sechs neu verpflichtete Spieler auf dem Feld. Es wurde also zum Beginn der Saison wieder einmal die halbe Mannschaft ausgetauscht. Menz und Tyrala bilden im zentralen Mittelfeld das neue fußballerische Herz des Teams. Andererseits ist eine Mannschaft wie Dynamo Dresden in noch größerem Umfang umgebaut worden und präsentiert sich (bislang) ungeachtet dessen eindeutig homogener. Noch schwerer wiegt wohl das chronische Verletzungspech von Koglers Team. Mit Kammlott, Möhwald und Laurito fehlten ungemein wichtige Spieler ganz oder teilweise. Während der grandiose Möckel (nach langer, schwerer Verletzung) den Verlust von Laurito sehr passabel auffangen konnte, sind Möhwald und – natürlich – vor allem Kammlott nicht adäquat zu ersetzen. Vor allem, weil Spieler wie Bukva, Tyrala, Falk und Brandstetter einfach noch Spielpraxis benötigen, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Alle haben sportlich schwierige Zeiten hinter sich und es wäre unredlich, ihnen die nötige Geduld zu verweigern.

Auf der Habenseite der bisherigen Spiele steht eine deutlich höhere taktische Variabilität der Mannschaft. Kogler hält nicht mehr unter allen Umständen und Spielsituationen am 4-4-2 der letzten Saison fest. Als er gegen Stuttgart der Meinung war, neben Falk keinen adäquaten Stürmer für 90 Minuten zu haben, beorderte er Möhwald als hängende Spitze (oder falschen Zehner) in den Sturm. Selbiges wiederholte er (nach der Auswechslung Brandstetters) mit Tyrala in der letzten halben Stunde in Cottbus. Sah beide Male äußerst passabel aus. Der Clou in taktischer Hinsicht war jedoch die Dreierabwehrkette im (gewonnenen) Spiel gegen Stuttgart, bestehend aus Czichos, Kleineheismann und Menz. Da wurde zentral defensiv kaum etwas zugelassen; im grundierenden Spielaufbau gab es jedoch noch Luft nach oben. Trotzdem vermute ich, dass Kogler, sobald Kammlott und Brandtstetter richtig fit sind, auf das 4-4-2-System zurückkommen wird.

Das Spiel gegen Dynamo Dresden wird so eine Art L’Alpe d’Huez für den FC Rot-Weiß Erfurt. Ein Scharfrichter. Danach werden wir besser einzuschätzen wissen, wo sich der Verein derzeit sportlich einsortiert. Viel ist möglich – in jeglicher Hinsicht. Und jetzt gebe ich mich wieder dem Weltschmerz hin und schaue DFB-Pokal.

Hansa Rostock vs. Rot-Weiß Erfurt 1:1

Der erste Punkt der neuen Saison ist auf der Habenseite verbucht. Nichts was man ausgelassen bejubeln müsste, aber ein Unentschieden in Rostock ist auch nicht Nichts.

Zunächst schien es, als ob Rostock an die erste Halbzeit gegen Münster anknüpfen wollte, doch als diese ersten zehn Minuten hanseatischen Sturm und Drangs überstanden waren, passierte bis zu Brandstetters Tor nicht viel. Rot-Weiß verteidigte geschickt, das heißt kompakt und vermied zudem größere Risiken in der Vorwärtsbewegung. Gegen eine solcherart agierende Erfurter Mannschaft fiel Hansa wenig ein. Die Zuschauer sahen ein schwaches Drittligaspiel, das seinen fußballerischen Höhepunkt in der 78. Minute hatte, als der eingewechselte Brandstetter eine glänzende Kombination über Möhwald und Wiegel zur Erfurter Führung einköpfte.

In der Logik dieses chancenarmen Spiels hätte es gelegen, dass dieser einsame fußballerische Gipfel für einen Dreier genügt. Leider stand dem die zwingendere Logik einer obskuren Erfurter Fußballtradition entgegen: Unaufmerksamkeit nach eigenen Toren. Bereits nach dem direkten Wiederanstoß schlief Judt den berühmt-berüchtigten Juri-Schlaf. Leider kennt man diese Konzentrationsschwächen von ihm zur Genüge, hauptverantwortlich dafür, dass seine bisherige Karriere weit unter seinen fußballerischen Fähigkeiten verläuft. Das ging zunächst noch einmal gut, er wurde – Fußball ist oft ein ironischer Sport – von Kleineheismann zusammengefaltet. Ein paar Minuten später traf unser Innenverteidiger ins eigene Netz. Es gibt Eigentore, bei denen man dem Verursacher nicht wirklich einen Vorwurf machen kann. Der Ausgleich gestern zählt nicht dazu.

