Die Saison von Rot-Weiß Erfurt / Teil 1

RWE vs. HachingDer Philosoph Ludwig Wittgenstein schrieb: «Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.» Es war trotzdem keine bewusste Entscheidung, mich mit dem betexten der sportlichen Aktivitäten des FC Rot-Weiß in der abgelaufenen Saison zurückzuhalten. Es war schlichtweg nur so, dass ich während eines Spiels oft den Eindruck hatte, genau dieses Spiel vor Kurzem schon mal gesehen und darüber auch bereits geschrieben zu haben. Man sollte daraus nicht auf innere Teilnahmslosigkeit schließen. Der Fan in mir bangte, litt, fluchte und freute sich wie immer. Aber der Blogger sah den seriellen Déjà-vus auf dem Platz oft entgeistert zu. Um mit dieser Saison schlussendlich meinen Frieden zu machen, nun doch einige bilanzierende Anmerkungen.

Transferperiode 14/15 und Saisonerwartungen

Niemand der Leistungsträger der Saison 13/14 schien den Verein zu verlassen. Nur Nils Pfingsten-Reddig verabschiedete sich/man – nach einem für ihn frustrierenden Jahr – gen Nordhausen. Ihm wäre ein großer Abschied nach vier Jahren am Steigerwald zu wünschen gewesen. Der Verein entschied sich dagegen, hatte damit jedoch das volle Maß an Stillosigkeit, zu dem er in der Lage ist, noch lange nicht ausgeschöpft. Es wurde zunächst munter weiter verpflichtet und die Namen, sportlichen Steckbriefe und Marktwerte lasen sich verheißungsvoll: Tyrala, Bukva, Falk, Judt, Aydin, Menz, etc. Bei der Verpflichtung von Christoph Menz fragte ich mich, welche Konsequenzen dies für die personelle Ausrichtung des zentralen Mittelfeldes haben würde. Der Verein ließ die Frage nur kurz unbeantwortet, bestellte Marco Engelhardt nach absolvierter Trainingseinheit ein und verkündete ihm, dass seine Dienste nicht länger benötigt würden. Wohlgemerkt war zu diesem Zeitpunkt die Saisonvorbereitung bereits in vollem Gange. Sportlich konnte ich diese Entscheidung nicht verstehen, für mich war Engelhardt der beste Erfurter Feldspieler der Spielzeit gewesen. Auch, weil er praktisch ohne Substanzverlust im zentralen Mittelfeld und als Innenverteidiger spielen konnte. Aber gut, damit kann ich leben, ich bin hier nur ein Blogger. Es ist mein Recht dies und jenes zu kritisieren, aber ich trage eben auch keine Verantwortung für irgendetwas. Fatal hingegen fand ich die Art und Weise wie diese Trennung vollzogen wurde. Denn es war offensichtlich, dass man Engelhardt loswerden wollte und nur wartete bis Menz unterschrieb, um die Trennung zu exekutieren.  Rombach, Hörtnagl und Wilfried Mohren waren und sind (meist zu meiner Belustigung) dem großen moralischen Wort heftig zugeneigt. Im Falle Marco Engelhardts bewarb sich der Verein (Slogan: #Herzzeigen) jedoch um den Titel «Miesester Arbeitgeber des Jahres». So geht man mit keinem Angestellten um. Schon gar nicht mit einem, der hier fußballerisch groß geworden ist und sich nie etwas zuschulden hat kommen lassen hat.

Mein Verhältnis zu den handelnden Personen des Vereins war durch den «Fall Engelhardt» bereits vor der Saison angeschlagen. Ansonsten war ich neugierig wie immer, ob und wie es gelingen würde, aus den vielen Neuzugängen eine gute Mannschaft zu formen. Immerhin hatte das Team nominell stark an Marktwert zugelegt und in Walter Kogler einen Trainer, dem ich zutraute, daraus etwas zu machen.

