Der Trainerwechsel / Pro & Contra
Eins vorweg: Walter Kogler war und ist ein hochsympathischer Mensch. Seine fast schon unösterreichisch zurückgenommene, vorsichtige und freundliche Art hat Maßstäbe gesetzt. Die sportliche Bilanz seines Wirkens fällt hingegen zwiespältig aus. Den besten Fußball spielte die von ihm trainierte Mannschaft in der Vorrunde der Saison 2013/2014. Trotz des personellen Substanzgewinns konnte daran in der letzten Saison nicht angeknüpft werden. Meine Hoffnung gründete darauf, dass sich die Mannschaft über die Grundtugenden Kampf und Disziplin hinaus fußballerisch sukzessive verbessert. Das trat nicht ein. Stattdessen blieb nur ein fürchterliches Vakuum übrig, als die Basiselemente des Fußballspiels abhanden kamen. Vor diesem Hintergrund ist die Entlassung Walter Koglers nachvollziehbar. Auf der anderen Seite deuten allen Indikatoren darauf hin, dass ein Verein wie Rot-Weiß Erfurt mit ständigen Wechseln der sportlichen Leitung schlecht abschneidet. Wenn man schon kein Geld hat, so das Motto erfolgreicherer «armer» Vereine, muss man mit gutem Personal, dem man vertraut, auch wenn es sportlich mal schlechter läuft, und Langmut eine Mannschaft entwickeln. Hoffen wir einfach, dass wir mit Christian Preußer nun endlich einen Trainer haben, dem dies vergönnt ist.
Spielsystem
Eigentlich begann es interessant und vielversprechend. In den ersten Saisonspielen ließ Kogler mit Andeutungen einer 3er-Kette spielen. Menz schob sich zur Spieleröffnung, aber auch beim Spiel gegen den Ball, immer wieder zwischen die beiden Innenverteidiger. Das geschah so regelmäßig, dass man dabei nicht mehr nur von einem «abkippenden Sechser» sprechen konnte. Aus mir unerfindlichen Gründen war es damit aber bald wieder vorbei. Von nun an galt die Faustregel: wenn Kammlott und Brandstetter fit sind: 4-4-2 (mit Doppelsechs). Wenn nur einer gesund war (meist Kammlott): 4-2-3-1. Personell fand ich das 4-2-3-1 immer besser, schon allein weil Möhwald darin eine klare und seinen Stärken gemäße Rolle (auf der 10) vorbehalten war. Viel mehr muss man über das Spielsystem nicht schreiben, es wurde – in jeder Formation – konventionell interpretiert. Hier wünsche ich mir für die neue Spielzeit mehr Vielfalt. Nach dem fußballerischen Waterloo des Frühjahrs würde ich über ein Spielsystem nachdenken, dass bereits formativ bessere Möglichkeiten der offensiven Spielentfaltung bietet, also z.B. ein 4-4-2 mit Raute. (Was natürlich wiederum andere Fragen und Probleme aufwirft, die es zu lösen gilt.) Wir sind ein kleiner Verein mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten. Umso wichtiger wäre es, in den Bereichen innovativ aufzutreten die nichts mit der Qualität des Kaders zu tun haben, also z.B. durch konsequente Aneignung und Umsetzung eines überdurchschnittlich variablen Spielsystems.
Verein / Vereinsführung / Außersportliches
Das Steigerwaldstadion, dieser schöne aber in die Jahre gekommene Ort großer Verheiß- und Enttäuschungen existiert in seiner alten Form nicht mehr. Dies war unvermeidlich, was es nicht weniger anrührend macht. Es wurde mit einer spektakulären, allerdings am Ende doch recht teuren Veranstaltung würdig verabschiedet.
Auf Grund der anhaltend prekären Finanzlage entschloss sich der Verein zur Ausgabe eigener Genussscheine. Daran ist nichts verwerflich, diesen Weg haben bereits eine stattliche Anzahl von Fußballklubs beschritten. Ich habe bisher noch keine exakte Zahl über die eingenommene Summe gelesen (was auch an mir liegen kann), aber die kolportierten 500.000 Euro sind unzweifelhaft mehr als Peanuts für die schwindsüchtigen Konten des Vereins. Ein Kollateralnutzen dabei war zweifellos die Möglichkeit, über den vorgeschriebenen Wertpapierprospekt einen ungefilterten Blick auf die wirtschaftliche Situation des Vereins nehmen zu können. Die Wahrheit ist oft nicht angenehm. In diesem Fall sieht man sich einem komplexen (aber wohl beherrschbaren) Schuldenberg, bestehend aus Rangrücktrittsdarlehen und sonstigen Verbindlichkeiten, auf der einen und einer fragilen Einnahmesituation auf der anderen Seite gegenüber. Es ist kein kleines Wunder, dass Rolf Rombach die Pleite des Klubs bisher abzuwenden in der Lage war. Es ist aber auch klar, dass der Verein auf die Person Rombach bis auf Weiteres festgelegt bleibt. Weniger wegen der von ihm investierten Eigenmittel (die es honorigerweise auch gibt), sondern in erster Linie, weil er bei den Gläubigern mit seinem Namen für ein maßvolles Wirtschaften unter komplizierten Bedingungen einsteht. Einfacher ausgedrückt: Wirft Rombach hin, ist es um den Verein vermutlich geschehen. Einen plausiblen Kandidaten für seine Nachfolge habe ich weit und breit noch nicht erblickt. Es gibt viele Gründe unserem Präsidenten dankbar zu sein, selbstredend gehört dazu sein unermüdliches – und offensichtlich erfolgreiches – Engagement für den Bau eines neuen Stadions. Das ändert aber nichts daran, dass es Entscheidungen unter seiner Präsidentschaft gab, gibt und (sehr wahrscheinlich) weiter geben wird, denen ich kritisch bis ablehnend gegenüberstehe und das wird in diesem Blog weiterhin ein Thema bleiben.
