Tag Archiv für RWE

Abstieg vermieden! Trainer vertrieben?

Da fährt man mal eine Woche in den Urlaub und schon bietet der FC Rot-Weiß Erfurt bei der Heimkehr ein völlig neues Bild. Kein besseres, eindeutig. Auf der Hinfahrt war die Welt noch in Ordnung. Kroatische Autobahnen sind nicht nur bemerkenswert solide asphaltiert, sie bieten sogar durchgehend eine brauchbare Anbindung an die digitale Welt. Kurz vor der Mittelmeerküste kündete der RWE-Ticker von einem verdienten Auswärtserfolg in Chemnitz. Damit waren die letzten Zweifel beseitigt – der RWE würde auch im nächsten Jahr in der 3. Liga spielen. Der Sturz ins Bodenlose war abgewendet. Dass dann ausgerechnet der Mann dem dieses klitzekleine Erfurter Fußballwunder gelang, nur Tage später seinen Abgang zum Saisonende verkündet, zählt mal wieder zu den Tiefschlägen, die die Anhänger dieses Vereins seit Jahren wegstecken müssen. Und obwohl wir inzwischen daran gewöhnt sein sollten, schmerzt es jedes Mal mehr.

Über die Trennung von Alois Schwartz ist in den letzten Tage reichlich spekuliert worden. Kein Wunder, da man den offiziell verabreichten, rhetorischen Tranquilizern misstraut. Wohl zurecht. Da aber Alois Schwartz kein Klaus-Dieter «Pele» Wollitz ist, wird man die «Wahrheit» wohl nie erfahren. Sicher jedoch ist: Wie werden den vierten Cheftrainer innerhalb eines Jahres auf der Bank des RWE erleben. Sportliche Kontinuität sieht anders aus. Als ebenso zweifelsfrei darf gelten, dass Sportvorstand Alfred Hörtnagl nun endlich zeigen kann, was er bei der Trainer- und Spielersuche so drauf hat, damit rund um den Steigerwald nachhaltiger Erfolg einziehen möge (nur um mal eines seiner Lieblingsadjektive zu gebrauchen). Vielleicht findet sich ja ein Trainer, der es richtig toll findet, wenn der Manager die Halbzeitansprache an die Mannschaft halten möchte. Mal sehen.

Die beiden Niederlagen gegen Dortmund und Darmstadt sind aus sportlicher Sicht völlig nebensächlich. Es mag absurd klingen, aber ich denke tatsächlich, dass sie einmal mehr die sehr gute Arbeit von Alois Schwartz über die gesamte Rückrunde hinweg belegen. Die Mannschaft ist eben nicht in der Lage irgendwas leichthin spielerisch zu lösen. Jeden einzelnen Punkt musste sich das Team hart erarbeiten. Dafür hatte Schwartz eine kompakte Defensivtaktik verordnet, die auf aggressivem Pressing, der Verdichtung des zentralen Mittelfelds und einer sehr nach hinten denkenden, gegentorvermeidenden Spielidee beruhte. Man kann im Abstiegskampf auch anders erfolgreich agieren, wie die Beispiele von Mönchengladbach (Rückrunde 2010/11 unter Lucien Favre) und Freiburg (Rückrunde 2011/12 unter Christian Streich) belegen. Allerdings benötigt man dafür die entsprechenden Spieler und die standen Alois Schwartz nicht zu Verfügung, weswegen er auf den Versuch ein Spiel dominieren zu wollen (so gut wie immer) verzichtete. Die Mannschaft kam physisch erstklassig vorbereitet aus der Winterpause. Solange die Faktoren taktische Disziplin, Laufbereitschaft und Konzentration zusammenkamen, war es für jede Mannschaft der Liga schwierig gegen den RWE der Rückrunde 2012/2013 Tore zu erzielen. Als im Gefühl des sicheren Klassenerhalts Schludrigkeit einzog, sah man, wo und wie man auch hätte enden können. Mithin war die von Schwartz gewählte taktische Ausrichtung richtig. Noch viel gravierender jedoch war die offenkundige Fähigkeit des Trainers, sein Team Woche für Woche, Spiel um Spiel darauf einzuschwören. Dass die Mannschaft ihm dabei folgte, stellt auch ihr ein lobenswertes Zeugnis aus.

Es war eine gute Entscheidung des Präsidiums sich für Alois Schwartz als Trainer zu entscheiden. Unter hohem Druck, man erinnere sich. Aber es verdankt sich vor allem seiner sportlichen Kompetenz, dass der Abstieg ins sportlich wie finanziell Randständige abgewendet werden konnte.

Well done, Alois Schwartz! Haben Sie sich wohl, wohin immer Ihr Weg Sie führen mag.

SV Babelsberg vs. RWE 1:1 / Bockwurst statt Foie gras

© www.fototifosi.de

Meine Instinkte scheinen sich nicht mehr vor einem Abstieg des FC Rot-Weiß Erfurt zu fürchten. Anders kann ich mir nicht erklären, warum der wichtige Punktgewinn in Babelsberg bei mir mehr Verdruss als Erleichterung hervorrief. „Sei doch froh, wieder ein Armzug mehr zum rettenden Ufer hin“, warb mein präfrontaler Cortex um Vernunft. Vergeblich – wie so häufig. Ich war enttäuscht und wusste gleichzeitig, dass diese Emotion ungerecht und irgendwie auch blödsinnig war. Ich habe hier ja selbst oft genug geschrieben, dass wir in dieser Saison von der Mannschaft keine fußballerischen Delikatessen zu erwarten haben. Bockwurst statt Foie gras, so lautet nun mal das frugale Menü dieser Spielzeit.

Vielleicht lag es ja auch an der Aufstellung von Alois Schwartz. Meinem Erwarten zuwider verzichtete er auf einen dritten zentralen Mittelfeldspieler. Oumari verblieb in der Innenverteidigung und Kopilas auf der Bank. Die Analyse der Babelsberger Offensiv(un)fähigkeiten erwies sich als richtig. Auch in dieser offensiver angelegten Formation hatte der RWE die Babelsberger Angriffsbemühungen über die gesamte Spielzeit unter Kontrolle. Das Gegentor – nach einem Standard – entkräftet diese Aussage nicht. Nach dem Spiel gegen Aachen war ich zudem zuversichtlich, was eine weitere Steigerung des rot-weißen Offensivspiels betrifft. Dieser Optimismus war unbegründet. Leider. Dabei hätte es gar nicht besser laufen können. Der RWE geht – glücklich – in Führung. Babelsberg darf dieses Spiel nicht verlieren, erhöht in der zweiten Halbzeit den Druck (oder versucht es zumindest), Räume so groß wie das Dekolleté von Barbara Schöneberger tun sich auf und der RWE mach daraus: Nichts! Oder, besser, weil richtiger und fairer: fast nichts. Ein ums andere Mal werden die Konter nur halbherzig oder ungenau (nicht) zu Ende gespielt. Den Beweis zu erbringen, dass Mijo Tunjic kein Konterstürmer ist, dazu hätte es dieses Spiels nicht auch noch bedurft. Allein – Morabit, Möhwald und Öztürk machten es nicht viel besser, gleiches trifft auf die meist nicht wirklich geglückte Spieleröffnung von Engelhardt und Pfingsten-Reddig zu. Völlig konträr verhält es sich mit der Einordnung der defensiven Leistung der gesamten Mannschaft – die war über weite Strecken der Spielzeit erneut tadellos.