Wiewohl Kleineheismann natürlich wieder mal nur am Ende einer Fehlerkette stand. Los geht es eigentlich schon bei Tyrala, der bei der Hereingabe von der rechten Rostocker Seite viel zu weit wegsteht von seinem Gegenspieler; dann gewinnt Judt einen Zweikampf, aber Möckel kann den Ball nicht klären und am Ende kickt eben Kleineheismann eine eigentlich harmlose Hereingabe ins eigene Tor. Manchmal denke ich: Sic transit gloria mundi (so vergeht der Ruhm der Welt) ist das eigentliche Motto des Erfurter Fußballs. Natürlich ist das Unentschieden gerecht, schon allein, weil eigentlich keiner der beiden Mannschaften gestern drei Punkte verdient gehabt hätte. Aber seien wir ehrlich, gestern hätten wir gut mit dieser im universalen Maßstab vergleichsweise kleinen Gerechtigkeitslücke leben können.

Gesicherte Angaben zum Spielsystem liegen Stand jetzt noch nicht vor. Wieder mal herausragend verwirrend die Grafik des mdr-Spielberichtes, mit einer taktischen Formation, die man in Leipzig vermutlich vom kleinen Bruder des Praktikanten hat zusammenwürfeln lassen. Wenn man schon keine Ahnung hat, steht einem ja offen, das Spielsystem bei den Verantwortlichen zu erfragen – man nennt es Journalismus.

Nach allen was mir an Informationen und Bildern vorliegt, würde ich mal mit einiger Sicherheit von einem 4-1-4-1 ausgehen. Mit Menz auf der zentralen defensiven Position im Mittelfeld, davor die beiden Achter Tyrala und Möhwald, Bukva und Eichmeier auf den beiden Außenpositionen und Falk als einziger Spitze. Werden wir – je nachdem wie Kogler den Fitnesszustand von Brandstetter einschätzt – möglicherweise am Dienstag gegen den VfB noch einmal zu sehen bekommen. Wie es in dieser Systemfrage (ein oder zwei Mittelstürmer) weitergeht, wird interessant zu verfolgen sein. Ich habe da keine besondere Präferenz, für mich ist es wichtiger, dass die Passgenauigkeit und die darauf aufbauende Variabilität des Offensivspiels peu à peu besser wird.

Letzten Samstag hat nicht viel zu einem Punkt gefehlt, gestern trennten uns nur drei Minuten vom ersten Sieg. Die Hoffnung auf drei Punkte am Dienstag ist also nicht völlig abwegig. Das wird schwer genug gegen die bereits jetzt unter Druck stehenden Talente des VfB Stuttgart. Gelingt es, kann man aber mit einiger Berechtigung von einem halbwegs gelungenen Start in die neue Saison sprechen. Von einem, auf dem sich aufbauen lässt.

Last but not least bleibt zu hoffen, dass sich unser Kapitän nicht so schwer verletzt hat, wie es die ersten Bilder und Nachrichten vermuten ließen. Gute Besserung, André Laurito!

Rot-Weiß Erfurt vs. MSV Duisburg 1:3

Zwei Spiele, zwei Niederlagen. Da bereits enden die Gemeinsamkeiten zwischen dem unglücklich verlorenen Spiel in Leipzig und der gestrigen Heimpleite gegen den MSV Duisburg. Es war zu erwarten, dass es Rückschläge in der Entwicklung der Mannschaft geben würde. Was verstörte, war die Art und Weise wie die Rot-Weißen über weite Strecken der Partie agierten bzw. eben nicht agierten: konzept- und zunehmend auch mutlos fügte man sich der Überlegenheit des Gegners, der selbst in Unterzahl stets das deutlich bessere Team war. Das Gebotene erinnerte fatal an die Serie der Heimspielniederlagen, die der Entlassung Stefan Emmerlings vorausgingen. Die sportliche Leitung und die Mannschaft sind gefordert, dass sich diese Abwärtstendenz nicht verstetigt. Dafür bietet sich gegen die bisher herausragende Mannschaft der Liga, den SV Wehen Wiesbaden, bereits am Dienstag eine ambitionierte Gelegenheit.

