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SV Elversberg vs. Rot-Weiß Erfurt 2:0 / Die Substanz ist aufgebraucht

Ich habe es noch nie für sonderlich sinnvoll gehalten, auf eine Fußballmannschaft, die gerade sehr schlecht spielt und, ja, am Boden liegt, verbal einzudreschen. Schon gar nicht, wenn ich ein Anhänger dieser Mannschaft bin. Ist davon irgendwo jemals etwas besser geworden? Aber ich gebe zu, dass mir die Wahrung dieses Grundsatzes nach den zuletzt gezeigten Leistungen des FC Rot-Weiß Erfurt, eine nicht zu unterschätzende zivilisatorische Anstrengung abverlangt.

Motto des Spiels:

Stairway to hell.

Die Aufstellung:

Nach Mijo Tunjics Mittelfußbruch und Kammlotts 5. Gelber Karte gingen Walter Kogler die Stürmer für das ansonsten gesetzte 4-4-2-System aus, was wohl der Hauptgrund war, dass RWE in Elversberg nur mit einem Angreifer in der Startelf antrat. Odak war noch nicht wieder bei 100 Prozent, deshalb nahm er nur auf der Bank Platz und Kreuzer seine Position rechts hinten in der Viererkette ein. Göbel erhielt den Vorzug vor Strangl, was nach seiner frühen Auswechslung gegen Kiel nicht selbstverständlich war.

Taktiksplitter:

Eine Rubrik, die ich eigentlich sehr kurz halten wollte, wenn ich das Spiel nicht live oder wenigstens in voller Länge im Fernsehen verfolgt habe. Geht diesmal nicht, denn hier tun sich Rätsel auf. Tatsache ist, wir haben mit nur einem Stürmer (Nietfeld) begonnen, was sich dann dahinter abspielte, darüber existieren unterschiedliche Auffassungen. Inklusive der, die es für völlig nebensächlich erachtet, welches System der FC RWE momentan spielt, weil andere Faktoren für die miserablen Leistungen der Mannschaft verantwortlich sind. Die zum Beispiel wären: Qualität der Spieler, Einstellung derselben, Passqualität, etc. Dem kann man nicht wirklich widersprechen, diese Dinge spielen tatsächlich eine große Rolle. Aber ich beharre mit meinem Hausrecht hier im Blog darauf, dass dies auf die systemische Grundpositionierung einer Fußballmannschaft ebenfalls zutrifft. Basta!

Jedenfalls haben der mdr, transfermarkt.de und die Thüringer Allgemeine eine 4-1-4-1-Formation erkannt. Und auch die relevanten Spielausschnitte des mdr deuten auf dieses System hin. Das ist überraschend, weil sich ein 4-1-4-1 doch deutlich vom bisher ausschließlich gespielten 4-4-2 unterscheidet. Es würde zu weit führen, hier alle Vor- und Nachteile eines 4-1-4-1 aufzuführen. Nur soviel: Es benötigt zwingend einen sowohl spieltaktisch wie technisch und physisch herausragenden defensiven Mittelfeldspieler. Da fallen mir bei RWE zwei Spieler ein, denen ich das grundsätzlich zutraue: Engelhardt und Möhwald. Tatsächlich gespielt hat auf der Position aber Baumgarten. Mir ist dabei schon klar, dass Engelhardt in der Innenverteidigung benötigt wurde, während Möhwald, nach seiner Verletzung, vermutlich noch nicht in der Verfassung war, diese Rolle auszufüllen. Dann aber hätte man ein anderes System wählen müssen, denn, dass diese Schuhe für Baumgarten noch (?) zu groß sind, war absehbar.

Das Coaching:

Gesetzt dem Fall, dass mit dem 4-1-4-1 stimmt, dann hat sich Walter Kogler gehörig vercoacht. Passiert. Der Zeitpunkt war halt äußerst unglücklich.

Spieler des Tages:

Simon Brandstetter. Weil er weiß, wo das Tor steht und wie man es attackiert.