Wir werden – sehr wahrscheinlich – auch in der nächsten Saison Drittligafußball in Erfurt sehen, womöglich sogar erleben. Dies verdankt sich in erster Linie einer Entscheidung, die Alois Schwartz relativ schnell nach seiner Verpflichtung getroffen haben muss und die in etwas abgewandelter Form einer alten Sport-Weisheit folgt: Der Angriff gewinnt Spiele, die Defensive vermeidet den Abstieg. In die Umsetzung dieser Erkenntnis hat der Cheftrainer des RWE viel Arbeit investiert. Dazu nur eine Statistik: Nach 14 Spielen der Hinrunde hatte der RWE bereits 27 Gegentore zu verzeichnen, nach ebenso vielen Spielen der Rückrunde sind es ganze 14. Ausschlaggebend dafür sind drei Faktoren:

  • Das Defensivverhalten der Mannschaften wurde im Verbund verbessert. Dies betrifft sowohl die Laufbereitschaft der Angreifer als auch deren taktisches Verhalten beim Pressing. Was am Anfang der Saison noch häufig unabgestimmt aussah, wirkt jetzt homogen und ist sehr effektiv. Sobald der RWE in der Hälfte des Gegners aggressiv presst, haben ausnahmslos alle Mannschaften der 3. Liga Probleme einen strukturierten Spielaufbau zu initiieren.
  • Vor allem gegen offensivstarke Mannschaften war es sinnvoll, einen dritten zentralen Mittelfeldspieler zu installieren. Diese Position wurde zumeist von Oumari besetzt, der sie in der Regel so ausgestaltete, dass er bei eigenem Spielaufbau deutlich tiefer als Engelhardt und Pfingsten agierte, quasi als deren Absicherung. Sobald der RWE tief in der eigenen Hälfte stand, reiht sich Oumari stabilisierend in die Viererkette ein. Marco Engelhardt interpretierte es ähnlich, vielleicht einen Tick offensiver. Diese Taktik ging nur einmal völlig schief, im verlorenen Heimspiel gegen Saarbrücken, als sich Maik Baumgarten auf der Position (noch) überfordert zeigte.
  • Die nach Saisonbeginn getätigten Verpflichtungen von Möckel und Kopilas erwiesen sich schnell als Gewinn. Bei aller – berechtigten – Kritik an der Transferpolitik des Vereins sollte dies nicht unerwähnt bleiben. Beide sind grundsolide Innenverteidiger, die nur wenige Fehler machen und gerade bei hohen Bällen für deutlich mehr Sicherheit sorgen, als dies noch am Anfang der Saison der Fall war.

Die Arbeit von Alois Schwartz sieht man sowohl dem Spiel der Mannschaft als auch der Tabelle an. Viel positiver kann die Bilanz eines Trainers kaum ausfallen, der eine Mannschaft übernommen hat, die desaströs in die Saison gestartet war. Da werde ich damit leben müssen, dass sich mein Unterbewusstsein besseren, schöneren, eleganteren Fußball wünscht. Fuck off, Freud!

Und nun geht’s raus und gewinnt endlich diesen verdammten Pokal.

RWE vs. Wacker Burghausen 0:3 / Weiterkämpfen! Was sonst?

Kämpferisch auf und neben dem Platz: Dominick Drexler / © www.fototifosi.de

In keinem Lehrbuch der Theaterwissenschaften finden sich Handlungsanweisungen für das Stück, das gegenwärtig live-on-stage am Erfurter Steigerwald aufgeführt wird. Mehr noch: selbst Name und Gattung sind unbekannt. Komödie, Satire oder Drama? Mit Happy End oder ohne? Niemand weiß es. Der Theaterdirektor hat den alten Regisseur gefeuert und neue Darsteller verpflichtet. Doch plötzlich stehen alle auf der Bühne in denselben Kulissen wie bereits Wochen zuvor und geben denselben unverständlichen Text von sich. Ein Gefühl höchster Irritation greift um sich.

Was für modernes Theater als Meisterleistung gelten mag, ist für einen Fußballverein ein Desaster. Leider konnte ich dieses Mal nicht vor Ort sein; den größten Teil des Spiels verbrachte ich auf brandenburgischen Fernstraßen, die Tickermeldungen mit zunehmender Spieldauer erleidend (als Beifahrer wohlgemerkt).

Ich bin vermutlich nicht der Einzige, den diese Niederlage an das Spiel gegen Arminia Bielefeld erinnerte, nach dem Stefan Emmerling entlassen wurde. Oder irre ich mich da? Der RWE hatte zumindest die erste Großchance des Spiels, vermutlich geht das Spiel wenigstens nicht verloren, wenn Möckel einnetzt. Nicht in Rückstand zu geraten ist in dieser Liga – mit ihrer exorbitanten Leistungsdichte – erste Fußballerpflicht. Der FC Bayern kann einen Rückstand gegen den VfB Stuttgart locker verkraften und dennoch am Ende 6:1 gewinnen. Sie sind im Vergleich zu den Schwaben fußballerisch eindeutig besser besetzt. Eine ähnliche Dominanz existiert in der 3. Liga nicht. Ein Rückstand ist fatal, weil die gegnerische Mannschaft sich nun auf das konzentrieren kann, was sie viel besser beherrscht, als selbst das Spiel zu gestalten: Kontern, die sich bietenden freien Räume nutzen. Wer hinten liegt, versucht alles um die Niederlage abzuwenden. Er hat keine andere Wahl und ist dabei doch oft so erfolglos wie Alois Schwartz am Samstag. Zwei 0:3-Niederlagen in einer Woche sind zermürbend, sie klingen nach klaren Verhältnissen, wo gar keine waren. Das Umfeld wird noch unruhiger als es in Erfurt ohnehin schon der Fall ist, die Spieler (gerade die jungen) verlieren zusehends ihr Selbstvertrauen. Hamsterrad und so.

Deshalb fand ich das Interview von Dominick Drexler nach dem Spiel wegweisend. Im Wortsinn. Er hatte ein gutes Spiel gemacht, wollte sich auch vom mdr-Fieldreporter sein Selbstvertrauen nicht wegquatschen lassen, nicht in Sack und Asche gehen und gab sich für die nächsten Spiele zuversichtlich. Manchem RWE-Anhänger mag das (Minuten nach einer bitteren und hohen Niederlage) sauer aufstoßen, man hört anlässlich solcher Gelegenheiten wohl lieber wohlfeil vorgetragene Zerknirschung. Ich denke aber, dass Drexler mit dieser Herangehensweise richtig liegt. Ich weiß ebenfalls nicht, wie das Stück mit dem schmucklosen Arbeitstitel „FC Rot-Weiß Erfurt 2012/2013“ ausgehen wird, wohl aber weiß ich, dass mir kämpferische Helden lieber sind, als solche die aussehen und reden als wüssten sie bereits, dass sie als Sargträger engagiert wurden.

