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Rot-Weiß Erfurt vs. VfB Stuttgart II 4:2 / Der Tag des Carsten Kammlott

Carsten Kammlott - 18.01Nimmt man alles in allem, hat sich der FC Rot-Weiß Erfurt mit einer beachtlichen Leistung zum Spielbetrieb der 3. Liga zurückgemeldet. Nach zwei besorgniserregenden Vorstellungen gegen Kiel und Elversberg konnte, ja, musste, man darauf hoffen. Eine Garantie dafür gab es selbstredend nicht, umso erfreulicher, dass sich die Mannschaft am eigenen Schopf aus dem Schlamassel zog.

Motto des Spiels:

Hurra, wir leben noch!

Die Aufstellung:

Die personelle Situation entspannt sich. Walter Kogler konnte, bis auf die gesperrten Engelhardt und Wiegel, quasi seine erste Elf aufbieten. Wenn auch, wie sich vor allem bei Brandstetter zeigen sollte, noch nicht alle bei 100 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Womit allerdings, nach derart langen Verletzungspausen, niemand ernsthaft rechnen durfte. Strangl für Göbel auf der rechten Offensivposition spielen zu lassen, sollte sich als segensreiche Entscheidung herausstellen. Gute Ansätze durfte man dem gebürtigen Franken schon immer unterstellen, am Samstag gelang ihm jedoch zum ersten Mal ein durch und durch überzeugender Auftritt seit er in Erfurt Fußball spielt. Was natürlich in erster Linie an den Verletzungen lag, die eine lineare Entwicklung seines Potenzials immer aufs Neue unterbanden.

Taktiksplitter:

Nach der Pleite mit dem Einstürmer-System in Elversberg kehrte Kogler wieder zum altgedienten 4-4-2 zurück. Das war auch deshalb naheliegend, weil ihm mit Brandstetter und Kammlott die zwei besten Stürmer zur Verfügung standen – und, weil die Mannschaft mit der Systemumstellung übelst Schiffbruch erlitten hatte. Am Samstag funktionierten dann wieder Dinge, die man in den letzten Spielen vermisste, oder die in diesen Spielen schlecht umgesetzt wurden. Zum Beispiel das situative Pressing gegen den spielaufbauenden Gegner. Das war eine große Stärke von RWE in der Hinrunde. Aggressives Pressing spielt keine (ungedopte) Mannschaft der Welt über 90 Minuten. Es kommt auf die Dosierung und den Rhythmus an, sonst bezahlt man mit einem gnadenlosen konditionellen Einbruch zum Spielende hin. Zuletzt lehrbuchhaft zu beobachten beim Heimspiel des VfL Wolfsburg gegen die Bayern. 60 Minuten presste Wolfsburg aus allen Rohren, als gebe es kein Morgen. Aber es gab sowohl ein Morgen als auch noch davorliegende 30 Schlussminuten, in denen die Elf von Hecking faktisch kollabierte und sich noch sagenhafte 5 Tore einfing. Koglers bevorzugte Variante liegt in einem auf erfolgversprechende Spielsituationen orientierten Pressing. Was man vielleicht so zusammenfassen kann: Kontrolliert der Gegner den Ball sicher, wird eher passiv im 4-4-2 gepresst, sobald der Gegner Probleme mit der Ballkontrolle hat, wird diese Grundformation aufgebrochen und die Anzahl der attackierenden Erfurter Spieler erhöht. Wie erwähnt, das hat in vielen Spielen der Hinrunde gut funktioniert und damit wurde auch die Hintermannschaft des VfB das ein oder andere Mal prima unter Druck gesetzt und Fehler provoziert.

Das Coaching:

Tadellos.

Spieler des Tages:

Carsten Kammlott. Bedarf keiner Begründung bei 2 Toren und einer glänzenden Vorbereitung des Ausgleichs.

Bilanz des Spiels:

Starkes Comeback der Mannschaft, aber nichts worauf man sich ausruhen sollte.

Für einen Fußballer gibt es keine perfekten Spiele, was es aber gibt, sind Spiele, in denen dem Beobachter nicht viel einfällt, was ein Spieler hätte besser machen können. Ein solches Spiel hat Carsten Kammlott am Samstag bestritten.

Der Gegner:

Kann man kurz machen: Schwache Defensive, starke Offensive – letztere vor allem in der zweiten Halbzeit.

Die Konsequenzen:

Platz vier ist wieder möglich, genauso gut kann man immer noch in den Abstiegskampf rutschen, leistet man sich noch einmal eine Negativserie wie zuletzt.

Die Öffentlichkeit:

Viel Lob von allen Seiten für die Mannschaft. Wird ihr gut tun.

Die Aussichten:

Licht am Ende des Tunnels, das sich nicht als entgegenkommender Zug erwies. Alle Zeichen deuten nach oben: Engelhardt, dessen Fehlen im zentralen Mittelfeld dem Defensivverhalten der Mannschaft auf Dauer nicht zuträglich ist, wird gegen Osnabrück wieder zur Verfügung stehen. Brandstetter wird sich peu à peu wieder seiner wahren Leistungsfähikeit nähern. Ich vermute, unsere Bilanz in Osnabrück ist grauenhaft, hohe Zeit daran etwas zu ändern.

Wenn ich der Trainer wäre …

… würde ich in Osnabrück Engelhardt für Pfingsten in die Startelf beordern und ansonsten nichts ändern.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. SC Preußen Münster 0:0

engelhardt_01-2014Wir müssen nicht drum herum reden. Die ersten 30 Minuten des FC RWE im Spiel gegen Preußen Münster waren eine Zumutung. Was nicht an der sibirischen Kälte lag. Schwer zu sagen, welches die Gründe für den erneuten Fehlstart waren. Fehlende Wachheit möchte man bei Temperaturen von minus 6 Grad eigentlich ausschließen. Trotzdem sollte über die kollektive Verabreichung doppelter Espresso unmittelbar vor Anpfiff nachgedacht werden. Ich vermute allerdings, dass die Mannschaft vor allem dann Probleme bekommt, wenn ein Gegner (gerade auch im Steigerwaldstadion) nicht abwartend, sondern aggressiv beginnt. Wie die Stuttgarter Kickers und wie gestern die Preußen aus Münster. Nur mit Glück überstanden die Rot-Weißen diese Phase ohne Gegentor. Wäre der RWE zum neunten Mal in der Anfangsviertelstunde in Rückstand geraten, hätten wir – jedenfalls rein statistisch – alle Hoffnungen fahren lassen können.

Für diese halbe Stunde erübrigt sich eine Einzelkritik, alle spielten unter ihrem Niveau. Wenig hilfreich, dass ein Routinier wie Pfingsten-Reddig in dieser Phase vor allem durch eklatante Fehlabspiele und dürftiges Zweikampfverhalten auffiel.

Es gab einige spannende Fragen die Startformation betreffend: Kammlott oder Nietfeld neben Tunjic im Angriff? – Und, wer spielt auf den defensiven Außenpositionen? Hier waren nach den Vorbereitungsspielen noch drei Spieler in der Verlosung: Odak, Baumgarten, Serrek. Im Sturm entschied sich Kogler für Kammlott, eine richtige Entscheidung wie der Verlauf des Spiels zeigen sollte. In die Abwehr stellte der RWE-Coach Serrek auf die linke und Odak (wie gehabt) auf die rechte Seite der Viererkette.

Nach Ablauf dieser fürchterlichen 30 Minuten gelang es dem RWE, das eigene Spiel zu stabilisieren. Die Viertelstunde vor der Pause war dann das Beste, was wir an diesem Nachmittag zu sehen bekommen sollten.

Eine kurze Kritik der Mannschaftsteile. Abwehr: Klewin hat sich bisher jedes Lob verdient, das er bekam, aber in diesem Spiel war er in der Strafraumbeherrschung schlichtweg schlecht und hatte unübersehbare Probleme beim Herauslaufen. Dazu gab es eine interessante Szene in Halbzeit zwei. Bad Cop Engelhardt faltet ihn zusammen, weil er bei einer Flanke nicht herauskam, Good Cop Laurito tätschelte ihm beschwichtigend den Hinterkopf. Psychologisch raffinierte Aufgabenverteilung der Routiniers.

