Saarbrücken – RWE 0:2 / Sieg in der Galerie

Die Engel waren mit uns © Raffael

Wenn man schon nicht die Möglichkeit hat, ein Fußballspiel live zu sehen, oder im heimischen Wohnzimmer Radio zu hören, dann kann ich die Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister für diesen Zweck wärmstens empfehlen. Die Wahrnehmung sozialer Pflichten forderte diesmal mein Improvisationsvermögen, um das Spiel des RWE zu verfolgen. Aber im Dresdner Zwinger finden sich gute Voraussetzungen: bequem gepolsterte, sofaähnliche Bänke (immer mit Blick auf ein Meisterwerk der Champions-League, siehe oben) und erstklassiger 3G-Empfang erlaubten via Liveticker eine konzentrierte Teilnahme am Spielgeschehen im Ludwigspark. Mehr noch: gefühlte 100.000 russiche Kulturterroristen Kulturtouristen, in ihrem Auftreten nicht eben dezent, erfüllten die heiligen Hallen mit einem stadionähnlichen Geräuschpegel, der auch mir so manch situativ veranlasste Lautäußerung erlaubte, ohne im Geringsten aufzufallen.

Konzentriert war auch die Leistung des RWE. Das war womöglich der größte Unterschied zu den Spielen zuvor. Sieht man mal von Caillas dummer Reaktion nach der ersten Gelben Karte ab, leisteten sich die Spieler keine der individuellen Fehlleistungen, denen es in erster Linie geschuldet war, dass wir so viele Punkte in den letzten Spielen hergeschenkt hatten. Personell musste Emmerling umstellen, da einige Spieler dem Lockruf des Erfurter Nachtlebens (gibt’s also tatsächlich) gefolgt waren und Ströhl sich kurzfristig verletzte. Fast wie ein Mantra hatte Emmerling darauf verwiesen, dass der Kader dieser Saison in der Breite besser aufgestellt sei und seine Spieler besätigten (zumindest in Saarbrücken) ihren Cheftrainer. Die Redewendung von der „genutzten Chance“ ist so dürr wie das Punktekonto des FCC, aber Andreas Sponsel zeigte, dass sie in seinem Fall eine gewisse Berechtigung hat. Man gewann den Eindruck, dass die ganze Mannschaft sich über seinen Einsatz in der Startelf freute. Wie er dann seinen Kasten verteidigte, war zusätzlich angetan seine Mitspieler zu motivieren: sie taten alles, um mit dem Arsch nicht wieder einzureißen, was der gute Andi mit seinen Paraden aufgebaut hatte.

Ein Wort zu Pfingsten-Reddigs Elfmetern: Er hat in Saarbrücken den elften von zwölf Strafstößen verwandelt, seitdem er für den RWE spielt. Das ist eine Quote von 91,7 Prozent. Verglichen mit den üblichen 75 % Erfolgsquote ist das weit überdurchschnittlich. Und alles andere als Zufall. Nichts im modernen Fußball ist auch nur ansatzweise so akkurat untersucht worden, wie das Duell Schütze gegen Torwart beim Strafstoß. Man weiß zum Beispiel, dass Elfmeter die in die rechte Torwartecke geschossen werden und bei denen der Keeper die Ecke ahnt, also nach Rechts springt, nur zu 55 % zum Torerfolg führen. Das gleichen Szenario in der linken Ecke ergibt eine weitaus geringere Chance für den Torwart, hier treffen die Schützen zu 70 %. Vermutlich liegt das daran, dass auch die meisten Torhüter Rechtshänder sind. Der Papst der deutschen Fußballstatistik, Roland Loy, hat einen noch wesentlich besseren Tipp für die Schützen parat: Bei den von ihm untersuchten 500 Elfmetern wurde alle verwandelt, die oberhalb der Tormitte einschlugen. Schießt hoch, lautet daher sein Empfehlung. Aber nicht so hoch wie Uli Hoeneß in Belgrad, möchte man hinzufügen. Keine Ahnung, ob Pfingsten diese Analysen kennt. Sein Elfmeter in Saarbrücken jedenfalls war unhaltbar und theoriekonform: hoch in die linke Torwartecke.

Allein auf Grund der Fernsehbilder kann ich nicht wirklich beurteilen, ob die – zumindest nominell – defensivere Ausrichtung der Viererkette (mit dem Innenverteiger Rauw auf der rechten Seite) grundsätzlich mehr Sicherheit in die Defensive brachte. Auch Saarbrücken verbuchte eine Reihe von Chancen. Soll heißen: es hätte auch diesmal anders ausgehen können. Überhaupt scheint die Liga noch einmal ausgeglichener zu sein, als in den Jahren zuvor. Derzeit ist es nicht allzu wahrscheinlich, dass eine Mannschaft derart souverän aufspielt, wie es Braunschweig und Rostock in der letzten Saison, oder Union im ersten Jahr der 3. Liga taten. Keine Mannschaft kann, gegen welchen Gegner auch immer, davon ausgehen, en passant zu gewinnen. Die Etats der meisten Mannschaften (sieht man mal von Wehen Wiesbaden ab) sind sehr ähnlich, dementsprechend vergleichbar ist auch die Qualität der Spieler. Alle Vereine verfügen über professionelle Strukturen und erfahrene, gut ausgebildete Trainer. Wem es zuerst und mit einer gewissen Konstanz gelingt, so etwas wie eine Siegermentalität zu etablieren, wird aufsteigen. Mindestens ein Dutzend Mannschaften sehe ich dafür in der Verlosung. Und der RWE ist fraglos mit dabei.

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