Blechbüchse hin, Wellblechpalast her – wen es fasziniert, ein Fußballspiel aus möglichst großer Nähe zu verfolgen, für den gibt es wahrlich miesere Orte als die Wiesbadener BRITA-Arena.
Walter Koglers Aufstellung bot nicht die geringste Überraschung. Patrick Göbel hatte sich, mit einer guten Vorstellung in Duisburg, erneut in die Startelf gespielt. Der Rest der Mannschaft stellt sich momentan (noch) nahezu von selbst auf. Die Rückkehr Möhwalds auf dem Spielberichtsbogen zeigt an, dass sich dies bald ändern könnte.
Rot-Weiß begann druckvoll und ging mit einer großartigen Kombination nach fünf Minuten folgerichtig in Führung. Wie schon in Duisburg leitete Pfingsten-Reddig das Tor mit einem schönen Pass ein, Drazan bestätigte (nicht nur in dieser Szene) wie wertvoll er bereits jetzt für die Mannschaft ist, und Kammlott tat, wofür man ihn verpflichtet hat und netzte routiniert ein. Die anschließenden 20 Minuten dominierte RWE nach Belieben, was einen (!) Zuschauer auf der Haupttribüne zu einem halblaut vorgetragenen «Kienle raus»-Ruf animierte. Dem mochte sich niemand weiter anschließen, schon gar nicht, als sich das Spiel zusehends in Richtung Erfurter Abwehr drehte. Wiesbaden fand immer besser in die Partie und Vunguidica, Mintzel, Book und Jänicke bewiesen, dass sie eine Defensive zu beschäftigen wissen. Den Ausgleich möchte ich nicht exklusiv unserer Abwehr angelastet sehen. Jänicke kann ohne jeden Druck, wie im Training, präzise flanken, Odak und Laurito stehen dann allerdings natürlich zu weit weg vom Torschützen Mintzel. Die ganz heißen letzten fünf Minuten vor der Pause hatten nicht zuletzt ihre Ursache in der Verletzung Lauritos. Engelhardt rückte zwar sofort in die Innenverteidigung, aber die Zuordnung stimmte vorerst überhaupt nicht, sodass RWE diese Phase nur mit Glück ohne weiteres Gegentor überstand. Nach Wiederanpfiff waren beide Mannschaften bemüht zum Siegtor zu gelangen, allerdings war es ihnen noch wichtiger, nicht als Verlierer den Platz zu verlassen. Alles war unspektakulärer als in Halbzeit eins, es gab deutlich weniger Torchancen und am Ende stand dann eben ein so logisches wie leistungsgerechtes Remis.
Was gab es noch Bemerkenswertes? Engelhardt spielte nach der Pause (wieder einmal) Innenverteidiger und macht seine Sache exzellent. Als hätte er seit der B-Jugend nichts anderes getan. Das ist keineswegs selbstverständlich, weshalb ich es hier gesondert vermerke. Wenn er zentral in der Abwehr spielt, hat das zudem den Vorteil, dass sich einer der beiden Sechser nicht (oder zumindest seltener) für den Spielaufbau nach hinten fallen lassen muss und auf diese Weise eine zusätzliche Anspielstation im Mittelfeld zur Verfügung steht, zumindest theoretisch.
Luka Odaks Defensivleistung war – gegen einen agilen Mintzel und sieht man mal vom Tor ab – in Ordnung. Was mir bei ihm nicht gefällt sind leichte Passfehler in der Vorwärtsbewegung, da agiert er einfach zu hektisch. Er kann das besser, keine Frage, nur wäre es langsam an der Zeit, dies konstant unter Beweis zu stellen.
Sehr gut gefallen hat mir Maik Baumgarten. Bei ihm bin (war) ich mir nie ganz sicher, ob seine Leistungen schon für die dritte Liga genügen. Er wurde in Wiesbaden in einer diffizilen Spielsituation als zentraler Mittelfeldspieler eingewechselt und hat diese Aufgabe defensiv souverän bewältigt. Wach, aggressiv, schnörkellos. Es mangelt ihm auch keineswegs an Spielübersicht bei eigenen Angriffen. Klar, nicht jeder Ball kam zum Mitspieler, aber grobe Fehlabspiele leistete er sich ebenfalls nicht. Für mich einer der Gewinner dieses Spiels.
Womit wir bei unserem Kapitän wären. Zunächst einmal, auch von diesem virtuellen Ort aus, einen herzlichen Glückwunsch zum 200. Drittligaspiel, lieber Nils Pfingsten-Reddig. Ansonsten lädt seine Leistung, wie häufig in den letzten Spielen, zu einer differenzierten Betrachtung ein. Ich hatte schon erwähnt, dass es sein Pass war, der das Führungstor einleitete. In diesem Bereich liegt ganz eindeutig seine größte Stärke – wie kein anderer Akteur unseres Kaders ist er in der Lage «tödliche» Pässe zu spielen. Weniger zufrieden war ich erneut mit seiner Leistung im Defensivverhalten. Hier ist er mir oft zu statisch, zu wenig aggressiv. Vor allem bei Ballverlusten ist es spielentscheidend, dass die zentralen Mittelfeldspieler in der Lage sind, einen Angriff des Gegners zu unterbinden. Sei es mit ihrem Zweikampfverhalten, sei es mit dem Zustellen von Passwegen, sei es mit möglichst geschickten, geringfügigen Fouls. (Was nicht immer gelingt, wie die insgesamt 14 Gelben Karten von Engelhardt und Möhwald beweisen.) In dieser Rubrik seiner Arbeitsplatzbeschreibung ist mir Pfingsten-Reddig zu zögerlich und das sorgt in Folge immer wieder dafür, dass sich die hintere Viererkette massiven Problemen – in Form einer Überzahl von Gegenspielern – gegenübersieht. Deshalb war ich froh, dass Kevin Möhwald wieder im Aufgebot stand und wir im Mittelfeld über Optionen verfügen, die wir überdies wie die Luft zum Atmen benötigen, da Laurito mindestens zwei Spiele ausfallen und Engelhardt seinen Platz in der Abwehr einnehmen wird.
Wir haben wieder nicht gewonnen, ich weiß. Trotzdem kommen mir die Abstiegsunkenrufe etwas deplatziert, um nicht zu sagen hysterisch vor. Die Mannschaft spielt weder wie ein Absteiger, noch verliert sie jedes Spiel. Es ist zugegeben derzeit etwas zäh mit dem Punktekonto, allerdings bin ich optimistisch, dass sich dies bereits am Freitag gegen Holstein Kiel ändern wird.
Einmal abgesehen von der fortgesetzten Sieglosigkeit war das ein sehr angenehmer Ausflug nach Wiesbaden. Nicht zuletzt wegen meines Bloggerkollegen Gunnar, der im stehblog dem SV Wehen Wiesbaden schon lange die Treue hält und uns vor dem Spiel und in der Halbzeit bestens betreute. Vielen Dank!