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DDR-Olympiasieg im Fußball 1976: Der vergessene Triumph

1976. Welch ein Jahr! Mao starb, das Politbüro der SED feuerte Wolf Biermann und in einem kalifornischen Kaff namens Los Altos gründeten drei Nerds eine Garagenfirma mit dem kapriziösen Namen Apple. Sollte alles noch seine Bedeutung haben. Vorerst eher weniger. Mein Soundtrack des Jahres: „Bohemian Rhapsody“. Immer wenn Freddie Mercury sang, war ich von mir selbst ergriffen: I’m just a poor boy and nobody loves me. Mit anderen Worten: Ich pubertierte, dass es nur so krachte. An einem Abend Ende Juni verwies mich Vater – meiner notorischen Streitsucht wegen – der heimischen Stube. Was mir gleichgültig gewesen wäre, wenn nicht gerade auf dem einzigen Fernseher die 2. Halbzeit des EM-Halbfinals zwischen Deutschland und Jugoslawien begonnen hätte. Und nein, Livestreams waren vorerst keine Alternative. So verpasste ich Dieter Müllers sensationellen Hattrick, der den nicht mehr für möglich gehaltenen Finaleinzug bedeutete. Jedoch auf tragische Weise sinnlos blieb, weil sich Ulrich Hoeneß im Finale gegen die Tschechoslowakei den Fehlschuss des Jahrhunderts leistete. Zumindest was den deutschen Fußball anbelangt. Apropos Jahrhundert. 1976 war – laut Wikipedia – einer von dreizehn (sic!) Jahrhundertsommern dieses Säkulums. 

Nun waren Große Ferien. Die Olympischen Spiele in Montreal dominierten Bildschirme und Schlagzeilen beiderseits des Eisernen Vorhangs. Meine Eltern waren sicher nicht böse, ihren nervenden Mini-Che-Guevara für einige Wochen los zu sein. Den größten Teil der Ferien verbrachte ich bei Großmutter. Die schlau genug war, mich mit Hingabe zu verwöhnen, ansonsten aber in Ruhe zu lassen. Ausschlafen, ins Schwimmbad gehen, bis in die Morgenstunden Olympia gucken. Jugend, unbeschwert, Ausgabe Ost. 

Der letzte Wettkampftag der Spiele begann mit einem der spektakulärsten Erfolge der DDR-Sportgeschichte. Ein Typ mit dem kuriosen Namen Waldemar Cierpinski lief – zur Überraschung aller – als Führender auf die Tartanbahn des Olympiastadions und gewann souverän den Marathonlauf. Der Höhepunkt des Tages – jedenfalls für mich – stand erst um 21.30 Uhr Montrealer Zeit an: das Finale des Fußballturniers. DDR gegen Polen. Also saß ich halb vier Uhr nachts erneut vor Omas Fernsehgerät. Ein Schwarzweiß-Röhrenmonster, Typ Stella, zusammengelötet im VEB Fernsehgeräte Staßfurt. In der Nachbarschaft war alles dunkel. Ich fühlte mich elitär.

Bei olympischen Fußballturnieren durften nur Amateure antreten. Deshalb galten – und gelten – diese Spiele nicht als offizielle Länderspiele der FIFA, sondern als Vergleiche von Olympiamannschaften. Der DFB ignoriert diese Sichtweise bis heute, indem er manche Spiele der DDR-Olympiamannschaft als Länderspiele wertet. Dem kann eine gewisse Berechtigung kaum abgesprochen werden. Zwar traten alle Teams der westlichen Länder ohne Profis und mithin ohne ihre besten Spieler an. Die Länder des Ostblocks durften jedoch ihre Elite-Mannschaften aufbieten[i], weil deren Spieler nominell als Amateure galten. Eine abenteuerliche Sichtweise. Leistungssportler im Osten waren Vollprofis und wurden vom Staat bezahlt. Allerdings wurde dies stets dementiert und bis ins geringste Detail raffiniert camoufliert. Fußballer in der DDR erhielten Scheinverträge von Betrieben oder staatlichen Institutionen, in die sie nur einen Fuß setzten, wenn sie ihre Gehaltsschecks abholten oder mit den „Kollegen“ einen saufen gingen. Im Resultat führte diese Regelung des IOC dazu, dass die westlichen Länder bei olympischen Fußballturnieren chancenlos blieben. Bei allen Sommerspielen zwischen 1952 und 1988, an denen sie teilnahmen, errangen Mannschaften aus dem Ostblock den Titel. Wenn man so will, handelte es sich um eine Mini-WM des Warschauer Pakts. FIFA und UEFA betrieben diese Entwertung des Olympiaturniers engagiert im Hintergrund. Sie wollten den Glanz ihrer Premiumprodukte – WM und EM – bewahren. Das ist noch heute so.

Wenn im öffentlichen Bewusstsein von diesem Turnier etwas haften blieb, dann dieses Endspiel. Oder vielmehr der Umstand, dass die DDR es gewann. Gegen die gleichen Polen, die zwei Jahre zuvor im Halbfinale der WM (ich nenne es hier mal so, obwohl es nur das entscheidende Gruppenspiel war) den späteren Weltmeister Deutschland an den Rand einer Niederlage brachten und WM-Dritter wurden. Die beste polnische Mannschaft aller Zeiten, Olympiasieger 1972, der Titelverteidiger. Sie traten mit ihrer stärksten Mannschaft an, nur ihr brillanter Libero Jerzy Gorgon verletzte sich beim Warmlaufen. Trotzdem rechnete ich mir einiges aus, denn die Mannschaft von Trainer Georg Buschner hatte sich im Laufe des Turniers gesteigert. Im ersten Spiel kamen die vom Jetlag geschwächten DDR-Kicker gegen die brasilianische Auswahl über ein torloses Remis nicht hinaus. Daraufhin wurden sie vom Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB), Manfred Ewald, mit einer Wutrede traktiert. Napola[ii]-Zögling Ewald, jahrzehntelang der mächtigste Funktionär des DDR-Sports, war kein Freund des Fußballs. Zu viel Aufwand für zu wenig Erfolg. Die DDR gewann – und erdopte – bei diesen Spielen unglaubliche 90 Medaillen – davon 40 goldene. Selbst im günstigsten Fall konnten die Fußballer nur einen marginalen Beitrag leisten. 18 Mann und eine mögliche Medaille –  das war dem Effizienzdenken des sich im Goldrausch befindlichen NOK-Chefs zuwider. Das schwache Spiel gegen die Brasilianer (diesem Fußball-Entwicklungsland, wie Ewald wusste) bot einen willkommenen Anlass zur Triebabfuhr. Buschners Jungs ertrugen es gelassen. Sie kannten die Animositäten Ewalds und ließen die Tirade über sich ergehen, gewannen das nächste Gruppenspiel gegen Spanien und siegten im Viertelfinale gegen die Franzosen (für die der junge Platini auflief) 4:0. 

Das Minimalziel war erreicht. Mehr zu erwarten wäre vermessen gewesen. Jetzt wartete im Halbfinale die Sowjetunion. Neben den Polen der andere Turnierfavorit. Die UdSSR verstand sich darauf, die Vielvölkerigkeit ihres Reiches effektiv zu verwerten. Zumindest im Sport. Ihre Olympiamannschaft entsprach dem sowjetischen Nationalteam und das setzte sich überwiegend aus Spielern des ukrainischen Vereins Dynamo Kiew zusammen. Dynamo Kiew, dieser legendäre Fußballgolem, erlebte Mitte der siebziger Jahre seine erste internationale Blüte. 1975 gewannen die Ukrainer den UEFA-Pokal und schlugen Bayern München im Finale des Supercups. Den Bayern gelang in den zwei Finalspielen kein Tor (0:1, 0:2). Dass sie erfolgreich spielten, erklärt jedoch nur einen Teil des Dynamo-Kiew-Mythos. Der andere, heute wesentlichere, lag in der Art und Weise wie diese Mannschaft Fußball spielte. In vielem glich das System, dass der Trainer und Fußballkybernetiker Walerij Lobanowskyj spielen ließ, dem Totaalvoetbal[iii], als dessen Erfinder gemeinhin die Herren Rinus Michels und Johan Cruyff gelten. Wer sich da von wem was und ob überhaupt abgeschaut hat, darüber streiten Taktikfreaks bis heute. Von all dem wusste ich damals nichts. Demutsvoll, überrascht und erfreut nahm ich den verdienten 2:1-Erfolg der DDR im Halbfinale zur Kenntnis. 