Der MSV war perfekt eingestellt und individuell überlegen

Als Karsten Baumann in Erfurt war, hielt sich meine Begeisterung für seine Arbeit in engen Grenzen. Es war allerdings seine erste Station als Übungsleiter und seitdem hat er offensichtliche Fortschritte gemacht. Jedenfalls hatte er die Spielweise des RWE sehr gut analysiert und seine Mannschaft demgemäß justiert. Es ist ein Grundproblem des von Kogler derzeit präferierten 4-4-2, dass der Weg des Balles zu den beiden Spitzen sehr beschwerlich werden kann, wenn der Spielaufbau über das zentrale Mittelfeld konsequent unterbunden wird, weil schon eine numerische Unterzahl an Mittelfeldspielern existiert. Mit geschicktem, gut abgestimmtem, meist passivem Pressing gelang Baumanns Offensivreihe genau das: Pfingsten-Reddig und Engelhardt als Aufbauspieler komplett aus dem Spiel zu nehmen. Die Folge waren viele lange Bälle auf die Erfurter Stürmer. Einige davon kamen an, die meisten wurden Beute der Meidericher Abwehrspieler. Wenn die Bälle aus der Erfurter Abwehr einen der Zielspieler Brandtstetter, Nielsen oder Öztürk fanden, dann waren sofort mindestens zwei Verteidiger des MSV zur Stelle. Bei Nielsen bedeutete dies in der Regel den sofortigen Ballverlust. Brandstetter und Öztürk versuchten – was in den Spielen zuvor zuweilen Erfolg zeitigte – sich im Eins-gegen-Eins durchzusetzen. Bis auf eine Ausnahme (die zur Roten Karte gegen Bollmann führte) blieben meist die Duisburger Sieger. Mehr noch, Ballverluste in der RWE-Offensive nutzte der MSV zu ungemein zielstrebigen, konzentrierten Kontern. Das Angriffsspiel des RWE erwies sich an diesem Samstag als One-trick-Pony: die individuellen Stärken der Angreifer wurden neutralisiert; ein kollektives, kombinatorisch angelegtes, fluides Offensivspiel war inexistent. Hinzu kamen individuelle Aussetzer in allen Mannschaftsteilen, an denen viele Spieler beteiligt waren, Möckel leistete sich nur die folgeschwersten.

Wobei man an dieser Stelle ruhig mal darauf hinweisen sollte, dass der MSV Duisburg mitnichten mit einer planlos zusammengestellten Resterampe in diese Drittligasaison gestartet ist. Zwar entkam der Traditionsverein nur knapp dem Absturz in die Regionalliga, doch das sportliche Mastermind der Duisburger, Ivica Grlic, gelang es trotzdem, einen fußballerisch mehr als wettbewerbsfähigen Kader zusammenzustellen. Das sah man gestern im Steigerwaldstadion auf dem Platz und das lässt sich ebenfalls dem durchschnittlichen Marktwert aller Spieler der jeweiligen Startaufstellung entnehmen: 210.000 Euro beim RWE, 340.000 Euro beim MSV.

Das 0:2 zur Halbzeit war nur das folgerichtige Ergebnis dessen, was auf dem Platz zu sehen war.

Bessere, aber nach wie vor ungenügende 2. Halbzeit des RWE

Kogler reagierte ebenso folgerichtig wie erstaunlich. Zum einen erstaunte es, dass er nach der Pause noch 13 Minuten benötigte, um festzustellen, dass Morten Nielsen in diesem Spiel nichts mehr bewirken würde. Für ihn kam Stolze, der zumindest eine Tormöglichkeit hatte, aber an Lenz scheiterte. Weniger Geduld brachte Kogler gegenüber seinem Kapitän Pfingsten-Reddig auf, den ersetzte er im zentralen Mittelfeld bereits zu Pause durch Möhwald, dessen Position auf der rechten Seite vom eingewechselten Strangl übernommen wurde. Möhwald hatte gemeinsam mit Engelhardt in Leipzig zentral sehr gut gespielt. In der 1. Halbzeit gegen Duisburg war er auf der rechten Seite völlig isoliert, weil er so gut wie keine brauchbaren Zuspiele bekam. Von diesem Wechsel in der Mittelfeldzentrale versprach sich Kogler schlichtweg mehr Durchsetzungsvermögen in dieser Zone des Spielfeldes. Diese Hoffnung wurde nur bedingt eingelöst. Der MSV verteidigte nun deutlich tiefer, überließ dem RWE einfach die Hoheit im Mittelfeld und lauerte auf Kontermöglichkeiten. Erfurt versuchte jetzt mit geduldigem Passspiel die Abwehr des MSV auseinander zu ziehen, aber dafür fehlte es meist an Präzision und an der nötigen Geschwindigkeit. Anders ausgedrückt: sobald Geschwindigkeit in die Aktionen kam, fehlte es diesen an Genauigkeit. Apropos Geschwindigkeit. Es kam, wie es kommen musste: Nach einem Hochgeschwindigkeitskonter des MSV erzielte der überragende Onuegbu das dritte Tor für sein Team. Dabei sah Engelhardt beim Antritt des eingewechselten Zoundi bemitleidenswerterweise aus wie ein Bobby Car gegen einen 911er Porsche.

Der nie aufsteckende Brandstetter sorgte noch für eine Ergebniskosmetik und in einem mdr-Interview wohl auch für akuten Gesprächsbedarf innerhalb der Mannschaft, indem er die Einstellung seiner Kollegen kritisierte. Das alles sollten sie umgehend klären, denn viel Zeit bleibt nicht, bis am Dienstag der SV Wehen Wiesbaden hier aufschlägt. Ich möchte nicht schon wieder erleben, dass mir Philipp Klewin richtiggehend leidtut. Er hielt, was es zu halten gab und war ansonsten die ärmste Sau auf dem Platz.