Odak solider als zuletzt, mit reichlich Luft nach oben, was die Qualität seiner Flanken betrifft. Die große Überraschung war Serrek, der so offensiv auftrat wie lange kein Außenverteidiger im Trikot von RWE. Was daran liegen könnte, dass er eigentlich kein Außenverteidiger, sondern gelernter Mittelfeldspieler ist. Nach vorne sah das gut aus, war allerdings bei Ballverlusten recht riskant, da die Abstimmung mit Strangl (und später mit Drazan) zu wünschen übrig ließ. (Was allerdings eher den Mittelfeldspielern anzulasten ist.) Philipp Serrek ist zweifellos eine Bereicherung des Kaders: technisch gut, kopfball- und passstark. Stellungsspiel und taktische Abstimmung müssen jedoch verbessert werden. Fraglich ist allerdings, ob wir uns davon werden überzeugen können, da Czichos für Burghausen wieder spielberechtigt ist und ich ihn für gesetzt halte.

Kleineheismann grundsolide wie immer, Laurito in jeder Hinsicht überragend.

Mittelfeld: Engelhardt defensiv sehr stark. Es war nicht zuletzt ihm zu verdanken, dass RWE das Spiel halbwegs in den Griff bekam. In Halbzeit zwei auch offensiv derjenige der beiden zentralen Mittelfeldspieler, der sich um Struktur mühte. Pfingsten-Reddig anfänglich mit einigen Zuspielen aus der Hölle. Das wurde – auf für seine Verhältnisse überschaubarem Niveau – besser. Er konnte nach vorne jedoch nie Impulse setzen. Ein schwaches Spiel des Kapitäns. Ich stelle mir schon die Frage, warum Okan Derici keine Chance bekam, sein Können zu beweisen. (Derici wird sich das wohl ebenfalls fragen.) Wie fast alle anderen startete Patrick Göbel besorgniserregend unkonzentriert in die Partie. Zeigte aber später ab und an, was er für eine Qualität vor und im Strafraum hat. Vor allem wenn er in zentraler Position agiert. Marius Strangl kann man kein schlechtes Spiel nachsagen. Aber auch kein wirklich gutes. Seine offensive Dynamik reicht oft nur bis zum gegnerischen Strafraum, hinzu kam in einigen Situationen die bereits erwähnte mangelhafte Absicherung für den offensiven Serrek. Da war er schlichtweg zu zögerlich in der Rückwärtsbewegung.

Angriff: Tja, Kammlott und Tunjic. Die beiden möchte ich aus der Generalkritik die ersten 30 Minuten betreffend ausnehmen. Sie hätte sich schon mit einer Kaskade von Doppelpässen von der eigenen Grundlinie bis zum gegnerischen Tor kombinieren müssen, um Wirkung zu erzielen. Auf brauchbare Pässe ihrer Mitspieler jedenfalls konnten sie nicht hoffen. Es war auch  Mijo Tunjics Verdienst, dass das Vakuum im offensiven Mittelfeld halbwegs überbrückt werden konnte. Er ließ sich öfter recht tief fallen und bewegte sich für einen Spieler seiner Größe erstaunlich flink auf dem teils glatten, teils tiefen Boden des Steigerwaldstadions. Diesbezüglich ein richtig gutes Spiel des Holländers. Was ihm bei der öffentlichen Bewertung seines Spiels immer – und nicht völlig zu Unrecht – angelastet werden wird, ist das weitgehende Fehlen direkter, eigener Torgefahr.

Hätte man mit leben können, wenn denn Kammlott das vermutlich entscheidende Tor gelungen wäre. Aber so märchenhaft ist Fußball leider selten. Trotzdem war es ein gutes Spiel des Rückkehrers. Kogler stellte ihn dahin, wo er hingehört, zentral in die Sturmspitze. Wie viele andere im Stadion konnte ich seine frühe Auswechslung nicht verstehen. Ein Leistungsabfall war für mich (noch) nicht zu erkennen. Er hatte unmittelbar vor der Auswechslung seine beste Szene, als er zwei Verteidiger (die ja während des Spiels ebenfalls nicht frischer werden) düpierte. Das Kalkül Koglers war wohl, mit Nietfeld einen Stürmer mit Strafrauminstinkt in die Schlacht zu werfen. Dumm nur, dass es nicht die dafür notwendigen Strafraum-Situationen, nach z.B. Standards, gab. Bei Jonas Nietfeld sah man in jeder Sekunde, die er auf dem Platz stand, dass Stürmer die fast 1,90 Meter groß sind, auf derart instabilem Geläuf nicht gerade bevorteilt sind. Die Ausnahme Tunjic hatte ich schon erwähnt.

Christopher Drazan hat mir gut gefallen. Sehr dynamisch, mit dem Zutrauen bei Angriffen von außen in die Mitte zu marschieren. Ich hatte nach dem Spiel gegen Zwickau auf Facebook geschrieben, dass es mit seiner Schnelligkeit möglicherweise nicht so gut bestellt sei. Das nehme ich ausdrücklich zurück. Mit seiner Schnelligkeit ist alles in Ordnung. Man darf gespannt sein, wie er sich entwickelt. Wenn es so läuft, wie ich hoffe, könnte es einen heißen Tanz um die Position im linken Mittelfeld zwischen ihm und Öztürk geben. Je nach Wetterlage irgendwann im Frühjahr.

Summarisch ein völlig leistungsgerechtes Unentschieden. Nach der Niederlage von Leipzig gegen Burghausen sollte nun wirklich jedem klar sein, dass die jeweilige Tabellenposition kein hinreichend eindeutiges Indiz für den Ausgang eines Spiels darstellt. In dieser Liga noch weit weniger als in anderen. Heidenheim zähle ich schon gar nicht mehr dazu.

Sollte das Wetter es zulassen und wir spielen nächste Woche in Burghausen: Doppelte Espresso stehen nicht auf der Dopingliste.

RB Leipzig vs. Rot-Weiß Erfurt 2:0 / Mit fliegenden Fahnen

Das bis zum vergangenen Samstag letzte Spiel, das ich im Leipziger Zentralstadion sah, fand am 14.06.2006 statt. Spanien zerlegte die Ukraine mit 4:0 und ich dachte damals bei mir: Wer zur Hölle soll diese Mannschaft besiegen? Nun, die Spanier schlugen sich im Achtelfinale der WM zum vorerst letzten Mal selbst (der Profiteur hieß Frankreich), um in der Folge ihre eindrucksvolle, aber inzwischen etwas enervierende Weltherrschaft über den Fußball anzutreten.

Vergleichbare spielerische Delikatessen waren vom Drittligaspiel RB Leipzig gegen Rot-Weiß Erfurt nicht zu erwarten. Wohl aber eine erbitterte Fehde um jeden Quadratmeter Rasen, jeden Ball, jeden geringen Vorteil. Schließlich hatten fast alle, denen sich dafür eine Gelegenheit bot, kaum eine Chance ausgelassen dieses Spiel emotional aufzuladen: Sportlich, popkulturell, ideologisch. Das berücksichtigend, muss man allen Kombattanten auf dem Rasen, und den meisten auf den Rängen Lob dafür zollen, dass es vergleichsweise fair und friedlich zuging.

Ein Wort zur Atmosphäre: Auf eine völlig gegensätzliche Art und Weise ist die Leipziger Arena ebenso ungeeignet für Drittligafußball wie das Erfurter Steigerwaldstadion. (Zugegeben, das ist sicherlich keine grundstürzend neue Erkenntnis.) 15.000 Zuschauer sind für ein sportlich nicht übermäßig bedeutendes (weil frühsaisonales) Spiel eine stattliche Kulisse. Von der Haupttribüne betrachtet, sah das trotzdem wie die Vormittagssession einer U23-Leichtathletik-EM aus: gähnend leere Ränge allenthalben. Akustisch hingegen bot vor allem der Erfurter Fanblock – trotz eines durchgehend zur Euphorie wenig Anlass gebenden Spielstands – wahrlich Herausragendes.