So kam es, dass gegen 03:40 MEZ der uruguayische Schiedsrichter Barreto die Nationalmannschaften Polens und der DDR zum Fußballfinale aufs durchweichte Geläuf des Montrealer Olympiastadions führte. Die Platzverhältnisse waren schwierig, irregulär waren sie nicht. Im Gegensatz zur Frankfurter Wasserschlacht zwischen Polen und der Bundesrepublik bei der WM zwei Jahre zuvor rollte der Ball, ohne von quadratmetergroßen Binnenseen jäh gestoppt zu werden.  Die DDR startete furios mit einer Art Überrumpelungstaktik. Nach 14 Minuten stand es 2:0. Vor allem Schade und Häfner erkämpften, erliefen und erspielten im Mittelfeld die Hoheit über das Geschehen. Dem hatten die Polen über weite Strecken der ersten Hälfte nichts entgegenzusetzen. Ihre langen Bälle auf die Spitzen Lato und Szarmach wurden leichte Beute der aufmerksamen Verteidigung um Libero Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner, der sich zudem um den initialen Spielaufbau bemühte. Mittelstürmer Riediger und Rechtsaußen Wolfram Löwe ließen sich wechselweise ins Mittelfeld fallen, wo sie für die Duracellhasen und Ballverteiler Schade und Häfner einfach anzuspielen waren. Diese wiederum schalteten sich auf der ganzen Breite des Platzes ins Angriffsspiel ein, was zu Überzahlsituationen auf den Flügeln und im Zentrum führte. Logische Folge: Hartmut Schade schoss das erste Tor, Reinhard Häfner bereitete das zweite mit einem unwiderstehlichen Sololauf über den halben Platz vor. Es sollte nicht seine letzte großartige Aktion an diesem Montrealer Abend bleiben.

Abschweifung zu Reinhard Häfner: Neben Peter Ducke ist er für mich der beste Fußballer, den die DDR hervorbrachte und der seine Karriere überwiegend (oder ausschließlich) dort bestritt. Wären die Zeiten andere gewesen, er hätte in jeder Mannschaft der Welt spielen können. Sieht man sich seine Spielweise an – gerade auch in diesem Finale – so ist er ein Prototyp dessen, was heute als moderner Sechser gilt. Defensiv wie offensiv gleich gut, laufstark, körperlich robust und extrem passsicher. Zudem war er ein eleganter Stilist, ein seltenes Attribut für zentrale Mittelfeldspieler. Als einziges Manko galt, dass er zu wenige Tore schoss.

Erzielt hatte das zweite Tor der große Unvollendete[iv] des DDR-Fußballs, der Magdeburger Linksaußen Martin Hoffmann. Häfners Vorlage vollendete er direkt mit einem lehrbuchmäßigen Außenristschuss, unhaltbar für Jan Tomaszewski. Das polnische Torhüteridol ließ sich in der 19. Minute auswechseln. Es darf spekuliert werden, ob tatsächlich die offizielle Begründung „Übelkeit“ ursächlich war, oder ob er nur vermeiden wollte, im Zentrum einer sich anbahnenden fußballerischen Katastrophe zu stehen. Denn zunächst änderte sich wenig. Die Polen hatten nun zwar größere Spielanteile, was sie nicht hatten waren: Torchancen. Dafür vergaben Riediger und Löwe zwei hundertprozentige Gelegenheiten. Die Statik des Spieles änderte sich erst gegen Ende der ersten Halbzeit. Kazimierz Deyna – the magic men – entzog sich zunehmend der von Buschner verordneten Manndeckung durch den Berliner Reinhard „Mäcki“ Lauck. Es schien, als ob der enorme Laufaufwand der DDR-Mannschaft frühzeitig Wirkung zeigte. Indizien dafür: Kmiecik und Deyna boten sich gute Möglichkeiten; seine Kontergelegenheiten spielte das DDR-Team nur noch mangelhaft aus. 

Dann war Halbzeit.

Ich wusste: Hier war noch nichts entschieden. Wie glänzend die Polen Fußball zu spielen verstanden, war mir seit der WM 1974 klar. Wären sie in Deutschland Weltmeister geworden, niemand hätte von Glück zu sprechen gewagt. Bange und hellwach zitterte ich – in the heat of the night – der zweiten Hälfte entgegen.

Das Zittern hätte ich mir sparen können. Wenn, ja wenn, Wolfram Löwe Sekunden nach Wiederanpfiff die mit Abstand größte Chance des Spiels genutzt hätte. Eigentlich machte er alles richtig, Verteidiger und Torwart waren ausgespielt, ich hatte den Torschrei bereits auf den adoleszenten Lippen, als ein heranschlitternder polnischer Abwehrspieler den Ball noch von der Linie schubste. Das wäre die Entscheidung gewesen. Ein Jammer, denn nun nahm das Spiel den erwartbaren Verlauf. Die Polen drückten. Angetrieben vom unermüdlichen Henryk Kasperczak rollte Angriff auf Angriff in Richtung Croys Tor. Den focht das nicht an. Der Zwickauer Stoiker bestritt in diesem Finale eines von sehr, sehr vielen tadellosen Spielen seiner Karriere. Buschners Mannschaft hielt mit allem was sie hatte dagegen. Fußballerisch wie kämpferisch. Der befürchtete konditionelle Kollaps fand nicht statt. Die Chancen der Polen wurden trotzdem hochwertiger. Powerplayska. Großchance Kmiecik, Croy währt zur Ecke ab. Deyna flankt den Ball nach innen, Grzegorz Lato – ungedeckt, am  kurzen Pfosten hochsteigend – köpfte zum Anschlusstreffer ins Tor. Ich sank in den großelterlichen Sessel, fluchte und erbat zugleich den Beistand höherer Mächte. Nicht sehr durchdacht von mir, zugegeben. Es blieb auch ungehört, die Polen drehten weiter auf und in der 65. Minute gab es einen dieser großartigen, magischen Fußballmomente. Die nur genießen kann, wer diesen Sport so respektiert, dass er die Könnerschaft des Gegners als solche akzeptiert. Deyna spielte  – in der Vorwärtsbewegung – mit einem Hackenpass Szarmach hoch(!) an, der den Ball via Seitfallzieher aufs Tor katapultierte. Ein ästhetisches Meisterwerk – Sixtinische Kapelle nichts dagegen -, das einen schlechteren Torwart als Jürgen Croy verdient gehabt hätte. Der parierte mit einem sensationellen Reflex zur Ecke. Von der dieses Mal keine weitere Gefahr ausging.

Abschweifung zu Kazimierz Deyna: Die Polen wählten ihn zum Fußballer des Jahrhunderts. Für den Kicker war er 1974 der Weltfußballer des Jahres. Eine bemerkenswerte Entscheidung des deutschen Fußballmagazins, nach einer WM im eigenen Lande bei der man den Titel errang und angesichts des Superstars Franz Beckenbauer. Heute ist Deynas Name nur noch wenigen ein Begriff. Was wohl in erster Linie dem Umstand geschuldet ist, dass er seine besten Jahre als Fußballer bei Legia Warschau verbrachte und nicht in Barcelona, München oder Mailand. Die Rekordsummen gezahlt hätten, um ihn zu verpflichten. Kazimierz Deyna war keinen Jota schlechter als Johan Cruyff. Er war begnadet. Ein offensiver Spielmacher, dessen Spielweise noch heute ungemein dynamisch wirkt. Eben nicht so elegisch wie die von Netzer, Overath oder Rivelino, ohne diesen an technischer Raffinesse nachzustehen. Er starb 1989 bei einem Verkehrsunfall in den USA. Seine Rückennummer 10 wird bei Legia Warschau nicht mehr vergeben.

Draußen war es Tag geworden. Die letzten 10 Minuten des Spiels begannen. Den Polen gelang nicht mehr viel. Sie waren platt. Auch Katholiken sind schließlich nur Menschen. Andererseits stand da eine Mannschaft auf dem Platz, die aus dem Nichts ein Tor erzielen konnte. Zur Entspannung bestand kein Anlass. Aber ich musste nicht bis zum Schlusspfiff zittern. Hartmut Schade lief in ein schlampiges Zuspiel der polnischen Abwehr, passte auf Häfner, der plötzlich nur noch den Keeper vor sich hatte, in den Strafraum eindrang und aus 12 Metern den Ball an Mowlik vorbei ins Tor schob. Abgebrüht und kalt wie eine Tasse Mitropa-Kaffee. In den verbleibenden Minuten passierte nichts Erwähnenswertes. Die Schlacht war geschlagen. Barreto pfiff ab. Platzsturm der DDR-Equipe, die ihren Sieg euphorisch feierte, dabei aber die olympische Contenance wahrte. Manfred Ewald befand sich nicht im Stadion. 