Rot-Weiß Erfurt vs. Offenbacher Kickers: Schade eigentlich!

Man sieht ihm an, dass der Ball nicht rein geht: Tobias Ahrens © www.fototifosi.de

In der Halbzeit herrschte an den Stehtischen hinter der Tribüne seltene Einigkeit: das waren sehr gute 45 Minuten des FC Rot-Weiß Erfurt. Fast makellos. Einziges Manko war die Chancenverwertung – wer einen Gegner so klar dominiert, sollte höher führen als mit dem knappsten aller Ergebnisse.

Das von Christian Preußer installierte und von Alois Schwartz beibehaltene 4-2-3-1-System bewährte sich erneut. Der RWE dominierte das Mittelfeld nach Belieben. Defensiv wie offensiv. Der OFC gab einen harmlosen Schuss auf das Tor von Rickert ab, während der RWE sich kontinuierlich Chancen erarbeitete. Nur eine davon wurde verwertet. Oumari schlug einen Franz-Beckenbauer-Gedächtnis-Pass auf Drexler, der sich im Zweikampf behauptete, die Übersicht behielt und Möhwald im Rückraum bediente. Der zog direkt ab und erzielte sein zweites Saisontor.

Auch die Auswechslungen Arie van Lents zur zweiten Hälfte ergaben zunächst kein völlig anderes Spiel. Der OFC tat sich mit der kompakten Erfurter Defensive weiterhin schwer. Doch das Mittelfeld der Kickers bekam jetzt seinerseits mehr Zugriff auf die Erfurter Spielgestalter. In Folge wechselte Möhwald häufiger auf den linken Flügel – wahrscheinlich um dort mit Czichos und Drexler Überzahlsituationen herzustellen. Das gelang nur in Maßen, schwerer wog hingegen seine Abstinenz im zentralen offensiven Mittelfeld. Tunjic verlor in der zweiten Halbzeit völlig die Bindung zum Spiel. Zudem gelang es ihm nicht mehr, die Bälle, die er erhielt, kontrolliert zu verarbeiten.

Das Spiel fing an langweilig zu werden, was angesichts der Erfurter Führung zu verkraften gewesen wäre. Nicht mit mir dachte sich der bis dahin unauffällige Schiedsrichter Thomas Stein und sorgte nun seinerseits für die «Höhepunkte» des Spiels. Zunächst wurde Strangl im Offenbacher Strafraum zu Fall gebracht – der Pfiff blieb zu Recht aus. Selbiges hätte man sich allerdings ebenfalls für den Zweikampf Oumari vs. Vogler vorstellen können. Mag sein, dass die jeweiligen Offenbacher Kombattanten etwas geschickter in ihrem Zweikampfverhalten waren, trotzdem ist zu vermerken: hier wurden vom Unparteiischen zwei ähnliche Situationen ungleich bewertet.

Der Tag hätte dennoch mit einer rot-weißen Sause enden können. Erneut nach Vorarbeit Drexlers, hatte Ahrens den Siegtreffer auf dem Fuß. Wie er dabei den OFC-Verteidigern auf zehn Metern zwei abnahm, war sensationell. Was seine Schnelligkeit betrifft, ist der Junge ein Naturereignis. Verdammt Schade, dass es ihm beim Abschluss noch ein wenig an Kaltblütigkeit mangelt. Jedenfalls in dieser Szene.

Ach ja, dann flog – gerade eingewechselt – noch Bernd Rauw vom Platz. Mag sein, dass dies vereinbar mit den Regeln und Anweisungen des DFB war. Allein – dann sollte man über diese Regularien ernsthaft nachdenken. Hier bewegt sich seit Jahren etwas grundsätzlich in die falsche Richtung. Eingepeitscht von Kommentatoren wie Marcel Reif – für den es in jedem zweiten Spiel ein Dutzend Roter Karten geben könnte („Bis sie es endlich begreifen.“) – verringern die Verbände sukzessive die Hemmschwelle für Schiedsrichter, einen Spieler des Feldes zu verweisen. Und verkennen dabei, dass diese Bestrafung eine Ultima Ratio sein sollte, weil sie die Wettbewerbsgleichheit eines Spiels maximal aus der Balance bringt.

In anderen Sportarten wird dies anders, meines Erachtens nach, besser geregelt. Sowohl beim Eishockey als auch beim Handball oder Feldhockey gibt es zeitlich begrenzte Strafen. Darüber sollte man für den Fußball dringend nachdenken. Zwar können Spieler auch von der Fortsetzung eines Spiels ausgeschlossen werden (z.B. bei grober Unsportlichkeit oder wiederholtem Foulspiel), jedoch ist es nach einer gewissen Zeiteinheit möglich, die nominelle Mannschaftsstärke wieder herzustellen. So bleiben Chancengleichheit (für die Beteiligten) und Spannung (für die Zuschauer) erhalten.

Es gäbe noch einen weiteren Vorteil, an dem nicht zuletzt Schiedsrichtern und Fußballverbänden gelegen sein sollte: Die Folgen von Fehlentscheidungen bei Roten Karten ließen sich drastisch begrenzen. Übrigens: der Kicker bewertete die Leistung von Herrn Stein mit einer glatten 5. Ist eben ein honoriges Fachmagazin.

1. FC Saarbrücken vs. RWE 0:2 / Der verdiente erste Auswärtssieg

Möhwald erzielte seinen ersten Drittligatreffer © www.fototifosi.de

Der Ludwigspark kündet eindrucksvoll von den großen Zeiten des 1. FC Saarbrücken. Und daran, dass diese bereits einige Zeit zurückliegen. Als Anhänger des RWE kommt einem das vertraut vor. Vertraut war einem auch die Aufstellung die Alois Schwartz ins Duell der beiden Traditionsvereine schickte. Wie bereits vermutet, änderte er Preußers Formation nur da wo er musste, und brachte Tunjic für den verletzten Morabit.

