Nach der Pokalniederlage gegen Schott Jena gab es in den Vereinsforen des RWE, wie nicht anders zu erwarten, sehr emotionale Äußerungen gegenüber Mannschaft und Verein. Ich sprach mit dem RWE-Fan Fabian, der unter dem Nickname Asumel im Forum RWE-Community schreibt, und für den die Niederlage in Jena nur einen weiteren Tiefpunkt eines Vereins in der Abwärtsspirale darstellt.
Fedor Freytag: Wie lange gehst Du bereits zu Spielen von Rot-Weiß?
Fabian: Mein erstes Heimspiel besuchte ich 2005. Erfurt spielte zweite Liga und verlor gegen Köln 0:1. Am RWE interessiert war ich schon deutlich länger – schon zur Aufstiegssaison wollte ich damals unbedingt zu den Spielen. Aufgrund der Entfernung war es mir damals aber leider nicht möglich. Die Zweitliga-Saison war auch eine Saison, die es in sich hatte. Trotzdem wir abgeschlagen abstiegen sind, hat mich doch ein starkes RWE-Fieber gepackt. Die darauf folgende Saison steigerten sich die besuchten Heimspiele deutlich. Seitdem ich in Erfurt wohne, bin ich eigentlich fast immer da. Auswärts war ich auch sehr oft unterwegs – Düsseldorf, Paderborn, Burghausen, Sandhausen, Dresden, Aalen, Jena – die Liste lässt sich beliebig fortführen. Hängen geblieben ist vor allem der Auswärtssieg gegen Dynamo vor zwei Jahren aber auch die bittere Niederlage gegen Ahlen.
Fedor Freytag: Gehörst Du einer Fangruppierung an oder fühlst Du Dich einer nahe?
Fabian: Ganz klares nein. Ich habe einen Bekanntenkreis mit dem ich so oft wie möglich zu den Spielen gehe, aber einer festen Gruppierung gehöre ich nicht an. Möchte ich auch nicht. Wenn man sich die Erfordia Ultras anschaut, muss man als neutraler Betrachter den Kopf schütteln. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es den Ultras deutlich an kreativen Köpfen fehlt. Wann gab es die letzte schöne Choreo? Und mit Choreo meine ich keine vollgemalte Tapete.
Fedor Freytag: Du hast im Forum RWE-Community geschrieben: «Ich nehme mir eine Auszeit vom RWE.» Was hat Dich zu einer solchen Aussage bewogen?
Fabian: Um das auszuführen, muss ich etwas weiter ausholen. Aus meiner Sicht befindet sich der Verein seit der Entlassung von Stefan Beutel in einer Abwärtsspirale. Ich bin mir bewusst, dass auch unter Beutel nicht alles Gold war, was glänzte und vor allem im letzten Jahr unter ihm einiges schief lief. Trotzdem gab es damals noch attraktiven Fußball am Steigerwald zu sehen. Die Kombination Dotchev / Beutel hat einfach gepasst. Der Abgang von Dotchev kam damals für alle überraschend. Wir lagen nach der Hinrunde super im Rennen im Kampf um den Aufstieg und alles deutete daraufhin, dass wir es packen. Dann ging der Trainer von Bord und unterschrieb in Paderborn. Die Gründe dafür wurden damals mit der sportlichen besseren Alternative von Paderborn begründet – die Gerüchteküche brodelte. Geschichten um betrogene Ehefrauen von Sponsoren zogen ihre Kreise. Was daran wahr ist und was nicht möchte ich nicht beurteilen. Als Trainer folgte Karsten Baumann. Unter ihm fand das Team nie in die Erfolgsspur zurück und die Saison wurde auf Platz 7 beendet. Auf Baumann folgte Hörgl, dann kam Stefan Emmerling und als letzter Trainer Alois Schwartz. Aktuell befindet sich der Verein – mal wieder – auf Trainersuche. Jahr für Jahr predigt Rolf Rombach, dass wir Kontinuität auf der Trainerposition benötigen. Das gelang seit Pavel Dotchev nicht mehr. Der Trainerposten in Erfurt ist nichts anderes als ein Schleudersitz. Dies ist, zusammen mit den Etatkürzungen, ein Hauptgrund für den Niedergang des Vereins. Jeder Trainer bringt eine andere Philosophie, ein anderes System und benötigt dafür andere Spieler. Jedes Jahr erfolgt ein erneuter Umbruch. Stefan Emmerling war der beste Trainer, nach Pavel Dotchev, den wir in Erfurt hatten. Während er in seiner ersten Saison maßgeblich an der Teamzusammenstellung beteiligt war, übernahm Traub in der abgelaufenen Saison diese Aufgabe. Das Resultat haben wir eine ganze Saison auf dem Platz beobachten dürfen. Aus meiner Sicht hätten die Verantwortlichen um Herrn Rombach nur dann verantwortungsvoll gehandelt, wenn sie Traub gleich mit rausgeworfen hätten. Dies wurde nicht getan, stattdessen wurde noch ein Sportvorstand engagiert. Generell, so scheint mir, bauen wir den Verein auf Menschen die eine zweite Chance benötigen.
Fedor Freytag: Wie meinst Du das?
Fabian: Der Pressesprecher wegen Betruges verurteilt, der Geschäftsführer Kalt führte den OFC an den Rand des Ruins – und Spieler bekommen wir sowieso nur, weil sie verletzt sind, siehe Fillinger. Aber auch wenn ich deutliche Kritik an Rombach äußere, möchte ich betonen, dass mir bewusst ist, dass ohne ihn der Verein nicht mehr existieren würde. Allerdings kann mich aber noch gut erinnern an die Vorstellung des neuen Vermarkters erinnern. Auf der Pressekonferenz wurde vollmundig verkündet, dass man nun in der Lage sei, Leistungsträger in Zukunft in Erfurt zu halten – alles Schall und Rauch. Mittlerweile bin ich mehr als skeptisch, was den Zustand unseres Vereins betrifft. Auf der Mitgliederversammlung werden die Zahlen jedes Jahr nur aufs Äußerste verkürzt wiedergegeben, sodass sich niemand, außer den Verantwortlichen, ein Bild von der aktuellen finanziellen Lage machen kann.
