Archiv für August 29, 2011

Wilfried Mohren – der Hegel des Thüringer Beckens

Er hat es wieder getan. Im Stillen hatte ich die Hoffnung, dass er sich in Zukunft auf seinen Job als Pressesprecher beschränken würde. Ich hätte es besser wissen müssen. Wer ihm schon mal persönlich begegnet ist, ahnt schnell, wie tief die Kränkung sein muss, die mit dem Verlust seiner Machtposition beim MDR und der Demütigung vorbestraft zu sein einhergeht. Da wird nichts unversucht gelassen, den Gegenüber von der eigenen Großartigkeit zu überzeugen. Schwadronieren inklusive.

Ich fand es gut, dass Rolf Rombach ihm die Chance als Pressesprecher beim RWE zu arbeiten bot. Und als Pressesprecher finde ich ihn nach wie vor respektabel, er kann eine Pressekonferenz souverän, witzig und verbindlich leiten. An diesem Teil seiner Arbeit habe ich nicht das Mindeste auszusetzen.

Wären da nicht diese Kolumnen, die unter dem Titel „Mohrens Einwurf“ sporadisch auf der Webseite des RWE publiziert werden. Über ihren Inhalt lässt sich streiten, aber das liegt ja im Wesen dieser journalistischen Form. Ich finde es nie besonders sinnvoll, das schlechte Spiel einer Mannschaft einzelnen Spielern anzulasten. Das ist mir zu simpel und zu populistisch. Aber geschenkt, weil Geschmackssache. Bemerkenswert ist „Mohrens Einwurf“ vor allem wegen des Stils. Um es deutlich zu sagen: verquaster kann man über Fußball kaum schreiben.

Hier ein paar Beispiele aus seinem neuesten Erguss: Mohren – Deutsch, Deutsch – Mohren.

Am Saum des gegnerischen Strafraums endete in allen Spielen unsere Kraft, verhauchte jede Idee zur Gänze. Die Quelle aller Bemühungen war praktisch schon versiegt, sobald die Kreidestreifen sichtbar wurden.

So klingt Mohrendeutsch, wenn das Angriffsspiel des RWE kritisiert wird.

Indizien einer höheren Qualität, die wir trotz der Niederlagen in Babelsberg und Stuttgart, oder auch daheim beim 0-0 gegen Osnabrück noch offenbarten, konnten sich in Aalen nicht einmal mehr ansatzweise kristallisieren.

Gemeint ist: die Leistungen der Mannschaft wurden von Spiel zu Spiel schlechter.

Ein Stürmer, quasi wie im fußballerischen Zölibat. Einer, der sogar den erbötigsten Möglichkeiten zu entsagen wußte.

Soll heißen: Marcel Reichwein trifft das Tor nicht (mehr).

Natürlich tat der Junge einem leid, wenn er nach der x-ten vergebenen Chance mit herabhängenden Schultern, fast wie eine der traurigen Figuren des Renaissance-Künstlers Sandro Botticelli wirkend, verloren dastand.

Vorgeblich ist hier ebenfalls Reichwein Subjekt des Satzes. Aber eigentlich will uns Wilfried Mohren aufs Neue mit seiner humanistischen Bildung beeindrucken.

Olivier (Caillas, Ergänzug des Autors), ein Darstellungsvirtuose, den es beständig drängt bis ins Kleinste und Feinste mimisch zu sein  und dem seine Vollkommenheit in diesem Laster inzwischen sogar eine Art zweifelhafte Duldung eingetragen hat, braucht aber den Freiraum, die ganze Linie abzustreifen.

Ich habe nicht die geringste Ahnung was Mohren damit sagen möchte. Soll bei „die ganze Linie abzustreifen“ etwa das Hoeneßsche Verdikt vom „verschnupften Herrn Daum“ subtil anklingen?

An guten Tagen, wenn er nicht wieder zu sehr von einem gelegentlich aufflammenden späten Knabentrotz bemächtigt wird, entströmt dabei oft sehenswerte Ballkunst seinen Beinen …

Mein Lieblingssatz! Wieder zu Caillas. Erinnert mich an Thomas Mann und seine homoerotische Pein, obwohl der Knabe in diesem Fall ein 33-Jähriger Profifußballer ist.