Die Spiele gegen Aachen und den BVB hatten der Mannschaft Sicherheit und Struktur gegeben. Das war von der ersten Minute an zu spüren. Wenn Saarbrücken das Spiel aus der Abwehr heraus aufbaute, versuchten Tunjic und Möhwald die Passwege ins Zentrum zu blockieren. Mit einigem Erfolg – der FCS war so gezwungen lange, hohe Bälle zu spielen oder verlegte seine Angriffsbemühungen viel zu früh auf eine der Außenbahnen. Beides war relativ einfach zu verteidigen. Möckel und Oumari machten ihren Job tadellos. Können sie diese Form konservieren, werden es Bertram und Rauw schwer haben ihre Stammplätze zurück zu erobern. Vor allem Möckel überzeugte mich dieses Mal nicht nur als Abwehrorganisator, sondern wusste sogar mit einigen gescheiten und genauen Bällen zur Spieleröffnung beizutragen. Bei eigenen Ballverlusten in der Hälfte von Saarbrücken wurde versucht – nicht selten mit Erfolg -, über Gegenpressing den Ball möglichst umgehend wieder in Besitz zu nehmen. Hier verdiente sich besonders der unglaublich agile und laufstarke Strangl Bestnoten, dem kein Weg zu weit und kein Zweikampf zu viel war. Im Grunde gilt dies ebenso für Drexler. Bei der Bewertung seiner Leistungen wird aufs Neue der Fehler wiederholt, der in der letzten Saison zu einem überkritischen Umgang mit Gaetano Manno führte. Beides sind von Haus aus Stürmer, müssen aber, wenn sie auf den Außenbahnen spielen, viel Energie aufwenden, um ihren defensiven Aufgaben nachzukommen. Exemplarisch erinnere man sich an die Defensivanfälligkeit der Bayern, sobald Robben und Ribéry ihre diesbezüglichen Pflichten vernachlässigen. Die Note 4 für Drexler in der heutigen TA ist eine Frechheit. Wer allein Tore zum Kriterium der Bewertung eines Spielers erhebt, versteht von der komplexen Aufgabenverteilung im modernen Fußball in etwa soviel wie Ottfried Fischer vom Vegetarismus.

Mijo Tunjic. Hier muss ich Abbitte leisten, denn eigentlich hatte ich nach dem Pokalspiel in Heiligenstadt alle Hoffnungen fahren lassen, dass es mit ihm und dem RWE noch jemals etwas werden könnte. Und jetzt das: Honeymoon – Kate und William vergleichsweise altes Ehepaar! Ganz abgesehen vom Tor – er nahm zum ersten Mal nennenswert am Spiel der Mannschaft teil, ließ sich tiefer fallen als zuletzt und erhielt so deutlich mehr Zugriff auf das Geschehen. Er leistete sich auch am Samstag das ein oder andere vermeidbare Fehlabspiel, glänzte aber andererseits mit einigen vertikalen, längeren Zuspielen. Und schoss – nach Freistoß von Pfingsten-Reddig – ein schönes, ungemein wichtiges Tor zur Führung des RWE. Wenn es ihm gelingt, diese Leistung zu verstetigen, werden wir noch viel Freude an ihm haben.

Meine einzige, klitzekleine Kritik am Coaching von Alois Schwartz: Ich hätte Tobias Ahrens schon zehn Minuten früher eingewechselt. Es sei an das Spiel der Erfurter in Wiesbaden in der letzten Saison erinnert. Bereits damals irrwischte Ahrens durch die Innenverteidigung und erzielte fast ein Tor. Diesmal hatte er (innerhalb von nur 4 verbleibenden Spielminuten) gleich zwei Großchancen, eine davon endete am Pfosten. Sobald nach einer Führung des RWE Konterräume vorhanden sind, ist Ahrens eine erstklassige Option. Mit seiner Schnelligkeit stellt er eine Heimsuchung für alle Verteidiger dar – noch dazu, wenn sie bereits 80 Minuten Spielzeit in den ausgelaugten Knochen haben.

Am nächsten Samstag kommt es im Steigerwaldstadion zum Spitzenspiel. Der Erste und Zweite der ewigen Drittligatabelle treffen aufeinander; gewinnt der RWE schubsen wir den OFC wieder vom Thron. Ein zweifelhaftes Vergnügen, ich weiß. Aber auch so ist das Wort vom Spitzenspiel nicht völlig absurd (sondern nur ein bisschen). Zwar ringen beide Mannschaften nach einem grandios verkorksten Ligastart vorerst um Anschluss ans Mittelfeld, allerdings befinden sich alle zwei Teams momentan in sehr guter Verfassung. Offenbach hat von den letzten 5 Ligaspielen drei gewonnen und keines verloren. Dazwischen fiel der so deutliche wie verdiente DFB-Pokalsieg gegen den Erstbundesligisten Greuther Fürth (2:0). Man muss kein Loddar Matthäus sein, um sicher davon ausgehen zu können, dass der OFC stärker sein wird als zuletzt Aachen, der BVB-Nachwuchs und Saarbrücken.

Ihr wisst schon: Prüfstein, harter Brocken und so.

Alois Schwartz? Alois Schwartz!

©kicker.de

Er ist mir damals nicht weiter aufgefallen. Er war der Mann neben Renè Müller, Feichtenbeiner und Kocian. Das ist natürlich kein Makel; die Aufgaben eines Assistenztrainers mögen vielfältig sein, die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit zählt gewiss nicht dazu. Seine erste Erfurter Zeit endete 2005 mit dem Abstieg aus der 2. Liga.

Nach anderthalb erfolgreichen Jahren bei Wormatia Worms in der Oberliga Südwest verpflichtete ihn Anfang 2007 der FCK – auf dass er die zweite Mannschaft des Traditionsvereins vor dem Abstieg aus der Regionalliga bewahre. Das ging grandios schief. 2008 gelang jedoch der direkte Wiederaufstieg und seitdem schlägt sich der FCK II äußerst wacker in der starken Regionalliga West. Das wird wohl auch in dieser Saison so sein – seit zwei Tagen müssen sie in der Pfalz jedoch ohne Alois Schwartz auskommen.

Auch ich hatte eher mit Rico Schmitt als neuem Cheftrainer gerechnet, dessen Rausschmiss in Aue mir damals sehr voreilig erschien. Immerhin war er mit Aue aufgestiegen und unter ihm hatte Wismut 2010/2011 eine grandiose Saison in der 2. Bundesliga gespielt. Aus welchen Gründen auch immer, man hat sich mit ihm nicht einigen können. Ob er die bessere Wahl gewesen wäre, werden wir mithin nie erfahren.

Auf der gestrigen Pressekonferenz führte Rolf Rombach aus, dass für Alois Schwartz gesprochen habe, dass er das Nachwuchskonzept des RWE befördern wolle. Dies ist wieder so eine Aussage des Präsidenten, die ich für unglücklich halte. Ein Nachwuchskonzept kann ich auch in der Thüringenliga haben und befördern. Es kann unmöglich die primäre Intention eines auf einem Abstiegsplatz liegenden Drittligavereins sein, dies in der gegenwärtigen Situation zur ersten Maxime zu erheben. Nachwuchsarbeit ist immer und überall Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger. Alles – inklusive das schönste Nachwuchskonzeptes – ist Makulatur, wenn der Profimannschaft der Klassenerhalt nicht gelingt. Für diesen Fall wird das Nachwuchskonzept zu unseren geringsten Sorgen zählen.

Aber, für die rhetorischen Unbeholfenheiten Rombachs kann Alois Schwartz nicht die Bohne. Er hat in Kaiserslautern nachgewiesen, dass es möglich ist, mit einem eher durchschnittlichen Kader attraktiven und durchaus erfolgreichen Fußball zu spielen. Wenn es ihm gelänge, die Mannschaft schrittweise von den Abstiegsplätzen ins gesicherte Mittelfeld zu führen, sollte man die Saison schon als Erfolg werten.