Näherung an die Startelf gegen die Stuttgarter Kickers / V1.1

Ich hatte ja versprochen, dass ich je nach Nachrichtenlage, Vorbereitungsspielen, Pressemeldungen und sonstigem Gedöns hier ab und an über die aus meiner Sicht wahrscheinlichste Startformation des RWE am ersten Spieltag spekuliere.

Nun, es haben sich harte Fakten auf einer Position ergeben: Andreas Sponsel verlässt den Verein, um in Bayreuth Sport zu studieren und nebenbei noch ein bisschen in der fünften Liga zu kicken. Über die Verdienste von Andreas Sponsel ist in den letzten Tagen alles geschrieben worden, jegliches davon ist richtig. Ich kann seine Entscheidung gut nachvollziehen, schließlich ist Ex-Fußballprofi kein Beruf, auch wenn das einige bemitleidenswerte Gestalten a la Helmer, Strunz und Basler anders sehen. Über den Zeitpunkt der Entscheidung lässt sich diskutieren, aber dem Verein bleiben noch knappe drei Wochen um einen Ersatz für Sponsel aufzutreiben – wobei ich natürlich hoffe, dass die Verpflichtung möglichst zeitnah geschieht. Ich traue mir momentan kein Urteil darüber zu, ob Klewin bereits die Stabilität aufweist, um als Stammtorhüter in eine Profisaison zu starten. Bis zur Verpflichtung eines neuen Torwarts gehe ich einfach mal davon aus. Den heute verpflichteten Okan Derici werde ich mir gegen Brentford anschauen. Mit einigen Erwartungen.

Abgesehen von der Personalie Sponsel bleibe ich vorerst bei der Version 1.0 meiner Startelf-Annäherung.

Evtl. Startelf des RWE 1. Spieltag Saison 13/14 – Version 1.1 / 01.07.2013

Mit dem grünen Pfeil werden Änderungen zur vorhergehenden Version gekennzeichnet, in diesem Fall also nur Klewin gegen Sponsel. Große Unsicherheit bezüglich einer Personalie wird durch den Kegel angezeigt. Wobei sich in der Abwehr die von Anfang an vermutete Formation stabilisiert, darauf weisen die Testspielaufstellungen gegen Baunatal und Schweinfurt hin. Hier ist wohl allein die Frage: Kleineheismann oder Möckel. Engelhardt, Pfingsten-Reddig und Möhwald halte ich ebenfalls für gesetzt. Auf den beiden offensiven Außenbahnen scheinen sich momentan Strangl, Öztürk und Fillinger einem Wettbewerb um die Gunst von Walter Kogler zu liefern. Gleichermaßen macht die Mittelstürmer-Entscheidung zwischen Brandstetter und Tunjic den Eindruck völliger Offenheit. Von dem bevorstehenden Spiel gegen Brentford verspreche ich mir vor allem eindeutige Hinweise auf das von Kogler bevorzugte Spielsystem. 4-1-4-1, 4-2-3-1, oder vielleicht doch ein 4-4-2 – am Samstagabend wissen wir mehr.

Bis dahin – bleibt mir gewogen.

SV Babelsberg vs. RWE 1:1 / Bockwurst statt Foie gras

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Meine Instinkte scheinen sich nicht mehr vor einem Abstieg des FC Rot-Weiß Erfurt zu fürchten. Anders kann ich mir nicht erklären, warum der wichtige Punktgewinn in Babelsberg bei mir mehr Verdruss als Erleichterung hervorrief. „Sei doch froh, wieder ein Armzug mehr zum rettenden Ufer hin“, warb mein präfrontaler Cortex um Vernunft. Vergeblich – wie so häufig. Ich war enttäuscht und wusste gleichzeitig, dass diese Emotion ungerecht und irgendwie auch blödsinnig war. Ich habe hier ja selbst oft genug geschrieben, dass wir in dieser Saison von der Mannschaft keine fußballerischen Delikatessen zu erwarten haben. Bockwurst statt Foie gras, so lautet nun mal das frugale Menü dieser Spielzeit.

Vielleicht lag es ja auch an der Aufstellung von Alois Schwartz. Meinem Erwarten zuwider verzichtete er auf einen dritten zentralen Mittelfeldspieler. Oumari verblieb in der Innenverteidigung und Kopilas auf der Bank. Die Analyse der Babelsberger Offensiv(un)fähigkeiten erwies sich als richtig. Auch in dieser offensiver angelegten Formation hatte der RWE die Babelsberger Angriffsbemühungen über die gesamte Spielzeit unter Kontrolle. Das Gegentor – nach einem Standard – entkräftet diese Aussage nicht. Nach dem Spiel gegen Aachen war ich zudem zuversichtlich, was eine weitere Steigerung des rot-weißen Offensivspiels betrifft. Dieser Optimismus war unbegründet. Leider. Dabei hätte es gar nicht besser laufen können. Der RWE geht – glücklich – in Führung. Babelsberg darf dieses Spiel nicht verlieren, erhöht in der zweiten Halbzeit den Druck (oder versucht es zumindest), Räume so groß wie das Dekolleté von Barbara Schöneberger tun sich auf und der RWE mach daraus: Nichts! Oder, besser, weil richtiger und fairer: fast nichts. Ein ums andere Mal werden die Konter nur halbherzig oder ungenau (nicht) zu Ende gespielt. Den Beweis zu erbringen, dass Mijo Tunjic kein Konterstürmer ist, dazu hätte es dieses Spiels nicht auch noch bedurft. Allein – Morabit, Möhwald und Öztürk machten es nicht viel besser, gleiches trifft auf die meist nicht wirklich geglückte Spieleröffnung von Engelhardt und Pfingsten-Reddig zu. Völlig konträr verhält es sich mit der Einordnung der defensiven Leistung der gesamten Mannschaft – die war über weite Strecken der Spielzeit erneut tadellos.