Kogler will nicht abwartend-defensiv spielen

Nicht wenige, so auch ich, hatten damit gerechnet, dass Kogler ein sehr defensives System wählt, z.B. ein 4-1-4-1 mit Kleineheismann als zusätzlichem, rein defensivem Sechser. Doch Kogler ist eben nicht Alois Schwartz, er blieb beim bis dahin bewährten 4-4-2. Vielleicht auch, weil Brandtstetter zur Überraschung aller doch einsatzfähig war. Und der Erfurter Trainer tat gut daran. Mal abgesehen davon, dass Kleineheismann als Sechser vermutlich erst gar nicht in die Verlegenheit gekommen wäre, diesen fatalen Rückpass zu spielen, ist es natürlich einfacher mit einer offensiveren, spielbegabteren Formation auf einen Rückstand reagieren zu können.

Das frühe Gegentor, natürlich ein Desaster

Wie es zu diesem ultrafrühen Gegentor kam, ist hinreichend belegt und diskutiert. Ich muss hier aber noch einmal altklug darauf hinweisen, dass damit rein statistisch gesehen, die Chance des RWE etwas Zählbares mitnehmen zu können, dramatisch gesunken waren. Im Grunde gegen jeden Gegner der Liga, ganz besonders aber gegen RB Leipzig. Es ist schlichtweg eine große Tugend von RB, kollektiv äußerst stark gegen den Ball zu verteidigen und derart für den Gegner wenig zuzulassen. Die dabei angewandten Methoden sind zum Teil jedem zeitgemäßen Taktiklehrbuch zu entnehmen, zum Anderen behilft man sich jedoch auch mit vielen geschickten Kleinfouls, die den Kontrahenten ebenfalls sehr wirksam am Aufbau des Spiels hindern, und vom Schiedsrichter zumeist unterhalb des üblichen Gelbradars verortet werden.

Umso bemerkenswerter war, wie der RWE mit der unvermittelt entstandenen Matchsituation umging. Nämlich sehr, sehr klug. Im Kommentar der mdr-Liveübertragung sagte der, vorsichtig formuliert, leicht RB-affine Reporter immer wieder, dass den Rot-Weißen doch herzlich wenig einfiele gegen die Verteidigung der Leipziger. Es ist nur so: Mit dem frühen Gegentor hatten sich die taktischen Vorzeichen diametral geändert. Anders als in Münster konnte man jetzt nicht mehr aus einer leicht defensiven Konterstellung heraus spielen, sondern musste, damit das Spiel nicht erstarrte, selbst agieren. Dabei aber stets im Auge behalten, dass noch genügend Zeit blieb, um ein Tor zu erzielen, es also überhaupt keinen Sinn ergab, zu früh ein zu großes Risiko einzugehen. Hätte man das getan, wäre die Wahrscheinlichkeit hoch gewesen, mit 0:3 in die Pause zu gehen. So aber erarbeitete sich der RWE eine wahrnehmbare Feldüberlegenheit und in Folge einige tornahe Standards wie Ecken und Freistöße, aus denen die guten Möglichkeiten von Laurito und Brandstetter resultierten. Es waren Chancen und es waren Chancen auf Chancen vorhanden, nicht inflationär, aber genügend um wenigstens den Ausgleich zu erzielen.

Ich habe im Team des RWE an diesem Tag keine Schwachstelle gesehen. Jedenfalls, wenn man das momentane Leistungsvermögen der Spieler realistisch beurteilt. Es wäre schlichtweg ein bisschen irre, anzunehmen, dass Fillinger und Strangl als Fillinger und Strangl den Platz betreten und dort zu Robben und Ribery mutieren. Beide haben für ihre momentanen Möglichkeiten (nach beiderseits langer Verletzung, schwierigem Formaufbau, fehlender Spielpraxis) keinesfalls enttäuscht. Strangl merkte man sein Potenzial durchweg an, wenn auch nicht alles funktionierte. Fillinger konnte sich im Verlauf des Matches steigern; ihm gelang manch gefälliger Pass, ein jeder davon wichtig für sein Selbstvertrauen. Ebenfalls ihrem klugen taktischen Spiel war es zu verdanken, dass die beiden Außenverteidiger Odak und Czichos sich in der 2. Halbzeit vermehrt mit in die Angriffe einschalten konnten, ohne dass RB bei Ballverlusten sofort gigantische Räume offeriert bekam. Die für mich besten Akteure auf Seiten des RWE waren die beiden zentralen Mittelfeldspieler Engelhardt und Möhwald. Wie sie sich gegen die große Qualität des Leipziger Mittelfelds zur Wehr setzten, war bemerkenswert. Ihr Einsatz und ihr Zweikampfverhalten waren herausragend, ebenso ihr Wille dem Spiel des RWE offensiv eine Form zu geben. In der ersten Halbzeit agierten sie oft (und nachvollziehbar) mit langen Anspielen vor allem auf Brandstetter. Im zweiten Abschnitt setzte Erfurt mehr auf öffnende Diagonalbälle in Richtung der Flügel, wo vor allem Strangl und Odak ein paar Mal gefährlich vor dem Leipziger Tor auftauchten.

Insgesamt gilt: Wir haben das Spiel nicht verloren, weil wir zu wenige Möglichkeiten hatten, sondern weil wir die Möglichkeiten die vorhanden waren, nicht verwerten konnten.

Vom Schiedsrichter nicht gerade bevorzugt

In der Regel ist Schiedsrichterschelte in nahezu 100% aller Fälle ein Vorwand, um von eigenen Fehlleistungen abzulenken. Ein wenig verstehe ich aber Walter Koglers derzeitige Verdrossenheit, mehr noch: Ich teile sie. Das war jetzt das dritte Spiel in Folge in dem der RWE sehr wichtige Entscheidungen der Referees ertragen musste, die auch anders hätten ausfallen können, und denen man einen gewissen spielbestimmenden Charakter nicht absprechen kann. Für den Schiedsrichter war das kein einfaches Spiel. Es gab unzählig viele, meist kleinere Fouls. Mein Eindruck ist ja, dass die Spieler inzwischen im Training üben, wie man ein Foul begeht, ohne dass es wie ein solches aussieht. Die Betrachtung aller strittigen Szenen des Spiels würde den Rahmen dieses Textes sprengen, deshalb will ich mich auf zwei einschränken: Ich denke, dass das Foul gegen Brandstetter in der 1. Halbzeit eine Rote Karte hätte nach sich ziehen müssen. Der Leipziger Verteidiger macht das – nachdem er die bessere Position zum Ball vertändelt hatte – zwar sehr smart, nichtsdestotrotz hält er Brandstetter eindeutig fest. Der Schiedsrichter pfeift es nicht sofort ab, sondern mit einer gewissen Verzögerung, wohl einen evtl. Vorteil abwartend. Und nur dieses Zögern evoziert den Eindruck, dass der nachrückende Leipziger Spieler die Torchance noch hätte verhindern können. Fast noch gravierender eine Szene in der 2. Halbzeit im Leipziger Strafraum, bei der Laurito nach einer Flanke regelrecht umgenietet wurde. Der Ball war zwar schon weg und ich unterstelle dem Leipziger Spieler auch keine Absicht. Allein, das ist nebensächlich: Es war ein Foul, es war im Strafraum, es war Elfmeter. Wie gesagt, ansonsten gab es zuhauf strittige Szenen auf beiden Seiten, während mancher Spielphasen quasi im Halb-Minutentakt.

Der FC Rot-Weiß Erfurt hat dieses Spiel in Leipzig verloren. Wie dies geschah, verdient jedoch allen Respekt. Es gab schon viele Auswärtsspiele des RWE, bei denen eine ambitionierte, talentierte Mannschaft auf dem Platz stand, die sich aber nach einem Rückstand ihrem Schicksal ergab. Das war an diesem Samstag in Leipzig anders. Koglers Team glaubte an seine Chance und unternahm alles, um wenigstens einen Punkt mit nach Hause zu nehmen. Dass dies am Ende nicht gelang ist zwar ärgerlich, ändert aber nichts daran, dass wir im weiteren Verlauf der Saison noch einigen Spaß mit dieser Mannschaft haben werden. Jedenfalls deutet bisher nichts auf das Gegenteil hin.