Es war der erste Titel einer DDR-Fußballnationalmannschaft und es wird für alle Zeit der einzige bleiben. Der Nachruhm für die Beteiligten hielt und hält sich in engen Grenzen. Da ist ungerecht. Dieser Olympiasieg wurde gegen erstklassige sportliche Konkurrenz[v] errungen, erkämpft und erspielt. Von einer großartigen Mannschaft, die technisch wie taktisch auf der Höhe ihrer Zeit und ihres Metiers agierte.

Inzwischen war es 5.45 Uhr. (Nein, es gibt hier jetzt keinen geschmacklosen historischen Kalauer.) Großmutter, eine notorische Frühaufsteherin, blickte mich ungläubig an, war aber zufrieden einen glücklichen, wenn auch übermüdeten Enkel vor sich zu haben und schickte mich zu Bett. Vor dem Einschlafen dachte ich bestimmt daran, dass die Hälfte der Ferien bereits vorüber war und womöglich, spürte ich diese leichte Leere, die sich bei mir bis heute nach großen Sportereignissen einstellt.

Endspiel Olympisches Fußballturnier 1976 

31. Juli , 21.30 Ortszeit

Olympiastadion, Montreal

71,617 Zuschauer

Schiedsrichter

Ramón Barreto ( Uruguay)

Tore

1:0 Schade (7.), 2:0 Hoffmann (14.), 2:1 Lato (59.), 3:1 Häfner (84.)

DDR

Jürgen Croy – Hans-Jürgen Dörner – Lothar Kurbjuweit , Konrad Weise, Gerd Kische, – Reinhard Häfner, Reinhard Lauck, Hartmut Schade – Wolfram Löwe (68. Wilfried Gröbner), Hans-Jürgen Riediger (86. Bernd Bransch), Martin Hoffmann

Trainer: Georg Buschner

Polen

Jan Tomaszewski (19. Piotr Mowlik) – Henryk Wieczorek – Antoni Szymanowski, Władysław Żmuda, Henryk Wawrowski – Zygmunt Maszczyk, Kazimierz Deyna, Henryk Kasperczak – Grzegorz Lato, Andrzej Szarmach, Kazimierz Kmiecik

Trainer: Kazimierz Górski


[i] Diese Spiele der DDR gegen andere Ostblockmannschaften zählt der DFB in seinen Statistiken zu den Länderspielen.

[ii] Nationalpolitische Lehranstalt – Eliteschulen der Nazis zur Heranbildung des nationalsozialistischen Führungsnachwuchses

[iii] Totaalvoetbal – Alles, was den heutigen Fußball ausmacht, findet man unter diesem Begriff versammelt: Raumdeckung, Raumverengung, Dominanz im Umkehrspiel, Ballbesitzfußball. Es ist unstrittig, dass Michels und Cruyff diese Spielweise Ajax Amsterdam, dem FC Barcelona und – mit Verzögerung – dem Weltfußball, als eine Art fußballerischer Magna Charta hinterlassen haben. Ebenso unstrittig ist, dass Dynamo Kiew – unter Walerij Lobanowskyj – einen sehr wesensgleichen Fußball spielte. 

[iv]  Martin Hoffmann war ein großartiges Talent und zum Zeitpunkt des Endspiels erst 21 Jahre alt. Leider wurde seine aktive Laufbahn immer wieder von schweren Verletzungen beeinträchtigt. Er bestritt 1981 gegen Kuba sein letztes Länderspiel.

[v] Schon die Qualifikation für das Turnier hielt mit der CSSR einen dicken Brocken parat. In zwei umkämpften Spielen trennte man sich jeweils Unentschieden, so dass am Ende das bessere Torverhältnis in der Qualifikationsgruppe für die DDR den Ausschlag gab. Die CSSR konnte sich völlig auf die im Juni stattfindende Europameisterschaft konzentrieren und tat das mit großem Erfolg: Sie wurde Europameister. Durch ein 5:3 (nach Elfmeterschießen) im Finale gegen die Bundesrepublik. Ihr wisst schon: Uli, Belgrad, Elfmeter, Abendhimmel.

Auflösung der Quizfragen

Die Zeit zur Beantwortung der Quizfragen ist abgelaufen. Vielen Dank für die rege Teilnahme. Hier die Antworten:

Frage 1: Welcher Spieler der späteren Erfurter Meistermannschaft wurde 1951 nach einem Trainingslager der DDR-Nationalmannschaft für ein halbes Jahr von Spielen der Nationalmannschaft gesperrt?

Antwort: Helmut Nordhaus

Quelle: «Die ungleichen Bedingungen des FC Rot-Weiß Erfurt und FC Carl Zeiss Jena in der DDR» / Michael Kummer, Tulpe Verlag 2012

Nodhaus1

 

 

 

 

 

Nordhaus2Die Frage wurde mehrheitlich korrekt beantwortet.

Frage 2: Wer schoss beim bis heute letztem Sieg in einem Ligaspiel bei Erzgebirge Aue das Führungstor zum 1:0 für den FC Rot-Weiß Erfurt?

Antwort (und jetzt müsst ihr alle tapfer sein!): Marco Weißhaupt

Diese Frage hat niemand richtig beantwortet. Hier sind wohl alle auf eine falsche Information hereingefallen, die zuerst durch Wilfried Mohren auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Aue verbreitet wurde. Mohren sensationiert (ab 1:40 Minuten) die vermeintliche Tatsache, dass wir seit 59 Jahren in Aue nicht gewonnen haben. Nur leider ist diese Information falsch. Wie – auf der selben Pressekonferenz – durch Kurt Gaida richtig gestellt wird (ab Minute 18:00). Wir haben 1994 in einem Punktspiel der Oberliga Nordost Süd 3:1 bei den Veilchen gewonnen. Zwei Tore durch Daniel Bärwolf. Aber das 1:0 erzielte eben Marco Weißhaupt.

Frage 3: Wie heißt die Firma, die unsere langjährige Anzeigetafel gebaut hat?

Antwort: Videoton. Eine ungarische Elektronikfirma aus der Stadt Székesfehérvár. (Quelle: Privatarchiv Michael Kummer)

Alle, die diese Frage beantworteten, haben sie korrekt beantwortet.

Nochmals vielen Dank an alle, die sich beteiligt haben. Hat Spaß gemacht. Die Gewinner werden in den nächsten Minuten eine Mail erhalten. Die Bücher liegen bereit und werden Anfang der Woche versandt.

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By the way – Grund 112: Weil wir in der Saison 2015/2016 mit einer Mannschaft, die fußballerisch tot schien, bereits vier Spieltage vor Schluss den Klassenerhalt praktisch gesichert haben. Sehr großartig! Und auf immer mit dem Namen Stefan Krämer verbunden.

111 Gründe, Rot-Weiß Erfurt zu lieben / Eine Buchkritik (und ein Quiz)

111GründeSeit einigen Tagen liegt sie nun endlich auch für den FC Rot-Weiß Erfurt und seine Fans vor, die neue inoffizielle Vereinsbibel mit dem Titel: «111 Gründe, Rot-Weiß Erfurt zu lieben». Untertitel: Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt.

Ich will ehrlich sein, ich hätte dieses Buch nicht zu schreiben vermocht. Schlichtweg, weil es Tage gab, gibt und sehr wahrscheinlich geben wird, an denen es mir schwerfallen würde, auch nur drei Gründe aufzuzählen. Von einer Liebeserklärung ganz zu schweigen. Insofern hat der Verlag «Schwarzkopf & Schwarzkopf» mit dem Sporthistoriker (und langjährigem RWE-Fan) Michael Kummer eine großartige Wahl getroffen. Die von ihm vorgenommene Auslese wichtiger und weniger wichtiger, lustiger und trauriger, bekannter und weithin unbekannter Episoden, Geschichten und Fakten aus dem Vereinsleben des FC Rot-Weiß Erfurt sind ein Lesevergnügen ersten Ranges.

Zum Wohle des Lesers widerstand der Autor der Versuchung, die gesamte Früh- und Vorgeschichte des Erfurter Fußballs in eine Art Enzyklopädie zu packen. Kein weiterer Opa also, der von vergangenem Ruhm schwadroniert. Fast alle Ereignisse, die hinter den 111 Geschichten des Buches stecken, haben sich nach der Vereinsneugründung 1966 zugetragen, erfreulich viele in jüngerer und jüngster Zeit.

