Ich hatte in Teil I dieses Postings geschrieben, dass sich die Einlassungen von Dr. Stübner gegen die Arena in zwei Kategorien einteilen lassen. Wir kommen jetzt zum zweiten Teil; den Argumenten die nicht ad hoc als Unsinn (oder bloße Polemik) erkennbar sind.
Parkplatzablöse: Eine 60 Millionen-Lachnummer
Die ungeheuerliche Zahl von 60 Millionen Euro zusätzlicher Kosten macht der OB-Kandidat der Freien Wähler an einem Begriff fest: Parkplatzablöse. Wie dem Wort unschwer anzusehen ist, handelt es sich dabei um einen Neologismus bürokratischen Ursprungs. Was ich gar nicht abwertend meine, denn die Sache an sich ist keineswegs unschlüssig: Jemand möchte in irgendeiner Stadt ein Gewerbe betreiben. Der Neu-Unternehmer hat aber keine Möglichkeit die ihm abverlangte Anzahl an Parkplätzen zur Verfügung zu stellen. In ihrer unglaublichen Großzügigkeit räumt ihm die Kommune die Möglichkeit ein, sich davon freizukaufen (sprich die Parkplatzpflicht abzulösen). Im Gegenzug ist sie jedoch verpflichtet öffentliche Stellflächen zu errichten. In Erfurt staffelt sich der Preis für diese Ablöse zwischen 11.000 und 3.000 Euro pro Stellfläche, aufgeteilt in vier Zonen. Da es nicht wirklich eine Rolle spielt, habe ich mir die Mühe erspart die exakte Zone für das SWS zu verorten, tippe aber mal auf Zone IV (3.000 EUR). Damit wären schon mal die märchenhaften 10.000 EUR Ablöse vom Tisch, denen allein es zu verdanken ist, dass Dr. Stübner uns diese sagenhafte Milchmädchenrechnung auftischen kann. Wir stehen jetzt bei benötigten 6.000 Parkplätzen (errechnet von Herrn Dr. Stübner) mal 3.000 EUR, macht 18.000.000 EUR. Rein virtuell, versteht sich, denn in Wahrheit wird die (stadteigene) Betreibergesellschaft der neuen Erfurter Arena keinen Heller Ablösegebühren an die Stadt Erfurt entrichten. Das ist so, weil es den §49 der Thüringer Bauordnung gibt, der da lautet:
Die Stellplatzpflicht nach den Sätzen 1 und 2 entfällt, wenn die Gemeinde durch örtliche Bauvorschrift nach § 83 oder durch städtebauliche Satzung die Herstellung von Stellplätzen und Garagen ausschließt oder beschränkt.
Somit liegt es völlig im Ermessen der Stadt, diese Gebühr zu erheben oder nicht. Warum sollte die Stadt Erfurt von der eigenen Betreibergesellschaft diese Quasi-Steuer verlangen? Das wäre absurd. Selbst wenn sie es täte, es wäre ein Nullsummenspiel. Mag sein, dass ich völlig falsch liege. Dr. Stübner kann mich allerdings jederzeit von der Korrektheit seiner Kalkulation überzeugen, indem er die Belege für das Erheben dieser Ablöse für die Erfurter Oper, den Flughafen und die Messe vorzulegen in der Lage ist. Bis dahin behaupte ich: das ist Bullshit.
Neuer Bahnhof in Laufweite, zwei Stadtbahnlinien vor der Tür – nie gehört?
Meine Auffassung an der Infrastruktursituation um das SWS herum, habe ich bereits in einem vorhergehenden Posting versucht darzulegen. Die Argumentation von Dr. Stübner ignoriert die erstklassige Anbindung des jetzigen SWS (und der neuen Arena) an zwei Stadtbahnlinien und den Erfurter Bahnhof gänzlich. Er konstruiert stattdessen einen Individualverkehr-Exzess, den es so nicht geben wird, weil nur moderate Zuwachszahlen an Besuchern zu erwarten sind. Zudem werden die Belastungsmaxima bei Sportveranstaltungen (sprich: Spitzen- oder „Bayernspiele“) nicht höher ausfallen als bisher, da die Arena nicht mehr Zuschauer fasst als das SWS.
