Stübners Erzählungen – Eine Replik in zwei Teilen (I)

Fußballblogger schreiben am liebsten über Fußball. Doch dann kamen der Winter und Dr. Gerd Stübner um dies zu verhindern. Dem OB-Kandidaten der Freien Wähler muss man dennoch ein Kompliment machen: Mutig verlässt er die Komfortzone des Unverbindlichen, nennt (große) Zahlen und modelliert aus ihnen unverrückbare Tatsachen, die einen Bau der neuen Erfurter Arena als ein durch nichts zu rechtfertigendes Abenteuer bloß stellen sollen. Doch zur Stübner-Horror-Picture-Show später.

Das Geld kommt nach Thüringen oder es wird woanders in Europa ausgegeben

Zunächst erscheint es mir sinnvoll noch einmal kurz auf das Förderverfahren hinzuweisen. Immer wieder taucht die Frage auf: Kann man mit diesem Geld nichts Sinnvolleres anfangen? Sinnvolleres jedenfalls, als die Partikularinteressen zweier Fußballvereine und ihrer Anhängerschaft zu alimentieren? Die Antwort lautet: Ja, womöglich kann man das. Allerdings irgendwo anders in Europa und ohne jeden Einfluss auf das Unterfangen selbst. Die Gelder, die über das in Rede stehende GRW-Verfahren ausgereicht werden sollen, sind EU-Fördergelder. Sie speisen sich aus den Transferzahlungen der EU-Mitgliedsländer. Das Thüringer Wirtschaftsministerium hat die Städte Erfurt und Jena, sowie die beiden dort ansässigen Vereine darauf aufmerksam gemacht, dass es im Fall des geplantes Baus zweier Multifunktionsarenen beide als förderwürdig im Sinne der GRW-Richtlinien erachten würde. Es werden keine Gelder des Landes Thüringen dafür verwendet, schon gar nicht werden (auf Landesebene) neue Schulden zur Finanzierung der Arenen aufgenommen. Es lassen sich auf diesem Weg definitiv auch keine Schulen, Kindergärten oder Straßen bauen bzw. sanieren. Partikular sind die Interessen quasi bei allen öffentlichen Investitionen, ob Oper, Autobahn oder Flughafen: Niemals werden sämtliche Bürger eines Gemeinwesens davon profitieren  – schon gar nicht in gleichem Umfang. Die Kunst gutes Regierens bestand schon immer darin, eine Balance zwischen den divergierenden Gruppeninteressen einer Gesellschaft herzustellen. Summarisch gelingt das in Deutschland so schlecht nicht. In Erfurt ist man dabei, sich von dieser politischen Tugend zu verabschieden.

Soweit das Auge reicht: Moderne Mehrzweckarenen und neue Stadien

Wie jede andere EU-Region, versucht Thüringen einen möglichst hohen Anteil an EU-Subventionen zu erhalten. Politiker die das unterlassen, müssten sich den Vorwurf der Fahrlässigkeit gefallen lassen. Die Webseite stadionwelt.de befasst sich mit nichts anderem als dem Bau von Stadien und Arenen – europaweit. Dort kann man nachlesen welche neuen Projekte in Planung, im Bau oder auch bereits abgeschlossen sind. Das ist eine hoch spannende Lektüre und sie lässt nur einen Schluss zu: Europa erlebt derzeit einen Bauboom was die Errichtung oder Modernisierung  von Sport- und Eventstätten betrifft. Die meisten von ihnen werden so vielseitig wie möglich genutzt: entweder durch mehrere Sportarten/Vereine oder eben auch durch die Kombination mit außersportlichen Veranstaltungen. Finanziert werden diese Investitionen auf sehr unterschiedlichen Wegen, man kann jedoch einen Trend festmachen: Sehr selten kommt das Geld ausschließlich von einem privaten Investor (wie bei der O2-World in Berlin, Anschütz-Gruppe), ebenso exzeptionell ist die Alleinfinanzierung durch die betroffene Kommune (wie im Fall des Chemnitzer Stadions). Meistens sind es Mischfinanzierungen aus diversen, steuergespeisten Geldquellen. Es bleibt festzuhalten: Der Bau der neuen Arenen in Erfurt und Jena ist kein Einzelfall. Es ist momentan nachgerade epidemisch moderne Sportstätten für publikumswirksame Sportarten zu errichten. Desgleichen ist deren polyvalente Nutzung völlig üblich (auch durch außersportliche Aktivitäten), ebenso wie ihre Allein- oder Ko-Finanzierung durch die öffentliche Hand. Und bevor dieses Argument kommt, will ich gleich darauf eingehen: Nein, es ist keineswegs so, dass diese Sportstätten nur in den Metropolen unseres Landes gebaut werden. Es sei denn Kassel, Potsdam, Offenbach, Plauen, Zwickau zählt man neuerdings auch dazu.

