In einem Artikel der TA von heute (online bisher nur hinter einer Bezahlschranke lesbar) offenbart Michael Keller die desaströse Sicherheitssituation im umgebauten Steigerwaldstadion. Der Text zitiert u.a. Äußerungen der Erfurter Beigeordneten Kathrin Hoyer, die ich, beginnend mit ein paar grundsätzlichen Bemerkungen, wie folgt kommentieren möchte:
Die neue Arena existiert nur, weil der Verein Rot-Weiß Erfurt, namentlich sein Präsident Rolf Rombach, jahrelang Druck auf alle politischen Entscheidungsträger der Stadt Erfurt und des Landes Thüringen ausgeübt hat.
Nach lange währender Untätigkeit verdankte sich die Finanzierung des Umbaus nahezu zu 100 Prozent dem genialen Coup des damaligen Wirtschaftsministers Matthias Machnig. Bei einer Fremdfinanzierungsquote von fast 90 Prozent lag der Stadt Erfurt ein Angebot vor, das sie nicht ablehnen konnte. (Was die Stadträte allerdings nicht davon abhielt, es trotzdem fast noch zu vermasseln.)
Niemand hätte dieses Geld allein für Kongresse, Konzerte oder sonstigen Klamauk organisiert. Gut und wichtig, dass es all dies gibt, aber ohne die Hartnäckigkeit des Vereins Rot-Weiß Erfurt wäre es an diesem Ort schlichtweg inexistent.
All das weiß Frau Hoyer selbstverständlich. Was sie nicht davon abhält, folgenden Satz der Welt zur Kenntnis zu geben: «Wir hatten nämlich nicht den Auftrag Alcatraz zu bauen, sondern eine Arena, die auch für Fußball funktionieren soll.» Auch für Fußball! Damit negiert Frau Hoyer grandios (und bewusst) alle Zusammenhänge, die der Stadt Erfurt den Umbau des maroden Stadions überhaupt erst ermöglichten.
Aber das ist nur eine Petitesse, verglichen mit der Ignoranz gegenüber allen Warnungen die mangelnden Sicherheitsstandards betreffend. Die Tore sind nicht aus Versehen nicht massiv genug, der Schutt (inklusive Steinbrocken) liegt nicht aus Leichtfertigkeit hinter den Fankurven – sondern weil Kathrin Hoyer das für richtig, weil ausreichend hielt. Sie gibt gegenüber der TA offen zu, dass die Einsparungen bei der baulichen Sicherheit durch ein Mehr an Sicherheitspersonal vom Verein auszugleichen seien. Für den ist das ruinös. (Aussage Rombach: 20.000 Euro pro Heimspiel. – Anmerkung FF: Wie soll man das bei unseren Zuschauerzahlen refinanzieren?)
Aber selbst 152 Ordner plus Polizei konnten die Ausschreitungen nicht verhindern. Wie auch. Sie können das konzeptionelle Komplettversagen der Sicherheitsarchitektur allenfalls provisorisch kompensieren, wie man am Anfang dieses Videos eindrucksvoll besichtigen kann. Man könnte sagen, sie halten ihre Knochen hin, damit Frau Hoyer bei Sekt und Häppchen die Peggy Guggenheim des Thüringer Beckens geben kann. Ich kenne mich da nicht so aus, aber für 100.000 Euro wäre bestimmt ein massiveres Tor zu beschaffen gewesen.
Ja, es gibt in Fußballstadien zu viele Idioten. Und ja, die Vereine sind permanent gefordert, gegen die asozialen Idiotien dieser Honks vorzugehen. (Was allerdings beispielsweise bei anreisenden Gästefans schnell an praktische Grenzen stößt.) Aber Fußballstadien mit einem Hochsicherheitsgefängnis wie Alcatraz zu vergleichen, verrät viel über den geistigen Knast indem das Denken der Politikerin Hoyer beheimatet zu sein scheint. Die 99 Prozent der friedlichen Zuschauer eines Fußballspiels haben dasselbe Recht auf körperliche Unversehrtheit wie die Besucher anderer Großveranstaltungen auch. Wer das durch Unterlassung boykottiert, trägt an Ausschreitungen und ihren Folgen eine Mitschuld.