Wir werden – sehr wahrscheinlich – auch in der nächsten Saison Drittligafußball in Erfurt sehen, womöglich sogar erleben. Dies verdankt sich in erster Linie einer Entscheidung, die Alois Schwartz relativ schnell nach seiner Verpflichtung getroffen haben muss und die in etwas abgewandelter Form einer alten Sport-Weisheit folgt: Der Angriff gewinnt Spiele, die Defensive vermeidet den Abstieg. In die Umsetzung dieser Erkenntnis hat der Cheftrainer des RWE viel Arbeit investiert. Dazu nur eine Statistik: Nach 14 Spielen der Hinrunde hatte der RWE bereits 27 Gegentore zu verzeichnen, nach ebenso vielen Spielen der Rückrunde sind es ganze 14. Ausschlaggebend dafür sind drei Faktoren:

  • Das Defensivverhalten der Mannschaften wurde im Verbund verbessert. Dies betrifft sowohl die Laufbereitschaft der Angreifer als auch deren taktisches Verhalten beim Pressing. Was am Anfang der Saison noch häufig unabgestimmt aussah, wirkt jetzt homogen und ist sehr effektiv. Sobald der RWE in der Hälfte des Gegners aggressiv presst, haben ausnahmslos alle Mannschaften der 3. Liga Probleme einen strukturierten Spielaufbau zu initiieren.
  • Vor allem gegen offensivstarke Mannschaften war es sinnvoll, einen dritten zentralen Mittelfeldspieler zu installieren. Diese Position wurde zumeist von Oumari besetzt, der sie in der Regel so ausgestaltete, dass er bei eigenem Spielaufbau deutlich tiefer als Engelhardt und Pfingsten agierte, quasi als deren Absicherung. Sobald der RWE tief in der eigenen Hälfte stand, reiht sich Oumari stabilisierend in die Viererkette ein. Marco Engelhardt interpretierte es ähnlich, vielleicht einen Tick offensiver. Diese Taktik ging nur einmal völlig schief, im verlorenen Heimspiel gegen Saarbrücken, als sich Maik Baumgarten auf der Position (noch) überfordert zeigte.
  • Die nach Saisonbeginn getätigten Verpflichtungen von Möckel und Kopilas erwiesen sich schnell als Gewinn. Bei aller – berechtigten – Kritik an der Transferpolitik des Vereins sollte dies nicht unerwähnt bleiben. Beide sind grundsolide Innenverteidiger, die nur wenige Fehler machen und gerade bei hohen Bällen für deutlich mehr Sicherheit sorgen, als dies noch am Anfang der Saison der Fall war.

Die Arbeit von Alois Schwartz sieht man sowohl dem Spiel der Mannschaft als auch der Tabelle an. Viel positiver kann die Bilanz eines Trainers kaum ausfallen, der eine Mannschaft übernommen hat, die desaströs in die Saison gestartet war. Da werde ich damit leben müssen, dass sich mein Unterbewusstsein besseren, schöneren, eleganteren Fußball wünscht. Fuck off, Freud!

Und nun geht’s raus und gewinnt endlich diesen verdammten Pokal.