Wenn wir zunächst bei dem Geschehen auf dem Rasen bleiben, so haben mir die Tätlichkeiten von Joan Oumari und Domink Drexler, die dem Schiedsrichter entgangen sind, überhaupt nicht gefallen.  Einem am Boden liegenden Gegner auf den Unterschenkel zu steigen, oder ihm den Ellenbogen in das Gesicht zu rammen, ist absolut nicht akzeptierbar … Wer solche Rohheit auf dem Feld anbietet, muß sich nicht wundern, wenn auch auf den Rängen  die Hemmschwelle für anständiges Benehmen sinkt.

Damit wissen wir jetzt auch wer den Mob angestachelt und die Steigerwald-Riots zu verantworten hat. Im Ernst: Was glaubt Wilfried Mohren eigentlich, wie intakt bei dieser Vergangenheit seine Glaubwürdigkeit als moralisches Gewissen des Vereins ist?

Schlußendlich habe ich mir noch den Spaß gemacht, den Mohrenschen Text einer Stil-Analyse zu unterziehen, dafür bietet sich dieses Hilfsmittel der FAZ an. Ich hätte, ohne zu zögern, kleinere Beträge auf folgendes Resultat gesetzt: Wilfried Mohren schreibt wie Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Dessen systematische Unverständlichkeit bereits Karl Popper filigran zerlegte und über den Richard David Precht meint: Er war ein lausiger Stilist.

RWE vs. Darmstadt 98 2:0 – Glück, einige Lichtblicke und viel Dresche

Das Spiel hätte nach einer halben Stunde für Darmstadt entschieden sein können, doch zwei Großchancen blieben ebenso ungenutzt, wie die Tätlichkeiten von Oumari und Drexler ungeahndet. Unser Vertrag mit Fortuna scheint zwar nur für Heimspiele zu gelten, da aber ist’s ein festes Bündnis. Nach 30 Minuten wurde es besser, ohne jemals richtig gut zu werden.

Aber es gab Lichtblicke: bei Morabit scheint die mannschaftsinterne Aussprache tatsächlich Positives bewirkt zu haben. Ich stelle mir vor, dass Rudi Zedi ihm wohl eindringlich geraten hat: Junge, mach erstmal die einfachen Dinge richtig. Jedenfalls war es genau das, was man im Spiel sehen konnte – keine Hackenpässe zur Unzeit, keine riskant-schlampigen Zuspiele in der Vorwärtsbewegung, sondern eine konzentrierte, effiziente Vorstellung, die nicht zufällig in der Vorarbeit zum zweiten Tor gipfelte. Die andere Verbesserung betraf die Standards. Im Grunde wurden durch sie das Spiel „gedreht“. Erst ein Freistoß von Caillas auf Reichwein; dessen Kopfball bot die erste Chance für den RWE. Dann die Ecke zum ersten Tor – wiederum Caillas, diesmal auf Zedi, Zimmermann kann nur nach vorn abwehren und Reichwein brachialt den Ball rein.

Mann des Spiels, da kann es keine zwei Meinungen geben: Olivier Caillas, ein Tor vorbereitet, das entscheidende zweite selbst erzielt. Coole Leistung des Franzosen.

Tja, dann waren da noch die Steigerwald-Riots während und nach dem Spiel. Der RWE hat dazu alles Notwendige mitgeteilt. In den Ultra-Foren ist die gleiche Scheiße wie immer zu lesen: die Polizei hat schuld. Und weil sie sich so schuldig fühlten, haben sich auch gleich 30 Beamte ihre Verletzungen selbst zugefügt. Es ist erbärmlich.

Palaver beim RWE & Kammlott außen vor

Sie haben geredet. Im Mannschaftskreis, ohne Trainer. Danach ging es ganz, ganz locker zu im Training. Wenn ich die Kulturgeschichte solcher Aussprachen halbwegs korrekt memoriere, dann läßt dies für das morgige Spiel gegen Darmstadt nichts Gutes ahnen. Auch die Tatsache der Veröffentlichung gibt dem Ganzen ein wenig den Anstrich frühsaisonaler Verzweiflung. Ich kann mich irren, ich möchte mich irren, allein: mir fehlt der Glaube.

