Nimmt man alles in allem, hat sich der FC Rot-Weiß Erfurt mit einer beachtlichen Leistung zum Spielbetrieb der 3. Liga zurückgemeldet. Nach zwei besorgniserregenden Vorstellungen gegen Kiel und Elversberg konnte, ja, musste, man darauf hoffen. Eine Garantie dafür gab es selbstredend nicht, umso erfreulicher, dass sich die Mannschaft am eigenen Schopf aus dem Schlamassel zog.
Motto des Spiels:
Hurra, wir leben noch!
Die Aufstellung:
Die personelle Situation entspannt sich. Walter Kogler konnte, bis auf die gesperrten Engelhardt und Wiegel, quasi seine erste Elf aufbieten. Wenn auch, wie sich vor allem bei Brandstetter zeigen sollte, noch nicht alle bei 100 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Womit allerdings, nach derart langen Verletzungspausen, niemand ernsthaft rechnen durfte. Strangl für Göbel auf der rechten Offensivposition spielen zu lassen, sollte sich als segensreiche Entscheidung herausstellen. Gute Ansätze durfte man dem gebürtigen Franken schon immer unterstellen, am Samstag gelang ihm jedoch zum ersten Mal ein durch und durch überzeugender Auftritt seit er in Erfurt Fußball spielt. Was natürlich in erster Linie an den Verletzungen lag, die eine lineare Entwicklung seines Potenzials immer aufs Neue unterbanden.
Taktiksplitter:
Nach der Pleite mit dem Einstürmer-System in Elversberg kehrte Kogler wieder zum altgedienten 4-4-2 zurück. Das war auch deshalb naheliegend, weil ihm mit Brandstetter und Kammlott die zwei besten Stürmer zur Verfügung standen – und, weil die Mannschaft mit der Systemumstellung übelst Schiffbruch erlitten hatte. Am Samstag funktionierten dann wieder Dinge, die man in den letzten Spielen vermisste, oder die in diesen Spielen schlecht umgesetzt wurden. Zum Beispiel das situative Pressing gegen den spielaufbauenden Gegner. Das war eine große Stärke von RWE in der Hinrunde. Aggressives Pressing spielt keine (ungedopte) Mannschaft der Welt über 90 Minuten. Es kommt auf die Dosierung und den Rhythmus an, sonst bezahlt man mit einem gnadenlosen konditionellen Einbruch zum Spielende hin. Zuletzt lehrbuchhaft zu beobachten beim Heimspiel des VfL Wolfsburg gegen die Bayern. 60 Minuten presste Wolfsburg aus allen Rohren, als gebe es kein Morgen. Aber es gab sowohl ein Morgen als auch noch davorliegende 30 Schlussminuten, in denen die Elf von Hecking faktisch kollabierte und sich noch sagenhafte 5 Tore einfing. Koglers bevorzugte Variante liegt in einem auf erfolgversprechende Spielsituationen orientierten Pressing. Was man vielleicht so zusammenfassen kann: Kontrolliert der Gegner den Ball sicher, wird eher passiv im 4-4-2 gepresst, sobald der Gegner Probleme mit der Ballkontrolle hat, wird diese Grundformation aufgebrochen und die Anzahl der attackierenden Erfurter Spieler erhöht. Wie erwähnt, das hat in vielen Spielen der Hinrunde gut funktioniert und damit wurde auch die Hintermannschaft des VfB das ein oder andere Mal prima unter Druck gesetzt und Fehler provoziert.
Das Coaching:
Tadellos.
Spieler des Tages:
Carsten Kammlott. Bedarf keiner Begründung bei 2 Toren und einer glänzenden Vorbereitung des Ausgleichs.
Bilanz des Spiels:
Starkes Comeback der Mannschaft, aber nichts worauf man sich ausruhen sollte.
Für einen Fußballer gibt es keine perfekten Spiele, was es aber gibt, sind Spiele, in denen dem Beobachter nicht viel einfällt, was ein Spieler hätte besser machen können. Ein solches Spiel hat Carsten Kammlott am Samstag bestritten.
Der Gegner:
Kann man kurz machen: Schwache Defensive, starke Offensive – letztere vor allem in der zweiten Halbzeit.
Die Konsequenzen:
Platz vier ist wieder möglich, genauso gut kann man immer noch in den Abstiegskampf rutschen, leistet man sich noch einmal eine Negativserie wie zuletzt.
Die Öffentlichkeit:
Viel Lob von allen Seiten für die Mannschaft. Wird ihr gut tun.
Die Aussichten:
Licht am Ende des Tunnels, das sich nicht als entgegenkommender Zug erwies. Alle Zeichen deuten nach oben: Engelhardt, dessen Fehlen im zentralen Mittelfeld dem Defensivverhalten der Mannschaft auf Dauer nicht zuträglich ist, wird gegen Osnabrück wieder zur Verfügung stehen. Brandstetter wird sich peu à peu wieder seiner wahren Leistungsfähikeit nähern. Ich vermute, unsere Bilanz in Osnabrück ist grauenhaft, hohe Zeit daran etwas zu ändern.
Wenn ich der Trainer wäre …
… würde ich in Osnabrück Engelhardt für Pfingsten in die Startelf beordern und ansonsten nichts ändern.