Eine weitere Stärke des Buches liegt in seiner Vielstimmigkeit und Vitalität. Kummer lässt nicht totes Papier aus halb toten Archiven sprechen. Er hat sich von Fans und Protagonisten ihre Geschichten erzählen lassen und gibt diesen wohltuend viel Platz. Da werden mitunter rührende Momente der Vereinsliebe und ihrer Initiation lebendig. Aber man erfährt auch Erhellendes (wenngleich nicht durchgängig Erfreuliches) über interne Entscheidungen, von denen ich nicht ganz sicher bin, ob ihre Erwähnung im Buch den durchgehenden Beifall aller noch im Amt befindlichen Vereinsoberen findet. Bei dieser Art der Episoden kommt man an dem Namen des einstigen Stadionsprechers Lars Sänger nicht vorbei, der beispielsweise erstaunlich freizügig über die Hintergründe der Wiederverpflichtungen von Tom Bertram und Marco Engelhardt plaudert. Zur Erbauung des Lesers. (Als Blogger, dem der Erfolg des Vereins oberstes Gut ist, findet man die dort geschilderte Vorgehensweise hingegen etwas, sagen wir, hemdsärmlig.)

Ganz großes Kino bieten die Episoden, die von der (vermeintlichen) Aufbruchphase des Vereins in den frühen und mittleren Achtziger Jahren handeln. Man stelle sich vor: Die Nachwuchsmannschaft wurde DDR-Meister. Die in ihr spielenden Talente mussten nicht (mehr) an andere Klubs «delegiert» werden. Der Trainerguru (ohne Anführungszeichen) Hans Meyer wurde verpflichtet. Und dann gab es da noch eine Figur, die sich die Marx Brothers und die Gebrüder Grimm während eines gemeinsamen Saufgelages nicht besser hätten ausdenken können: Karl-Heinz Friedrich, Clubvorsitzender von 1980 bis 1986. Den muss man sich als eine Art Uli Hoeneß des DDR-Fußball vorstellen. Umtriebig, einfallsreich, leistungsorientiert. Nur leider weit weniger erfolgreich. Das Geld floss regelmäßig in Strömen, nicht ganz so regelmäßig flossen Punkte aufs Tabellenkonto. Weshalb diese ambitionierteste Ära des Erfurter Fußballs da endete, wo sie begann: im Mittelmaß der DDR-Oberliga.

Der Verein FC Rot-Weiß Erfurt hat es seinen Anhängern nur zu wenigen Zeitpunkten seiner Existenz leicht gemacht, ihn vorbehaltlos zu lieben. Warum viele es trotzdem tun, manche seit Jahrzehnten, dafür liefert dieses Buch viele eindrucksvolle, lesens- und liebenswerte Belege. Deshalb meine Empfehlung: Lest es und erwärmt Euer rot-weißes Herz!

Das Buch kann bei verschiedenen Erfurter Buchhandlungen käuflich erworben werden. Selbstredend auch über andere uns allen bekannte Kanäle. Eine Lesung mit Michael Kummer findet am 10. Mai um 20.00 Uhr bei Peterknecht statt.

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Nun zum Quiz:. Zu gewinnen gibt es drei Exemplare von, Überraschung, «111 Gründe, Rot-Weiß Erfurt zu lieben». Das ist in erster Linie als kleines Dankeschön für alle gedacht, die dieser kleinen, abgeschiedenen Insel im digitalen Meer über Jahre die Treue gehalten haben. Und, ich weiß, so manches Mal enttäuscht waren, dass es wieder keinen aktuellen Text gab.

Das Prozedere: Wenn Ihr Lust habt, die drei Fragen zu beantworten, dann schickt die Antworten an fedor.freytag@stellungsfehler.de. Einsendeschluss ist der 17. April 2016, 20.00 Uhr. Wer die meisten Fragen richtig beantwortet, gewinnt. Sollten mehr als drei Einsender alle oder die gleiche Anzahl von Fragen richtig beantworten, entscheidet die Reihenfolge des Eintreffens der Mail in meinem Postfach. (Im Sinne von: Der erste Einsender liegt vorn.) Ich setze mich dann mit den Gewinnern in Verbindung.

Hier die Fragen:

  1. Welcher Spieler der späteren Erfurter Meistermannschaft wurde 1951 nach einem Trainingslager der DDR-Nationalmannschaft für ein halbes Jahr von Spielen der Nationalmannschaft gesperrt? Begründung des Kontrollausschusses: Anstiftung zu einem Trinkgelage. (Wie cool ist das denn?, begeisterte Anmerkung FF, nicht quizrelevant)
  2. Wer schoss beim bis heute letztem Sieg in einem Ligaspiel bei Erzgebirge Aue das Führungstor zum 1:0 für den FC Rot-Weiß Erfurt?
  3. Am letzten Samstag war sie noch da. Wenn auch funktionslos. Wie aber heißt die Firma, die unsere langjährige Anzeigetafel gebaut hat?

Anmerkung: Da dies hier eine in jeder Hinsicht völlig private Veranstaltung ist, sind Rechtswege oder dergleichen natürlich ausgeschlossen. Sollten alle drei Fragen vor Ablauf des Einsendeschlusses von mindestens drei Teilnehmern korrekt beantwortet sein, veröffentliche ich die richtigen Antworten bereits vor Ablauf der oben genannten Frist, die in diesem Fall obsolet wäre.

Liebster Award

 

Mir wurde von Gunnar, vom Wiesbadener Stehblog, ein Blogstöckchen gereicht. Dafür den gebührenden Dank. Es ist schon ein wenig bemoost, weil zwischenzeitlich doch drei Wochen ins Land gingen. Hat aber Spaß gemacht, die Fragen zu beantworten.

In medias res:

1. Für welchen Verein schlägt dein Herz und wann wurde diese Liebe entfacht?

An der Hand des Vaters besuchte ich meine ersten Spiele des FC Rot-Weiß Erfurt. Ich muss damals sechs oder sieben gewesen sein. Seitdem bin ich Anhänger des größten Vereins meiner Heimatstadt. Es war nichts selbst Gewähltes. Der Verein ist mir wie ein naher Angehöriger. Unsere Beziehung war und ist wechselhaft. Aber im Kern unzerstörbar.

2. Wer war als Kind Dein Lieblingsspieler und wer ist es heute?

Ich beziehe die Frage mal auf Spieler des FC Rot-Weiß Erfurt. Alle anderen Antworten könnten die geneigte Leserschaft verstören.

Mein Lieblingsspieler als Kind war Rüdiger Schnuphase. Ich glaube, er war der einzige Abwehrspieler (Libero), der jemals Torschützenkönig einer höchsten deutschen Spielklasse wurde. Man stelle sich eine Art Arturo Vidal vor, nur torgefährlicher. Unglaubliche Physis und Willenskraft in Tateinheit mit guter Technik. Der feuchte Traum aller Trainer. Er wechselte 1976 unter dubiosen Umständen nach Jena. Was ich ihm damals wie heute nicht weiter übel nahm, weil dem Ganzen eine Erpressung zu Grunde lag: Du wechselst zu einem Klub, den wir lieb haben, dann spielst du weiter Nationalmannschaft. Damals ahnte man das nur, heute kann man diesen bitteren Teil der DDR-Sportgeschichte seriös dokumentiert nachlesen.

Wohl wenig überraschend ist mein aktueller Lieblingsspieler bei RWE Carsten Kammlott. Ich mag Stürmertypen wie ihn generell. Technisch gut, physisch robust, ein Mannschaftsspieler in jeder Hinsicht. Großartig, wie er sich seine miese Laune nach unserer Niederlage in Münster auch im Studio der Sportschau nicht verderben ließ. Als er zum Torschützen des Jahres gekürt wurde.

(Franz Beckenbauer)

3. Wie regelmäßig bist du im Stadion? Heimdauerkarte? Auswärtsfahrer?

Seit ich wieder in Erfurt wohne, also seit 13 Jahren, habe ich eine Dauerkarte. Auswärts ist so eine Sache. Wenn man beruflich viel unterwegs ist, hat man nicht den ganz großen Bock noch das Wochenende auf Autobahnen zu verbringen. Daher sind Auswärtsfahrten die Ausnahme. Meine Hochachtung gilt all jenen Fans, die das regelmäßig tun.

4. Welches Spiel würdest du gerne wieder und wieder erleben?

Am emotionalsten war für mich unser 4:2 nach Verlängerung gegen Lok Leipzig. Im Halbfinale des FDGB-Pokals 1980. «Wir fahren nach Berlin!» Ekstase pur. Die DDR-Meisterschaften in den Fünfzigern lagen so weit zurück wie der Dreißigjährige Krieg. Seitdem: keine Chance irgendwas zu gewinnen. Ich war 17, dauerbesoffen und unglaublich glücklich.

5. Auf welches Erlebnis mit deinem Verein hättest du gerne verzichtet?

Auf Pavel Dotchevs völlig überraschende, noch immer im Dunkel der Vereinsgeschichte liegende Desertion in der Winterpause der Saison 2007/2008. Als er ging, standen wir – mit einer veranlagten Mannschaft, mithin alles anders als zufällig – auf einem direkten Aufstiegsplatz zur 2. Liga. In der Rückrunde ging es dahin. Ich bin nicht nachtragend, aber für diesen Verrat an Mannschaft und Fans soll der gute Pavel ewig in der Hölle schmoren.

