Dominik Drexler auf dem Weg zum Ausgleich / © www.fototifosi.de
Jürgen Klopp wurde einmal gefragt, worin der Hauptunterschied zwischen 1. und 2. Bundesliga bestehe. Seine Antwort: „In der Qualität der Spieler. Alles, was man trainieren kann, ist eigentlich gleich.“ Ich denke, dasselbe lässt sich mit einigem Recht auf die 3. Liga übertragen. In der Nachfolge von Rinus Michels, Walerij Lobanowskyj und – für den deutschen Fußball – Ralf Rangnick sind alle Mannschaften der dritten deutschen Profiliga in der Lage so zu verteidigen, wie es die moderne Taktiklehre vorgibt: Viererkette, Verschieben der Formation, Verdichten der Räume. Die angreifende Mannschaft soll für ihr Spiel keinen Platz haben und zu Fehlabspielen gezwungen werden.
Kein Mittel gegen tief verteidigende Gastmannschaften
Für das Team, das sich in der Offensive befindet, hält der Taktikkanon sehr unterschiedliche Rezepte parat, trotzdem gefährlich vor das Tor einer derart verteidigenden Mannschaft zu gelangen. Das Problem des FC Rot-Weiß Erfurt: Einschließlich des Heimspieles gegen Saarbrücken ist es dem RWE in dieser Saison nicht gelungen, wirksame Mittel zu entwickeln, tief verteidigende Gegner entscheidend in Verlegenheit zu bringen. Damit erkläre ich mir in erster Linie die große Zahl an Heimunentschieden gegen fußballerisch keinesfalls bessere Gegner.
Das wurde allen Fans des RWE gegen Saarbrücken noch einmal schmerzhaft vor Augen geführt. In der ersten halben Stunde fand Saabrücken offensiv nicht statt. Erfurt hatte zwar viel Ballbesitz, befand sich quasi unentwegt in der Hälfte der Saarländer, gewann die Mehrzahl der Zweikämpfe und schoss einige Mal (aus der Distanz) durchaus gefährlich auf das von Marina exzellent gehütete Tor des Gegners. Aber so gut wie nichts davon wurde mit spielerischen Mitteln erwirkt, Chancen aus Kombinationen: keine. Der Spielaufbau gestaltete sich schwierig, eben weil Saarbrücken sich bereits in dieser Spielphase gut darauf verstand, die Erfurter Playmaker weitgehend aus dem Spiel zu nehmen: Caillas erschien es wegen des böigen Windes (zu Recht) wenig sinnvoll lange Bälle nach vorn zu schlagen, die Passwege auf die beiden Sechser wurden zugestellt und auf den Außenbahnen gab es schlichtweg zu viele technische Unzulänglichkeiten um sich mit flachen Pässen in die gefährlichen Zonen der Saarbrücker Hälfte zu kombinieren. Verschärft wurde das alles durch den Umstand, dass Morabit und Reichwein, wenn sie denn einmal einen Ball bekamen, nicht in der Lage waren diesen zu behaupten. Zudem sollte die sportliche Leitung Smail Morabit noch einmal darüber in Kenntnis setzen, dass auch Tore die nicht per Hackenpass vorbereitet werden, dem Regelwerk der FIFA entsprechen.
Eine Einzelaktion führt zum Ausgleich – was sonst
Nach der Saarbrücker Führung wurde alles noch viel schlimmer und heraus kam das schlechteste Heimspiel des RWE in dieser Saison. Der Matchplan war dahin, einen Plan B gab es offensichtlich nicht. Allein Drexlers Eigen- und Energieleistung verdankte sich das Unentschieden. Er hatte begriffen, dass er auf ein gelungenes Zuspiel seiner Mitspieler bis zum Jüngsten Tag würde warten müssen, und kämpfte sich durch die Saarbrücker Abwehr wie dereinst John Rambo durch den vietnamesischen Dschungel. Mit so viel Entschlossenheit seitens eines RWE-Angreifers hatte die Saarbrücker Hintermannschaft wohl nicht mehr gerechnet. Wie sollte sie auch, bis dahin war die Performance der RWE-Angriffsbemühungen, milde ausgedrückt, eine Zumutung. An fehlendem Willen und einer mangelhaften Einstellung lag es allerdings nicht, um auch das ganz deutlich zu sagen. Der RWE spielte wie eine Mannschaft, der während eines Fußballspiels schmerzlich bewusst wird, dass ihr die Mittel fehlen, um ein Tor zu erzielen. Die daraus resultierende Verunsicherung war fast mit Händen zu greifen. Es gelang – bis auf Drexlers Solo – nichts mehr und dabei blieb es zum erlösenden Abpfiff. Erlösend deshalb, weil Saarbrücken mit Sicherheit irgendeine seiner vielen Kontermöglichkeiten genutzt hätte, wenn das Spiel auch nur noch ein paar Minuten länger gedauert hätte.