Der Saisonverlauf

Die Leistungen im erweiterten ersten Saisondrittel (etwa bis Spieltag 14, dem Heimsieg gegen Chemnitz) waren wenig dazu angetan, Euphorie zu verbreiten, aber sie waren grundsolide. Immerhin stand die Mannschaft nach dem 14. Spieltag auf Rang zwei, auch wenn die Abstände zwischen den Teams der ersten Tabellenhälfte marginal waren. Kogler ließ einen nüchternen, effektiven, unterkühlten Fußball spielen, der davon lebte, dass die Mannschaft wenig Fehler machte und die des Gegners effektiv verwertete. Im Angriffsdrittel wurde versucht, viele sogenannte zweite Bälle zu erobern, um schnell und schnörkellos zum Abschluss zu kommen, ohne dass man viel Risiko eingehen musste. Das funktionierte in den Heimspielen recht überzeugend, auswärts hingegen genügte dieser reaktive Spielstil meist nicht für Punkte. Einmal in Rückstand geraten, verschwand das Zutrauen ins eigene fußballerische Vermögen zuweilen in Minutenschnelle. Das Spiel kollabierte dann manchmal regelrecht und es war nur dem Glück und den Paraden Philipp Klewins zu verdanken, dass in solchen Phasen nicht noch mehr Gegentore fielen.

Es kam der traurige Monat November: das Desaster der Pokalniederlage in Rudolstadt war eingebettet in eine kleine Serie von vier sieglosen Ligaspielen und dem «Absturz» auf Rang 10 der Tabelle. Aber Kogler gelang es die Mannschaft zu stabilisieren und ein wenig Spielplanglück gesellte sich ebenfalls hinzu: auf dem Tiefpunkt ihrer Formkrise wurden desolate Rostocker im letzten Heimspiel vor der Winterpause deutlich bezwungen und das traditionell nervöse Vereinsumfeld konnte halbwegs befriedet Weihnacht feiern.

Aus dem Wintertrainingslager erreichten uns fröhliche Youtube-Clips, die wohl den Zusammenhalt der Spieler illustrieren sollten. So etwas gehört heutzutage offensichtlich dazu, obwohl sich später der öffentlich zur Schau gestellte Teamgeist oft in Nichts auflöst.

Nach der Winterpause deutete darauf zunächst wenig hin. Mit vier Siegen in Folge startete Rot-Weiß so erfolgreich wie selten ins neue Jahr. Erneut stand man auf Tabellenplatz zwei und dieses Mal gab man sich verhalten optimistisch. Das Wort von der «vorzeitigen Erfüllung der Mission 2016» machte die Runde. Niemand ahnte, dass uns in den nächsten Wochen ein fast beispielloser freier Fall bevorstand. Von der Spitze des Doms aufs Pflaster des gleichnamigen Platzes davor. Ungebremst. Dabei hätte man vorbereitet sein können. Diese vier Siege waren allesamt wenig überzeugend erspielt. Wenn man so will, waren sie der positive Kulminationspunkt der Koglerschen Spielweise. Der Sieg in Dresden war pures Glück. Vor allem aber das Heimspiel gegen Münster verdeutlichte, dass die Mannschaft nicht in der Lage war, sich – selbst gegen einen Gegner, der viele Räume anbot – klare Tormöglichkeiten zu erarbeiten. Mit der so deutlichen wie verdienten Niederlage in Kiel (1:4) begann eine der sportlich katastrophalsten Episoden des Vereins. An ihrem Ende würde Walter Kogler nicht mehr auf der Trainerbank sitzen und die «Mission 2016» nur mehr eine weitere Randnotiz in den Annalen des FC Rot-Weiß Erfurt sein.

Ende Teil 1 / Morgen geht es weiter mit einigen Gedanken zum Trainerwechsel, zum medialen Umfeld und zu den Dingen, die mir sonst noch irgendwie wichtig erschienen.

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