6. Seit wann bloggst du und was war der Impuls, damit anzufangen?

Seit 2011. Vor allem weil ich die «Streitkultur» in den Vereinsforen leid war. Jedes diskursive Thema endete offenbar zwangsläufig mit persönlichen Schmähungen des Andersmeinenden. Einen Blog zu haben, ist ein wenig wie Hausbesitz. Es suggeriert das Vorhandensein von Selbstbestimmtheit. Es ist spießig und altmodisch, völlig klar.

7. Wie hat sich das Thema Fußball für dich durchs Bloggen und Twittern verändert?

Es hat meine Sicht auf den Fußball nicht grundlegend geändert, aber bereichert. Wenn man, zumindest früher, jede Woche einen recht umfangreichen Text über das zurückliegende Spiel schreibt, genügt es nicht wie ein Fan zu denken und zu schreiben. Das wäre langweilig und nach drei Wochen würde das niemand mehr lesen wollen. Ein Blog verlangt Substanz, wenigstens ab und an, weshalb ich mich u.a. recht intensiv mit Fußballtaktik befasst habe – ohne nur halbwegs so viel darüber zu wissen und nachzudenken wie beispielsweise die Jungs von Spielverlagerung. Der Ehrgeiz war aber schon, solide artikulieren zu können, was bei den Spielen von Rot-Weiß auf dem Platz passiert. Ob das gelungen ist, bleibt den Lesern überlassen.

8. Gegen die Derbyfizierung der Sprache: Gegen welchen Verein spielt ihr ein echtes Derby? Und bei welchen Begegnungen macht lediglich die Presse eines daraus?

Hier gibt es nur ein Derby, und das findet bei Spielen gegen Jena statt. Der Rest ist Bockmist. Medien versuchen, legitimerweise, möglichst jedes Spiel durch Emotionalisierung aufzuladen. Dann werden eben diese Neo-Derbys erfunden.

9. Welche drei Dinge würdest du gerne an deinem Verein verändern?

Ich würde gerne einen der nicht wenigen aus Erfurt kommenden Musiker davon überzeugen, dem Verein eine hörbare Vereinshymne zu spendieren. Quasi in den Schuhen des Herbert. Was da jetzt so vor dem Spiel erklingt, ist verstörend. Jedenfalls für mich.

Ich würde die neue Haupttribüne «Helmut-Nordhaus-Tribüne“ nennen. Nach dem vor zwei Jahre verstorbenen Kapitän der Meistermannschaft von 54 und 55.

Ich würde eine Fußballmeisterschaft der Erfurter Schulen ausloben. U17. Das Finale findet vor einem Punktspiel statt. Schlichtweg deshalb, weil ich von kompetitivem Schulsport viel halte und weil so der Rückhalt des Vereins in der Stadt verbessert werden könnte.

10. Welche Bedeutung hat Fußball für dich neben der sportlichen?

Jean-Philippe Toussaint sagt über sein Verhältnis zum Fußball: «Er beschenkt mich beim Zuschauen mit einer Art metaphysischen Wohlbefindens.»

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

11. Mit welchem ehemaligen Spieler deines Vereins würdest du gerne mal eine Partie kommentieren und warum?

Mit Clemens Fritz. Weil er jemand ist, von dem ich gesichert annehme, dass er Erhellendes über Fußball zu sagen weiß. Wegen ihm vor allem wünsche ich dem SV Werder den Ligaverbleib.

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Ich werfe das Stöckchen weiter zu Endreas Müller und Christoph Wagner, den Mitbegründern des großartigen Blogs 120Minuten. Sofern Ihr Lust habt, mitzumachen, würde ich gerne Folgendes von Euch wissen:

  1. Was führte dazu, dass Du mit dem Bloggen anfingst?
  2. Bundesliga auf Sky oder lieber das Kreisliga-Derby live vor der Haustür?
  3. Worauf könntest Du beim Stadionbesuch am ehesten verzichten?
  4. Was war Dein erster Fußball-Fanartikel?
  5. Wo stößt Du (außer in Blogs) auf lesenswerte Fußballtexte?
  6. Wer ist für Dich der wertvollste Spieler („MVP“) der aktuellen Bundesliga-Saison?
  7. Team Ronaldo oder Team Messi?
  8. Worüber wolltest Du schon immer mal einen Blogbeitrag verfassen?
  9. Gibt es außer Fußball noch (eine) weitere Sportart(en), die Du intensiver verfolgst und wenn ja, was ist da der besondere Reiz?
  10. Mit welchem Fußballer möchtest Du mal ein Interview führen?
  11. Jogi Löw ruft an und macht Dich für eine Partie zum Nationalspieler. Auf welcher Position würdest Du auflaufen?

(Und ja, guilty in allen Punkten der Anklage, ich habe die Fragen komplett vom FCMBlog geklaut. Sag mir bitte, was ich Dir dafür schulde, Alex!)

Hier die Regeln:

  • Danke der Person, die dich für den Liebster Award nominiert hat, und verlinke den Blog dieser Person in deinem Beitrag.
  • Beantworte die 11 Fragen, die Dir der Blogger, der Dich nominiert hat, stellt.
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OstDerby – Das Magazin für den Fußballosten

Am Freitag dieser Woche ist es soweit. Die 1. Ausgabe von OstDerby wird als eMagazin zum Download bereitstehen. Zwei Beiträge von mir sind darin vertreten – das Interview mit Christian Preußer und ein Artikel, der an den DDR-Olympiasieg im Fußball 1976 erinnert. Aber auch ansonsten gibt es viel Interessantes zu lesen, wie ihr dem Inhaltsverzeichnis entnehmen könnt. Natürlich würden wir uns sehr freuen, wenn der ein oder andere die Investition von 3 EUR ernsthaft in Erwägung zieht.

Die 3. Liga stellt sich vor

Das großartige FCSBlog 2.0 hatte eine prima Idee und stellt seit dieser Woche und in loser Folge Blogs vor, die sich mit Vereinen der 3. Liga befassen. Nach dem blog5 aus Bielefeld ist heute stellungsfehler.de an der Reihe. Mit so einem Einlauf am Ende der Saison könnten wir leben!

Vielen Dank nach Saarbrücken.

Der Ball zieht den Jahrhundertweg

Möchte man wissen wie es war, als Männer zum ersten Mal Fußball spielten, gebe man einer Horde von Kindern einen Ball und lasse sie losstürmen. Ist man zudem etwas besinnlich gestimmt, fällt einem dazu vielleicht Goethes Paradoxon ein: Das Jahrhundert ist vorgerückt, jeder Einzelne aber fängt doch von vorne an.

Jonathan Wilson, englischer Sport-Journalist und Buchautor, hat ein großartiges Buch geschrieben. Darin zeichnet er den Jahrhundertweg der Fußballtaktik nach. Von den stürmischen, ungestümen Anfängen, wilder, aber edelmütiger Raufbolde, die nach Herzenslust einen Ball malträtierten, bis hin zu den wissenschaftlich getrimmten und systemisch scheinbar letztbegründeten Abläufen, die das Fußballspiel unserer Tage charakterisieren.

Wilson Werk liegt unter dem etwas sperrigen Namen „Revolutionen auf dem Rasen“ seit Mitte letzten Jahres auch in deutscher Sprache vor. Der Untertitel des Buches „Eine Geschichte der Fussballtaktik“ verrät schon eher, worum es in dem 450 Seiten dicken Wälzer geht. Von den Anfängen des modernen Fußballs (um 1850) bis zum Triumph des 4-2-3-1 Systems bei der WM 2010 – jede bedeutende taktische Mutation des Weltfußballs wird von Wilson ausführlich beschrieben und bewertet. Zu den großen Stärken des Buches zählt, auf viele kontrovers diskutierte Themen eine eindeutige Antwort zu verweigern. Der Leser (dem Konzentration bei der Lektüre abverlangt wird) kann sich selbst eine Meinung bilden. Wilson referiert die Fakten, lässt seine Meinung durchaus anklingen, tut dies aber zurückhaltend und bei penibler Berücksichtigung von Gegenargumenten. Eine weitere, außerordentlich positive Eigenschaft dieser Publikation liegt in der Relativierung singulärer Genialität. Im Fußball ist nichts vom Himmel gefallen. Auch für die ganz großen Protagonisten der Fußballtaktik gilt: sie fügten vorhandene Erkenntnisse zu etwas Neuem zusammen, reagierten (manchmal unter großem Druck) auf Entwicklungen oder führten die Ideen ihrer Vordenker konsequent zu Ende. Zudem macht Wilson deutlich, dass Fußball schon immer ein globaler Sport war. Wenn der Informations- und Erkenntnisaustausch vor 100 Jahren auch unvergleichlich langsamer war als heute, er fand statt und befeuerte den Siegeszug des Fußballs zur unangefochtenen Nummer 1 des Weltsports.

