Zwei Spiele, zwei Niederlagen. Da bereits enden die Gemeinsamkeiten zwischen dem unglücklich verlorenen Spiel in Leipzig und der gestrigen Heimpleite gegen den MSV Duisburg. Es war zu erwarten, dass es Rückschläge in der Entwicklung der Mannschaft geben würde. Was verstörte, war die Art und Weise wie die Rot-Weißen über weite Strecken der Partie agierten bzw. eben nicht agierten: konzept- und zunehmend auch mutlos fügte man sich der Überlegenheit des Gegners, der selbst in Unterzahl stets das deutlich bessere Team war. Das Gebotene erinnerte fatal an die Serie der Heimspielniederlagen, die der Entlassung Stefan Emmerlings vorausgingen. Die sportliche Leitung und die Mannschaft sind gefordert, dass sich diese Abwärtstendenz nicht verstetigt. Dafür bietet sich gegen die bisher herausragende Mannschaft der Liga, den SV Wehen Wiesbaden, bereits am Dienstag eine ambitionierte Gelegenheit.
Der MSV war perfekt eingestellt und individuell überlegen
Als Karsten Baumann in Erfurt war, hielt sich meine Begeisterung für seine Arbeit in engen Grenzen. Es war allerdings seine erste Station als Übungsleiter und seitdem hat er offensichtliche Fortschritte gemacht. Jedenfalls hatte er die Spielweise des RWE sehr gut analysiert und seine Mannschaft demgemäß justiert. Es ist ein Grundproblem des von Kogler derzeit präferierten 4-4-2, dass der Weg des Balles zu den beiden Spitzen sehr beschwerlich werden kann, wenn der Spielaufbau über das zentrale Mittelfeld konsequent unterbunden wird, weil schon eine numerische Unterzahl an Mittelfeldspielern existiert. Mit geschicktem, gut abgestimmtem, meist passivem Pressing gelang Baumanns Offensivreihe genau das: Pfingsten-Reddig und Engelhardt als Aufbauspieler komplett aus dem Spiel zu nehmen. Die Folge waren viele lange Bälle auf die Erfurter Stürmer. Einige davon kamen an, die meisten wurden Beute der Meidericher Abwehrspieler. Wenn die Bälle aus der Erfurter Abwehr einen der Zielspieler Brandtstetter, Nielsen oder Öztürk fanden, dann waren sofort mindestens zwei Verteidiger des MSV zur Stelle. Bei Nielsen bedeutete dies in der Regel den sofortigen Ballverlust. Brandstetter und Öztürk versuchten – was in den Spielen zuvor zuweilen Erfolg zeitigte – sich im Eins-gegen-Eins durchzusetzen. Bis auf eine Ausnahme (die zur Roten Karte gegen Bollmann führte) blieben meist die Duisburger Sieger. Mehr noch, Ballverluste in der RWE-Offensive nutzte der MSV zu ungemein zielstrebigen, konzentrierten Kontern. Das Angriffsspiel des RWE erwies sich an diesem Samstag als One-trick-Pony: die individuellen Stärken der Angreifer wurden neutralisiert; ein kollektives, kombinatorisch angelegtes, fluides Offensivspiel war inexistent. Hinzu kamen individuelle Aussetzer in allen Mannschaftsteilen, an denen viele Spieler beteiligt waren, Möckel leistete sich nur die folgeschwersten.
Wobei man an dieser Stelle ruhig mal darauf hinweisen sollte, dass der MSV Duisburg mitnichten mit einer planlos zusammengestellten Resterampe in diese Drittligasaison gestartet ist. Zwar entkam der Traditionsverein nur knapp dem Absturz in die Regionalliga, doch das sportliche Mastermind der Duisburger, Ivica Grlic, gelang es trotzdem, einen fußballerisch mehr als wettbewerbsfähigen Kader zusammenzustellen. Das sah man gestern im Steigerwaldstadion auf dem Platz und das lässt sich ebenfalls dem durchschnittlichen Marktwert aller Spieler der jeweiligen Startaufstellung entnehmen: 210.000 Euro beim RWE, 340.000 Euro beim MSV.
Das 0:2 zur Halbzeit war nur das folgerichtige Ergebnis dessen, was auf dem Platz zu sehen war.
Bessere, aber nach wie vor ungenügende 2. Halbzeit des RWE
Kogler reagierte ebenso folgerichtig wie erstaunlich. Zum einen erstaunte es, dass er nach der Pause noch 13 Minuten benötigte, um festzustellen, dass Morten Nielsen in diesem Spiel nichts mehr bewirken würde. Für ihn kam Stolze, der zumindest eine Tormöglichkeit hatte, aber an Lenz scheiterte. Weniger Geduld brachte Kogler gegenüber seinem Kapitän Pfingsten-Reddig auf, den ersetzte er im zentralen Mittelfeld bereits zu Pause durch Möhwald, dessen Position auf der rechten Seite vom eingewechselten Strangl übernommen wurde. Möhwald hatte gemeinsam mit Engelhardt in Leipzig zentral sehr gut gespielt. In der 1. Halbzeit gegen Duisburg war er auf der rechten Seite völlig isoliert, weil er so gut wie keine brauchbaren Zuspiele bekam. Von diesem Wechsel in der Mittelfeldzentrale versprach sich Kogler schlichtweg mehr Durchsetzungsvermögen in dieser Zone des Spielfeldes. Diese Hoffnung wurde nur bedingt eingelöst. Der MSV verteidigte nun deutlich tiefer, überließ dem RWE einfach die Hoheit im Mittelfeld und lauerte auf Kontermöglichkeiten. Erfurt versuchte jetzt mit geduldigem Passspiel die Abwehr des MSV auseinander zu ziehen, aber dafür fehlte es meist an Präzision und an der nötigen Geschwindigkeit. Anders ausgedrückt: sobald Geschwindigkeit in die Aktionen kam, fehlte es diesen an Genauigkeit. Apropos Geschwindigkeit. Es kam, wie es kommen musste: Nach einem Hochgeschwindigkeitskonter des MSV erzielte der überragende Onuegbu das dritte Tor für sein Team. Dabei sah Engelhardt beim Antritt des eingewechselten Zoundi bemitleidenswerterweise aus wie ein Bobby Car gegen einen 911er Porsche.
Der nie aufsteckende Brandstetter sorgte noch für eine Ergebniskosmetik und in einem mdr-Interview wohl auch für akuten Gesprächsbedarf innerhalb der Mannschaft, indem er die Einstellung seiner Kollegen kritisierte. Das alles sollten sie umgehend klären, denn viel Zeit bleibt nicht, bis am Dienstag der SV Wehen Wiesbaden hier aufschlägt. Ich möchte nicht schon wieder erleben, dass mir Philipp Klewin richtiggehend leidtut. Er hielt, was es zu halten gab und war ansonsten die ärmste Sau auf dem Platz.