Bilanz des Spiels:

Eine zu allen Befürchtungen Anlass gebende Vorstellung des FC Rot-Weiß Erfurt.

Der Gegner:

Elversberg war für viele vor der Saison der erste Abstiegskandidat, das hat sich inzwischen stark relativiert. Die Mannschaft spielt (und punktet) im permanenten Klassenkampfmodus. Das (aber nicht nur das) hatte sie den Rot-Weißen am Samstag voraus. Ich denke, die Saarländer werden die Klasse halten.

Die Konsequenzen:

Der Abwärtstrend hält an. Tabellarisch sowieso, aber zum ersten Mal hat die Mannschaft nach einer sehr schwachen Leistung eine noch schwächere folgen lassen. Diese Tatsache beunruhigt mich noch mehr als die Niederlage an sich.

Die Öffentlichkeit:

Ein ganzseitiger Total-Verriss in der Thüringer Allgemeinen. Nicht besonders aufschlussreich, aber sehr total. Was BILD heute schreibt, kann ich mir denken, will es aber so genau gar nicht wissen. Die Reaktion in den Foren finde ich interessanter: desto ernster die Situation wird, umso sachlicher werden die Beiträge – jedenfalls die meisten. Eine ziemlich erwachsene Entwicklung, auf deren Fortsetzung ich aber gerne verzichte. Mir ist lieber, es wird gemeckert aber wir gewinnen wenigstens ab und an.

Die Aussichten:

Wenn die Mannschaft sich nicht schleunigst fängt, werden wir absteigen. Mit der Leistung der letzten beiden Spiele kann man vielleicht ab und zu glücklich einen Punkt ergattern (Kiel), wird aber in der Regel deutlich verlieren (Elversberg). Wir leben von der Substanz, doch die ist fast aufgebraucht. Dies, Freunde, ist die Lage.

Wenn ich der Trainer wäre …

… würde ich in dieser Woche schlaflose Nächte haben. Ich halte nicht viel von kollektiv-psychologischen Ansätzen, würde aber vielleicht doch der Mannschaft das Heimspiel gegen Wehen Wiesbaden zeigen (3:0). Und sie darauf hinweisen, wie gut sie an diesem Abend Fußball gespielt hat. Außerdem würde ich alles Menschenmögliche unternehmen, damit Andre Laurito am Samstag (mit Maske) in der Startaufstellung steht. Und ich würde Simon Brandstetter von Anfang an spielen lassen, auch wenn es vielleicht nur für eine Halbzeit reicht.

Rot-Weiß Erfurt vs. Holstein Kiel 0:0 / Schwer erträglich

Da ich aus beruflichen Gründen momentan keine Zeit finde, 800 bis 1000 Worte halbwegs sinnvoll zu einem Text zu arrangieren, jedoch auf eine Wortmeldung zu RWE nicht völlig verzichten möchte, gibt es ab jetzt eine Kurzanalyse jedes Spiels. Ich habe mir ein paar Kategorien ausgedacht und werde zu jeder einige Sätze schreiben.

Motto des Spiels:

Fußball – dieses Ding aus einer anderen Welt.

Die Aufstellung:

Da Odak verletzungsbedingt ausfiel, kam Kreuzer zu seinem 10. Pflichtspieleinsatz. Ansonsten bot die Startelf keine Überraschungen. Warum auch, die Mannschaft hatte in Wiesbaden eine solide Leistung geboten, die sie gegen akut abstiegsbedrohte Kieler nur bestätigen musste, um den ersten Dreier des Jahres einzufahren. Soweit die Hoffnung vor dem Spiel.

Taktiksplitter:

Was sofort nach Anpfiff auffiel, war, dass die Abwehr nervös wirkte. Die beiden Innenverteidiger wurden einige Male sowohl in der Luft als auch am Boden ausgespielt. Es fehlte Lauritos Lufthoheit. Der Einzige, der halbwegs sicher wirkte, war Czichos, über dessen Seite allerdings nur wenige Angriffe vorgetragen wurden. Kreuzer begann fahrig, wurde aber im Laufe des Spiels sicherer. Trotzdem taten sich über unsere rechte Seite viele Lücken auf, was daran lag, dass Göbel offensiv meist stark in die Mitte rückte und bei Ballverlusten weite Wege hatte, um Kreuzer unterstützen zu können. Das offensive Einrücken von Göbel ist taktisch nachvollziehbar, um so eine weitere Anspielstation im Mittelfeld zu haben. Aber eben auch riskant, wenn die Ballverlustrate so exorbitant hoch ist wie am Freitagabend.

