„Guck, der Arjen hat so schicke Strumpfhosen an.“

Die dritte Liga ist das Griechenland des deutschen Fußballs. Weswegen wir jeden Cent brauchen. Weswegen es Spiele wie gestern gibt. Weswegen wir sogar dankbar sein sollten. Das weiß ich alles. Trotzdem: Es ist Scheiße Gast im eigenen Stadion zu sein. Der titelgebende Satz stammt aus dem Mund einer Bayernfanmama, die damit ihrem Bayernfankind die wirklich wichtigen Dinge eines Fußballspiels ans Herz zu legen gedachte. Die ganze Familie, mitsamt Bayerfanpapa (dem vernehmlich ein 0:10 lieber gewesen wäre), kam aus Erfurt. Das ist bitter, aber darauf war ich mental vorbereitet. Etwas überrascht war ich dann doch vom Gebaren unseres Co-Trainers, der es für nötig erachtete, während des noch laufenden Spiels, wie ein Teenager um die Trikots von Lahm und Schweinsteiger Gomez zu betteln. Dies hätte man in der Kabine dezenter regeln können. Das Stadion war voll, erinnerte – ohne die Fahnen und Banner der Fangruppen – aber irgendwie an ein gut besuchtes Oberligaspiel in den 80iger Jahren. Optisch und akustisch eine triste Anmutung.

Der FCB war über die gesamte Spieldauer die dominierende Mannschaft. Warum sollte es dem RWE anders ergehen, als 4/5 aller Gegner der Münchner. Den vier Toren der Bayern gingen, teilweise haarsträubende, Abwehrfehler des RWE voraus. Was ärgerlich war, da die Defensive über weite Strecken des Spiels so schlecht nicht aussah. Emmerling experimentierte taktisch und personell. Der RWE startete mit einem 4-1-4-1, in dem Zedi als 6er vor der Abwehr und Reichwein als einzige Spitze agierten. Man sah es auf Grund der Dominanz der Bayern nur ansatzweise, aber dies ermöglicht eine offensivere Ausrichtung des zentralen Mittelfelds bei eigenem Ballbesitz. Wenn man so will die Implementierung einer Nummer 8 und 10 ins taktische Repertoire des RWE. Bei der drückenden Überlegenheit der Bayern wurde daraus aber ein System mit drei 6ern, also ein 4-5-1. Nachdem Marco Engelhardt gegen Halle Gotha bereits 90 Minuten spielte, war seine Aufstellung in der Startformation keine Sensation. Überzeugt hat er nicht wirklich, was nach mehr als einem halben Jahr ohne Spielpraxis niemanden verwundern kann. Trotzdem sollte seine Verpflichtung ernsthaft erwogen werden, denn in besserer körperlicher Verfassung kann er, mit seiner Ruhe am Ball, seiner Spielübersicht und seinen Standards der Mannschaft helfen.

Reichwein hat seine Mission Impossible als einzige Spitze gegen die beiden Nationalmannschafts-Verteidiger Badstuber und Boateng (2. Halbzeit) nicht schlecht erfüllt. Vor allem in der zweiten Halbzeit konnte er – mich jedenfalls – überzeugen. Er lies sich geschickt zurückfallen um als Anspielstation und Ballverteiler zur Verfügung zu stehen. Er gewann das ein oder andere Kopfballduell und konnte sich in strafraumnahen Zweikämpfen passabel behaupten. Das größte strukturell-taktische Manko seines Mittelstürmer-Spiels ist seine mangelnde Schnelligkeit. Weswegen er sich eben oft zurückfallen lässt um direkt angespielt werden zu können. Das hat zur Folge, gerade wenn er der einzige Stürmer ist, dass Steilpässe in die Spitze im Spiel des RWE so gut wie nie gespielt werden, da Reichwein – leider nicht nur gegen Kaliber wie Badstuber – keine Chance hätte den Ball vor dem Verteidiger zu erlaufen. Damit entfällt für den RWE ein wirksames Mittel im Konterspiel. Das war jetzt nicht exklusiv ein Plädoyer für Carsten Kammlott. Aber ein schneller, geradliniger, spielbegabter Konterstürmer seiner Qualität würde dem Spiel des RWE sehr, sehr gut tun. Ich schreibe das, wohl wissend, dass ein Transfer bzw. eine Ausleihe von Kammlott nicht sehr wahrscheinlich ist, abgesehen von dem nicht sehr angenehmen Gefühl, dabei weitgehend von der Gnade RB Leipzigs abhängig zu sein.

Neben dem Schatzmeister des RWE war der großer Gewinner des Tages Joan Oumari. Er war so gut, dass man schon wieder Angst haben muss, ob er seinen bis 2013 laufenden Vertrag überhaupt erfüllen wird, oder schon nach dieser Saison in die zweite Liga wechselt. An die Fleischtöpfe des Fußballs, wo Fans Spiele wie diese erspart bleiben.

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