Tag Archiv für Rickert

SpVgg Unterhaching vs. FC Rot-Weiß Erfurt 2:2 / Es lebt!

Besser als anders herum: Drexler im Aus, Ball im Tor © www.fototifosi.de

Das war dann wohl die Woche der kuriosen Fußballspiele. Nach dem genial-desaströsen Auftreten der Nationalmannschaft legten auch die SpVgg Unterhaching und der RWE ein Spiel hin, das man so nicht alle Tage sieht.

Ich war neugierig, wie RWE-Trainer Alois Schwartz den Ausfall von Engelhardt und Strangl zu kompensieren gedachte (böse Zungen behaupteten, da gebe es nicht viel zu kompensieren). Auf die von ihm gewählte Variante – mit Bernd Rauw – wäre ich nicht gekommen. Je nach Geschmack konnte man auf eine 4-5-1 oder 4-1-4-1-Formation erkennen. Ich tendiere nach wie vor der Auffassung zu, dass der RWE mit drei Sechsern agierte, die leicht unterschiedlichen Aufgaben nachgingen. Rauw fungierte ausschließlich als Abräumer vor der Abwehr, während Baumgarten, vor allem aber Pfingsten-Reddig, sich außerdem um den Spielaufbau bemühen sollten. Hat das funktioniert? So lala, würde ich sagen. Dafür, dass drei Leute im zentralen Mittelfeld positioniert waren, sahen die Innenverteidiger doch ganz schön häufig die Unterhachinger Stürmer unbedrängt auf sich zu laufen. Pfingsten-Redddig tat die defensive Absicherung trotzdem gut. Er machte sein bestes Spiel seit Langem und auch Baumgartens Debüt in der Startelf bot Anlass zur Hoffnung. Großartig sein geistesgegenwärtiges und exaktes Zuspiel auf Tunjic vor dem Ausgleich zum 1:1. Das eigentlich ein 3:1 hätte sein müssen. Nach ausgeglichenem Spiel in der ersten Phase der Partie, dominierte der RWE die Begegnung und ließ sich auch von der Führung der Oberbayern nicht wirklich irritieren. Schon aus fußballästhetischen Gründen hätte Möhwalds Seitfallzieher eine numerische Entsprechung auf der Anzeigetafel verdient gehabt. Von Tunjics Großchance nach dem besten RWE-Angriff, via Pfingsten-Reddig und Drexler, ganz zu schweigen. Es war zum Verzweifeln. Allerdings: In unserer Situation ist Verzweiflung bereits ein mentaler Fortschritt. Allemal besser, als ob der gezeigten Leistungen in katatonische Starre zu fallen, wie zuletzt geschehen. Dann kam es dennoch, wie es kommen musste. Zwei haarsträubende Fehler, an denen Rickert beide Male hauptdarstellerisch beteiligt war, sorgten für die fast schon absurde 2:1-Halbzeitführung der Gastgeber.

Offensichtlich hatte die Mannschaft in der Pause die Anweisung erhalten, nicht unkontrolliert nach vorne zu spielen, um dem Unterhachinger Konterspiel zu entgehen. Sie hielt sich daran, wenngleich mit einem anderen Resultat als geplant. Nun brachte der RWE offensiv überhaupt nichts mehr zustande. In dieser Phase des Spiels machten die Gastgeber deutlich, dass Tabellen nicht lügen, erspielten sich mehrere großartige Torgelegenheiten (einschließlich Elfmeter), die allesamt ebenso großartig von Rickert vereitelt wurden. Mit der Einwechslung von Ahrens und Temür schaltete Schwartz dann doch auf den Kamikaze-Modus. Wie zwei Rummelboxer mit heruntergelassener Deckung drosch man nun aufeinander ein und der RWE hatte den besseren Punch. Drexler kam im Strafraum nicht sehr mittig und eher zufällig in Ballbesitz, umkurvte Riederer, was seine Lage zum Tor fast aussichtslos werden ließ – und traf in selbiges. Mit artistisch anmutender Körperkontrolle, zum insgesamt verdienten Ausgleich für den RWE. Würde mich nicht wundern, wenn er nach der Saison zum Cirque du Soleil in die Zirkus-Championsleague wechselt. Grandioser Treffer.