Die «Mission 2016» verstarb in der letzten Woche durch eine Erklärung auf der Homepage des Vereins. Ihr frühzeitiges Ableben ist das Beste was ich über diesen Unfug zu sagen weiß. Sie ruhe sanft und endgültig auf dem Friedhof rot-weißer Träumereien.
Das mediale Umfeld
Der mdr hat sich in der letzten Saison um die 3.Liga verdient gemacht und eine große Zahl von Spielen übertragen. Das wird der Sender in der kommenden Saison noch einmal steigern; die DDR-Oberliga «feiert» eine Renaissance in der Drittklassigkeit. Ein ambivalentes Szenario. Die einen bejubeln – zu Recht natürlich – ihren Aufstieg (Magdeburg), andere könnten gut darauf verzichten (Aue). Wieder andere spielen in ihrer Eigenwahrnehmung immer Champions League (Dresden) und für den FC Rot-Weiß Erfurt ist es seit Jahren Alltag. Nicht alles was der mdr dazu produziert ist ein Kandidat für den Grimme-Preis, aber in der Berichterstattung hat sich vieles zum Positiven gewandelt. Klar ist ebenfalls, wer erfolgreich spielt, bekommt mehr Aufmerksamkeit in Form von Sendezeit. Sich über diesen Mechanismus zu beklagen wäre albern.
Was die Printmedien betrifft, befindet sich der FC Rot-Weiß in einer befriedeten Zone. Die Thüringer Allgemeine berichtet nur nach einem Spieltag opulent (eine Seite) über das Spiel. Ansonsten kommt der Verein dann vor, wenn es die Nachrichtenlage hergibt. Ab und an ein Interview, alles sehr zurückgenommen. Tenor: Alles Wesentliche wird mit wohlwollender Distanz fachlich (meist) fundiert berichtet. Nutzung sozialer Netzwerk durch die TA-Sportredaktion: Fehlanzeige.
Ein anderes Kaliber ist da die Thüringer Ausgabe von Bild. «RWE-Chefreporter» (meine Kreation) Michael Windisch nutzt intensiv Twitter, um auf neue Entwicklungen im Verein hinzuweisen und nicht selten auch seine Meinung zu artikulieren. Konfrontativ? Manchmal. Diskutabel? Sicher. Aber vor allem ist es unterhaltsam. Bild druckt jeden Tag einen Artikel zu RWE. Das sind zuweilen Petitessen, aber oft genug auch gute Interviews (wie z.B. jenes mit Maik Baumgarten vor zwei Wochen). Es fällt schon auf, dass Bild meist vor anderen Medien über bestimmte Entwicklungen im Verein informiert ist. Und – zumindest während der Zeit in der ich das etwas intensiver verfolge (also etwa 3 Jahre) – mit keiner Meldung dramatisch falsch lag. Die letzte grobe Falschmeldung zu RWE leistete sich vor zwei Jahren die TA mit der Nachricht, dass Ralf Loose neuer Cheftrainer wird. Eine Boulevardzeitung ist von ihrem Naturell her meinungsaggressiver als andere Zeitungen. Dinge werden pointierter dargestellt. Das ist ihr Geschäftsmodell. Im Komfortbereich Profifußball sehe ich das sehr gelassen, bei anderen Feldern der Berichterstattung weniger.
Summarisch bin ich der Auffassung, dass alle mit dem Gegenstand RWE befassten Journalisten mit der für ihren Berufsstand notwendigen Distanz über den Fußballklub Rot-Weiß Erfurt berichten. Keiner will dem Verein Böses, eher trifft das Gegenteil zu. Für den Verein eine komfortable und mitnichten selbstverständliche Situation.
Die Aussichten für 2015/2016
Sportlich derzeit nicht seriös zu beurteilen. Mit Möhwald und Czichos verlassen zwei hochkarätige Spieler den Verein. Auch der Verlust von Wiegel, Brandstetter (sehr bedauerlich, aber verständlich bei seiner chronischen Verletzungsanfälligkeit), Kleineheismann, Baumgarten, Bukva muss erst kompensiert werden. Alle bisherigen Neuverpflichtungen ergeben Sinn und weisen interessante Profile auf. Kaum überraschend die gestrige Aussage von Torsten Traub, dass man noch einen offensiven Mittelfeldspieler sucht (als Ersatz für Möhwald). Daraus gilt es schlussendlich, eine Mannschaft zu formen. Für unseren jungen Cheftrainer eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufgabe. Ich wünsche mir einfach, dass diese Mannschaft besseren, attraktiveren Fußball spielt als in der letzten Saison. Dann wird sie auch problemlos die Liga halten, da bin ich sicher. Mehr an Erwartung habe ich nicht.