Was uns momentan wirklich helfen würde: eine Rückkehr Carsten Kammlotts nach Hause ins Steigerwaldstadion (Steigerwaldstadion werde ich in diesem Blog zukünftig ganz häufig schreiben, jedenfalls so lange es noch geht und dieser Flecken Erde – getränkt mit Myriaden Litern meines Herzbluts – noch so heißt und eben nicht Glückskeks-Arena oder wie auch immer). Kammlott – ich schlage Dietrich Mateschitz folgenden Deal vor: er leiht uns den deprimierten Bankdrücker zurück. Das nennt man wohl ein Leaseback. Die Leihgebühr wird nach der Saison mit der Steigerung des Marktwertes verrechnet (der in Kammlotts Zeit bei RB um 200.000 EUR gefallen ist/Quelle: transfermarkt.de). Das sollte nach den 20 Toren mit denen er uns dann in die zweite Liga geschossen hat eigentlich kein Problem sein. Nächste Saison bekommen sie ihn mit viel Selbstvertrauen zurück und er kann unter José Mourinho den Aufstieg von RB in die 3.Liga aufs Neue angehen.

Hört sich plausibel an für meine Ohren: Herr Rombach übernehmen Sie!

Danke, Philipp!

Hitzfeld meint er sei falsch beraten, Völler ist wieder mal außer sich, Bild zündelt gekonnt und SPON findet, dass es eh wurscht ist.

Ich denke, dass wir Philipp Lahm luzide Einblicke in die Welt unseres Lieblingssports verdanken werden. Jedenfalls lassen das, die soeben vorab publizierten „Stellen“ erhoffen. Wohlgemerkt, Rudi Völler mag ich richtig gut leiden, Felix Magaths Erfolge respektiere ich einfach und Jürgen Klinsmann hat den DFB gerockt – zum beiderseitigen Vorteil. Louis van Gaal ist ein selbstgerechter und beratungsresitenter Egomane, klar,  das konnte man allerdings auch vor seiner Verpflichtung wissen. Aber auch ein Könner vor dem Herrn – oder wie anders lässt sich erklären, dass es ihm gelang, den Bayern innerhalb von 6 Monaten eine sehr erfolgreiche Variante seiner Fußballschule anzutrainieren.

Philipp Lahm beschreibt und kritisiert die Zusammenarbeit mit diesen Trainern. Und Rudi Völler tut so, als hätte er damit die Omerta verletzt: das tut man nicht, lautet der Imperativ der Zunft. Warum eigentlich nicht? Wir alle haben uns gefragt, warum die DFB-Auswahl bei der letzten EM so grottig kickte. Dafür liefert Lahm eine brauchbare Antwort: die Mannschaft war heillos zerstritten. Ich spekuliere jetzt mal und behaupte, dass genau darin auch der Grund zu finden ist, warum Jogi Löw in den Fällen Frings und Ballack derart hartleibig agierte.

Felix Magath ist der Chuck Norris des deutschen Fußballs. So lesen sich die bisher bekannten Auszüge über Deutschlands erfolgreichsten Trainer. Was Lahm hier beschreibt ist nicht wirklich ehrenrührig für Magath. Er hat aus seiner Einstellung zu heutigen Profifußballern nie einen Hehl gemacht: man muss sie nicht mögen, ja nicht einmal respektieren, um mit ihnen Erfolg zu haben. Das sich Magaths Methoden verschleißen, legt schon ein Blick auf seinen beruflichen Werdegang als Trainer nahe. So what?

Na ja, etwas erstaunlicher ist dann doch die Sache mit Klinsmann. Doch nur ein dauerlächelnder kalifornischer Fitness-Guru, ohne rechte Kenntnisse der komplexen Zusammenhänge des heutigen Fußballs? Aber auch das, seien wir ehrlich, haben wir immer schon ein bißchen vermutet. Nur Motivation allein, langt halt nicht.

Wir leben in einer offenen Gesellschaft, jedenfalls proklamieren wir das gerne. Es ist nicht so recht einsehbar, warum der Fußball davon suspendiert sein sollte und – hier durch Völler und Hitzfeld, andere werden folgen – ein Fußballer dafür kritisiert wird, dass er tut, was in anderen Bereichen der Gesellschaft stets und ständig eingefordert wird. Es ist auch nicht so, dass die Debatte nur einen reinen Unterhaltungswert aufweist, das auch, natürlich. Aber Lahms Äußerungen sind durchaus geeignet, Aufklärung über die Binnenverhältnisse moderner Profiteams zu geben. Jenseits der notorischen Wir-Haben-Uns-Alle-Lieb-Statements.

Deshalb: well done, Philipp!

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