Fazit: ein unterhaltsames Gagaspiel. Die erste Hälfte wird von Erfurt (zumindest nach Großchancen) eindeutig beherrscht und 1:2 verloren. In Halbzeit zwei dominiert Haching ebenso handfest und muss dennoch den Ausgleich hinnehmen. Der RWE wusste in einige Phasen des Spiels sogar fußballerisch zu überzeugen und hat zwei Mal einen Rückstand wettgemacht. Aber Vorsicht! Der Verein, seine Fans und sein Blogger wähnten sich nach den Spielen gegen Aachen, Dortmund, Saarbrücken und Offenbach schon einmal auf dem Weg der Genesung, nur um dann erneut vom Laster überrollt zu werden. Noch eine Niederlagenserie kann man sich nicht leisten, denn dann wird aus einer prekären Situation schnell eine aussichtslose.

Rot-Weiß Erfurt vs. Offenbacher Kickers: Schade eigentlich!

Man sieht ihm an, dass der Ball nicht rein geht: Tobias Ahrens © www.fototifosi.de

In der Halbzeit herrschte an den Stehtischen hinter der Tribüne seltene Einigkeit: das waren sehr gute 45 Minuten des FC Rot-Weiß Erfurt. Fast makellos. Einziges Manko war die Chancenverwertung – wer einen Gegner so klar dominiert, sollte höher führen als mit dem knappsten aller Ergebnisse.

Das von Christian Preußer installierte und von Alois Schwartz beibehaltene 4-2-3-1-System bewährte sich erneut. Der RWE dominierte das Mittelfeld nach Belieben. Defensiv wie offensiv. Der OFC gab einen harmlosen Schuss auf das Tor von Rickert ab, während der RWE sich kontinuierlich Chancen erarbeitete. Nur eine davon wurde verwertet. Oumari schlug einen Franz-Beckenbauer-Gedächtnis-Pass auf Drexler, der sich im Zweikampf behauptete, die Übersicht behielt und Möhwald im Rückraum bediente. Der zog direkt ab und erzielte sein zweites Saisontor.

Auch die Auswechslungen Arie van Lents zur zweiten Hälfte ergaben zunächst kein völlig anderes Spiel. Der OFC tat sich mit der kompakten Erfurter Defensive weiterhin schwer. Doch das Mittelfeld der Kickers bekam jetzt seinerseits mehr Zugriff auf die Erfurter Spielgestalter. In Folge wechselte Möhwald häufiger auf den linken Flügel – wahrscheinlich um dort mit Czichos und Drexler Überzahlsituationen herzustellen. Das gelang nur in Maßen, schwerer wog hingegen seine Abstinenz im zentralen offensiven Mittelfeld. Tunjic verlor in der zweiten Halbzeit völlig die Bindung zum Spiel. Zudem gelang es ihm nicht mehr, die Bälle, die er erhielt, kontrolliert zu verarbeiten.

Das Spiel fing an langweilig zu werden, was angesichts der Erfurter Führung zu verkraften gewesen wäre. Nicht mit mir dachte sich der bis dahin unauffällige Schiedsrichter Thomas Stein und sorgte nun seinerseits für die «Höhepunkte» des Spiels. Zunächst wurde Strangl im Offenbacher Strafraum zu Fall gebracht – der Pfiff blieb zu Recht aus. Selbiges hätte man sich allerdings ebenfalls für den Zweikampf Oumari vs. Vogler vorstellen können. Mag sein, dass die jeweiligen Offenbacher Kombattanten etwas geschickter in ihrem Zweikampfverhalten waren, trotzdem ist zu vermerken: hier wurden vom Unparteiischen zwei ähnliche Situationen ungleich bewertet.

Der Tag hätte dennoch mit einer rot-weißen Sause enden können. Erneut nach Vorarbeit Drexlers, hatte Ahrens den Siegtreffer auf dem Fuß. Wie er dabei den OFC-Verteidigern auf zehn Metern zwei abnahm, war sensationell. Was seine Schnelligkeit betrifft, ist der Junge ein Naturereignis. Verdammt Schade, dass es ihm beim Abschluss noch ein wenig an Kaltblütigkeit mangelt. Jedenfalls in dieser Szene.