Einfach wird das nicht. Zu vielfältig sind – nach wie vor – die fußballerischen Defizite des Teams. Christian Preußer hatte im Pokal in Heiligenstadt Mijo Tunjic eine Einsatzchance in der Startelf gewährt. Genutzt hat er sie nicht. Er agiert nach wie vor wie ein Fremdkörper im Spiel der Mannschaft: einfache Bälle verspringen, Pässe über kurze Distanzen erreichen den Mitspieler nicht, selbst das Stellungsspiel bei gegnerischen Standards (also im eigenen Strafraum) gibt ihm nach wie vor Rätsel auf. Womöglich gelingt es ja Alois Schwartz den Holländer aufzubauen.

Wenn nicht, hat der RWE in der Offensive ein gewaltiges Problem. Dann lastet alles auf Drexler und Morabit. Fällt auch nur einer von beiden aus, ist das Angriffsspiel der Mannschaft sehr leicht ausrechenbar. Selbst für einen Verbandsligisten wie Heiligenstadt. Die nächste große Baustelle tut sich auf der linken Abwehrseite auf. Rafael Czichos hat gegen Dortmund defensiv recht gut gestanden, sein großes Manko liegt in der Spieleröffnung. Da spielt er chronisch haarsträubende Pässe in die Beine des Gegners. Gegen die Eichsfelder Amateure war das verkraftbar, in der Dritten Liga ist es das nicht.

Eine Menge Arbeit für den neuen Cheftrainer des RWE. Viel Glück dafür, Alois Schwartz! Ob er noch einmal auf dem – ohnehin sehr ausgedünnten – Spielermarkt tätig wird (werden kann oder darf) ist momentan ungewiss. Aber ich glaube, dass man dies wird tun müssen, zu offensichtlich sind die fußballerischen Mängel auf einigen Positionen. Ansonsten erwarte ich für das Spiel gegen Saarbrücken keine großen Veränderungen. Schwartz bevorzugt – wie Preußer – eine 4-2-3-1-Formation. Wir werden wohl dieselben Spieler wie gegen Dortmund auflaufen sehen – so sie denn gesund sind.

Alemannia Aachen vs. RWE: Den freien Fall gestoppt. Vorerst.

Ich habe gerade das Internet leer gelesen. Jedenfalls was die Berichte über das 1:1 des FC Rot-Weiß Erfurt bei Alemannia Aachen betrifft. Sehr viel schlauer bin ich nicht geworden. Im Grunde hätte ich es auch beim RWE-Ticker belassen können. Soviel jedoch scheint klar: Christian Preußer hat es geschafft die Mannschaft so zu stabilisieren, dass Sie bei einem Aufstiegsaspiranten ein verdientes Remis erreichte. Da er nicht selbst gespielt hat, ist es naheliegend, dass die von ihm vorgenommenen taktischen und personellen Änderungen dabei eine gewisse Rolle spielten.

Kleine taktische Revolution beim RWE: eine 4-2-3-1-Formation

Bertram, Tunjic und Rauw auf die Bank zu setzen war nach den bisherigen Saisonleistungen der drei Spieler konsequent. Sie wurden durch Czichos, Oumari und Strangl ersetzt, wobei vor allem Letzterem eine auffällige Partie nachgesagt wird. Dass er durch seine Dynamik dem Mittelfeldspiel gut tun könnte, hatte er bereits im Spiel gegen West Ham angedeutet.

Offensichtlich hat Preußer aber auch die taktische Ausrichtung der Mannschaft verändert. In allen Spielen unter Stefan Emmerling startete das Team mit einem 4-4-2: zwei Stürmer und eine flache Mittelfeldviererkette (also keine Raute) standen vor der Abwehr. Gestern verzichtete Preußer auf Tunjic, Morabit war der einzige nominelle Stürmer (der sich wohl ab und an mit Drexler ablöste). Es blieb bei zwei Sechsern (Engelhardt und Pfingsten-Reddig), davor spielten Czichos und Drexler auf den Flügeln und Möhwald als zentraler offensiver Mittelfeldspieler. Exakt die Position, die er unter Preußer auch bei den A-Junioren innehatte. Preußer stellte mithin auf ein 4-2-3-1-System um.

Allein die zahlenmäßige Aufwertung des Mittelfeldes scheint eine gewisse Konsolidierung der Defensiv-Offensiv-Balance mit sich gebracht zu haben, einhergehend mit einem deutlich konsequenteren Zweikampfverhalten. Gern möchte ich auch den Schilderungen glauben, die eine Verbesserung des Flügelspiels beobachtet haben wollen. Aber es wäre vermessen daraus bereits einen Trend ablesen zu wollen. Dazu kann ich erst nach dem Spiel gegen den BVB Verbindlicheres sagen. Hoffe ich jedenfalls.

Preußer ist Rombachs Favorit

Rolf Rombach hat offensichtlich die Absicht Christian Preußer als Cheftrainer zu berufen, sollte die Mannschaft am Samstag gegen den BVB gewinnen. Und würde damit das wohl größte Risiko seiner RWE-Präsidentschaft eingehen. Einerseits. Andererseits ist jede Entscheidung für einen neuen Trainer in dieser Situation ein Risiko. Man mag von den fachlichen, rhetorischen und menschlichen Qualitäten eines Coaches noch so überzeugt sein, eine Gewähr für sportlichen Erfolg sind sie nicht. Trotzdem wäre das eine sehr mutige Entscheidung, denn Christian Preußer hat keinerlei Meriten als Trainer im Profibereich vorzuweisen, ja mehr noch: er war nicht mal Profifußballer.

Aber, das waren Mirko Slomka und Ralf Rangnick ebenfalls nicht (vielen Dank an „RWE-Chris“ für den Hinweis). Beide zählen zu den profiliertesten Fußballlehrern des Landes. Arrigo Sacchi, Trainer der brillanten Mannschaft des AC Mailand Ende der 80iger Jahre, sagte man nach, dass er nur mit Mühe geradeaus laufen konnte, geschweige denn in der Lage war, unfallfrei vor einen Ball zu treten. Andere Beispiele erfolgreicher Trainer ohne vorhergehende Profikarriere sind Volker Finke und Christoph Daum.

Ein grandioses Beispiel wie ein A-Jugendtrainer einen Verein vor dem Abstieg rettete, lieferte in der vergangenen Saison der SC Freiburg. Nach der Hinrunde noch abgeschlagener Tabellenletzter, holte Christian Streich mit dem Sportclub 27 Punkte in der Rückrunde und wurde für diese Leistung – völlig zu Recht – Dritter bei der Umfrage zum Trainer des Jahres. (Bei mir hätte er sie übrigens gewonnen.) Deshalb: Die mangelnde Erfahrung im Profibereich ist aus meiner Sicht kein stichhaltiges Argument gegen Christian Preußer.