Wenden wir uns jetzt der Auslastung der Neuen Arena Erfurt zu. Hier notiert Herr Dr. Stübner folgenden Satz: «Glaubt jemand ernsthaft, dass mehr als die Hälfte der Erfurter Dritt- und in der Perspektive Zweitligazuschauer (Ich bin optimistisch und dem Club durchaus gewogen!) von jenseits dieser 30-km-Zone und Erfurts herkommen?»
Zunächst: Es wäre allen geholfen, wenn Dr. Stübner seine anbiedernden, heuchlerischen und verlogenen Sympathiesentenzen im Fortgang der Dinge bleiben ließe. Er müsste sich nicht verbiegen, wir müssten uns nicht übergeben. Zur Antwort: Nein, das glaubt niemand. Überdies hat dies auch niemand behauptet und notwendig ist es ebenfalls nicht. Da keine Zahlen vorliegen, würde ich – auf Grund empirischer Schätzungen anhand meiner RWE-Heimspielnachbarschaft – mal von einem Anteil von 20-30 Prozent ausgehen, die aus einem Radius außerhalb der „verbotenen“ 30 Kilometerzone kommen. Das kann, soll (und muss) ausgeglichen werden durch Veranstaltungen wie z.B. Freiluftkonzerte, bei denen das Verhältnis ziemlich sicher genau anders herum ist und natürlich durch Veranstaltungen von Firmen (Seminare, Schulungen, Kleinmessen).
Stübners Law: 20 Spiele sind erlaubt
Dann verblüfft uns Dr. Stübner mit dem Satz: «Erlaubt sind nur 20 Spiele von Rot-Weiß Erfurt im Jahr.» Die Grobplanung des IFS enthält in seiner Kalkulation diesen Wert von 20 Spielen, der sich auf Grund des angenommenen Zuschauerzuspruchs und der GRW-Richtlinie einer Zuschauer-Parität (Touristen/Einheimische) ergibt. Von einem Verbot ein 21. Spiel austragen zu können steht da nichts und auch die Förderrichtlinie des Ministeriums wird einen derartigen Blödsinn nicht vorsehen. Richtig ist, dass mehr Heimspiele des RWE eine Verschiebung des Besucherverhältnisses zuungunsten der in den Förderrichtlinien definierten Vorgaben bedeuten würden. Das wird man zu gegebener Zeit zu entscheiden haben. Es hängt zum Beispiel davon ab, wie schnell es gelingt die neue Arena für außersportliche Veranstaltungen attraktiv zu machen (dazu ein Vorschlag meinerseits am Ende des Textes). Wird nur ein Freiluftkonzert pro Jahr stattfinden, oder werden es drei sein? Niemand kann das heute seriös vorhersagen. Es ist im wesentlichen auch keine Frage des Konzeptes, sondern viel eher eine des kompetenten Managements der Betreibergesellschaft. Man kann die Verantwortlichen der Stadt Erfurt nur anflehen, hier nicht schon wieder ein paar Ruheposten für altersmüde Kommunalpolitiker zu schaffen.
Wie alles im Leben birgt das Projekt Risiken. Niemand wird das ernsthaft bestreiten. Hier wäre an erster Stelle zu nennen: die wirtschaftliche Entwicklung – weltweit und in ihren unverzüglichen Auswirkungen auf die hiesige Wirtschaft. Allein das ist so ein hochkomplexes, quasi chaostheoretisches System, dass man sofort sagen müsste: Stopp – ist uns zu unsicher. Dann dürfte man konsequenterweise aber auch keine neuen Gewerbegebiete ausweisen, keine Autobahnen durchs Nirgendwo bauen und es erschiene gleichfalls sehr fraglich, Milliarden in eine Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zu investieren. Das alles sind Wechsel auf die Zukunft. Yes, höre ich Dr. Stübner an dieser Stelle rufen, gegen all das bin ich ja auch. Stimmt, liest man sein OB-Wahlprogramm gewinnt man den Eindruck: Dr. Gerd Stübner ist gegen alles was der Prosperität moderner Städte zuträglich ist: Wachstum, Gewerbegebiete, moderne Architektur. Für all das steht die Erfurter Arena – deshalb ist es nur folgerichtig, dass Dr. Stübner gegen sie wettert wie ein alttestamentarischer Rachegott.