Arminia Bielefeld vs. FC Rot-Weiß Erfurt 2:0 / Kein Almtraum

Noch einer der besten RWE-Spieler: Maik Baumgarten © fototifosi.de

Das war in jeder Hinsicht ein Rückschritt im Kampf um den Ligaverbleib. Der RWE begann solide, was sich aber als wertlos herausstellte. Die Arminia benötigte 20 Minuten um nach den personellen Umstellungen ihre Ordnung zu finden, war dann jedoch die restlichen 70 Minuten die eindeutig bessere Mannschaft. Schade, dass Möckels Fallrückzieher in der achten Minute nicht den Weg ins Tor fand. Rückblickend betrachtet, wäre eine frühe Führung des RWE wohl die einzige Möglichkeit gewesen, auf der Bielefelder Alm etwas mitzunehmen. Alois Schwartz vertraute derselben Mannschaft wie im Heimspiel gegen Osnabrück. Allein, das Auftreten des Teams war ein völlig anderes. Ich würde sagen, dass dieses Spiel da verloren wurde, wo Spiele fast immer gewonnen oder verloren werden: im Mittelfeld. Was im letzten Spiel taktisch gut funktionierte, ging dieses Mal völlig daneben. Die Arminia wich dem kompakten zentralen Mittelfeld des RWE geschickt aus und legte ihr Spiel konsequent über beide Flügel an. Dort und auf den Halbpositionen wurde ständig Überzahl hergestellt. Damit hatte sich Arminia-Trainer Krämer einen klugen Matchplan zurechtgelegt, und seine Mannschaft war in der Lage diesen – nach anfänglichen Problemen – umzusetzen. Augenfälliger Unterschied: Das Spiel der Arminia war strukturell darauf angelegt, Angriffe über die Außenpositionen vorzutragen. Beide Außenverteidiger standen sehr hoch, hielten konsequent die Außenlinie und verliehen dem Spiel ihrer Mannschaft auf diese Weise sowohl Tiefe als auch Breite. Gemeinsam mit dem ballnahen Sechser und oft unterstützt von einem abkippenden Stürmer ergaben sich so immer wieder Passdreiecke, die der RWE nicht zustellen konnte. In Folge waren Möckel und Oumari oft genötigt herauszurücken, was gravierende, teils scheunentorgroße Lücken in die RWE-Abwehr riss.

Und dann sah man auch sofort, warum der RWE da steht, wo er tabellarisch momentan zu finden ist. Sobald die Mannschaft defensiv unter Druck gerät, sinkt die Passqualität dramatisch. Angefangen bei den in der letzten Woche (zurecht) hochgelobten Routiniers Engelhardt und Pfingsten-Reddig, bis hin zum Mittelstürmer, die Bälle wurden reihenweise hektisch verschludert. (Am besten gefiel mir noch Maik Baumgarten.)

Eine Niederlage in Bielefeld ist kein Beinbruch, und niemand durfte damit rechnen, dass der RWE eine nicht enden wollende Siegesserie startet. Allerdings, die weitgehende Chancenlosigkeit in diesem Spiel war ernüchternd. Ich hätte mir gewünscht, dass Schwartz bereits zur Halbzeit personell, vor allem aber taktisch umstellt. Das ist unterblieben. Jedoch muss man dem Trainer zugute halten, dass er sich bessere Außenverteidiger nun Mal nicht schnitzen kann. Diese seit langem bekannte, offensichtliche Qualitätslücke nicht längst geschlossen zu haben (ja, es nicht mal versucht zu haben), ist und bleibt kein Glanzstück der hierfür Verantwortlichen. Die nächsten Wochen werden bretthart, der Druck auf die handelnden Protagonisten wächst.

Optimistischere Schlussworte wollen mir heute partout nicht in den Sinn kommen. Totzdem, an alle Karnevalisten: Helau, Alaaf und so.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. VfL Osnabrück 2:1 / Die Stunde der Veteranen

Sekunden vor der Entscheidung: Nielsen wartet auf Engelhardt © fototifosi.de

Er ist noch nicht fit genug, um 90 Minuten Drittligafußball spielen zu können. Sobald er es aber ist, werden die Anhänger des FC Rot-Weiß Erfurt noch viel Freude an ihm haben. Die Rede ist von Morten Nielsen, dem dänischen Neuzugang. Woher ich das weiß? Nun, ich weiß es natürlich nicht wirklich. Sagen wir, es ist eher so eine Ahnung. Das geht doch jedem zuweilen so; man sieht einen Spieler und denkt sofort: Das passt! Ist aber schon länger her, dass sich bei einem neuen RWE-Spieler diese Ahnung einstellte. Lässt sich in diesem Fall sogar exakt datieren – auf den 12.07.2011, als Smail Morabit im Testspiel gegen Werder Bremen am Steigerwald debütierte.

Mir hat die Vorbereitung des Siegtreffers durch den Dänen sehr imponiert, vor allem wegen der Dinge, die Morten Nielsen nicht tat. Als er den Ball von Morabit in den Fuß gespielt bekommt, wird er nicht hektisch. Er versucht des Weiteren nicht, nach innen zu ziehen und selbst zu schießen, genauso wenig probiert er es mit einem Alibizuspiel auf die beiden im Strafraum befindlichen, jedoch abgedeckten, Mitspieler. Während in der Szene alle anderen beteiligten Spieler nur auf den Ball starren, hat er den Kopf oben, sieht Engelhardt heranstürmen, verzögert kurz und legt das Spielgerät exakt in den Raum des Spielfeldes, der für den VfL in diesem Moment nicht zu verteidigen ist. Marco Engelhardt vollendet mit einem der spektakulärsten Tore der jüngeren Erfurter Fußballgeschichte. Selten war ein Sieg so verdient und zugleich so überlebensnotwendig – wie die Resultate einiger Konkurrenten um den Ligaverbleib zeigen sollten.

