Der neue Cheftrainer des RWE: Walter Kogler / Einige Anmerkungen

Mein Kollege glänzte mit wienerischem Sarkasmus, als ich ihm die Verpflichtung unseres neuen Cheftrainers verkündete: «Seids deppat? Mal wieder ein österreichischer Arbeitsloser, der in Deutschland sein Glück sucht.» Seht es ihm nach, er kann nicht anders. Für einen guten Gag würde er seine Mutter verkaufen. (Vermutlich sogar für weit weniger.) Aber er korrigierte sich schnell und seine Meinung zu Walter Kogler fiel dann doch ermutigend aus: Der wäre ja, dem Himmel sei Dank, kein Mitglied dieser 78er-Cordoba-Dampfplauderer-Gang à la Hickersberger, Prohaska und Krankl, die seit diesem – ihrem einzigen nennenswerten – Erfolg, akribisch und unentwegt am Niedergang des österreichischen Fußballs arbeiteten. (Eine etwas monokausale Sichtweise der Dinge, wie ich finde.) Kogler habe als Spieler so ziemlich das Maximale aus seinem nicht unbegrenzten Talent herausgeholt und als Trainer habe er mit Wacker Innsbruck Erstaunliches geleistet. Soweit mein Kollege aus Wien.

Das deckt sich in etwa mit all dem, was seit der überraschenden Vorstellung Walter Koglers am letzten Donnerstag geschrieben wurde. Was aber heißt dies fußballerisch für den FC Rot-Weiß Erfurt? Welchen Fußball haben wir zu erwarten? Welches System bevorzugt Kogler, wenn er denn eines bevorzugt? Hat jemand schon einmal in einer der obersten Spielklassen als Trainer gearbeitet, so ist sein Wirken relativ gut dokumentiert. Das ist auch bei Walter Kogler so. In der Aufstiegssaison 09/10 ließ er Wacker Innsbruck fast durchweg ein 4-4-2-System mit Raute spielen. Ein System, das unter deutschen Taktikexperten nicht den besten Ruf genießt. Das ist möglicherweise etwas ungerecht, nur weil einem da sofort (und exklusiv) die Thomas-Schaafsche-Variante einfällt, die nicht wenige für den fußballerischen Sturzflug von Werder Bremer verantwortlich machen. Sehr nachdrücklich und beeindruckend kenntnisreich wird so im Werder-Blog (ballverlust.net) von Johan Petersen argumentiert. Der Hauptvorwurf an das 4-4-2 mit Raute lautet: Wenn es zu offensiv angelegt ist, eröffnen sich im Defensivspiel große Räume für den Gegner, die ein Sechser allein niemals schließen kann. Einfacher ausgedrückt: So viele Tore kann man vorne gar nicht erzielen, wie man hinten kassiert. Zudem gibt es an den Spieler der als einziger Sechser aufgeboten wird einen unumstößlichen Qualitätsanspruch: Er muss fußballerisch wie taktisch herausragend gut sein. Verfügt man über diesen Spieler nicht, sollte man besser die Finger davon lassen.

Nach dem Aufstieg von Wacker in die österreichische Bundesliga konnte Kogler einen derartigen Spieler aufbieten, den Tschechen Tomas Abraham. Das erste Viertel der Saison 10/11 verlief sensationell für die Innsbrucker und ihre Fans: Am 9. Spieltag stand der Aufsteiger an der Tabellenspitze der Eliteklasse. Danach wurde es schwieriger und Kogler experimentierte mit diversen Systemen. Insgesamt spielte seine Mannschaft eine erstaunliche Saison als Aufsteiger und wurde Sechster.

Wacker bestätigte diese Leistung mit einer grundsoliden zweiten Saison. In dieser setzte Kogler fast durchweg auf eine 4-1-4-1-Formation (mit Abraham als Sechser), an deren defensiver Abstimmung man bei moderaten 46 Gegentreffern in 36 Spielen wenig auszusetzen vermag. Dass es nicht für mehr Punkte reichte, lag wohl eher an der mangelnden Durchschlagskraft des Angriffs. Dabei sollte jedoch stets bedacht werden, dass Wacker Innsbruck durchweg mit einem Minietat auskommen musste, was – wie das dritte Bundesligajahr zeigen sollte – immer das Risiko eines sportlichen Einbruchs birgt – sobald sich Leistungsträger außer Form befinden oder verletzen.