Viel essenzieller für den Erfolg Preußers wird sein, dass Mitglieder, Vorstand, Aufsichtsrat und Anhängerschaft des Vereins auch noch hinter dieser Entscheidung und ihrem jungen Trainer stehen, wenn mal zwei Spiele nacheinander verloren gehen. Dieser Fall wird eintreten, früher oder später.

Last but not least: Die Mannschaft muss den Trainer akzeptieren. Das lässt sich nicht verordnen. Der Vorstand sollte sich sehr sicher sein, dass gerade die erfahrenen Spieler hinter Preußers Stil und Konzept stehen. Dabei sollte man leicht dahin gelabernden Lippenbekenntnissen misstrauen. Die werden bereits bei geringsten Differenzen keinen Wert mehr besitzen.

Zusammenfassung im Konjunktiv (weil es allein von der sportlichen Entwicklung abhängig ist, ob es dazu kommt): Aus rein fachlicher Sicht würde ich eine Berufung Christian Preußers für völlig gerechtfertigt erachten. Trotzdem ginge der Verein, namentlich Rolf Rombach, damit ein exorbitantes Risiko ein. Ein größeres Risiko jedenfalls, als mit der Berufung eines anerkannten, erfahrenen Fußballlehrers. Im Falle des Misserfolges (Definition Misserfolg: der RWE setzt sich auf den Abstiegsplätzen fest) werden alle die es mit Rolf Rombach nicht so gut meinen (und das scheinen angesichts der Wortmeldungen der letzten Tage nicht wenige zu sein) einen Shitstorm bisher ungeahnten Ausmaßes in seine Richtung lostreten.

Dem Präsidenten des RWE steht also – möglicherweise – in den nächsten Tagen eine Entscheidung bevor, um die ich ihn nicht beneide.

RWE vs. Heidenheim 0:4 / The Dark Night Rises?

Großartige Choreo der Ultras / © www.fototifosi.de (Mit freundlicher Genehmigung)

Nach so einem Spiel, verbleiben drei Optionen darüber zu schreiben: Draufhauen, Positives zusammenkratzen oder eine raffinierte Mischung aus beidem. Das ist alles nicht wirklich zufriedenstellend. Die Wucht dieser deprimierenden Niederlage lässt Worte als das erscheinen, was sie in Wirklichkeit ja auch sind: unzureichende Konstrukte unseres Geistes.

Okay, ich wollte nur auch mal ein bisschen rumjammern. Hilft aber nichts.

Die ersten 120 Sekunden sahen vielversprechend aus, danach wurde es mitten am Tag Nacht im Steigerwaldstadion. Das lag in erster Linie an den erfahrenen Spielern des FC Rot-Weiß Erfurt und nicht an Möhwald, Göbel, Jovanovic oder Czichos. Insofern hat mich Bernd Rauws Interview in der heutigen Ausgabe der Thüringer Allgemeinen ziemlich auf die Palme gebracht. Dort stellt er – nach der mangelnden Erfahrung der jungen Spieler befragt – gönnerhaft fest: «Solche Fehler wie vor dem 2:0 passieren, die Jungs müssen daraus lernen.» Bevor wir zum zweiten Tor kommen, beschäftigen wir uns ganz kurz mit der Entstehung des Ersten: Der RWE hat – in Person von Bernd Rauw – Ballbesitz in der Abwehr. Rauw schlägt einen Alibipass ins Mittelfeldzentrum. Sehr unwahrscheinlich, dass den ein Mitspieler bekommt. Noch unwahrscheinlicher, dass er ihn – angesichts der Überzahl an Heidenheimer Spielern – behaupten hätte können. Prompt kommt der Gegenangriff: Rauw und ein Heidenheimer stoßen unglücklich zusammen. Freistoß. Der Rest ist bekannt. Ein ähnliches Muster vor dem zweiten Tor. Rauw muss vor dem Zuspiel auf Möhwald erkennen, dass dieser – in einer sehr gefährlichen Zone – sofort unter Druck geraten wird. Er erkennt es nicht (oder schlimmer: es ist ihm egal), weshalb er auch an diesem Gegentor eine Mitschuld trägt. Die Spielverlagerung nach links auf den freien Bertram wäre hier die wesentlich sinnvollere Variante gewesen. Also, lieber Bernd Rauw: Bitte erst mal die eigenen Fehler abstellen, bevor man denen der Anderen öffentlich Absolution erteilt.

Tom Bertram. Ich hatte in der Vorsaison schon mal darauf verwiesen, dass es Phasen wie diese in Bertrams Karriere schon öfter mal gab. Unvermittelte Leistungseinbrüche, haarsträubende Fehler, lethargisches Zweikampfverhalten sind ihre charakteristischen Merkmale. Er wird sich das vermutlich selbst nicht erklären können. Umso ratloser stehen wir damit da. Nur eines ist klar: er muss aus diesem Leistungsloch heraus – und zwar: so schnell wie irgend möglich.

Die Auswechslung Göbels zur Halbzeit war gerechtfertigt. In erster Linie, um den Spieler zu schützen. Es war nämlich wie so oft auf der Erfurter Haupttribüne: Diejenigen, die in der letzten Saison vehement nach jungen Spielern verlangten, sind die Ersten, die die Auswechslung dieser Spieler fordern, sobald sie Fehler machen. Vermutlich, weil sie selbst perfekte Geschöpfe des Herrn sind – auch wenn sie nicht so aussehen. Noch eines zu Patrick Göbel: Wir haben jetzt gefühlte Ewigkeiten mit mies ausgeführten Ecken und Freistößen leben müssen. Patrick Göbel kann dieses Defizit – zumindest teilweise – beheben, dies hat er in der A-Jugend-Bundesliga eindrucksvoll nachgewiesen. Er wird das auch in der 3.Liga tun, wenn ihm die dafür notwendige Zeit und Geduld eingeräumt wird. Für Göbel kam Strangl, der hatte sich gegen West Ham durchaus empfohlen, er konnte diese Leistung aber am Samstag leider nicht bestätigen.

Jetzt soll noch ein Innenverteidiger geholt werden. Das ist ein vernünftiges Unterfangen. Wichtiger wäre allerdings, Drexler und Morabit zu halten. Der Weggang der beiden würde eine – möglicherweise entscheidende – Schwächung der Mannschaft bedeuten, von der ich nicht weiß, wie sie ausgeglichen werden soll. Selbst wenn Paderborn die geforderten 400.000 EUR zu zahlen bereit wäre (was Wilfried Finke durchaus zuzutrauen ist), würde ich Morabit nicht ziehen lassen. Das Risiko, eventuell keinen – auch nur halbwegs adäquaten – Ersatz für ihn zu bekommen ist unkalkulierbar.

Jetzt geht es zum HFC. Die Hallenser hatten einen guten Start in die Liga. Wie schon in der Aufstiegssaison bauen sie auf eine kompakte, kaum zu überwindende Defensive. Wir müssen nicht lange herumreden: Der RWE wird dieses Spiel verlieren, wenn die fast schon atemberaubende Anhäufung individueller und taktischer Fehlleistungen nicht auf ein Normalmaß reduziert werden kann. Es könnte zudem nicht schaden, wenn ein wenig Glück hinzukäme. Da stehen wir also nach zwei Spieltagen, null Punkten und sieben Gegentoren: Wir rufen die Glücksgötter an. Holy shit!