Ach ja, dann flog – gerade eingewechselt – noch Bernd Rauw vom Platz. Mag sein, dass dies vereinbar mit den Regeln und Anweisungen des DFB war. Allein – dann sollte man über diese Regularien ernsthaft nachdenken. Hier bewegt sich seit Jahren etwas grundsätzlich in die falsche Richtung. Eingepeitscht von Kommentatoren wie Marcel Reif – für den es in jedem zweiten Spiel ein Dutzend Roter Karten geben könnte („Bis sie es endlich begreifen.“) – verringern die Verbände sukzessive die Hemmschwelle für Schiedsrichter, einen Spieler des Feldes zu verweisen. Und verkennen dabei, dass diese Bestrafung eine Ultima Ratio sein sollte, weil sie die Wettbewerbsgleichheit eines Spiels maximal aus der Balance bringt.

In anderen Sportarten wird dies anders, meines Erachtens nach, besser geregelt. Sowohl beim Eishockey als auch beim Handball oder Feldhockey gibt es zeitlich begrenzte Strafen. Darüber sollte man für den Fußball dringend nachdenken. Zwar können Spieler auch von der Fortsetzung eines Spiels ausgeschlossen werden (z.B. bei grober Unsportlichkeit oder wiederholtem Foulspiel), jedoch ist es nach einer gewissen Zeiteinheit möglich, die nominelle Mannschaftsstärke wieder herzustellen. So bleiben Chancengleichheit (für die Beteiligten) und Spannung (für die Zuschauer) erhalten.

Es gäbe noch einen weiteren Vorteil, an dem nicht zuletzt Schiedsrichtern und Fußballverbänden gelegen sein sollte: Die Folgen von Fehlentscheidungen bei Roten Karten ließen sich drastisch begrenzen. Übrigens: der Kicker bewertete die Leistung von Herrn Stein mit einer glatten 5. Ist eben ein honoriges Fachmagazin.

RWE vs. West Ham United 0:3 / Schön verloren

Über sehr weite Teile des gestrigen Spiels war der Premier-League-Aufsteiger aus dem Londoner East End der ideale Gegner für den FC Rot-Weiß Erfurt. Individuell naturgemäß stark besetzt, aber doch mit einem angenehmen Schuss britischer Zurückhaltung ging West Ham in die Partie und ließ den RWE Fußball spielen. Anders als eine Woche zuvor gegen den BVB, fand so etwas wie Pressing aufseiten der Engländer nicht wirklich statt. Und die Rot-Weißen waren gewillt und in der Lage diese Einladung anzunehmen.

Aus dem aktuellen Kader rückten Strangl, Jovanovic, Göbel, Öztürk und Rickert in die Startelf. Hinzu gesellte sich Felix Schiller. Der bei Werder Bremen ausgebildete und zuletzt bei Oberhausen aktive 1,89 Meter große Innenverteidiger, erhielt die Chance probeweise vorzuspielen. Der Erkenntnisgewinn in dieser Personalie war begrenzt, da West Ham über große Teile des Spiels offensiv nicht stattfand. Man konnte sehen, dass Schiller auf den ersten 20 Metern nicht der Schnellste ist, was aber bei seiner Körpergröße auch nicht zu erwarten steht. Man sah aber auch, dass er fußballerisch (für einen Innenverteidiger) ein gutes Niveau vorzuweisen hat.

Strangl, Jovanovic und Göbel gehören zu den klaren Gewinnern der gestrigen Begegnung. Strangl spielte agil, laufstark und aggressiv und wies seine Drittligatauglichkeit eindrucksvoll nach. Bei subtropischen Temperaturen war das auch konditionell eine bemerkenswerte Vorstellung. Jovanovic begann auf der rechten Abwehrseite und man sah endlich, weshalb er vor einem Jahr verpflichtet wurde. An Tagen wie gestern ist er ein äußerst spielstarker, offensiv denkender Außenverteidiger, an dem wir noch unsere Freude haben könnten – wenn seine Entwicklung so weitergeht. In der zweiten Halbzeit rückte er neben Engelhardt auf die Sechserposition und deutete hier ebenfalls seine technische Begabung mehrmals an. Er zog einige Mal mit dem Ball am Fuß in Richtung Tor der Engländer. Das sah gut aus, brachte allerdings nichts Nennenswertes ein. Ich sehe ihn eher und eindeutig lieber auf der rechten Außenbahn.