Ästhetisch oder ergebnisorientiert spielen?

Diese Frage ist so alt wie der Fußball selbst. Nun, es handelt sich beim Fußball um einen Wettbewerbssport, deshalb wäre es mithin idiotisch ihn als eine Art Holiday on Ice völlig abgekoppelt von seinem fraglos vorhandenen Erfolgszwang zu bewerten. Die Frage muss natürlich lauten: Kann man mit schönem Fußball erfolgreich sein? Hier fällt die Antwort, basierend auf Wilson Buch, leicht: natürlich kann man das. Siehe Brasiliens Futebol de Arte von Cesar Luis Menotti1970, dem Triumph des – laut Menottis Selbstzuschreibung – «linken» argentinischen Fußballs bei der WM 1978 im eigenen Land (errungen während einer faschistischen Militärdiktatur), oder Arrigo Sacchis AC Mailand der späten 80iger Jahre. Der WM-Sieg Brasiliens 1970 ist allerdings ein ambivalentes Exempel, weil er – wie Wilson schreibt – einen Endpunkt darstellt. Der taktischen Formation der Mannschaft von Trainer Mario Zagallo kann nur sehr unzureichend in einer eindeutigen Notation fixiert werden. War es ein 4-4-2, ein 4-5-1 oder gar schon ein 4-2-3-1? Es war wohl ein bisschen von allem, aber das spielte keine Rolle. Es war der letzte Triumph der reinen Fußballkunst über die Instrumente des modernen Fußballs. In der dünnen Höhenluft und unerträglichen Hitze Mexikos waren Pressing und andere – bereits bekannte und bewährte – Mittel der Raumverengung nicht in der Weise anwendbar wie es nötig gewesen wäre um Pele, Gerson und Rivellino zu stoppen. Zum letzten Mal siegte die naive Schönheit des Spiels über die (wie einige meinen: finsteren) Mächte des Systemfußballs.

Sind taktische Systeme Kinder ihrer Zeit und ihrer Gesellschaft?

Hier lautet die klare Antwort: Jein. Wilson stellt beispielsweise eine evidente Verbindung zwischen der libertären Wiener Kaffeehauskultur der zwanziger Jahre und dem „Scheiberln“, dem Kombinationsfußball der in der ehemaligen Donaumonarchie so wunderbar gespielt wurde, her. Auch für den südamerikanischen Fußball fallen derartige Parallelen leicht: Brasiliens Samba-Unbeschwertheit und Argentiniens Tango-Melancholie, letztere noch heute sichtbar in der traurigen Anmut von Juan Román Riquelme, dem vielleicht Letzten (Spielmacher) seiner Art. Hier spiegelt der Fußball in der Tat aufs Trefflichste das Selbstbild einer Gesellschaft.

Aber tat er das auch im Holland der frühen siebziger Jahre? Klar, Amsterdam entwickelte sich zur Hippie-Hauptstadt der Welt, währenddessen Rinus Michels und Johan Cruyff den Totaalvoetbal bei Ajax zur ersten Blüte brachten. Doch dann wechselten beide nach Barcelona, ins Spanien des Diktators Franco: gleicher Fußball, völlig andere Gesellschaft. Wilson lässt auch einigermaßen bizarre Theorien nicht unerwähnt: Neben dem hippiesken Halligalli in Amsterdam soll nämlich auch die spezielle Geographie unseres Nachbarlandes für den Totaalvoetbal ursächlich sein. Die Holländer seien es seit Generationen gewohnt ihr kleines Land gegen das Meer zu verteidigen und deswegen falle es ihnen leichter als anderen Nationen, ausgeklügelte Systeme zur Gewinnung von Räumen zu ersinnen. Das klingt gut, irgendwie nach Lacan, Strukturalismus, Postmoderne und so, aber leider erklärt es nicht im mindesten, wie 2000 km von Amsterdam entfernt, im seit 50 Jahren kommunistisch regierten Kiew, das zudem fernab jeder Küstenlinie liegt, ein Mann namens Walerij Lobanowskyj ein durch und durch vergleichbares Spielsystem entwarf. Walerij Lobanowskyj: Fußballer, Trainer und diplomierter Kybernetiker. Ihm setzt Wilson ein kleines und völlig verdientes Denkmal. Wahrscheinlich gibt es bis heute keine einzelne Person, die sich derart intensiv analytisch mit Grundlagen und Konzepten des Spiels Fußball beschäftigt hat und die gewonnenen Erkenntnisse zugleich am lebenden Objekt (Dynamo Kiew) äußerst erfolgreich umzusetzen in der Lage war.

Die Antithese zu Lobanowskyj hieß Arrigo Sacchi. Dabei sah das Spiel ihrer Mannschaften sehr ähnlich aus und folgte denselben Prinzipien: Verengung der Räume für den Gegner durch Verschieben der Mannschaftsteile, aggressives Pressing, schnelles Umschalten, Dominanz durch Ballbesitz. Aber Lobanowskyj war ein Wissenschaftler im Trainingsanzug, während Sacchi ein Fußballphilosoph mit Künstlerseele war und ist. Als Spieler bestenfalls ein mittelmäßiger Amateurkicker (Wilson schreibt, dass selbst sein Chef beim AC Mailand, ein Typ mit dem Namen Silvio Berlusconi, ein besserer Fußballer war) trat er an, dem italienischen Fußball seine Destruktivität auszutreiben. Und das gelang, wenn auch nur für begrenzte Zeit und exklusiv mit dem AC Mailand. Drei Sommer tanzten die Rossoneri den Sacchi, gewannen die italienische Meisterschaft und je zweimal den Cup der Landesmeister sowie den Weltpokal. Bei jeder Umfrage unter Sportjournalisten nach den besten Klubmannschaften aller Zeiten, würde der AC Mailand jener Tage einen der drei ersten Plätze belegen. In einer der eindrucksvollsten Szenen des Buches lässt Wilson den beinahe schon künstlerischen Aspekt von Sacchis Methoden bildhaft werden: das Schattenspiel. Dabei handelt es sich um eine Trainingsform, bei der die Mannschaft sich in der Grundformation (4-4-2) aufstellte. Dann deutete Sacchi auf eine Stelle des Feldes wo sich der Ball befindet und die Spieler mussten ihre Formation entsprechend verschieben, dann eine andere Position des Balles, wieder verschieben, usw. usf. Alle ohne Ball und ohne Gegner. Tai-Chi in Norditalien. Dabei kam es ihm darauf an, dass ein Raum auf dem Spielfeld ideal genutzt wurde, welche Spieler welchen Raum abdeckten, wurde durch die konkrete Situation bestimmt und nicht durch die formale Aufstellung. Dies unterscheidet Sacchis Verständnis von Raumdeckung noch immer dramatisch von der heute bei den meisten Profiklubs üblichen. Es heißt aber auch, dass Sacchis Fußball wache, selbstständige und intelligente Spieler benötigt. Vielleicht ein Grund dafür, dass er seine Erfolge beim AC Mailand nie wiederholen konnte. Weit despektierlicher könnte man jedoch gleichfalls vermuten, dass es eben doch nicht an seinem einzigartigen taktischen Verständnis der Spiel-Räume lag, sondern doch eher an den überragenden Fußballern seiner Mannschaft: Gullit, van Basten, Rijkaard, Baresi und Donadoni.

Im Gegensatz zu Sacchi hasste Lobanowskyj mitdenkende Spieler. Vor allem, wenn sie sich bemüßigt fühlten ihm die Resultate ihrer Reflektionen mitzuteilen. Für den Kybernetiker Lobanowskyj waren Fußballer die unvollkommensten Elemente des energetischen Subsystems Mannschaft. Er hätte sie wohl gerne durch Roboter ausgetauscht. Insofern waren Sacchi und Lobanowskyj nicht nur sehr verschiedene Charaktere, sondern eindeutig Kinder ihrer Zeit und Gesellschaft.

Deutsche Beiträge zur taktischen Entwicklung des Fußballs

Es gibt keine. Keine nennenswerten jedenfalls. Gut, Beckenbauer hat als erster den Libero anders, sprich offensiver interpretiert. Er kreuzte quasi zwei Merkmale des Catennacio-Gesamtkunstwerkes Inter Mailand zu seinem eigenen Stil: Fachettis Offensivdrang als linker Verteidiger und den freien zentralen Mann hinter der Abwehr. Das erfährt man bereits auf der ersten Seite von Christoph Biermanns Vorwort. Danach: 449 Seiten Fehlanzeige. Sicher, Wilson erweist den herausragenden deutschen Mannschaften beiläufig seine Referenz: dem Schalker Kreisel, den Teams der Bayern und der Mönchengladbacher Borussia der siebziger Jahre, der EM-Mannschaft von 1972. Sie alle spielten großartigen, erfolgreichen Fußball, boten aber keine taktischen Innovationen. Muss ja auch nicht sein möchte man meinen, hat ja trotzdem zu jeweils drei Welt- und Europameisterschaften gelangt. Stimmt schon, gleichwohl ist es peinlich, dass das fußballbegeisterte Land der Dichter und Denker so erbärmlich wenig zum Fortschritt dieses großartigen Sports zu leisten im Stande war.