Rot-Weiß Erfurt vs. Burghausen 1:1 / Ich. Bin. Nicht. Enttäuscht.

Die Erwartungshaltung um den wichtigsten Fußballklub der Thüringer Landeshauptstadt treibt zuweilen bizarre Blüten. Da schreibt einer bei Facebook (abgedruckt in der TA): «Landeshauptstadt gegen Dorf, es ist eine Schande.» Das würde als singulärer Blödsinn hier unerwähnt bleiben, wenn es nicht (zumindest teilweise) den Tenor der Meinungsbildung nach dem Spiel am Samstag wiedergeben würde. Der große FC Rot-Weiß Erfurt, Tabellendritter, ist nicht in der Lage, das kleine Wacker Burghausen, Tabellenletzter, aus dem Steigerwaldstadion zu schießen. Nun, die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Burghausen war in den letzten beiden Spielzeiten Sechster und Achter der Abschlusstabelle und ist mithin eine etablierte Größe in der dritten deutschen Profiliga. Beide Teams mussten vor der Saison Leistungsträger abgeben und ihren Etat deutlich reduzieren. Der RWE kam deutlich besser aus dem Saison-Startblock, da aber gerade einmal zehn Prozent der Spiele absolviert sind, handelt es sich nicht um einen Sprint, sondern um ein Langstreckenrennen, bei dem die Platzierung nach 400 Metern ja auch nicht mehr als einen Fingerzeig auf das finale Resultat liefert. Zudem hatte sich Burghausen in den ersten drei Saisonspielen schrittweise gesteigert, gegen Leipzig verlor man nur recht unglücklich in der Nachspielzeit. Es gibt keinen Grund dieses Unentschieden gleich wieder als Riesen-Enttäuschung rhetorisch in Szene zu setzen. Nach der Wolke 7 des Saisonstarts herrscht jetzt Liga-Alltag. So what?

Tunjic fehlte an allen Ecken und Enden

Walter Kogler gab Morten Nielsen eine Chance in der Startelf. Er ersetzte den rot-gesperrten Mijo Tunjic und konnte in dieser Rolle nicht überzeugen. Ich kann nicht wirklich beurteilen, ob Nielsen mit dieser Leistung bereits sein Potenzial erschöpft hat, denke aber, dass dies nicht der Fall ist. Zu seinen Gunsten sollte berücksichtigt werden, dass das sein erster Startelf-Einsatz seit Monaten war und er von Verletzungen immer wieder an einem stringenten Formaufbau gehindert wurde. Es wäre übertrieben zu behaupten, dass sich die beiden Buddys Brandstetter und Tunjic inzwischen blind verstehen, aber ihr Spiel wirkte schon ziemlich passabel aufeinander abgestimmt. Das konnte man vom Sturmduo Nielsen-Brandstetter kaum erwarten und dementsprechend sah das dann auch aus. Jedoch bot Brandstetter alles andere als eine schlechte Partie und auch Öztürk zeigt sich in der ersten Halbzeit gewohnt quirlig und für seine Gegenspieler schlecht ausrechenbar. Beide tendierten jedoch dazu, den Ball zu lange zu halten, was einige im Ansatz Erfolg versprechende Angriffe des RWE jäh und unnötig beendete. Aber, neben seiner offensiven Durchschlagskraft gingen dem Spiel der Rot-Weißen auch Tunjics Fleiß und Geschick beim Stören gegnerischer Angriffe ab. Bei einer 4-4-2-Formation ist eine unerlässliche Grundbedingung, dass die beiden Angreifer in der Lage sind, die zahlenmäßige Unterlegenheit des eigenen Mittelfelds gegen ein 4-2-3-1 des Gegners zu neutralisieren. Das gelang mit zunehmender Spieldauer immer weniger und sorgte dafür, dass die überdies ballsicheren Burghäuser in der entscheidenden Zone des Platzes die Hoheit über das Geschehen errangen. Nur gut, dass sie nicht in der Lage waren, diese Mittelfelddominanz mit besseren Zuspielen in die Spitze noch gefährlicher für die Abwehr des RWE werden zu lassen, als dies ohnehin schon der Fall war.

Das war kein gutes Spiel des FC Rot-Weiß Erfurt, jeder weiß das, weil jeder es sehen konnte. Es war ein völlig normales Spiel einer Liga, in der sich die Qualität der eingesetzten Spieler nur vergleichsweise wenig unterscheidet und es somit von Kleinigkeiten abhängig ist, ob ich ein Spiel gewinne oder verliere. Und der Gott der kleinen Dinge entschied sich an diesem Samstag eben für ein völlig leistungsgerechtes Unentschieden.

RB Leipzig ist keine Übermannschaft

Unser nächster Gegner ist – wie der RWE – nach vier Spielen noch ohne Niederlage, hat aber – anders als der RWE – zu Hause noch nicht gewonnen, was doch so ein bisschen die Stimmung eintrübt. Diese statistische Gemengelage entspricht im Großen und Ganzen dem Eindruck, den ich vom Spiel des Aufsteigers habe: Taktisch sehr diszipliniert, mithin schwer zu besiegen. Fußballerisch aber erstaunlich selten in der Lage Druck auf gut abgestimmt verteidigende und körperlich robuste Gegner auszuüben. Was manchmal nicht so ins Gewicht fällt, da sie mit Daniel Frahn einen Stürmer besitzen, der Spiele über brillante Einzelaktionen entscheiden kann. Auffällig ist, dass relativ häufig lange Bälle auf die Angreifer gespielt werden. Und, dass im Mittelfeld viele sogenannte «zweite Bälle» gewonnen werden. Das verleiht dem Spiel von RB Konstanz sieht aber selten gefällig aus. Ein großes Manko von RB ist die Anfälligkeit bei gegnerischen Standards. Dazu muss man aber a.) erst mal welche in Tornähe bekommen und b.) selbst eine gewisse Überlegenheit in dieser Disziplin vorweisen.

Mit Öztürk, Brandstetter und Tunjic fehlen dem RWE in Leipzig seine drei gefährlichsten Offensivakteure. Das ist unerfreulich. Wir sollten trotzdem guten Mutes nach Leipzig fahren. Gestern hat Duisburg bewiesen, dass dort nicht exklusiv für Spitzenteams wie Münster etwas zu holen ist. In Anbetracht des Komplettausfalls unseres Sturms wird es gravierende Änderungen in der RWE-Formation geben müssen. Es könnte sein, dass wir zum ersten Mal in dieser Saison ein System mit nur einem nominellen Stürmer sehen werden. Ich denke, dass Strangl und Göbel recht gute Chancen für die Startelf haben, mir persönlich würde allerdings auch die Variante Engelhardt und Baumgarten auf den Sechserpositionen und Pfingsten zentral im offensiven Mittelfeld davor plausibel erscheinen. Wer der (möglicherweise) einzige Stürmer sein wird, ist derzeit völlig offen. Was mich für Stolze einnimmt, ist seine Schnelligkeit und seine Aggressivität beim Anlaufen des ballführenden Aufbauspielers der gegnerischen Mannschaft.

Näherung an die Startelf gegen die Stuttgarter Kickers / V1.1

Ich hatte ja versprochen, dass ich je nach Nachrichtenlage, Vorbereitungsspielen, Pressemeldungen und sonstigem Gedöns hier ab und an über die aus meiner Sicht wahrscheinlichste Startformation des RWE am ersten Spieltag spekuliere.

Nun, es haben sich harte Fakten auf einer Position ergeben: Andreas Sponsel verlässt den Verein, um in Bayreuth Sport zu studieren und nebenbei noch ein bisschen in der fünften Liga zu kicken. Über die Verdienste von Andreas Sponsel ist in den letzten Tagen alles geschrieben worden, jegliches davon ist richtig. Ich kann seine Entscheidung gut nachvollziehen, schließlich ist Ex-Fußballprofi kein Beruf, auch wenn das einige bemitleidenswerte Gestalten a la Helmer, Strunz und Basler anders sehen. Über den Zeitpunkt der Entscheidung lässt sich diskutieren, aber dem Verein bleiben noch knappe drei Wochen um einen Ersatz für Sponsel aufzutreiben – wobei ich natürlich hoffe, dass die Verpflichtung möglichst zeitnah geschieht. Ich traue mir momentan kein Urteil darüber zu, ob Klewin bereits die Stabilität aufweist, um als Stammtorhüter in eine Profisaison zu starten. Bis zur Verpflichtung eines neuen Torwarts gehe ich einfach mal davon aus. Den heute verpflichteten Okan Derici werde ich mir gegen Brentford anschauen. Mit einigen Erwartungen.