Patrick Göbel war nicht anzumerken, dass er noch vor einem Vierteljahr im Erfurter Gebreite seine Pflichtspiele vor 50 Zuschauern austrug. Mit seiner ersten Aktion vernaschte er einen Premier-League-Verteidiger und im Grunde ging es das ganze Spiel so weiter. Unbekümmert, laufstark und – ganz wichtig – stets darauf bedacht, auch die taktischen Vorgaben Emmerlings in der Defensive keineswegs zu vernachlässigen. Schade, dass er nicht mit einem Tor für seine Leistung belohnt wurde. Ihm hatten wir auch zu verdanken, dass wir wieder mal einen gefährlichen, direkt ausgeführten Freistoß des RWE sahen (gefährlich für den Gegner). Überdies  ermöglichte eine von ihm getretene Ecke Jovanovic diese eigentlich 100%ige Kopfballchance in der 2.Halbzeit. Man kann, soll und darf von Patrick Göbel keine Wunderdinge erwarten. Nach dem Spiel gestern sehe ich in ihm aber eine vielversprechende Option für den Einsatz auf beiden offensiven Außenbahnen.

Möhwald harmonierte in der ersten Halbzeit eindrucksvoll mit Pfingsten-Reddig im zentralen Mittelfeld. Auf dieser Position kann er eine seiner ganz großen Stärken noch besser ins Spiel bringen: gefühlvolle, genaue Pässe in den Rücken der Abwehr. Überhaupt: Sein Spiel auf der Sechs ist für einen 19-Jährigen verblüffend: Immer anspielbereit, große Ruhe am Ball, entscheidet fast immer richtig ob die Spielsituation einen vertikalen Pass erlaubt oder eine Spielverlagerung sinnvoller ist. Ich will es mal so formulieren: Große Formschwankungen dürfen sich Engelhardt und Pfingsten-Reddig im weiteren Saisonverlauf nicht erlauben.

Manche mögen es anders sehen: Allein der beherzte und fußballerisch gelungene Auftritt der beiden Jungs war gestern sehenswert und überdies von einigem Erkenntnisgewinn.

Verloren wurde das Spiel dennoch, weil, wie bereits in Wiesbaden, zahlreiche Tormöglichkeiten ungenutzt blieben. Dazu kamen die üblichen Aussetzer im Abwehrverhalten, die von West Ham abgebrüht genutzt wurden. Das ist eine unselige Kombination. Bei aller Freude am ansehnlichen Fußball des RWE: So wird kein Spiel gewonnen – nicht gegen West Ham und nicht in der Liga. Aber, das kann sich bereits am Samstag gegen Heidenheim ändern. Mich stimmt nach wie vor optimistisch, dass die Mannschaft in der Lage ist, sich viele gute Chancen herauszuspielen. Tore (und Punkte) sollten dann eigentlich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit folgen. Sollten … Noch ganz schön viel Konjunktiv derzeit, ich weiß.

Rot-Weiß Erfurt vs. RW Oberhausen: Wenn selbst Siege Trauer tragen

Fokussiert: Dominick Drexler  / © www.fototifosi.de

Irgendwann Mitte der ersten Halbzeit vergab Marcel Reichwein seine zweite und – wie sich zeigen sollte – letzte Torchance in diesem Spiel, in diesem Stadion, für diesen Verein. Einer der Dauerkarteninhaber um mich herum, noch nie ein großer Reichwein-Freund, jaulte auf und schimpfte: «Mein Gott, den muss er doch machen.» Eine zugegeben vergleichsweise harmlose Bemerkung, die ich normalerweise ignorieren würde. Nicht so am Samstag. Ich konnte nicht anders und wies ihn darauf hin, dass selbst die ganz Großen dieses Sport mitnichten all ihre Torchancen zu nutzen wissen und es mir überdies rätselhaft sei, wieso man dieser Tatsache nicht einmal im letzten Spiel von Marcel Reichwein Rechnung tragen kann. Sowie der Tatsache von 29 Toren und 16 Torvorlagen in zwei Drittligaspielzeiten. Wir haben dann in der Halbzeit ein Bier zusammen getrunken und uns wieder vertragen. Er war – wie ich, wie viele – einfach nur sauer, dass es wieder nichts wird mit dem Aufstieg (oder wenigstens der Relegation) und aus alter Gewohnheit bot sich unser Mittelstürmer als Zielscheibe an. Eine Enttäuschung die ich, wie gesagt, völlig nachvollziehen kann, da ich sie selbst empfinde. Nur weiß ich auch, dass Defätismus, Resignation und Schuldzuweisungen die denkbar ungeeignetsten Reaktionen auf erlittene Niederlagen darstellen.