Dieser Mangel an taktischen Eigenleistungen ist das eine, weit verhängnisvoller war die fahrlässige Ignoranz mit der fußballerische Entwicklungen schlichtweg verpennt wurden. So etwas wie ballorientierte Raumdeckung galt vielen lange Zeit als akademische Spinnerei von aufgeblasenen Wichtigtuern a la Ralf Rangnick. Die hämischen medialen Reaktionen auf seinen aufklärerischen Auftritt im ZDF-Sportstudio 1998 (ist gar nicht so lange her) gehören zu den schwärzesten Stunden des deutschen Sport-Journalismus. Es bedurfte erst fataler Blamagen bei großen Turnieren in Reihe (WM 98, EM 2000, EM 2004), damit auch die letzten Hardcore-Traditionalisten gewahr wurden, dass allein mit deutschen Tugenden kein Blumentopf mehr zu gewinnen war.

Diese Lektion hat der deutsche Fußball inzwischen gelernt. Vielleicht bekommen Jogis Jungs ja bei der nächsten Auflage von Jonathan Wilsons Buch ein eigenes Kapitel.

Jonathan Wilson, Revolutionen auf dem Rasen, 464 Seiten, Verlag Die Werkstatt GmbH; 19,90 EUR

Hase, Mäcki, Matze und die anderen

DDR-Fußball taugt heute nicht mal mehr als Antithese. Er ist im Orkus der Geschichte verschwunden. Spurlos. So zumindest scheint es.

Jetzt ist bei Delius Klasing ein Buch erschienen, das zumindest für den Moment die Erinnerungen zurückholt. Die Autoren Christian und Martin Henkel porträtieren 77 Protagonisten des ostdeutschen Fußballs, in der Mehrzahl Spieler, aber auch Trainer und Schiedsrichter. Die Stars des DDR-Fussballs lautet der so nüchterne, wie zutreffende Titel des Bandes.

Zu jedem Porträtierten gibt es einen vergleichsweise kurzen, aber gehaltvollen und spannenden Text, der die charakteristischen Merkmale der jeweiligen Karriere einzufangen sucht: von großen Siegen ist zu lesen, wie von deprimierenden Niederlagen. Auch Abgründe werden dem Leser nicht erspart, so in einem Porträt des hochbegabten Schiedsrichters Adolf Prokop (87 internationale Spiele), der als Mitarbeiter der Staatssicherheit etliche Spiele im Auftrag seines Arbeitgebers manipulierte und aus Angst vor Tumulten gesperrt werden musste.

Jeder Minibiografie ist ein Foto beigefügt – und diese Fotos machen die vielleicht größte Stärke des Buches aus. Sie sind in der Regel eher unspektakulär, korrespondieren aber vorzüglich mit den Texten. Diese gelungene Symbiose von Bild und Artikel kann man gar nicht genug loben.

Ein schönes Beispiel dafür, findet sich bei Rüdiger Schnuphase, der für Erfurt und Jena spielte und bis heute der einzige deutsche Spieler ist, dem es gelang, als Verteidiger Torschützenkönig der höchsten Spielklasse zu werden. Über ihn ist zu lesen: Seine Furchtlosigkeit wurde Schnuphase, der auf nahezu keinem Foto lächelt und dessen melancholischer Gesichtsausdruckhäufig an den eines Boxers mit Außenseiterchancen erinnerte, schließlich zum Verhängnis … (Anmerkung: Schnuphase verletzte sich bei einem Spiel gegen Sparta Rotterdam schwer, woraufhin er seinen Stammplatz in der Nationalmannschaft verlor.)

Wie treffend diese physiognomische Beschreibung ist, kann noch heute auf der Haupttribüne des Erfurter Stadions besichtigt werden, wo Rüdiger Schnuphase bei den Spielen des RWE des Öfteren zu Gast ist.

Das Buch ist in Kapitel unterteilt, die beispielsweise Strategen, Tormaschinen, Abwehrrecken, aber auch Wende-Stars und Staatsflüchtlinge heißen. Am Ende stehen die Besten 12 aus 40 Jahren. Wie quasi alles im Fußball ist diese Kategorisierung, sowie die Auswahl der Spieler, Trainer und Schiedsrichter diskutabel. Als Erfurter vermisst man den großartigen Torwart Horst Weigang, immerhin DDR-Fußballer des Jahres 1965 und Nationalspieler, oder seinen Nachfolger im RWE-Gehäuse, den grandiosen Exzentriker Wolfgang Benkert. Allerdings wird dies allen so gehen, die in der DDR Anhänger eines Oberliga-Vereins waren: Irgendeinen vermisst man immer.

Es ist den Autoren kein Vorwurf zu machen, dass viele Spieler des 1. FC Magdeburg, von Dynamo Dresden, Carl Zeiss Jena, oder des BFC im Buch vertreten sind. Das waren nun einmal die dominierenden Vereine des Ostens; bei ihnen spielte die Mehrzahl der besten Fußballer. Die Auswahl beschränkt sich allerdings keineswegs auf die 60iger bis 80iger Jahre. Es spricht für die Akribie der Verfasser, dass sie das mühselige Eintauchen in die Archive nicht scheuten. So finden sich im Buch ebenfalls die herausragenden Fußballer der Nachkriegszeit, die wie Helmut Nordhaus (in Erfurt) und Dieter Erler (in Chemnitz) ihre Vereine zu Meisterschaften und frühem Ruhm führten.

Der Band erzählt die Geschichten der Helden des DDR-Fußballs. Es ist die Reise in eine versunkene Welt. Durchaus nostalgisch, allerdings ohne Larmoyanz und völlig frei von Ostalgie. Die beiden Autoren überlassen es dem Leser, die 77 Kurzbiografien in ein Gesamtbild zu fügen.

Wir haben mit diesem schönen Buch, was es bisher nicht gab: eine Hall of Fame des Ostfußballs, die manche mit Wehmut, andere mit glänzenden Augen, aber alle mit Gewinn betrachten werden.

In Jena schossen Villen Tore


Segen für Jena, Fluch für den RWE : Georg Buschner

Die Dissertation von Dr. Michael Kummer zum Thema „Die Fußballclubs Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena und ihre Vorgänger in der DDR“ umfasst beachtliche 500 Seiten. Ungefähr die Hälfte davon habe ich seit gestern, ja, regelrecht verschlungen. Insofern das bei einer PDF-Datei möglich ist.

Ich kann nur hoffen, dass Dr. Kummer für seine Arbeit eine sehr gute Note bekommen hat, von mir hätte er jedenfalls ein „summa cum laude“ erhalten, das steht jetzt schon fest. Für jeden an Fußballhistorie interessierten Anhänger beider Vereine (aber auch des DDR-Fußballs im Allgemeinen) liegt hier ein Dokument vor, dass im Detail äußerst aufschlussreiche Einblicke in die Binnenverhältnisse der Klubs liefert. Auch aus Rücksicht darauf, dass Dr. Kummer diese Dissertation noch als Basis für ein Buch (soll Herbst 2012 erscheinen) nutzen will, möchte ich hier nicht alles verraten, aber ein paar Überlegungen seien mir – in diesem rein privaten Blog – gestattet:

Die historischen Voraussetzungen beider Vereine waren in etwa gleich. In Erfurt und Jena gab es eine Vielzahl von Fußballclubs, von denen mindestens einer immer eine herausragende Rolle in der jeweiligen Gauliga spielte und diese teilweise für Jahre beherrschte. Diese Zeitspanne umfasst die Jahre von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Bereits damals spielten die Zeiss-Werke in Jena eine wichtige Rolle als Sponsor des Fußballs. Nach dem Krieg sollte diese Bedeutung anwachsen.