Fedor Freytag: Hast du daraus Konsequenzen gezogen?
Fabian: Ich bin mittlerweile als Mitglied aus dem Verein ausgetreten. Auf der JHV war es aus meiner Sicht nicht möglich Fragen anständig zu erörtern. Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass es den meisten Anwesenden eher um die Freikarte zum Spiel ging als darum, kritischen Fragen zu stellen. Insgesamt haben die JHVs mehr Fragen aufgeworfen, als Antworten gegeben. Es sind diese Unklarheiten, die teilweise katastrophale Außendarstellung, Teile der Fans und auch die aktuelle Mannschaft die mich zu dem Entschluss gebracht haben eine „Auszeit“ vom Verein als solches zu nehmen.
Fedor Freytag: Du hast im Forum von krassen antisemitischen Äußerungen berichtet, die es beim Pokalendspiel gegen Schott gab. Würdest Du das Erlebte hier kurz wiederholen?
Fabian: Ich habe mich selten so geschämt für unsere Fans. Sicher war das Warten am Bratwurststand in Jena echt langwierig. Aber was kann die arme Aushilfskraft dafür? Es fielen die folgenden Äußerungen: „Bratwurstjüdin“, „Judensau“, „Der Jude dahinten muss erst mal abhängen“, „Im KZ ging das damals schneller“, „In Auschwitz haben sie die Judenwürste damals schneller gebraten“. Und was macht die halbe Schlange? Johlen, einen draufsetzen.
Fedor Freytag: Unglaublich. Aber sind das nicht Einzelfälle? Geäußert von schwachsinnigen «Fans» wie sie so gut wie jeder andere Verein in Deutschland auch hat?
Fabian: Klar könnte man das als Einzelfälle abstempeln. Das sind sie aber nicht. Auswärtsfahrten mit dem RWE sind zum Großteil einfach nur noch peinlich und entwürdigend. Das gegen Schott war sicherlich der negative Höhepunkt der Saison 2012/13. Wobei es so ist, dass, wenn wir gegen Jena spielen es immer besonders schlimm ist. Generell habe ich das Gefühl, dass die Aussagen entsprechender Parteien in Erfurt auf besonders fruchtbaren Boden fallen. Dass die KEF eindeutig rechtsradikal ist, steht sogar im Thüringer Verfassungsschutzbericht. Dazu gibt es noch einige andere „Fanclubs“ die schon ziemlich suspekt wirken, wie die «RWE Brigade Weimar». Fakt ist auch, dass viele – die in Erfurt ein Stadionverbot haben – sehr oft auswärts anzutreffen sind. Es interessiert einfach die Wenigsten. Den Schaden trägt der Verein durch den Imageverlust. Es geht aber nicht nur um Antisemitismus, sondern auch um das Verhalten unserer Auswärtsfans. Ein beträchtlicher Teil führt sich auswärts auf wie die Axt im Walde, gleichzeitig wird sich dann aber beklagt, wenn die Vorschriften seitens der Polizei oder der Heimmannschaft jedes Jahr strenger werden. Es ist doch selbst bei Heimspielen schon zu beobachten, dass der Teil der «Erlebnisorientierten» und Asozialen – es tut mir leid, ich finde dafür kein anderes geeignetes Wort – mittlerweile einen großen Anteil der Anwesenden ausmacht. Es ist einfach traurig, mittlerweile habe ich mich auch aus der Kurve verabschiedet, da mir das Ganze einfach zu dumm ist.
Fedor Freytag: Was sollte der Verein FC Rot-Weiß Erfurt tun, damit das besser wird?
Fabian: Es wäre schön, wenn der Verein überhaupt etwas unternehmen oder das Problem überhaupt anerkennen würde. Ich sehe hier aber vor allem den hauptamtlichen Fanbetreuer in der Pflicht. Aktuell ist diese Stelle neu ausgeschrieben. Auch wäre es wünschenswert, wenn die KEF komplett ausgeschlossen wird und die Stadionverbote konsequent umgesetzt werden. Diese Gruppierung schadet eindeutig dem Verein. Da sollte auch beinhalten, dass keine Fahnen und Flaggen der KEF mehr aufgehängt werden dürfen – weder daheim noch auswärts.
Fedor Freytag: Wie siehst Du die Zukunft des Vereins?
Fabian: Da bin ich mir noch unschlüssig. Vieles hängt davon ab, wie der erneute Umbruch dieses und nächstes Jahr gelingt. Es muss dem Vorstand endlich gelingen wieder eine Mannschaft auf das Feld zu schicken, mit der sich der gemeine Fan identifizieren kann. Generell denke ich, dass wir eine sehr junge Truppe präsentieren werden. Es wird für die neue Saison entscheidend sein, dass ein Pfingsten-Reddig und ein Engelhardt vorangehen und die jungen Spieler führen. Auch wäre es gut, wenn endlich wieder Ablösesummen erzeugt werden könnten. Ich denke ein Möhwald ist ein Kandidat dafür oder aber auch ein Klewin, wenn man ihm den Vorzug vor Sponsel gibt. Sollte der Worst Case eintreten, so bin ich fest davon überzeugt, dass der Verein in die Insolvenz schlittert.
Fedor Freytag: Vielen Dank für das Gespräch.