Wie der OB-Kandidat der Freien Wähler uns alle reich machen will
Am Ende seiner Ausführungen empfiehlt Dr. Stübner den Erfurter Fußballfans, eine Anleihe zu zeichnen um ein neues Stadion zu finanzieren, denn damit würde man wie in Hamburg (beim FC St. Pauli) schließlich eine Rendite von «6 Prozent im Jahr – ein Traum am aktuellen Kapitalmarkt» erzielen können. Nun, das haben sich Dr. Stübner und sein Laptop-Poser Schleichardt prima zusammengegoogelt.
Zunächst: Noch nirgendwo ist ein Stadion dieser Größenordnung allein mit den Geldmitteln seiner Anhänger erbaut worden. Auch beim FC St. Pauli nicht. Dort und bei Union Berlin (ein sehr ähnlicher Fall, stand wohl erst auf Seite 3 der Google-Treffer) geht es um etwas anderes: Beide Stadien sind bereits zum überwiegenden Teil saniert. Für eine Vollendung der Modernisierung benötigen die Vereine zusätzliches Geld. Beide hätten jetzt die Option die Namensrechte der Stadien langfristig zu vermieten und mit diesen Garantieeinnahmen Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen. Das ist der übliche Weg. Mitglieder und Fans der zwei Clubs haben sich dagegen entschieden. Sie wollen die Namen ihrer traditionsreichen Stadien bewahren und sind im Gegenzug bereit, Anleihen ihrer Vereine zu kaufen. Bei Union gab es dafür klugerweise kein Renditeversprechen; was den Vorstand des FC St. Pauli dazu bewogen hat bleibt vielen ein Rätsel. Sicherheiten sind für die märchenhaften 6% keine hinterlegt. Wären sie vorhanden, benötigte man die Anleihe nicht. Der Rest ist Gottvertrauen – in einen fußballvereingewordenen Dschungelcamp-Kandidaten.
Eine Bilanz: Dr. Gerd Stübner hat ein denkwürdiges Dokument vorgelegt. Würde ein Fingerschnippen alle Faktenfehler, Übertreibungen, Verdrehungen, Falschzitate, Inkompetenzen und Zynismen darin entfernen, es blieben nur die Satzzeichen übrig.
Am Ende diese Postings möchte ich einen Vorschlag zur touristischen Nutzung der Arena machen. Ich greife dabei eine bereits vorhandene Idee auf – die Einrichtung eines Museums für den Erfurter Fußball (Dr. Kummer im Gespräch mit Wilfried Mohren auf der RWE Webpage). Da die Förderrichtlinien einen 50-prozentigen Anteil externer Besucher (sprich Touristen) vorschreiben, schlage ich vor, diesen Gedanken weiter zu entwickeln und ein Museum für „Ostdeutsche Fußballkultur“ einzurichten. Ein derartiges Museum – thematisch exklusiv dem ostdeutschen Fußball gewidmet – existiert bisher nicht. Sporthistorisch solide konzipiert und attraktiv in Szene gesetzt, böte es die Chance tausende Menschen pro Jahr in die neue Erfurter Arena zu locken.
Es ist wohl unstrittig, dass es an Themen und Geschichten für ein derartiges Museum nicht mangelt. Aber darüber mach ich mir, aus naheliegenden Gründen, erst nach der nächsten Stadtratssitzung weitere Gedanken.