Für Oberhausen nur noch ein Freundschaftsspiel

Aus offensichtlichen Gründen muss man zum Spiel selbst nicht allzu viele Worte verlieren. Oberhausen war abgestiegen und spielte auch so. Dadurch hatte das Geschehen auf dem Rasen, spätestens nach dem 2:0, Freundschaftsspielcharakter. Der RWE musste gewinnen – und spielte auch so. Die Mannschaft, der von einigen bereits eine Söldnermentalität attestiert wurde, gewann die letzten drei Spiele der Saison. Muster ohne Wert, leider. Auch unentwegtes Aktualisieren des Wischtelefons in Tateinheit mit irrationalem Anflehen höherer Mächte half nichts: Der Liveticker des SV Sandhausen meldete um 15.17 Uhr die Niederlage. Ihre, vor allem aber unsere. Nie war ein Sieg so sinnlos. So meine Gemütslage, als ich – passenderweise nass wie ein begossener Pudel – wieder auf dem Heimweg war.

Größere Enttäuschung als letztes Jahr

Meine Enttäuschung über die abgelaufene Saison ist dramatisch größer als im letzten Jahr. In der letzten Spielzeit rechnete ich über lange Phasen nicht damit, dass der RWE irgendetwas mit dem Aufstieg zu tun haben würde. Und, ganz entscheidend, ich traute es der Mannschaft vor allem fußballerisch nicht zu. Dann kam der Sieg in Dresden und plötzlich schien alles möglich. Daraufhin wurde in Wiesbaden gewonnen und plötzlich war alles möglich. Schließlich stürzte das ganze Kartenhaus gegen Regensburg und Ahlen wieder zusammen. Das alles spielte sich zeitlich sehr gedrängt ab. Wie in einem schlechten Film: Der Held sieht seine seit Jahren vermisste Geliebte plötzlich auf der anderen Straßenseite. Er lächelt, sie lächelt. Er rennt mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Dann überrollt ihn der Bus. THE END.

Ganz anders in diesem Jahr. Um das Bild ein letztes Mal zu gebrauchen: In dieser Spielzeit hat uns der Bus gleich mehrmals überfahren. Soweit die Emotionen. Nun zu den Fakten.

Die Zugänge waren Verstärkungen

Vor der Saison war die sportliche Leitung (im Wesentlichen also Stefan Emmerling) genötigt zahlreiche Abgänge durch neue Spieler zu ersetzen. Das gelang wie bereits im Jahr zuvor bemerkenswert gut: Morabit, Rickert, Rauw, Oumari, Manno und Ofosu-Ayeh gehörten über die ganze Saison hinweg zu den 16 bis 17 Spielern der Kernmannschaft. Morabits Verpflichtung war sogar ein kleiner Geniestreich. Der Franzose wurde vom saarländischen Oberligisten SF Köllerbach verpflichtet und schon im Vorbereitungsspiel gegen Werden Bremen war seine spielerische Klasse nicht zu übersehen. In der Innenverteidigung wurde Routine (Rauw) und Perspektive (Oumari) verpflichtet. Beides Verteidiger, die fußballerisch besser sind als Möckel, Hillebrandt und Pohl. Wer das nicht wahrhaben will, erinnere sich an das zuweilen atemberaubend dilettantische Gekicke vor dem eigenen Tor in den letzten Jahren. Etwas, das man in dieser Saison kaum zu ertragen hatte. Natürlich auch dank eines immer wertvoller werdenden Tom Betram. Mit Ofosu-Ayeh wurde ein 19 Jahre alter Nachwuchsspieler aus Wilhelmshaven geholt, dessen Saison Licht und Schatten aufwies, der aber eindeutig ebenfalls auf der Habenseite von Emmerlings Verpflichtungen zu verorten ist. Für alles, was er auf dem Platz geleistet hat, trifft das gleichermaßen auf Gaetano Manno zu. Von Hause aus ein Stürmer hat er im offensiven Mittelfeld mehrheitlich gute, engagierte Spiele geboten. Das ist keineswegs selbstverständlich, da er hier deutlich mehr Defensivarbeit leisten muss, wozu er klaglos bereit und in der Lage war.