Abgesehen von der Personalie Sponsel bleibe ich vorerst bei der Version 1.0 meiner Startelf-Annäherung.

Evtl. Startelf des RWE 1. Spieltag Saison 13/14 – Version 1.1 / 01.07.2013

Mit dem grünen Pfeil werden Änderungen zur vorhergehenden Version gekennzeichnet, in diesem Fall also nur Klewin gegen Sponsel. Große Unsicherheit bezüglich einer Personalie wird durch den Kegel angezeigt. Wobei sich in der Abwehr die von Anfang an vermutete Formation stabilisiert, darauf weisen die Testspielaufstellungen gegen Baunatal und Schweinfurt hin. Hier ist wohl allein die Frage: Kleineheismann oder Möckel. Engelhardt, Pfingsten-Reddig und Möhwald halte ich ebenfalls für gesetzt. Auf den beiden offensiven Außenbahnen scheinen sich momentan Strangl, Öztürk und Fillinger einem Wettbewerb um die Gunst von Walter Kogler zu liefern. Gleichermaßen macht die Mittelstürmer-Entscheidung zwischen Brandstetter und Tunjic den Eindruck völliger Offenheit. Von dem bevorstehenden Spiel gegen Brentford verspreche ich mir vor allem eindeutige Hinweise auf das von Kogler bevorzugte Spielsystem. 4-1-4-1, 4-2-3-1, oder vielleicht doch ein 4-4-2 – am Samstagabend wissen wir mehr.

Bis dahin – bleibt mir gewogen.

Rot-Weiß Erfurt vs. Unterhaching 1:0 / Möhwald for Rechtsverteidiger

Nach Zuspiel von Drexler wird Öztürk gefoult. Elfmeter. Pfingsten. Tor. Was sonst!

Wir haben in dieser Woche zwei Spiele gesehen, für die Alois Schwartz, der Cheftrainer des FC Rot-Weiß Erfurt, völlig verschiedene taktische Konzepte wählte. Möglicherweise wählen musste. Gegen Karlsruhe stand mit Mijo Tunjc nur ein nomineller Offensivspieler in der Startformation. Die Absicht einer derartigen Aufstellung war offensichtlich – es sollte unter allen Umständen ein Gegentor vermieden werden, dafür nahm man den Mangel an Offensivkraft in Kauf. Wir alle wissen, dass diese Intention gescheitert ist. In der entscheidenden Phase des Spiels (ab Minute 15 bis zum Gegentor) konnte der KSC trotzdem enormen Druck entwickeln und erzielte folgerichtig die Führung. Damit war das Spiel entschieden, denn dem RWE fehlte an diesem Abend jedes spielerische Mittel, um die fortan clever verteidigenden Karlsruher ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Mir hat die Aufstellung gegen den KSC nicht gefallen, allerdings sollte man fair genug sein anzuerkennen, dass mit Öztürk und Drexler zwei Alternativen für eine offensivere Variante nicht zur Verfügung standen. Morabit wurde eingewechselt, aber wie immer wenn er nicht in der Startelf steht (0 Scorerpunkte in dieser Saison), konnte er sein Talent nicht wirklich nutzen. Andererseits habe ich mich gefragt, warum Morabit, Nielsen oder der agile Strangl nicht bereits viel eher ins Spiel kamen, denn sobald der RWE in Rückstand geriet, war die Anfangself unzweckmäßig und man hätte sie quasi sofort korrigieren müssen.

Offensivere Aufstellung gegen Unterhaching

Wie auch immer. Gegen Unterhaching standen Oumari, Öztürk und Drexler wieder zur Verfügung und alle drei sollten zu diesem Sieg einen wichtigen Beitrag leisten. Ebenso wie Smail Morabit, der zwar keinen unmittelbaren Anteil am Tor hatte, allerdings in der 2. Halbzeit ein gutes Spiel machte, weil er sich – im Gegensatz zur 1. Hälfte – viel mehr in die offenen Räume bewegte, um nicht stets und ständig von zwei oder drei Gegenspielen sofort bei der Ballannahme attackiert zu werden.

Schwartz verzichtete auf einen defensiven Mittelfeldspieler (was Kopilas seinen Platz in der Startelf kostete), stellte das Spielsystem aber nicht völlig auf den Kopf. Auch gegen Unterhaching spielte Engelhardt sehr konsequent und eng vor der Abwehrkette. Seine Aufgabe wurde erleichtert durch einen herausragend agierenden Joan Oumari, diesmal als Innenverteidiger aufgeboten, der alles erköpfte und erlief was an Bällen auf ihn zukam, dabei kaum ein Foul verursachte und zudem mit klugen Pässen zur Spieleröffnung beitrug. Unterhaching kam aber auch deswegen zu sehr wenigen Möglichkeiten, weil die Erfurter Offensivspieler mittels eines hohen läuferischen Aufwands das Aufbauspiel der Oberbayern massiv störte. Die situativ zu treffende Entscheidung ob aktiv gepresst oder «nur» der Passweg zugestellt wird, fiel mehrheitlich richtig aus und wirkte meist koordiniert.

Mit Möhwald könnte das Problem auf der rechten Seite gelöst werden

Da Ofosu-Ayeh gelbgesperrt war, musste sich Alois Schwartz auf der rechten Seite seiner Viererkette etwas einfallen lassen. Er entschied sich für Kevin Möhwald und das war eine ausgezeichnete Idee. Ich habe keine Ahnung, ob der 19-Jährige diese Position schon jemals innehatte (mir ist es auch bei den A-Junioren nicht erinnerlich). Allein, das war seinem Spiel nicht anzumerken. Um es ganz deutlich zu sagen: Möhwald hat gegenüber Ofosu deutliche Vorzüge. Er ist technisch besser, verfügt über eine höhere Passqualität und ein ausgeprägtes taktisches Verständnis. Der Begriff Außen-Verteidiger ist ja inzwischen völlig irreführend, dazu muss man sich eigentlich nur ein einziges Spiel des derzeit vielleicht weltbesten Spielers auf dieser Position anschauen. Die Rede ist von Philipp Lahm. Er bildet das role model für die moderne Interpretation des defensiven Außenbahnspielers und die fußballerischen Attribute, die es dazu benötigt, finden sich halt eher bei Kevin Möhwald als bei Phil Ofosu-Ayeh. Fillinger (offensiv rechts) und Möhwald standen in dieser taktischen Anordnung zum ersten Mal gemeinsam auf dem Platz. Da ist im Detail noch viel Abstimmungsarbeit zu leisten, aber diese Konstellation könnte die rot-weiße Zukunft rechts der Platzmitte sein.

Ein wenig Geduld kann nicht schaden

In den Foren ist hinsichtlich der Angriffsleistung des RWE viel Gezeter zu lesen. Das kann ich nur zum Teil nachvollziehen. Noch viel weniger kann ich dem zustimmen. Richtig ist, und jeder im Stadion konnte das sehen, dass der RWE große Probleme hatte, sich Chancen zu erspielen. Aber im Gegensatz zum Spiel gegen den KSC wurde das zumindest seriös versucht. Im taktischen Ablauf des Spiels hatte dies unabweisbare Konsequenzen. Unterhaching konnte zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Druck gegen die Abwehr des RWE aufbauen, dafür griffen sie meist mit zu wenigen Spielern an, eben weil Erfurt mit 4 Akteuren (bzw. fünf, wenn Pfingsten-Reddig aufrückte, was häufig vorkam) in der gegnerischen Hälfte präsent war. Klar, es gab massenweise Missverständnisse, Fehlabspiele und individuelle Schwächen. Aber was es von der ersten Spielminute an auch gab, war der Wille ein Tor zu erzielen.

