Bodo mit dem Glaskinn

Wäre Bodo Ramelow ein Boxer, man könnte sagen: er hat einen harten Punch, aber auch ein Glaskinn. Vom Punch ist derzeit nicht viel zu merken, vom Glaskinn umso mehr. Der Vorwurf einer TA-Kampagne ist schon deswegen absurd, weil Ramelow ausgiebig Gelegenheit erhält zur Sache zu schreiben. Und zwar nicht irgendwo, sondern gleichumfänglich neben dem Artikel des TA-Chefredakteurs Paul-Josef Raue.

Leider nimmt Bodo Ramelow diese Chance nicht wahr, sondern verschwendet die Geduld seiner Leser mit redundanten Attacken gegen einen obskuren Leserbriefschreiber, dessen Suada für jedes „normal organisierte Gehirn“ (Rudolf Virchow) in toto bedeutungslos ist, weil offensichtlich Hass allein die Feder führte. Die TA hat jedes Recht der Welt eine solche Zuschrift abzudrucken. Ob  sie damit gut beraten war, ist eine andere Frage. Ich denke: eher nicht. Hier sollte Herr Raue darüber nachdenken, ob er es für möglich hält, dass so ein Elaborat (schon in moderaterer Form) in der FAZ erscheinen könnte. Und ebenso darüber, dass die Kriterien einer Qualitätszeitung auch auf der Leserbriefseite nach unten nicht zur Gänze offen sei sein sollten. Keine Frage, hier muss nicht jeder schreiben können wie Thomas Mann, aber pure Bösartigkeit sollte dann auch nicht genügen um gedruckt zu werden.

Noch etwas unverständlicher ist mir Ramelows Angriff auf den TA-Redakteur Martin Debes. Der hatte im Grunde nur seiner Ratlosigkeit darüber Ausdruck verliehen, dass Bodo Ramelow sich einstweilen als Oppositionsführer in Erfurt einrichtet, während vor der Berliner Partei-Zentrale die Macht auf der Straße liegt. Nur will sie niemand, offenbar auch Bodo Ramelow nicht. Dann muss er allerdings damit leben, dass seine Partei – unter den jetzigen, heillos überforderten Vorsitzendendarstellern – von der Antisemitismus-Debatte, über ihre Haltung zur innerdeutschen Grenze bis hin zum Castro-Brief kein Minenfeld auslässt. Artikel wie der von Martin Debes erscheinen täglich zu Hunderten in deutschen Zeitungen, ohne das Politiker darüber in öffentliche Wehklage fallen.

Tja, dann noch das SPIEGEL-Interview. Wer mit dem Teufel essen will, sollte einen langen Löffel mitbringen. Dass Jan Fleischhauer wenig Sympathie für die LINKE erübrigt, konnte man wissen. Darüber hat er ein sehr erfolgreiches Buch geschrieben. Die Redakteure des SPIEGEL sind traditionell nicht zimperlich im Umgang mit Interviewgästen. Tausende Gesprächspartner haben das ertragen. Es ist das historische „Verdienst“ von Bodo Ramelow der Erste zu sein, der ein Interview mit dem SPIEGEL aus Verärgerung über die gestellten Fragen abbricht.

Bodo Ramelow ist ein politisches Talent. Zumindest hielt ich ihn dafür. Das schreibt jemand, der den Linken politisch ablehnend gegenüber steht. Allerdings würde auch ein Fan von Schalke 04 zugeben, dass Mario Götze richtig gut kicken kann. Da unser Land momentan mit politischen Begabungen nicht gesegnet ist, bedauere ich die Selbstdemontage des Bodo Ramelow. Politik lebt von öffentlicher Rede und Gegenrede, von Diskurs, von Streit und ja, auch von der verknappenden Wucht der Polemik. Das schlägt Wunden, tut weh, gehört aber zu einer lebendigen Demokratie.

Wer sich, wie Bodo Ramelow, davon suspendieren möchte und sofort böse Mächte am Werke wähnt, nur weil einem die Meinung eines Journalisten nicht genehm ist, verwirkt einstweilen seine Ansprüche auf die erste politische Reihe.

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