Während der Winterpause konnte sich der Verein zudem mit Marco Engelhardt auf einen langfristigen Vertrag einigen. Und, obwohl er quasi ein Jahr keinen Fußball mehr gespielt hatte, gelang ihm bereits in Bremen der Sprung in die Stammelf. Angesichts dieser Verstärkungen ist Emmerlings Aussage, dass die Mannschaft spielerisch besser sei als jene der letzten Saison völlig nachvollziehbar. Wir halten fest: mehr spielerische Qualität bei kleinerem Etat. Schon rechnerisch war das nur möglich, weil der RWE mit 23 Spielern den numerisch kleinsten Kader aller Drittligamannschaften aufwies (Quelle: transfermarkt.de).

Viele Spiele wurden von Kleinigkeiten entschieden

Warum hat es dann trotzdem wieder nur zu Platz 5 gereicht? Nun, ich glaube nicht, dass es hierfür eine monokausale, alles erfassende, quasi mohrensche Antwort gibt. Jedenfalls keine plausible. Eine Ursache liegt meines Erachtens in der immensen sportlichen Ausgeglichenheit der Liga. Es gab eine Unmenge enge Spiele. Spiele in denen Kleinigkeiten und Zufälle den Ausschlag gaben. In einigen dieser Spiele hatte die Mannschaft schlichtweg Pech, in anderen vergab sie Führungen durch mentale und taktische Leichtfertigen, wobei Ersteres meist Letzterem vorausging. Natürlich wurden taktische Fehler gemacht, nicht alle vom Trainer erdachten Spielpläne gingen auf und manchmal, ja manchmal, verlor man gegen eine an diesem Tag schlichtweg bessere Mannschaft. Was aber vergleichsweise selten vorkam.

In einer separaten Saisonanalyse werde ich darauf noch detaillierter zu sprechen kommen. Wie ausgeglichen der gesamte Wettbewerb 3.Liga war, sollen hier schon mal einige Zahlen verdeutlichen.

Extrem hohe Leistungsdichte

Die längste Siegesserie aller Mannschaften (8 Siege in Folge) bescherte dem VfR Aalen (bei ansonsten durchschnittlicher Bilanz) den direkten Aufstieg. Eine ähnliche Sequenz der Chemnitzer nach der Winterpause katapultierte die Sachsen zwischenzeitlich von sehr weit unten auf den Relegationsplatz. Gerade mal 22 Punkte liegen zwischen dem Tabellenführer (Sandhausen, 66) und dem ersten Nichtabstiegsplatz (Babelsberg, 44). In den bisherigen Spielzeiten war der Abstand (meist deutlich) größer: 08/09 – 38 Punkte, 09/10 – 23, 10/11 – 49. Der Tabellenvierzehnte Darmstadt verlor nur drei Spiele mehr als Primus Sandhausen. Burghausen, Tabellensechster, verlor sogar drei Partien weniger (7) als der Spitzenreiter (10). Die 18 Unentschieden der Oberbayern (zwei davon gegen den RWE) werden wohl ein Rekord für die Drittligaewigkeit bleiben.

Es fühlt sich nicht so an, aber es war eine gute Saison

Nüchtern betrachtet hat die Mannschaft des FC Rot-Weiß Erfurt unter ihrem Trainer Stefan Emmerling erneut eine gute Drittligasaison gespielt. Der fünfte Platz lässt wenig Raum für andere Interpretation. Im Grunde wurde die Mannschaft ein Opfer der durch sie selbst entfachten Erwartungen. Die frustrierende Erfahrung scheinbar leichtfertig vertaner Aufstiegschancen teilen wir allerdings mit den Anhängern anderer Vereine: siehe Chemnitz, siehe Burghausen, siehe Heidenheim, siehe die Offenbacher Kickers. Auch die wurden das ein oder andere Mal vom Bus der eigenen Illusionen überrollt, auch die hatten beständig (Burghausen, Offenbach, Heidenheim) oder zum Ende (Chemnitz) die Aufstiegsplätze vor der Nase. Das wird in Erfurt niemanden trösten, sollte aber Anlass genug sein, über die vermeintliche Singularität hiesigen Elends hinwegzukommen.

Das Wichtigste zum Ende dieses Postings: Wie die meisten bereits wissen, hat sich unser U18-Nationalspieler Johannes Bergmann am Sonntag beim Spiel gegen den VfL Osnabrück schwer verletzt. Ihm wünschen wir alles erdenklich Gute, vor allem jedoch baldige und vollständige Genesung. Kopf hoch, Johannes!

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