Viel Zeit die Wunden zu lecken bleibt nicht. Bei den immens kampfstarken Meuselwitzern muss ein Sieg her, damit der wahrscheinlichste Weg am DFB-Pokal teilnehmen zu können nicht gleich mit ruiniert wird.
Leider fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit – die U19 des RWE
Nun, einen Trost hielt der Verein Rot-Weiß Erfurt an diesem Wochenende dennoch für mich bereit. Zudem keinen, den man gering schätzen sollte. Die A-Junioren lieferten gegen die Berliner Hertha erneut ein bemerkenswert gutes Spiel, das wesentlich mehr als 120 Zuschauer verdient gehabt hätte. Diesmal wurden sie nur mit einem Punkt belohnt, obwohl drei möglich und – meines Erachtens – verdient gewesen wären. In einer ausgeglichenen ersten Halbzeit erzielten die Berliner nach einer Unaufmerksamkeit der Erfurter Hintermannschaft die Führung, nicht wirklich unverdient, aber eben auch nicht zwangsläufig. Nach verteiltem Spiel in den ersten 15 Minuten des zweiten Durchganges drehte der RWE auf, spielte den Nachwuchs des Erstligaklubs regelrecht an die Wand und wurde mit dem Ausgleich belohnt. Dass sie den Weg nach Berlin nicht mit einer Niederlage antreten mussten, hatten die Herthaner ausschließlich zahlreichen nicht genutzten Erfurter Großchancen und ihrem Torwart Philipp Sprint zu verdanken. Im Grunde lag in der mangelnden Effizienz beim Torabschluss das einzige Manko im Vergleich zum Sieg gegen den HSV eine Woche zuvor.
Der RWE-Nachwuchstrainer Christian Preußer ist ein Glücksfall für den Verein. Er hat seiner Mannschaft eine überaus klare Vorstellung vermittelt, wie sie Fußball spielen soll. Der initiale Spielaufbau erfolgt fast generell über das zentrale Mittelfeld (und kippt somit nicht vorzeitig auf eine Seite ab). Dort wird situativ entschieden, wie ein Angriff vorgetragen wird, wobei die Außenbahnspieler die Anweisung haben, ihre Seite konsequent zu halten, um permanent anspielbar zu bleiben. Das soll eine maximale Breite in der Vorwärtsbewegung sicherstellen und verhindern, dass der Gegner frühzeitig auf eine Seite verschieben kann. Die technischen Fähigkeiten, Handlungsschnelligkeit und das Zweikampfverhalten aller Spieler sind verblüffend gut entwickelt und stehen dem Nachwuchs von Profivereinen wie Hertha, dem HSV und Wolfsburg in nichts nach. Davon zeigte sich gestern auch der Ex-Nationalspieler Jens Nowotny beeindruckt, dessen Agentur Insoccer mit Jonathan Lao und Niklas Wittmann zwei Spieler unter Vertrag hat, die gestern für den RWE auf dem Platz standen.
Also: Fans des RWE, schaut auf diese Mannschaft. Oder besser noch: Schaut sie euch an. Das nächste Heimspiel findet am 07.04. (14.00) gegen Hertha Zehlendorf statt, am 22.04 (12.00) wird das U19-Team von Hannover 96 erwartet. Die Jungs haben jeden Zuschauer verdient.