Und dieser Wille wurde belohnt. Nach den auf Gegner-Destruktion getrimmten Aufstellungen der letzten Wochen (die allerdings auswärts reichlich Punkte einfuhren) wäre es ein schieres Wunder gewesen, wenn die Mannschaft am Samstag – mit einer Aufstellung die so noch nie zusammengespielt hat – in einem unvermittelten Offensivrausch diesen (starken!) Gegner aus dem Stadion geschossen hätte. Passende Laufwege, exaktes Umschaltverhalten bei Kontern und eine hohe Passqualität knipst man nicht einfach an wie einen Lichtschalter. Und jetzt nerve ich den Leser mal mit einer grausamen Plattitüde: Man muss sich das alles im Training und über Spielpraxis erarbeiten. Und zwar hart. Jawohl!

Erleben wir das letzte Spiel von Alemannia Aachen?

Nachdem was wir in dieser Woche aus Aachen gehört haben, ist es derzeit nicht völlig sicher, ob das Spiel am Dienstag stattfindet. Aufgrund der Aussagen des Aachener Insolvenzverwalters besteht zudem die Möglichkeit, dass es das letzte Spiel des Vereins Alemannia Aachen im deutschen Profifußball auf unabsehbare Zeit sein wird. Vielleicht für immer. Die Chance, den Mantel der Geschichte durchs altehrwürdige Steigerwaldstadion wehen zu sehen, sollte man sich nicht entgehen lassen. Auch wenn das nichts von Erhabenheit und Größe haben würde, sondern vom genauen Gegenteil zeugt: Dummheit, Ignoranz und Größenwahn. Und damit meine ich nicht exklusiv die alte Vereinsführung dieses Traditionsvereins, sondern auch den Deutschen Fußballbund, der dieses aberwitzige Trauerspiel in hohem Maße mitzuverantworten hat. Die treuen Fans der Alemannia dagegen kann man nur bedauern.

SpVgg Unterhaching vs. FC Rot-Weiß Erfurt 2:2 / Es lebt!

Besser als anders herum: Drexler im Aus, Ball im Tor © www.fototifosi.de

Das war dann wohl die Woche der kuriosen Fußballspiele. Nach dem genial-desaströsen Auftreten der Nationalmannschaft legten auch die SpVgg Unterhaching und der RWE ein Spiel hin, das man so nicht alle Tage sieht.

Ich war neugierig, wie RWE-Trainer Alois Schwartz den Ausfall von Engelhardt und Strangl zu kompensieren gedachte (böse Zungen behaupteten, da gebe es nicht viel zu kompensieren). Auf die von ihm gewählte Variante – mit Bernd Rauw – wäre ich nicht gekommen. Je nach Geschmack konnte man auf eine 4-5-1 oder 4-1-4-1-Formation erkennen. Ich tendiere nach wie vor der Auffassung zu, dass der RWE mit drei Sechsern agierte, die leicht unterschiedlichen Aufgaben nachgingen. Rauw fungierte ausschließlich als Abräumer vor der Abwehr, während Baumgarten, vor allem aber Pfingsten-Reddig, sich außerdem um den Spielaufbau bemühen sollten. Hat das funktioniert? So lala, würde ich sagen. Dafür, dass drei Leute im zentralen Mittelfeld positioniert waren, sahen die Innenverteidiger doch ganz schön häufig die Unterhachinger Stürmer unbedrängt auf sich zu laufen. Pfingsten-Redddig tat die defensive Absicherung trotzdem gut. Er machte sein bestes Spiel seit Langem und auch Baumgartens Debüt in der Startelf bot Anlass zur Hoffnung. Großartig sein geistesgegenwärtiges und exaktes Zuspiel auf Tunjic vor dem Ausgleich zum 1:1. Das eigentlich ein 3:1 hätte sein müssen. Nach ausgeglichenem Spiel in der ersten Phase der Partie, dominierte der RWE die Begegnung und ließ sich auch von der Führung der Oberbayern nicht wirklich irritieren. Schon aus fußballästhetischen Gründen hätte Möhwalds Seitfallzieher eine numerische Entsprechung auf der Anzeigetafel verdient gehabt. Von Tunjics Großchance nach dem besten RWE-Angriff, via Pfingsten-Reddig und Drexler, ganz zu schweigen. Es war zum Verzweifeln. Allerdings: In unserer Situation ist Verzweiflung bereits ein mentaler Fortschritt. Allemal besser, als ob der gezeigten Leistungen in katatonische Starre zu fallen, wie zuletzt geschehen. Dann kam es dennoch, wie es kommen musste. Zwei haarsträubende Fehler, an denen Rickert beide Male hauptdarstellerisch beteiligt war, sorgten für die fast schon absurde 2:1-Halbzeitführung der Gastgeber.

Offensichtlich hatte die Mannschaft in der Pause die Anweisung erhalten, nicht unkontrolliert nach vorne zu spielen, um dem Unterhachinger Konterspiel zu entgehen. Sie hielt sich daran, wenngleich mit einem anderen Resultat als geplant. Nun brachte der RWE offensiv überhaupt nichts mehr zustande. In dieser Phase des Spiels machten die Gastgeber deutlich, dass Tabellen nicht lügen, erspielten sich mehrere großartige Torgelegenheiten (einschließlich Elfmeter), die allesamt ebenso großartig von Rickert vereitelt wurden. Mit der Einwechslung von Ahrens und Temür schaltete Schwartz dann doch auf den Kamikaze-Modus. Wie zwei Rummelboxer mit heruntergelassener Deckung drosch man nun aufeinander ein und der RWE hatte den besseren Punch. Drexler kam im Strafraum nicht sehr mittig und eher zufällig in Ballbesitz, umkurvte Riederer, was seine Lage zum Tor fast aussichtslos werden ließ – und traf in selbiges. Mit artistisch anmutender Körperkontrolle, zum insgesamt verdienten Ausgleich für den RWE. Würde mich nicht wundern, wenn er nach der Saison zum Cirque du Soleil in die Zirkus-Championsleague wechselt. Grandioser Treffer.

Fazit: ein unterhaltsames Gagaspiel. Die erste Hälfte wird von Erfurt (zumindest nach Großchancen) eindeutig beherrscht und 1:2 verloren. In Halbzeit zwei dominiert Haching ebenso handfest und muss dennoch den Ausgleich hinnehmen. Der RWE wusste in einige Phasen des Spiels sogar fußballerisch zu überzeugen und hat zwei Mal einen Rückstand wettgemacht. Aber Vorsicht! Der Verein, seine Fans und sein Blogger wähnten sich nach den Spielen gegen Aachen, Dortmund, Saarbrücken und Offenbach schon einmal auf dem Weg der Genesung, nur um dann erneut vom Laster überrollt zu werden. Noch eine Niederlagenserie kann man sich nicht leisten, denn dann wird aus einer prekären Situation schnell eine aussichtslose.

Rot-Weiß Erfurt vs. Offenbacher Kickers: Schade eigentlich!

Man sieht ihm an, dass der Ball nicht rein geht: Tobias Ahrens © www.fototifosi.de

In der Halbzeit herrschte an den Stehtischen hinter der Tribüne seltene Einigkeit: das waren sehr gute 45 Minuten des FC Rot-Weiß Erfurt. Fast makellos. Einziges Manko war die Chancenverwertung – wer einen Gegner so klar dominiert, sollte höher führen als mit dem knappsten aller Ergebnisse.

Das von Christian Preußer installierte und von Alois Schwartz beibehaltene 4-2-3-1-System bewährte sich erneut. Der RWE dominierte das Mittelfeld nach Belieben. Defensiv wie offensiv. Der OFC gab einen harmlosen Schuss auf das Tor von Rickert ab, während der RWE sich kontinuierlich Chancen erarbeitete. Nur eine davon wurde verwertet. Oumari schlug einen Franz-Beckenbauer-Gedächtnis-Pass auf Drexler, der sich im Zweikampf behauptete, die Übersicht behielt und Möhwald im Rückraum bediente. Der zog direkt ab und erzielte sein zweites Saisontor.