Summarisch lässt sich sagen, dass Kogler ein System mit nur einem zentralen defensiven Mittelfeldspieler zu bevorzugen scheint, ohne dass dies bei ihm den Rang eines Dogmas einnehmen würde. Er gilt dem (mit Recht) renommierten österreichischen Taktikblog abseits.at als interessanter, innovativer Trainer, wie in dieser Zusammenfassung des zweiten Bundesligajahrs von Wacker zu lesen steht.

Es ist derzeit natürlich unmöglich zu sagen, welche Auswirkungen dies alles auf System, Taktik und personelle Aufstellung des FC Rot-Weiß Erfurt haben wird. Trotzdem, und um das spekulativ-spielerische Element diese Blogs etwas zu forcieren, will ich es wagen. In unregelmäßigen Abständen werde ich, auf der Grundlage aller mir vorliegenden Informationen (Testspiele, Transfers, Medien, Verletzungen, Form, evtl. Trainingseindrücke) eine vorsaisonale Annäherung an unsere Startelf am ersten Ligaspieltag der bevorstehenden Saison veröffentlichen. Nun denn, werfen wir mal einen ersten Blick in die Glaskugel:

Evtl. Startelf des RWE 1. Spieltag Saison 13/14 – Version 1.0 / 24.06.2013

Ich gehe momentan von nur einem Sechser aus und denke, dass dies Engelhardt sein wird. Ob der den Ansprüchen der Position (in dieser taktischen Interpretation) und von Kogler genügt, werden letztendlich erst die Ligaspiele zeigen. Davor sind Pfingsten-Reddig und Möhwald gesetzt, da beide situativ wache Spieler sind, die weder vor langen Laufwegen noch vor Defensivaufgaben zurückschrecken und außerdem über eine stabile Passqualität verfügen (zumindest an guten Tagen). Des Weiteren vermute ich, dass alle bisherigen Neuverpflichtungen zum Einsatz in der Startelf kommen.

Gegenthesen, Korrekturen, etc. sind wie immer willkommen.

9 comments

  1. Danke für den Exkurs Made in Austria (Y)

  2. Michael sagt:

    Oh, wo ist denn der Möckel abgeblieben?

  3. Michael sagt:

    PS: Die ‚enge Raute‘ ist seit Hörgl auch hier nicht unbedingt hoch angesehen.

  4. Wie immer sehr schön zu lesen … Danke

  5. Papa sagt:

    Interessante Variante.
    Momentan spielt bei mir Laurito eher den RV und Möckel damit neben Kleinhei die IV. Der agile Odak wird den LV geben. Das kann er auch. Vorne Brandstetter , hmmm, nachvollziehbar aber ich gebe Tunjic mindestens die gleiche Chance. Er wird von diesem taktischen System am meisten provitieren und möglicherweise abgehen, wie eine Bombe

  6. @Papa Tja, alles ist derzeit noch möglich. Odak hat – da hast Du Recht – in UH nur links gespielt. Aber ich bin kein Freund von inversen Wingern (er ist ja ein Rechtsfuß) – und wenn Tunjic Flanken bekommen soll, dann sollten die Außen nicht permanent nach innen ziehen, nur um mit dem „richtigen Fuß“ zum Abschluss zu kommen. Kogler hat in Innsbruck – soweit ich das jetzt stochastisch korrekt ermittelt habe – immer mit Linksfüßern auf der linken Seite spielen lassen. Außerdem finde ich, dass sich Czichos in der 2. Halbserie sehr gut entwickelt hat. Laurito halte ich in der IV für gesetzt, die Frage ist eher Kleineheismann oder Möckel? Und da der Neue fußballerisch stärker ist, hat er bei mir derzeit die Nase leicht vorn. Es könnte aber auch noch eine Variante mit Kleineheismann auf der 6er-Position geben, so wie in Teilen der Rückrunde unter Schwartz mit Oumari ebenfalls ein spielbegabter IV auf dieser Position eingesetzt war. So einen richtigen Hinweis auf seine (Koglers) präferierte 1. Elf wird es wohl ohnehin erst zum Spiel gegen Uwe Röslers FC Brentford.

  7. Hallöchen,

    hat der Kogler sich verlaufen? Ihn hätte ich ja nun nicht in Deutschland als Trainer erwartet. Dürfte interessant werden, wie die kommende Saison verlaufen wird.

    Grüße
    Asanka

  8. Matthias sagt:

    Die Nummer 1, welche mal Andreas Sponsel trug, muss nun noch mal neu ausgelobt werden, warten wir ab, welch erfahrener Keeper unsere Mission mitgestalten möchte.
    Alles Gute an Andreas und Danke für die gezeigten Leistungen im Rot Weißen Trikot.

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