Das alles war um 13.59 Uhr nicht absehbar. Zur Liste der langzeitverletzten, rekonvaleszenten und gesperrten RWE-Spieler gesellte sich kurzfristig noch Dominick Drexlers Name. Ich war nicht amused. Alois Schwartz wohl ebenfalls nicht – er war zu massiven personellen Umbauten seiner Startelf gezwungen. Was er nicht veränderte, war die taktische Grundordnung. Engelhardt übernahm die defensive Position im zentralen Mittelfeld von Oumari  – der für den gesperrten Kopilas in die Innverteidigung rückte. Neben Pfingsten-Reddig spielte Baumgarten – und der Youngster machte seine Sache ausgesprochen gut. In welche taktische Notation lässt sich die Formation des RWE eigentlich fassen? Nun ja, der eine sagt so, der andere so. Für transfermarkt.de war es ein 4-2-3-1, für den Kicker ein 4-3-3. Der Kicker hat mehr recht. In der offensiven Ordnung ist es eindeutig ein 4-1-4-1. Engelhardt (oder Oumari) spielen absichernd zwischen den zwei Viererketten. Das erlaubt es Nils Pfingsten-Reddig in der Vorwärtsbewegung viel höher zu agieren (quasi als Mischung aus Achter und Zehner), wovon das Angriffspiel des RWE am Samstag ungemein profitierte. Das verlangt unserem Kapitän jedoch einen enormen läuferischen Aufwand ab, da er sich bei Ballverlusten schnell nach hinten orientieren muss. Dann wird aus dem 4-1-4-1 ein System mit drei Sechsern, eben jenes vom Kicker erkannte 4-3-3. Die Taktiknerds sprechen in solchen Fällen von einer Hybridformation. Fußball hat schon lange aufgehört ein einfaches Spiel zu sein.

Nach der frühen Führung des VfL zeigte sich schnell, dass der RWE im Winter 2013 nicht mehr die Mannschaft des ersten Saisondrittels ist. Von Panik und Ratlosigkeit keine Spur. Stattdessen wurde kämpferisch und fußballerisch alles unternommen, um sofort zurück ins Spiel zu finden. Pfingsten-Reddigs Können und Abgebrühtheit bei Elfmetern beginnt, historische Dimensionen anzunehmen. Bei nächster Gelegenheit mache ich mir mal die Arbeit, die besten Trefferquoten im deutschen Profifußball auszurechen – da ist er von der Spitze nicht mehr sehr weit weg, wenn überhaupt. Wie wichtig es ist, Elfmeter zu variieren, vor allem aber konzentriert zu schießen, konnte man sich am Sonntag bei Blaszczykowskis zweitem Elfmeter anschauen. Der verlässt sich immer darauf, dass er den Torhüter «ausguckt». Wenn dies nicht gelingt – und der Torwart in die richtige Ecke springt, dann hält er ihn oft auch, weil die Qualität des Schusses miserabel ist. Ganz anders bei Pfingsten-Reddig: Kein Keeper der Welt hält diesen Ball – scharf, hoch, platziert in die linke Torwartecke. Ein Weltklasse-Strafstoß.

Wenn der VfL Osnabrück gefährlich vor das von Sponsel gut gehütete Tor des RWE kam, dann war fast immer ein Spieler beteiligt, der bis Juni noch im Trikot der Erfurter auflief – wenn er denn mal auflief. Und den man dann sang- und klanglos aus seinem noch laufenden Vertrag gen Osnabrück ziehen ließ. Gaetano Manno wird in dieser Saison bei der Rangliste von kicker.de als notenbester Stürmer (und insgesamt zweitbester Feldspieler) der 3. Liga geführt. Warum das so ist, konnte am Samstag sehen, wer es sehen wollte. Nach der letzten Saison wurden viele Fehler gemacht, einer der größeren war, sich in der Einschätzung der fußballerischen Wertigkeit eines Gaetano Manno grundsätzlich geirrt zu haben.

Die Absenz von Kopilas merkte man nicht nur der RWE-Abwehr an, seine physische Präsenz fehlte auch bei Standards in der gegnerischen Hälfte, die allesamt von der VfL-Abwehr problemlos entsorgt wurden. Oumari agierte ungewohnt fahrig, Möckel solide, leistete sich allerdings einige Fehler im Spielaufbau. Die größte Baustelle der Mannschaft von Alois Schwartz bleibt die rechte defensive Außenbahn. Ofosu-Ayeh wusste zwar durchaus in der Offensive in einigen Szenen zu gefallen, kam mit Manno aber überhaupt nicht klar, was dessen starke Leistung natürlich noch zusätzlich animierte. Czichos spielte unauffällig, was ich als Kompliment verstanden wissen möchte. Thomas Ströhl ist für mich die größte positive Überraschung der bisherigen Saison. Mit seinem Comeback im Profifußball hatte ich nicht mehr gerechnet. Aber, ich bin ja nicht der Vatikan, hier werden Urteile schon mal nach weniger als tausend Jahren revidiert. Schade, dass er nicht wenigstens eine seiner beiden Großchancen nutzen konnte. Bei der Zweiten (nach kluger Vorarbeit Ofosus) sah man allerdings, dass sein rechter Fuß exklusiv dafür gut ist, nicht umzufallen.