Und genau an diesem Punkt lag das Erfurter Problem: Kummer arbeitet akribisch heraus, dass die Benennung des Reparaturwerkes Clara Zetkin als Trägerbetrieb des Erfurter Staats-Profifußballs (und um nichts anderes handelte es sich) ein großer Fehler war. Denn dieser Betrieb war, mit seinen knapp 2000 Beschäftigten, schlichtweg zu klein, also wirtschaftlich nicht potent genug, um den Verein attraktiv für gute Spieler zu machen. Es mangelte an allem: an Wohnungen, vernünftigen Trainingsmöglichkeiten und an beruflichen Perspektiven für die Spieler und ihre Angehörigen. Das änderte sich erst 1966, mit der Gründung des FC Rot-Weiß Erfurt, als die Optima (früher: Olympia-Werke) Trägerbetrieb des Klubs wurde. Allerdings zu spät und wohl auch nicht entschlossen genug.

Ganz anders in Jena. Hier übernahm 1958 ein Mann das Traineramt, den man (gerade nach der Lektüre der vorliegenden Doktorarbeit) als einen der interessantesten Protagonisten des DDR-Fußball begreifen muss. Und das ist keineswegs nur positiv gemeint. Für Jena jedoch war Georg Buschner ein Segen. Seine Trainingsmethodik war revolutionär, er arbeite quasi symbiotisch mit einem in Jena sitzenden sportwissenschaftlichen Institut zusammen, dessen Erkenntnisse unentwegt in die Trainingspläne eingearbeitet wurden. Schon am Anfang wechselten einige Erfurter Spieler (z.B. Erwin Seifert) nach Jena und erlebten nicht nur einen Kulturschock, das wäre zu verkraften gewesen, sondern waren geradezu entsetzt über das harte Training (bis zu dreimal am Tag, erbrechen nach dem Waldlauf inklusive). Dagegen empfanden sie das Training in ihrem alten Verein als regelrechtes Freizeitvergnügen. Doch das harte (heute weiß man: teilweise überzogene) Training war nur ein Grund des Jenaer Erfolgs. Der andere, mindestens genauso wichtige, war die unglaublich aggressive Abwerbung guter Spieler aus anderen Clubs.

Auch dahinter steckte Georg Buschner, dem allerdings bereitwilligst alle notwendigen Ressourcen des Zeiss-Werke zur Verfügung standen. Von Handgeldern bis zu 50.000 Mark ist hier die Rede. Aber Geld, wenn vielleicht auch nicht soviel, wurde überall reichlich bezahlt. Was daneben noch eine große Rolle spielte, war die Tatsache, dass sich viele Spieler – quasi auf einem speziellen Jenaer Bildungsweg – und teilweise ohne Abitur, en passant zum Diplom-Sportlehrer ausbilden lassen konnten. Das war einmalig und gleichzeitig sehr attraktiv. Gute Arbeitsstellen für die Ehefrauen, manchmal auch für die Eltern, hatte Zeiss ohnehin im Angebot.

Auf dem Gipfel, im Wortsinn, warteten die Villen. Sehr verdienten Spieler der Jenaer Mannschaft wurde aus dem Vermögen der Zeiss-Stiftung Villen in attraktivster Jenaer Lage zum Kauf angeboten. Wechselwilligen Spielern, von denen man sich überragendes versprach, wurde solche Häuser in Aussicht gestellt. So auch Lutz Lindemann, der in einem klapprigen Trabant aus Erfurt herüber kam. Zitat aus der Arbeit von Dr. Kummer: „Er hat uns hingestellt, uns kleine Leute, die aus einer Neubauwohnung kamen. Und dann hat er gesagt: ‚Wenn du fleißig spielst, wird dir in Kürze so ein Haus gehören.‘ Du hast dich geschüttelt und gesagt: ‚Okay – machen wir alles.‘ “

Er war Paul Dern, Ko-Trainer und Vertrauter Buschners. Das war noch ein, keineswegs unwichtiges, Element der Jenaer Abwerbestrategie: Entweder Dern, oft auch der Meister persönlich, umsorgten die Spieler, die sie verpflichten wollten. Das machte Eindruck und vermittelte Sicherheit, denn ein Vereinswechsel (oder auch nur die bekannt gewordene Absicht) war – auch in der DDR – mit nicht zu unterschätzenden Risiken verbunden.

So baute Buschner seine Meistermannschaften, so kam es, dass Jena und eben nicht Erfurt zu einem der Leistungszentren des ostdeutschen Fußballs wurde. Doch Jena, vor allem aber Buschner, übertrieb es. 1976 wurde Rüdiger Schnuphase nach Jena delegiert, 1977 folgte ihm Lutz Lindemann. Damals war Buschner zwar bereits Nationaltrainer, übte jedoch noch immer großen Einfluss auf die Jenaer Geschicke aus (über Vertraute wie Dern und seine Macht im Verband). Er entschied quasi im Alleingang den Transfer der beiden Erfurter Hoffnungsträger an die Kernberge. Das besiegelte endgültig die tiefe Abneigung der Erfurter Fußballanhänger gegen den Rivalen im Osten, die bis heute ungemindert fortbesteht.

„Damned United“ von David Peace & der Mythos Brian Clough

Vermutlich gibt es keinen Himmel. Wenn es aber einen gibt, dann wird Brian Clough derzeit stets einen Blick auf die Tabelle der zweiten englischen Liga haben. Fast alle Vereine für die er als Stürmer auflief (251 Tore in 274 Spielen, sic!), oder als Trainer arbeitete sind dort versammelt. Es wird ihm gefallen, dass sein Sohn Nigel als Trainer von Derby County momentan sogar auf einem Play-Off-Platz für die Premier League steht. Aber er wird ihm von da oben auch zurufen, warum zum Teufel er nur Dritter und nicht Erster ist.

Jetzt ist ein Buch in deutscher Übersetzung erschienen, das in England sagenhafte 500.000 Mal verkauft wurde und bei dem sich enthusiastische Zustimmung wie abgrundtiefe Ablehnung in etwa die öffentliche Waage hielten. Es handelt sich um David Peace Roman „Damned United“ (Übersetzung: Thomas Lötz).

Mit einer wertenden Beurteilung des Buches muss man sich nicht lange aufhalten: es ist brillant. Der unglaublichste Roman, der je über Fußball geschrieben wurde, befand der Independent. Vermutlich stimmt das, allerdings ist die Konkurrenz in diesem Wettbewerb überschaubar.

Damned United hat zwei parallele, alternierend angeordnete und jeweils chronologisch verlaufende Handlungen. Beide haben einen Protagonisten: Brian Howard Clough. Das erste Kapitel beginnt mit der Ankunft Brian Cloughs an der Elland Road, dieser legendären Heimstätte des Leeds United Football Club. Es ist der 31.Juli 1974, der erste Arbeitstag des neuen Managers. Leeds United, aktueller englischer Fußballmeister, der beste englische Fußballklub der letzten zehn Jahre. Die Mannschaft Don Revies, der nach verpasster WM-Qualifikation das englische Nationalteam übernommen hatte. Das Buch endet 44 Tage später, mit der Entlassung Brian Cloughs.

Die zweite Handlung setzt 15 Jahre zuvor ein und beschreibt den Weg der Brian Clough zur Elland Road geführt hat: die Jahre als überragender Stürmer der zweiten Liga, das frühe Karriereende als Folge eines brutalen Fouls. Die Zurücksetzungen: nur zweimal für England gespielt, kein Tor geschossen, nie für ein großes Turnier nominiert. Die Anfänge als Trainer von Hartlepool United, die überraschende Chance beim Traditionsverein Derby County. Der zähe Beginn dort, dann der rasante Aufstieg bis hin zum Gewinn der englischen Meisterschaft 1972 und dem Halbfinale des Cups der Landesmeister 1973. Die dauerhaft schwierige Beziehung zu seinem kongenialen Freund und Co-Trainer Peter Taylor. Die dauerhaft ungetrübte Beziehung zum Alkohol.

Das alles ist glänzend komponiert, ohne gekünstelt zu wirken. Peace, zu dessen Lieblingsautoren Heiner Müller und James Ellroy gehören, bedient sich in diesem Buch einer sehr moderaten Variante seines expressiven Stils. Das tut der Lesbarkeit gut und dem Leser wohl. Man kann sich darauf verlassen, dass alle Details, jedes Spielergebnis, jede Tabellenplatzierung, jede öffentliche Äußerung der handelnden Personen belegt sind. Aber es handelt sich um einen Roman, nicht um einen Wikipedia-Artikel. Allen Fakten fügt David Peace Fiktives hinzu. So wird es zu Literatur. Hier indes liegt auch das Risiko des Scheiterns. Nicht eine einzige der vielen Introspektionen die Peace Brian Clough in den Kopf legt, wird genauso gedacht worden sein. Jedoch – alles ist plausibel. So könnte es gewesen sein. All dies könnte Brian Clough tatsächlich gedacht haben. Mehr noch: auch wenn es gar keinen Brian Clough gegeben hätte, kein Leeds United und keine Elland Road, dann wäre dies ein glänzend geschriebener Roman, der eben von Fußball handelt.

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