Auch die Auswechslungen Arie van Lents zur zweiten Hälfte ergaben zunächst kein völlig anderes Spiel. Der OFC tat sich mit der kompakten Erfurter Defensive weiterhin schwer. Doch das Mittelfeld der Kickers bekam jetzt seinerseits mehr Zugriff auf die Erfurter Spielgestalter. In Folge wechselte Möhwald häufiger auf den linken Flügel – wahrscheinlich um dort mit Czichos und Drexler Überzahlsituationen herzustellen. Das gelang nur in Maßen, schwerer wog hingegen seine Abstinenz im zentralen offensiven Mittelfeld. Tunjic verlor in der zweiten Halbzeit völlig die Bindung zum Spiel. Zudem gelang es ihm nicht mehr, die Bälle, die er erhielt, kontrolliert zu verarbeiten.

Das Spiel fing an langweilig zu werden, was angesichts der Erfurter Führung zu verkraften gewesen wäre. Nicht mit mir dachte sich der bis dahin unauffällige Schiedsrichter Thomas Stein und sorgte nun seinerseits für die «Höhepunkte» des Spiels. Zunächst wurde Strangl im Offenbacher Strafraum zu Fall gebracht – der Pfiff blieb zu Recht aus. Selbiges hätte man sich allerdings ebenfalls für den Zweikampf Oumari vs. Vogler vorstellen können. Mag sein, dass die jeweiligen Offenbacher Kombattanten etwas geschickter in ihrem Zweikampfverhalten waren, trotzdem ist zu vermerken: hier wurden vom Unparteiischen zwei ähnliche Situationen ungleich bewertet.

Der Tag hätte dennoch mit einer rot-weißen Sause enden können. Erneut nach Vorarbeit Drexlers, hatte Ahrens den Siegtreffer auf dem Fuß. Wie er dabei den OFC-Verteidigern auf zehn Metern zwei abnahm, war sensationell. Was seine Schnelligkeit betrifft, ist der Junge ein Naturereignis. Verdammt Schade, dass es ihm beim Abschluss noch ein wenig an Kaltblütigkeit mangelt. Jedenfalls in dieser Szene.

Ach ja, dann flog – gerade eingewechselt – noch Bernd Rauw vom Platz. Mag sein, dass dies vereinbar mit den Regeln und Anweisungen des DFB war. Allein – dann sollte man über diese Regularien ernsthaft nachdenken. Hier bewegt sich seit Jahren etwas grundsätzlich in die falsche Richtung. Eingepeitscht von Kommentatoren wie Marcel Reif – für den es in jedem zweiten Spiel ein Dutzend Roter Karten geben könnte („Bis sie es endlich begreifen.“) – verringern die Verbände sukzessive die Hemmschwelle für Schiedsrichter, einen Spieler des Feldes zu verweisen. Und verkennen dabei, dass diese Bestrafung eine Ultima Ratio sein sollte, weil sie die Wettbewerbsgleichheit eines Spiels maximal aus der Balance bringt.

In anderen Sportarten wird dies anders, meines Erachtens nach, besser geregelt. Sowohl beim Eishockey als auch beim Handball oder Feldhockey gibt es zeitlich begrenzte Strafen. Darüber sollte man für den Fußball dringend nachdenken. Zwar können Spieler auch von der Fortsetzung eines Spiels ausgeschlossen werden (z.B. bei grober Unsportlichkeit oder wiederholtem Foulspiel), jedoch ist es nach einer gewissen Zeiteinheit möglich, die nominelle Mannschaftsstärke wieder herzustellen. So bleiben Chancengleichheit (für die Beteiligten) und Spannung (für die Zuschauer) erhalten.

Es gäbe noch einen weiteren Vorteil, an dem nicht zuletzt Schiedsrichtern und Fußballverbänden gelegen sein sollte: Die Folgen von Fehlentscheidungen bei Roten Karten ließen sich drastisch begrenzen. Übrigens: der Kicker bewertete die Leistung von Herrn Stein mit einer glatten 5. Ist eben ein honoriges Fachmagazin.

1. FC Saarbrücken vs. RWE 0:2 / Der verdiente erste Auswärtssieg

Möhwald erzielte seinen ersten Drittligatreffer © www.fototifosi.de

Der Ludwigspark kündet eindrucksvoll von den großen Zeiten des 1. FC Saarbrücken. Und daran, dass diese bereits einige Zeit zurückliegen. Als Anhänger des RWE kommt einem das vertraut vor. Vertraut war einem auch die Aufstellung die Alois Schwartz ins Duell der beiden Traditionsvereine schickte. Wie bereits vermutet, änderte er Preußers Formation nur da wo er musste, und brachte Tunjic für den verletzten Morabit.

Die Spiele gegen Aachen und den BVB hatten der Mannschaft Sicherheit und Struktur gegeben. Das war von der ersten Minute an zu spüren. Wenn Saarbrücken das Spiel aus der Abwehr heraus aufbaute, versuchten Tunjic und Möhwald die Passwege ins Zentrum zu blockieren. Mit einigem Erfolg – der FCS war so gezwungen lange, hohe Bälle zu spielen oder verlegte seine Angriffsbemühungen viel zu früh auf eine der Außenbahnen. Beides war relativ einfach zu verteidigen. Möckel und Oumari machten ihren Job tadellos. Können sie diese Form konservieren, werden es Bertram und Rauw schwer haben ihre Stammplätze zurück zu erobern. Vor allem Möckel überzeugte mich dieses Mal nicht nur als Abwehrorganisator, sondern wusste sogar mit einigen gescheiten und genauen Bällen zur Spieleröffnung beizutragen. Bei eigenen Ballverlusten in der Hälfte von Saarbrücken wurde versucht – nicht selten mit Erfolg -, über Gegenpressing den Ball möglichst umgehend wieder in Besitz zu nehmen. Hier verdiente sich besonders der unglaublich agile und laufstarke Strangl Bestnoten, dem kein Weg zu weit und kein Zweikampf zu viel war. Im Grunde gilt dies ebenso für Drexler. Bei der Bewertung seiner Leistungen wird aufs Neue der Fehler wiederholt, der in der letzten Saison zu einem überkritischen Umgang mit Gaetano Manno führte. Beides sind von Haus aus Stürmer, müssen aber, wenn sie auf den Außenbahnen spielen, viel Energie aufwenden, um ihren defensiven Aufgaben nachzukommen. Exemplarisch erinnere man sich an die Defensivanfälligkeit der Bayern, sobald Robben und Ribéry ihre diesbezüglichen Pflichten vernachlässigen. Die Note 4 für Drexler in der heutigen TA ist eine Frechheit. Wer allein Tore zum Kriterium der Bewertung eines Spielers erhebt, versteht von der komplexen Aufgabenverteilung im modernen Fußball in etwa soviel wie Ottfried Fischer vom Vegetarismus.

Mijo Tunjic. Hier muss ich Abbitte leisten, denn eigentlich hatte ich nach dem Pokalspiel in Heiligenstadt alle Hoffnungen fahren lassen, dass es mit ihm und dem RWE noch jemals etwas werden könnte. Und jetzt das: Honeymoon – Kate und William vergleichsweise altes Ehepaar! Ganz abgesehen vom Tor – er nahm zum ersten Mal nennenswert am Spiel der Mannschaft teil, ließ sich tiefer fallen als zuletzt und erhielt so deutlich mehr Zugriff auf das Geschehen. Er leistete sich auch am Samstag das ein oder andere vermeidbare Fehlabspiel, glänzte aber andererseits mit einigen vertikalen, längeren Zuspielen. Und schoss – nach Freistoß von Pfingsten-Reddig – ein schönes, ungemein wichtiges Tor zur Führung des RWE. Wenn es ihm gelingt, diese Leistung zu verstetigen, werden wir noch viel Freude an ihm haben.