Im Gegensatz zur Performance des RWE auf dem Rasen, fand ich die Choreo der Ultras definitiv bundesligareif. Ohne mich gleich mit allen Zielen einverstanden erklären zu müssen. Sie boten ein inhaltlich wie ästhetisch großartiges Gesamtkunstwerk, das die derzeitige Konstellation im deutschen Fußball treffend kommentiert: Der DFB macht momentan auf harter Hund und stellt sich – recht unreflektiert – gegen eine große, sehr aktive Gruppe von Fans. Die etwas nordkoreanisch anmutende Gesprächsverweigerung des DFB konterten die Erfurter Ultras mit Fantasie und Ironie. Wenigstens ein Sieg an diesem Nachmittag.

RWE vs. West Ham United 0:3 / Schön verloren

Über sehr weite Teile des gestrigen Spiels war der Premier-League-Aufsteiger aus dem Londoner East End der ideale Gegner für den FC Rot-Weiß Erfurt. Individuell naturgemäß stark besetzt, aber doch mit einem angenehmen Schuss britischer Zurückhaltung ging West Ham in die Partie und ließ den RWE Fußball spielen. Anders als eine Woche zuvor gegen den BVB, fand so etwas wie Pressing aufseiten der Engländer nicht wirklich statt. Und die Rot-Weißen waren gewillt und in der Lage diese Einladung anzunehmen.

Aus dem aktuellen Kader rückten Strangl, Jovanovic, Göbel, Öztürk und Rickert in die Startelf. Hinzu gesellte sich Felix Schiller. Der bei Werder Bremen ausgebildete und zuletzt bei Oberhausen aktive 1,89 Meter große Innenverteidiger, erhielt die Chance probeweise vorzuspielen. Der Erkenntnisgewinn in dieser Personalie war begrenzt, da West Ham über große Teile des Spiels offensiv nicht stattfand. Man konnte sehen, dass Schiller auf den ersten 20 Metern nicht der Schnellste ist, was aber bei seiner Körpergröße auch nicht zu erwarten steht. Man sah aber auch, dass er fußballerisch (für einen Innenverteidiger) ein gutes Niveau vorzuweisen hat.

Strangl, Jovanovic und Göbel gehören zu den klaren Gewinnern der gestrigen Begegnung. Strangl spielte agil, laufstark und aggressiv und wies seine Drittligatauglichkeit eindrucksvoll nach. Bei subtropischen Temperaturen war das auch konditionell eine bemerkenswerte Vorstellung. Jovanovic begann auf der rechten Abwehrseite und man sah endlich, weshalb er vor einem Jahr verpflichtet wurde. An Tagen wie gestern ist er ein äußerst spielstarker, offensiv denkender Außenverteidiger, an dem wir noch unsere Freude haben könnten – wenn seine Entwicklung so weitergeht. In der zweiten Halbzeit rückte er neben Engelhardt auf die Sechserposition und deutete hier ebenfalls seine technische Begabung mehrmals an. Er zog einige Mal mit dem Ball am Fuß in Richtung Tor der Engländer. Das sah gut aus, brachte allerdings nichts Nennenswertes ein. Ich sehe ihn eher und eindeutig lieber auf der rechten Außenbahn.

Patrick Göbel war nicht anzumerken, dass er noch vor einem Vierteljahr im Erfurter Gebreite seine Pflichtspiele vor 50 Zuschauern austrug. Mit seiner ersten Aktion vernaschte er einen Premier-League-Verteidiger und im Grunde ging es das ganze Spiel so weiter. Unbekümmert, laufstark und – ganz wichtig – stets darauf bedacht, auch die taktischen Vorgaben Emmerlings in der Defensive keineswegs zu vernachlässigen. Schade, dass er nicht mit einem Tor für seine Leistung belohnt wurde. Ihm hatten wir auch zu verdanken, dass wir wieder mal einen gefährlichen, direkt ausgeführten Freistoß des RWE sahen (gefährlich für den Gegner). Überdies  ermöglichte eine von ihm getretene Ecke Jovanovic diese eigentlich 100%ige Kopfballchance in der 2.Halbzeit. Man kann, soll und darf von Patrick Göbel keine Wunderdinge erwarten. Nach dem Spiel gestern sehe ich in ihm aber eine vielversprechende Option für den Einsatz auf beiden offensiven Außenbahnen.

Möhwald harmonierte in der ersten Halbzeit eindrucksvoll mit Pfingsten-Reddig im zentralen Mittelfeld. Auf dieser Position kann er eine seiner ganz großen Stärken noch besser ins Spiel bringen: gefühlvolle, genaue Pässe in den Rücken der Abwehr. Überhaupt: Sein Spiel auf der Sechs ist für einen 19-Jährigen verblüffend: Immer anspielbereit, große Ruhe am Ball, entscheidet fast immer richtig ob die Spielsituation einen vertikalen Pass erlaubt oder eine Spielverlagerung sinnvoller ist. Ich will es mal so formulieren: Große Formschwankungen dürfen sich Engelhardt und Pfingsten-Reddig im weiteren Saisonverlauf nicht erlauben.

Manche mögen es anders sehen: Allein der beherzte und fußballerisch gelungene Auftritt der beiden Jungs war gestern sehenswert und überdies von einigem Erkenntnisgewinn.

Verloren wurde das Spiel dennoch, weil, wie bereits in Wiesbaden, zahlreiche Tormöglichkeiten ungenutzt blieben. Dazu kamen die üblichen Aussetzer im Abwehrverhalten, die von West Ham abgebrüht genutzt wurden. Das ist eine unselige Kombination. Bei aller Freude am ansehnlichen Fußball des RWE: So wird kein Spiel gewonnen – nicht gegen West Ham und nicht in der Liga. Aber, das kann sich bereits am Samstag gegen Heidenheim ändern. Mich stimmt nach wie vor optimistisch, dass die Mannschaft in der Lage ist, sich viele gute Chancen herauszuspielen. Tore (und Punkte) sollten dann eigentlich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit folgen. Sollten … Noch ganz schön viel Konjunktiv derzeit, ich weiß.

SV Wehen Wiesbaden vs. RWE 3:1 / Selber schuld

Hier zu eigensinnig: Drexler übersieht Tunjic / Quelle und alle Rechte: www.fototifosi.de

Es ist nie eine besonders kluge Idee, eigene Niederlagen an der Schiedsrichterleistung festzumachen. Man kann das Resultat ohnehin nicht mehr revidieren, vor allem aber lenkt es von eigenen Fehlern ab. Und auf die sollte sich konzentrieren, wer im nächsten Spiel mehr Erfolg haben will.