Tunjic ließ sich weniger ins Mittelfeld fallen als in den letzten Spielen. Was auch immer das Ziel dieser Anweisung war – es wurde verfehlt. Beide Stürmer bekamen so gut wie keine brauchbaren Anspiele. Ausnahmslos alle lang geschlagenen Bälle wurden sichere Beute der aufmerksamen Kieler Verteidigung. Vor allem deshalb: keine Torchancen für RWE.

Das Coaching:

Ich fand die Entscheidungen Koglers nachvollziehbar. Bei Möhwalds Einwechslung war natürlich die Frage: Pfingsten oder Baumgarten raus? Kogler entschied sich für das geringere Risiko und beließ den lauf- und defensivstärkeren Baumgarten auf dem Feld. Die frühe Auswechslung Göbels muss man als ein Signal an die Mannschaft werten, dass ihr Trainer mit dem bis dahin Gebotenen nicht einverstanden war. Ich denke, sie hat das auch verstanden, ohne jedoch die Mittel zu besitzen, Entscheidendes verbessern zu können.

Spieler des Tages:

Kevin Möhwald. Schon allein, weil er wieder längere Zeit auf dem Platz stand und zumindest versuchte, dem Spiel der Rot-Weißen Struktur und Ideen zu geben.

Bilanz des Spiels:

Ein fußballerischer Offenbarungseid.

Der Gegner:

Man sah, warum Holstein Kiel da steht, wo sie stehen. Erschreckend, dass sie trotzdem die bessere Mannschaft waren und eigentlich den Sieg verdient gehabt hätten. Prognose: Wenn sie offensiv weiter so schludrig mit ihren Chancen umgehen, wird es eng mit dem Klassenerhalt.

Die Konsequenzen:

Tabellarisch hat sich auf den ersten Blick wenig geändert, es sind weiter relativ beruhigende sieben Punkte nach unten. Nach oben muss man im Moment keinen Blick verschwenden. Selbst der noch mögliche vierte Platz (DFB-Pokal-Teilnahme, 4 Punkte weg) ist mit einer Leistung wie am Freitag eine unerreichbare Fata Morgana.

Kammlotts fünfte Gelbe Karte war völlig überflüssig und ist deshalb verdammt ärgerlich. Er fehlt gegen Elversberg.

Die Öffentlichkeit:

Egal ob Medien, Foren oder soziale Netzwerke. Die öffentliche Resonanz auf das Spiel war katastrophal. Das weckt in mir normalerweise eine Art Beschützerinstinkt gegenüber der Mannschaft. Ebenso diesmal. Doch vorerst ist die Zeit der Kuschelpädagogik auch im Blog vorüber.

Die Aussichten:

Saarland. Elversberg. Abstiegskampfvermeidungsspiel. Dort wartet eine gut organisierte, kampfstarke Mannschaft mit überschaubarem spielerischen Vermögen. Quasi: Holstein Kiel – die Fortsetzung.

Wenn ich der Trainer wäre …

… würde ich über eine Systemveränderung hin zu einem 4-2-3-1 intensiv nachdenken. Es hat keinen Sinn stur an der Zweistürmervariante festzuhalten, wenn beide Stürmer keine verwertbaren Zuspiele aus dem Mittelfeld erhalten, weil es dort an offensiven Anspieloptionen mangelt und am Ende nur lange Verzweiflungsbälle geschlagen werden. Meine erste Wahl für die neu entstehende Position im zentralen offensiven Mittelfeld wäre: Patrick Göbel. Trotz seiner schlechten Leistung am Freitag. Er kann das, glaubt mir.

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