Neue Arena in Erfurt – Die Stunde der Apokalyptiker

Bei der von der CDU befeuerten Debatte um angebliche Infrastrukturdefizite beim Umbau des Erfurter Stadions handelt es sich um ein Phantomproblem.

Hinsichtlich der Zuschauerzahlen der RWE-Heimspiele gehen realistische Planungen von durchschnittlich ca. 9.000 (3.Liga) bzw. ca.15.000 Zuschauern (2.Liga) aus. Im Falle der 3.Liga sind das 3.000 weniger als der Schnitt in der Zweitligasaison 2004/2005. In jeder Liga wird die Obergrenze für Topspiele bei 21.000 Besuchern liegen, denn dies wird das maximale Fassungsvermögen der neuen Arena sein. Das ist um 1.500 Zuschauer geringer als das bestbesuchte Heimspiel des RWE in der letzten Dekade (DFB-Pokal 2008 gegen Bayern München, 22.500 Zuschauer). Von keinem der top-besuchten Spiele sind Verkehrsprobleme bekannt, die nennenswert über das hinausgehen, was jeder Besucher einer Großveranstaltung in diesem Teil der Welt in Kauf zu nehmen bereit ist. Es ist nämlich normal (wenn ich mich entschließe, eine Veranstaltung gemeinsam mit 20.000 anderen Menschen zu besuchen) auch mal 45 Minuten im Stau zu stehen.

Klar, ein neues Parkhaus (z.B. vor der Thüringenhalle) wäre ein Gewinn für den Individualverkehr, auch als P&R-Einstiegspunkt für andere Verkehrsspitzen der Stadt (wie dem Verkehr in der Vorweihnachtszeit). Doch daran ein Junktim für den Umbau des Stadions zu knüpfen ist dreiste Heuchelei. Hätte dieses Kriterium bereits für die Messe Erfurt gegolten, sie hätte erst 2005 eröffnet werden dürfen, denn bis dahin war die Parkplatzsituation bei Großveranstaltungen katastrophal – für Besucher genauso wie für die Anlieger. Trotzdem war es richtig dieses Defizit in Kauf zu nehmen, denn die Messe ist zwischenzeitlich ein wichtiger Teil des wirtschaftlichen und touristischen Lebens in Erfurt. Ganz so wie es die neue Arena zu werden verspricht.

Auf der anderen Seite wird über den großen Pluspunkt den die Lage des Erfurter Stadions aufweist so gut wie gar nicht diskutiert: das Stadion liegt zwischen zwei Stadtbahnlinien. Es ist von Infrastruktur nachgerade umzingelt. Ein großer Anteil der Besucher der Münchner Allianz-Arena nimmt einen Fußmarsch von fast 30 Minuten zwischen U-Bahn und Arena auf sich, während in Erfurt die Distanz von einer stadionnahen Haltestelle zum Eingang maximal 5 Minuten beträgt. Das ist hochkomfortabel. Dieser Vorteil wird derzeit viel zu wenig verwertet. Ohne auch nur einen Meter Straße bauen zu müssen, liegt hier ein offensichtliches Potential für die Reduzierung des Individualverkehrs brach. Es müsste nur offensiv beworben werden, finanziell lukrativ sein (Fahrtkosten sind im Ticketpreis enthalten z.B.) und durch eine kürzere Taktung der Bahnen (vor allem nach Ende der Spiele) zeitlich attraktiv sein.

Überdies – die 30 Minuten Münchner Stadionweg entsprechen in etwa dem Weg vom Erfurter Bahnhof zum Stadion. Soll heißen: Auch für die außerstädtische Anreise gibt es ausreichend Potentiale zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

Anderenorts (z.B. in Jena) werden diese Fragen nüchtern, jedoch im Grundsatz lösungsorientiert diskutiert. Man nennt es Stadtentwicklung. In Erfurt schlägt zu solchen Gelegenheiten stets die Stunde der Apokalyptiker. Im konkreten Fall bewerben sich bisher Michael Panse (CDU) und Dr. Gerd Stübner (Freie Wähler) um die Rolle des Advocatus Diaboli. Andere werden folgen. Zum Schaden der Stadt, in deren Interesse zu handeln sie vorgeben.

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