Meine einzige, klitzekleine Kritik am Coaching von Alois Schwartz: Ich hätte Tobias Ahrens schon zehn Minuten früher eingewechselt. Es sei an das Spiel der Erfurter in Wiesbaden in der letzten Saison erinnert. Bereits damals irrwischte Ahrens durch die Innenverteidigung und erzielte fast ein Tor. Diesmal hatte er (innerhalb von nur 4 verbleibenden Spielminuten) gleich zwei Großchancen, eine davon endete am Pfosten. Sobald nach einer Führung des RWE Konterräume vorhanden sind, ist Ahrens eine erstklassige Option. Mit seiner Schnelligkeit stellt er eine Heimsuchung für alle Verteidiger dar – noch dazu, wenn sie bereits 80 Minuten Spielzeit in den ausgelaugten Knochen haben.

Am nächsten Samstag kommt es im Steigerwaldstadion zum Spitzenspiel. Der Erste und Zweite der ewigen Drittligatabelle treffen aufeinander; gewinnt der RWE schubsen wir den OFC wieder vom Thron. Ein zweifelhaftes Vergnügen, ich weiß. Aber auch so ist das Wort vom Spitzenspiel nicht völlig absurd (sondern nur ein bisschen). Zwar ringen beide Mannschaften nach einem grandios verkorksten Ligastart vorerst um Anschluss ans Mittelfeld, allerdings befinden sich alle zwei Teams momentan in sehr guter Verfassung. Offenbach hat von den letzten 5 Ligaspielen drei gewonnen und keines verloren. Dazwischen fiel der so deutliche wie verdiente DFB-Pokalsieg gegen den Erstbundesligisten Greuther Fürth (2:0). Man muss kein Loddar Matthäus sein, um sicher davon ausgehen zu können, dass der OFC stärker sein wird als zuletzt Aachen, der BVB-Nachwuchs und Saarbrücken.

Ihr wisst schon: Prüfstein, harter Brocken und so.

Alemannia Aachen vs. RWE: Den freien Fall gestoppt. Vorerst.

Ich habe gerade das Internet leer gelesen. Jedenfalls was die Berichte über das 1:1 des FC Rot-Weiß Erfurt bei Alemannia Aachen betrifft. Sehr viel schlauer bin ich nicht geworden. Im Grunde hätte ich es auch beim RWE-Ticker belassen können. Soviel jedoch scheint klar: Christian Preußer hat es geschafft die Mannschaft so zu stabilisieren, dass Sie bei einem Aufstiegsaspiranten ein verdientes Remis erreichte. Da er nicht selbst gespielt hat, ist es naheliegend, dass die von ihm vorgenommenen taktischen und personellen Änderungen dabei eine gewisse Rolle spielten.

Kleine taktische Revolution beim RWE: eine 4-2-3-1-Formation

Bertram, Tunjic und Rauw auf die Bank zu setzen war nach den bisherigen Saisonleistungen der drei Spieler konsequent. Sie wurden durch Czichos, Oumari und Strangl ersetzt, wobei vor allem Letzterem eine auffällige Partie nachgesagt wird. Dass er durch seine Dynamik dem Mittelfeldspiel gut tun könnte, hatte er bereits im Spiel gegen West Ham angedeutet.

Offensichtlich hat Preußer aber auch die taktische Ausrichtung der Mannschaft verändert. In allen Spielen unter Stefan Emmerling startete das Team mit einem 4-4-2: zwei Stürmer und eine flache Mittelfeldviererkette (also keine Raute) standen vor der Abwehr. Gestern verzichtete Preußer auf Tunjic, Morabit war der einzige nominelle Stürmer (der sich wohl ab und an mit Drexler ablöste). Es blieb bei zwei Sechsern (Engelhardt und Pfingsten-Reddig), davor spielten Czichos und Drexler auf den Flügeln und Möhwald als zentraler offensiver Mittelfeldspieler. Exakt die Position, die er unter Preußer auch bei den A-Junioren innehatte. Preußer stellte mithin auf ein 4-2-3-1-System um.

Allein die zahlenmäßige Aufwertung des Mittelfeldes scheint eine gewisse Konsolidierung der Defensiv-Offensiv-Balance mit sich gebracht zu haben, einhergehend mit einem deutlich konsequenteren Zweikampfverhalten. Gern möchte ich auch den Schilderungen glauben, die eine Verbesserung des Flügelspiels beobachtet haben wollen. Aber es wäre vermessen daraus bereits einen Trend ablesen zu wollen. Dazu kann ich erst nach dem Spiel gegen den BVB Verbindlicheres sagen. Hoffe ich jedenfalls.

Preußer ist Rombachs Favorit

Rolf Rombach hat offensichtlich die Absicht Christian Preußer als Cheftrainer zu berufen, sollte die Mannschaft am Samstag gegen den BVB gewinnen. Und würde damit das wohl größte Risiko seiner RWE-Präsidentschaft eingehen. Einerseits. Andererseits ist jede Entscheidung für einen neuen Trainer in dieser Situation ein Risiko. Man mag von den fachlichen, rhetorischen und menschlichen Qualitäten eines Coaches noch so überzeugt sein, eine Gewähr für sportlichen Erfolg sind sie nicht. Trotzdem wäre das eine sehr mutige Entscheidung, denn Christian Preußer hat keinerlei Meriten als Trainer im Profibereich vorzuweisen, ja mehr noch: er war nicht mal Profifußballer.

Aber, das waren Mirko Slomka und Ralf Rangnick ebenfalls nicht (vielen Dank an „RWE-Chris“ für den Hinweis). Beide zählen zu den profiliertesten Fußballlehrern des Landes. Arrigo Sacchi, Trainer der brillanten Mannschaft des AC Mailand Ende der 80iger Jahre, sagte man nach, dass er nur mit Mühe geradeaus laufen konnte, geschweige denn in der Lage war, unfallfrei vor einen Ball zu treten. Andere Beispiele erfolgreicher Trainer ohne vorhergehende Profikarriere sind Volker Finke und Christoph Daum.

Ein grandioses Beispiel wie ein A-Jugendtrainer einen Verein vor dem Abstieg rettete, lieferte in der vergangenen Saison der SC Freiburg. Nach der Hinrunde noch abgeschlagener Tabellenletzter, holte Christian Streich mit dem Sportclub 27 Punkte in der Rückrunde und wurde für diese Leistung – völlig zu Recht – Dritter bei der Umfrage zum Trainer des Jahres. (Bei mir hätte er sie übrigens gewonnen.) Deshalb: Die mangelnde Erfahrung im Profibereich ist aus meiner Sicht kein stichhaltiges Argument gegen Christian Preußer.

Viel essenzieller für den Erfolg Preußers wird sein, dass Mitglieder, Vorstand, Aufsichtsrat und Anhängerschaft des Vereins auch noch hinter dieser Entscheidung und ihrem jungen Trainer stehen, wenn mal zwei Spiele nacheinander verloren gehen. Dieser Fall wird eintreten, früher oder später.

Last but not least: Die Mannschaft muss den Trainer akzeptieren. Das lässt sich nicht verordnen. Der Vorstand sollte sich sehr sicher sein, dass gerade die erfahrenen Spieler hinter Preußers Stil und Konzept stehen. Dabei sollte man leicht dahin gelabernden Lippenbekenntnissen misstrauen. Die werden bereits bei geringsten Differenzen keinen Wert mehr besitzen.

Zusammenfassung im Konjunktiv (weil es allein von der sportlichen Entwicklung abhängig ist, ob es dazu kommt): Aus rein fachlicher Sicht würde ich eine Berufung Christian Preußers für völlig gerechtfertigt erachten. Trotzdem ginge der Verein, namentlich Rolf Rombach, damit ein exorbitantes Risiko ein. Ein größeres Risiko jedenfalls, als mit der Berufung eines anerkannten, erfahrenen Fußballlehrers. Im Falle des Misserfolges (Definition Misserfolg: der RWE setzt sich auf den Abstiegsplätzen fest) werden alle die es mit Rolf Rombach nicht so gut meinen (und das scheinen angesichts der Wortmeldungen der letzten Tage nicht wenige zu sein) einen Shitstorm bisher ungeahnten Ausmaßes in seine Richtung lostreten.

Dem Präsidenten des RWE steht also – möglicherweise – in den nächsten Tagen eine Entscheidung bevor, um die ich ihn nicht beneide.

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