19-15-14-13-9-20. Das sind nicht die Lottozahlen von gestern. Es ist die chronologische Abfolge der Punktestände des FC Rot-Weiß Erfurt nach jeweils 11 absolvierten Drittliga-Spieltagen. So viele Punkte wie heuer (ein Austriazismus zu Ehren unseres Cheftrainers!) hatte der Verein zu diesem Zeitpunkt der Saison noch nie. Und das nach einer in fast jeder Hinsicht verkorksten Saison. Und das, nachdem erneut wichtige Spieler den Verein verlassen haben und der Etat chronisch schwindsüchtig ist. Walter Kogler genießt Vertrauen am Steigerwald. Das merkte man gestern sehr deutlich, als zur Überraschung aller, Nils Pfingsten-Reddig neben Mijo Tunjic am Anstoßkreis stand und somit die Frage geklärt war, wer neben dem Holländer im Sturm spielen würde. Im weiteren Spielverlauf empfanden die meisten Zuschauer diese Lösung als nur bedingt zukunftsfähig. Bei Emmerling und Schwartz hätte sich der Unmut darüber schnell lautstarken Ausdruck verschafft, nicht so gestern. Es wurde viel getuschelt und mit dem Kopf geschüttelt, aber dabei blieb es. Kogler hat in der anschließenden Pressekonferenz seine Motivation hinsichtlich dieser Entscheidung begründet. Doch dazu später noch einige Bemerkungen.
Osnabrück ist eine bemerkenswert gut organisierte Mannschaft
Auf die Frage, worin der Unterschied zwischen 1. und 2. Bundesliga liege, hat Jürgen – the face – Klopp einmal sinngemäß geantwortet: Die Differenz liege ausschließlich in der fußballerischen Qualität der Spieler. Alles was man trainieren könne, sei gleich. Trainieren kann man Kondition, taktisches Verhalten, systemische Grundordnung, Verhalten bei Standards, Laufwege, etc. Maik Walpurgis, der Trainer des VfL, hat mit den Sportfreunden Lotte im letzten Jahr die wahrscheinlich qualitativ beste Regionalliga-Staffel gewonnen und dem mutmaßlichen Champions-League-Sieger des Jahres 2023 in der Relegation, bis in die Verlängerung hinein, einen großen Fight geliefert. Maik Walpurgis ist ein großes Trainertalent. Sein neuer Verein, der VfL Osnabrück, ist individuell gut aber nicht überragend besetzt. Die Stärke der Mannschaft speist sich in erster Linie aus ihrer glänzenden Organisation, und die ist das Ergebnis guten, effizienten, modernen Trainings.
Fortuna war an diesem Nachmittag eine Rot-Weiße
In den ersten 15 Minuten des Spieles ereignete sich relativ wenig. Den Respekt, den beide Teams voreinander hatten, war quasi mit Händen zu greifen. Doch schon in dieser Phase war der VfL das gefälligere Team. Danach begann die stärkste Phase der Osnabrücker. Ich denke, dass es ein Resultat der Videoanalyse war, dass der VfL die meisten seiner Angriffe über die linke Erfurter Abwehrseite vortrug. Davon versprach man sich zwei Dinge: Zum einen sollten die offensivstarken Öztürk und Czichos in der Defensive permanent beschäftigt werden, zum anderen hatte man bei Öztürk wohl Defizite im Defensivverhalten ausgemacht, die zu nutzen der VfL beabsichtigte. Beide Intentionen gingen zunächst auf. Immer wieder waren Engelhardt und Möhwald genötigt, auf dieser Seite auszuhelfen und auch Kleineheismann rückte permanent aus der Mitte heraus, um die Überzahl des VfL auf diesem Flügel zu neutralisieren.
Doch der RWE reagierte und kam ebenfalls zu ersten vorzeigbaren Angriffen. Jetzt würfelte Fortuna und oben lag eine rot-weiße Seite. Grimaldi traf nur den Innenpfosten, während Laurito drei Minuten später die Erfurter Führung erzielte. Tunjic hätte dann das Spiel bereits vorentscheiden können, doch er scheiterte am glänzend reagierenden TAG Heuer Fernandes. Leider reagierte Tunjic kurz vor der Pause nicht ebenso gedankenschnell und haderte mit dem Schiedsrichter, statt die schnelle Ausführung des Freistoßes zu unterbinden, der dem Ausgleich durch Grimaldi vorausging.
Kogler reagierte mit einer taktischen Änderung
Nicht direkt nach der Halbzeit, aber so etwa nach 50 absolvierten Minuten wechselten Wiegel und Öztürk die Seiten. Während Wiegel permanent die linke Außenbahn hielt, hatte Öztürk nun jegliche Freiheiten: er spielte nominell auf der rechten Seite, rückte aber situativ oft ins Sturmzentrum, oder überlud (nicht selten gemeinsam mit Pfingsten) den linken Flügel. Mit dieser taktischen Änderung hatten die Osnabrücker nun ihrerseits Probleme. Zudem fehlte ihnen, nach zwei in jeder Hinsicht intensiven Spielen gegen RB und Union, die körperliche Frische um nach dem erneuten Rückstand wieder ins Spiel zu finden. So gewann der RWE letztlich verdient dieses enge, schwierige und komplizierte Spiel.
Pfingsten als Stürmer war weder eine Fehlbesetzung noch ist es eine Dauerlösung
Koglers lieferte auf der Pressekonferenz nach dem Spiel eine – jedenfalls für mich – völlig nachvollziehbare Begründung, warum er Nils Pfingsten-Reddig neben Tunjc aufbot. Er versprach sich von seinem Kapitän in erster Linie Ballsicherung und -verteilung in vorderster Linie. Ich glaube, dass die Entscheidung wer als zweiter Stürmer neben Tunjic spielt (solange Brandstetter verletzt ist), von Spiel zu Spiel neu getroffen wird und dabei werden vor allem taktische Überlegungen maßgeblich sein. Das sah man gestern schon daran, dass sofort, nachdem das 2:1 fiel, Pfingsten ausgewechselt wurde. Die Annahme lag nahe, dass es jetzt mehr Räume für den konterstarken Stolze geben würde und Kogler zögerte keine Sekunde, solcherart auf diese neue taktische Spielsituation zu reagieren. Gut vorstellbar, dass Stolze im nächsten Spiel in Unterhaching von Anfang spielt, eben weil der RWE dort vermutlich aus einer eher abwartenden Haltung heraus agieren will. Im Übrigen sollte man bei der Bewertung von Pfingstens Leistung nicht völlig vernachlässigen, dass dies ganz gewiss nicht seine Lieblingsposition ist, er sie zum ersten Mal innehatte und man dem Duo Tunjic & Pfingsten wohl auch eine gewisse Eingewöhnungszeit zubilligen muss.
Und am Ende wurde unser Kapitän mit viel Beifall verabschiedet, weil alle froh waren, dass er mal wieder einen entscheidenden Elfmeter verwandelte. Der Beifall wäre wohl noch einen Tick stärker ausgefallen, wenn man auch nur 25 Minuten in die Zukunft hätte schauen können, um durch Engelhardts Fehlversuch daran erinnert zu werden, dass dies alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.