Wie die Preisboxer: mit offenem Visier

Beide Mannschaften begannen das Spiel wie zwei in die Jahre gekommene Rummelboxer: Mit heruntergelassener Deckung – im Vertrauen darauf, dass der eigene Punch stärker ist als der des Gegners. Im Resultat erlebten wir ein Drittligaspiel mit einer großen Anzahl Tormöglichkeiten auf beiden Seiten. Wobei vor allem Morabit, Drexler und Möhwald (mit einigen großartigen Pässen und Flanken) dafür sorgten, dass der RWE eine Stunde lange die gefährlichere Mannschaft war. Drexler hatte in den letzten Spielen der Vorsaison fast alles verwandelt, was ihm vor die Füße fiel; dazu benötigt man auch ein wenig Glück. Glück, das ihm an diesem Samstagnachmittag in Wiesbaden in einigen Szenen fehlte. Tunjic – das war schon gegen den BVB zu sehen – benötigt weiterhin Spielpraxis unter Wettkampfbedingungen, um sich in das Angriffspiel des RWE einzufügen. Es sei daran erinnert, dass Reichwein erst im fünften Ligaspiel sein erstes Tor erzielte. Öztürk wirkt nicht völlig austrainiert, aber wenn die äußere Anmutung das alleinige Kriterium wäre, dann hätte es Ailton niemals auch nur in die Nähe eines Bundesligastadions schaffen dürfen. Soll heißen: auch ihm muss fairerweise noch Zeit eingeräumt werden, bevor man sich ein Urteil über sein Potenzial erlauben sollte. An Engagement, Laufbereitschaft, etc. fehlte es beiden nicht.

Naives Abwehrverhalten ermöglichte Wiesbaden viele Chancen

Konstatieren wir also eine gute Leistung des RWE in der Offensive. Natürlich hätte die Mannschaft – aufgrund der zahlreich herausgespielten Chancen – dieses Spiel gewinnen können. Wohlgemerkt: können, keinesfalls müssen. Dazu war die Abwehrleistung des Teams zu schlecht, weshalb Wiesbaden bereits in der 1. Halbzeit zu einigen hochkarätigen Chancen kam. Viele dieser Möglichkeiten kamen verblüffend (und beängstigend) einfach zustande: Ein Ball wird aus dem zentralen Mittelfeld auf einen der Flügel gespielt (teilweise durch einen simplen Flachpass, weil die Passwege offen sind), dort befindet sich der RWE-Außenverteidiger in einer für ihn schwierig zu verteidigenden Eins-gegen-Eins-Situation. Da die offensiven Außenbahnspieler gefühlte Lichtjahre vom Spielgeschehen entfernt sind, entschließt sich ein Innenverteidiger zu helfen. Das ist im Grunde richtig, aber nur dann, wenn beide der folgenden Bedingungen erfüllt sind: Er kann mit hoher Wahrscheinlichkeit die Eingabe nach innen verhindern und er muss sicher sein, dass Mitspieler seine Aufgabe in der Abwehrzentrale übernehmen; sprich Zugriff auf die nachrückenden gegnerischen Angreifer haben. Fast lehrbuchhaft schief geht das bei einer Situation in der ersten Halbzeit, die Sponsel gerade noch so mit einem großartigen Reflex auf der Linie klären kann. Da es diesen Spiel- und Chancenaufbau des SVWW häufiger gab, muss man leider davon sprechen, dass in diesem ersten Saisonspiel die Balance zwischen Offensiv- und Defensivverhalten grundsätzlich unausgewogen war. Auch wenn (oder besser: gerade weil) Drexler und Möhwald ihre Stärken in der Offensive haben, müssen sie bereit und in der Lage sein, sich bei Ballverlusten sofort aggressiv nach hinten zu bewegen.

Jede Bezirksligamannschaft weiß: Die Mauer muss hochspringen

Leider war dies nicht alles, was es zu beanstanden gab. Das Verhalten bei Standards bildet anscheinend ein saisonübergreifendes Dilemma. Diesmal kam noch eine weitere Spezialdisziplin hinzu: der direkte Freistoß. Zlatko Janjic ist Rechtsfuß. Er war der einzige Spieler des SVWW der sich zur Ausführung des Freistoßes aufstellte. Position des Balles und die Rechtsfüßigkeit des Ausführenden ließen es sehr wahrscheinlich werden, dass er den Ball direkt aufs Tor schießen würde – über die Mauer, in die vom Torwart entfernte Ecke. So kam es dann auch. Hier stellen sich jetzt zwei Fragen: Warum stehen in unserer Mauer nicht ausschließlich großgewachsene Spieler? Und zweitens: Egal wie groß die Spieler sind, warum unternehmen sie nicht einmal den Versuch, durch Hochspringen den Ball zu erwischen? Fußballspiele werden um so eher durch Kleinigkeiten entschieden, je ebenbürtiger sich die Kontrahenten sind. Jedes Detail spielt eine Rolle. Nicht alle können zu jedem Zeitpunkt kontrolliert oder gar beeinflusst werden, bei Standards ist genau das aber der Fall: Hier kann ich mein eigenes Verhalten zu 100 Prozent steuern. Deshalb ist es unbegreiflich, wie es zu so einem Dilettantismus kommen konnte. Mein Gott: Die Mauer jeder Bezirksligamannschaft springt bei einem direkten Freistoß hoch.

Der RWE hat im letzten Jahr zweimal von einer „Doppelbestrafung“ profitiert

Last but least – ein Wort zum Elfmeter. Der RWE hat von ähnlichen Situationen in der letzten Saison zweimal profitiert. In Regensburg (nach einem Foul an Morabit) und in Chemnitz (nach einem Foul an Drexler). Selbst der DFB ist unglücklich mit dieser Doppelbestrafung, muss sich aber an die Regeln der FIFA halten. Gleiches gilt natürlich ebenfalls für den Schiedsrichter auf dem Platz. Wenn man sich die Szene ein paar Mal anschaut, wird deutlich, dass Oumari den Ball auch ohne Foul hätte bekommen können. Allerdings rutscht er ihm durch. Kann passieren – ist jetzt aber nicht direkt die Schuld des Schiedsrichters. Der bewertet alles Folgende völlig korrekt und im Einklang mit den Regeln seines Verbandes.

Im Übrigen wollen wir hoffen, dass es bei den bereits jetzt bekannten Konsequenzen dieses Spiels bleibt und Rolf Töpperwien ein paar Bier zu viel hatte, als er das zu sehen glaubte.

Jetzt kommt unter der Woche West Ham United – und das ist gut so. Eine weitere Möglichkeit die Mannschaft gegen sehr ernsthafte Konkurrenz weiter voran zu bringen. Da Morabit geschont werden soll, habe ich einen Vorschlag für die Aufstellung: Drexler spielt hinter Tunjic in der Angriffsmitte, dafür bekommt Göbel auf der linken Seite mal eine seriöse Chance von Anfang an. Außerdem könnte Emmerling die Gelegenheit nutzen und Jovanovic auf der rechten Abwehrseite testen, hier herrscht nach der Roten Karte für Oumari ohnehin Handlungsbedarf, da Rauw und Bertram im Spiel gegen Heidenheim die Innenverteidigung bilden werden.

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