Doch dieser Text soll nicht als gebloggte Krümelkackerei enden. Unterm Strich war es ein großartiger Sieg des RWE über einen starken Gegner. Wenn die Mannschaft sich weiter so entwickelt, dann bleibt uns vielleicht doch ein Zittern bis zum Ende erspart. Und dieser Däne, ihr werdet es erleben, wird daran einen erfreulichen Anteil haben.

Rot-Weiss Erfurt vs. Hallescher FC 2:1 / Keine Luftgitarre

Das war eine gute Woche für den Fußballclub Rot-Weiß Erfurt. Erst wurde Präsident Rolf Rombach mit einem erstaunlichen Resultat im Amt bestätigt. Dann bestätigten die angestellten Kicker ihren Willen und ihre Fähigkeit, den Verein in der 3. Liga zu halten. Am Verdienst dieses Sieges gegen den Halleschen FC sind Zweifel unangebracht, selbst wenn er am Ende glücklich zustande kam.

Ich war sehr gespannt, wie RWE-Trainer Alois Schwartz mit dem Ausfall Morabits und dem personellen Überangebot überzeugend spielender Innenverteidiger umzugehen gedachte. Er ließ sich etwas Überraschendes einfallen: Oumari wurde als rein defensiver Sechser aufgestellt, während Pfingsten-Reddig und Engelhardt deutlich davor agierten. Mittels Oumaris Absicherung sollten sie mehr Druck nach vorn entfalten, um auf diese Weise Morabits Ausfall zu kompensieren. Das gelang zufriedenstellend. Oumari merkte man nicht an, dass er diese Position zum ersten Mal spielte, er gewann viele Zweikämpfe und leistete sich nur wenige Abspielfehler. Nach Ströhls Auswechslung stellte er seine Polyvalenz endgültig unter Beweis, als er für diesen auf die linke Seite der Viererkette wechselte. Engelhardt und Pfingsten-Reddig schlugen manchen klugen Pass nach vorne, leisteten sich aber auch das ein oder andere nicht ungefährliche Fehlabspiel. Aber der HFC war am Samstag nicht die Mannschaft, dies verwerten zu können. Ich wette darauf, dass wir diese Aufstellung im Mittelfeld, taktisch wie personell, nicht zum letzten Mal gesehen haben.

Ofosu-Ayeh verbrachte auf der rechten Abwehrseite einen ruhigen Nachmittag, was er leider nicht für eine aktivere Rolle im offensiven Flügelspiel zu nutzen wusste (oder durfte). Wenn der HFC über die Außen kam, dann mit dem sehr gefälligen Lindenhahn auf der anderen Seite. Dort hatte Ströhl große Mühe den quirligen Angreifer zu kontrollieren. Er wurde allerdings auch oft allein gelassen. Möckel und Kopilas absolvierten ihre defensiven Aufgaben routiniert und waren bei quasi allen eigenen Standards in der Hälfte des HFC präsent. Diese Präsenz sollte am Ende spielentscheidend werden. Tunjic zeigte sich deutlich verbessert. Es gelang ihm, einige Bälle im Angriff zu behaupten und zu verteilen. Er leistete sich nur wenige leichte Abspielfehler. Leider blieb ihm ein Tor versagt. Ganz ohne Zweifel war dies einer der besten Auftritte von Mijo Tunjic im Trikot des RWE.

Eines wird zudem immer offensichtlicher. Alois Schwartz baut auf Standards. Wir haben am Samstag 10 Ecken zugesprochen bekommen, gut die Hälfte davon war von brauchbarer Qualität. Das ist – gemessen an der Vorsaison – ein guter, fraglos aber noch steigerungsfähiger Wert. Doch die Qualität der Eingaben ist das eine, die Qualität der potenziellen Abnehmer ist mindestens ebenso relevant. Und hier hat sich gewaltig etwas zum Besseren verändert. Allein die körperliche Präsenz von Möckel, Kopilas und Oumari im gegnerischen Strafraum ist beeindruckend. Kein Zufall, dass dem Siegtor ein gewonnener Kopfball von Möckel vorausging, der (über kleine Umwege) Öztürk den Ball vor die einschussbereiten Füße geraten ließ und den Fans des RWE einen versöhnlichen Abschluss dieses aufgeregten und aufregenden Fußballjahres bescherte.

Ich wünsche Euch und Euren Familien ein richtig schönes Weihnachtsfest und einen rundum gelungenen Start ins Neue Jahr. Je nach persönlichem Temperament: besinnlich, fröhlich oder knallig laut.

Bedanke möchte ich mich für die Treue aller Leser dieses Blogs und die durchweg positive, sehr freundliche Resonanz. Bleibt mir gewogen.

Fedor Freytag

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