Stübner vermutet: Kommt die Arena gibt’s keine BUGA

Was sagt uns das alles? Es sagt uns vieles, vor allem aber eins: Selbst bei einer sensationell moderaten Eigenfinanzierungsquote von ca. 5 Millionen EUR – für die man eine vielfältig verwertbare hochmoderne Immobilie erhält (erhalten könnte) – wollen nennenswerte Teile der Erfurter Kommunalpolitiker diese Arena mit aller Macht verhindern. Das führt uns nun zu den Argumenten, die der OB-Kandidat der Freien Rentner Wähler Erfurt, Dr. Gerd Stübner, in einem Posting auf der Seite meinanzeiger.de vorgebracht hat.

Es gibt in Dr. Stübners Artikel zwei Kategorien von Argumenten. Die einen lassen sich en passant annullieren, weil sie offensichtlicher Stuss sind. In diese Kategorie fällt die vermeintliche Höhe der bisherigen Einnahmen durch die Bandenwerbung, die er mit 375 EUR angibt. Demgegenüber werden geplante Einkünfte von 180.000 EUR gestellt, daraus resultiert dann ein Faktor von 480, den Dr. Stübner mit Recht als unrealistisch geißelt. Das Problem daran ist nur, dass die Zahl 375 einem fehlerhaften Artikel der Thüringer Allgemeinen entnommen wurde. Der Wert wurde dort inzwischen auf 375.000 EUR geändert, was natürlich ebenso absurder Unfug ist.

Zudem versucht Dr. Stübner, durchaus geschickt, eine quasi historische Kontinuität zwischen seiner Ablehnung der neuen Arena und dem Abstimmungsverhalten der Freien Wähler deutlich werden zu lassen. Er schreibt hierzu: „Das gibt den Freien Wählern Mut und Kraft, weiter gegen die Multifunktionsarena aufzutreten!“. Zwei Sätze vorher ist von einer Abstimmung im Erfurter Stadtrat die Rede, in der alle Fraktionen – außer den Freien Wähler – dem Arenabau zugestimmt haben. Das stimmt, sie haben sich damals der Stimme enthalten. Aber mitnichten dagegen gestimmt, denn Gegenstimmen werden im Protokoll zu diesen Stadtratssitzung nicht ausgewiesen. Dieser Umstand stiehlt dem so kraftvoll klingenden weiter-gegen dann doch etwas die Show.

Last but least für diese Kategorie steht die beiläufige Erwähnung der geplanten Bundesgartenschau in Erfurt. Darüber schreibt Dr. Stübner: «Nebenbei: Gefährdet diese Förderung nicht eventuell die Förderung der BUGA oder wird Erfurt dann eben doppelt gefördert?.» Natürlich weiß Dr. Stübner sehr genau, dass das eine mit dem anderen rein gar nichts zu tun hat. Diesen Satz gibt es nur damit er (der Satz) Ängste erzeugt. Denn Gerd Stübner ist allzu klar, dass viele Menschen in Erfurt – darunter nicht wenige ältere – sich mit der Ausrichtung der BUGA stark identifizieren. Was es ihm wohl angeraten erscheinen lässt, diese Ängste für seine Zwecke wachzurufen.

Das ist nicht geschickt, das ist perfide.

… / Im 2. Teil: Stübner, der Zahlenmystiker: 60 Millionen EUR für Arena-Parkplätze und 6 Prozent Rendite beim FC St. Pauli

Bildquelle: worschech architects

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