Man sieht ihm an, dass der Ball nicht rein geht: Tobias Ahrens © www.fototifosi.de
In der Halbzeit herrschte an den Stehtischen hinter der Tribüne seltene Einigkeit: das waren sehr gute 45 Minuten des FC Rot-Weiß Erfurt. Fast makellos. Einziges Manko war die Chancenverwertung – wer einen Gegner so klar dominiert, sollte höher führen als mit dem knappsten aller Ergebnisse.
Das von Christian Preußer installierte und von Alois Schwartz beibehaltene 4-2-3-1-System bewährte sich erneut. Der RWE dominierte das Mittelfeld nach Belieben. Defensiv wie offensiv. Der OFC gab einen harmlosen Schuss auf das Tor von Rickert ab, während der RWE sich kontinuierlich Chancen erarbeitete. Nur eine davon wurde verwertet. Oumari schlug einen Franz-Beckenbauer-Gedächtnis-Pass auf Drexler, der sich im Zweikampf behauptete, die Übersicht behielt und Möhwald im Rückraum bediente. Der zog direkt ab und erzielte sein zweites Saisontor.
Auch die Auswechslungen Arie van Lents zur zweiten Hälfte ergaben zunächst kein völlig anderes Spiel. Der OFC tat sich mit der kompakten Erfurter Defensive weiterhin schwer. Doch das Mittelfeld der Kickers bekam jetzt seinerseits mehr Zugriff auf die Erfurter Spielgestalter. In Folge wechselte Möhwald häufiger auf den linken Flügel – wahrscheinlich um dort mit Czichos und Drexler Überzahlsituationen herzustellen. Das gelang nur in Maßen, schwerer wog hingegen seine Abstinenz im zentralen offensiven Mittelfeld. Tunjic verlor in der zweiten Halbzeit völlig die Bindung zum Spiel. Zudem gelang es ihm nicht mehr, die Bälle, die er erhielt, kontrolliert zu verarbeiten.
Das Spiel fing an langweilig zu werden, was angesichts der Erfurter Führung zu verkraften gewesen wäre. Nicht mit mir dachte sich der bis dahin unauffällige Schiedsrichter Thomas Stein und sorgte nun seinerseits für die «Höhepunkte» des Spiels. Zunächst wurde Strangl im Offenbacher Strafraum zu Fall gebracht – der Pfiff blieb zu Recht aus. Selbiges hätte man sich allerdings ebenfalls für den Zweikampf Oumari vs. Vogler vorstellen können. Mag sein, dass die jeweiligen Offenbacher Kombattanten etwas geschickter in ihrem Zweikampfverhalten waren, trotzdem ist zu vermerken: hier wurden vom Unparteiischen zwei ähnliche Situationen ungleich bewertet.
Der Tag hätte dennoch mit einer rot-weißen Sause enden können. Erneut nach Vorarbeit Drexlers, hatte Ahrens den Siegtreffer auf dem Fuß. Wie er dabei den OFC-Verteidigern auf zehn Metern zwei abnahm, war sensationell. Was seine Schnelligkeit betrifft, ist der Junge ein Naturereignis. Verdammt Schade, dass es ihm beim Abschluss noch ein wenig an Kaltblütigkeit mangelt. Jedenfalls in dieser Szene.
Ach ja, dann flog – gerade eingewechselt – noch Bernd Rauw vom Platz. Mag sein, dass dies vereinbar mit den Regeln und Anweisungen des DFB war. Allein – dann sollte man über diese Regularien ernsthaft nachdenken. Hier bewegt sich seit Jahren etwas grundsätzlich in die falsche Richtung. Eingepeitscht von Kommentatoren wie Marcel Reif – für den es in jedem zweiten Spiel ein Dutzend Roter Karten geben könnte („Bis sie es endlich begreifen.“) – verringern die Verbände sukzessive die Hemmschwelle für Schiedsrichter, einen Spieler des Feldes zu verweisen. Und verkennen dabei, dass diese Bestrafung eine Ultima Ratio sein sollte, weil sie die Wettbewerbsgleichheit eines Spiels maximal aus der Balance bringt.
In anderen Sportarten wird dies anders, meines Erachtens nach, besser geregelt. Sowohl beim Eishockey als auch beim Handball oder Feldhockey gibt es zeitlich begrenzte Strafen. Darüber sollte man für den Fußball dringend nachdenken. Zwar können Spieler auch von der Fortsetzung eines Spiels ausgeschlossen werden (z.B. bei grober Unsportlichkeit oder wiederholtem Foulspiel), jedoch ist es nach einer gewissen Zeiteinheit möglich, die nominelle Mannschaftsstärke wieder herzustellen. So bleiben Chancengleichheit (für die Beteiligten) und Spannung (für die Zuschauer) erhalten.
Es gäbe noch einen weiteren Vorteil, an dem nicht zuletzt Schiedsrichtern und Fußballverbänden gelegen sein sollte: Die Folgen von Fehlentscheidungen bei Roten Karten ließen sich drastisch begrenzen. Übrigens: der Kicker bewertete die Leistung von Herrn Stein mit einer glatten 5. Ist eben ein honoriges Fachmagazin.
Wieder guter Artikel, allerdings könnte ich mich nicht mit der Zeitstrafe anfreunden. Du hast Recht, die rote Karte ist die letzte Maßnahme. Jeder Spieler muss sich darüber im Klaren sein. Das gute an den roten Karten ist, dass man in erster Linie den Schiedsrichter dafür verantwortlich machen kann. Wer so in den Gegner reinspringt, wie der Herr Rauw, braucht man sich nicht wundern, rot zu kassieren. Ich finde es auch richtig, dass Spieler bei solchen Vergehen (einschließlich der gängigen Tätlichkeiten und Beleidigungen) vom Spiel ausgeschlossen werden. Im Endeffekt würde m. M. n. nur die Hemmschwelle senken zu sagen: „OK, das Foulspiel war jetzt nicht so schlimm, dann ziehe ich lieber nur eine Zeitstrafe und keine rote Karte.“ Außerdem finde ich, dass das Spiel auch von den rK lebt. Ich finde es unheimlich spannend, wie eine Mannschaft auf einen Platzverweis reagiert – es ist nicht zwangsläufig eine Benachteiligung einer Mannschaft.
@Lee Wir sind schon bei der Bewertung von Rauws Foul nicht einer Meinung 😉 Ich denke, dass er zuerst den Ball spielen wollte und diesen sogar trifft, danach natürlich auch den Gegenspieler. Das ist aber noch mal was völlig anderes, als wenn jemand nur in die Beine des Gegners drischt, bzw. eine Tätlichkeit begeht – wird aber genauso geahndet. Dazu kommt noch, dass der Gefoulte alles, aber auch wirklich alles aus der Szene herausholt, sterbender Schwan nichts dagegen.
Überdies teile ich Deine Sorge nicht, dass es bei Zeitstrafen zu einer Absenkung der Hemmschwelle bei Fouls kommt – jedenfalls ist das nicht die Erfahrung, die man im Eishockey oder im Handball damit gemacht hat.
Im Grunde bin ich auch nicht dafür, die Regeln alle zwei Jahre zu reformieren, das will in der Tat wohl überlegt sein. Und ich will auch nicht einer wilden Treterei das Wort reden. Deshalb könnte ich z.B. mit einem vorsichtigeren Umgang bei Platzverweisen auch gut leben – siehe Großbritannien.