Tag Archiv für Kogler

Dann wohl doch: Mission 2016+n / Erfurt vs. Wiesbaden 0:2

Ich bin kein Masochist. Weshalb sich übers Wochenende alles in mir wehrte, das Spiel noch einmal anzusehen. Deshalb werde ich mit einer profunden, tiefschürfenden taktischen Analyse (selbst einer zweifelhaften) nicht dienen können. Das Spiel begann wie viele Heimspiele von RWE in dieser Saison: abwartendes Mittelfeldgeplänkel beider Seiten. Dann wurde Koglers Mannschaft konstruktiver, die Kombinationen gewannen (etwas) an Sicherheit, erste Chancen waren zu verzeichnen. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Heimspielgegnern zeigten sich die Wiesbadener unbeeindruckt. Hochsolide in der Innenverteidigung, aggressiv in den Zweikämpfen und stets latent gefährlich, vor allem über den starken Schnellbacher, deuteten sie bereits zu diesem Zeitpunkt an, dass es diesmal anders laufen könnte.

Dann kam das berühmte Spielglück hinzu. Zunächst in Form von zwei Schiedsrichterentscheidungen, die auch anders hätten ausfallen können. Zuerst der Freistoßpfiff gegen und nicht für Möhwald und dann – in unmittelbarer Folge – ein Elfmeter, den man sicher geben kann, aber eben nicht geben muss. Wobei der Ball gefühlte Ewigkeiten unterwegs ist und Schnellbacher von drei Erfurter Abwehrspielern umstellt ist, was jeden Körperkontakt obsolet machen sollte. Aber Christoph Menz weiß das alles selbst und hat es nach dem Spiel auch so zu Protokoll gegeben. Shit happens. Danach begann die beste Phase des Erfurter Spiels. Dumm nur, dass ausgerechnet in diesen Abschnitt hinein das zweite, letztlich entscheidende, Tor der Wiesbadener fiel.

Trotz der beiden Gegentore war die erste Halbzeit nicht das Problem. Da befand man sich noch halbwegs auf Augenhöhe (auch wenn das Resultat etwas anderes sagt), hatte Chancen und ein Tor lag immer im Bereich des Möglichen. Das änderte sich in Halbzeit zwei grundlegend. Niemand konnte der Mannschaft den Willen absprechen, das Spiel zumindest noch auszugleichen. Allein, es fehlten die fußballerischen Mittel. Auf alle Versuche hatte der SVWW eine Antwort. Je länger die Partie dauerte, desto mehr erinnerten die Ballbewegungen in der Offensive von RWE an die hektischen Impulse einer Kugel in einem Flipperautomaten. Balleroberungen folgten Fehlabspielen in rasantem Wechsel. Die Mannschaft hatte Probleme überhaupt in die Nähe des Wiesbadener Tors zu gelangen.

So war es letztlich nicht die Niederlage an sich, sondern vor allem die Art und Weise des Zustandekommens, die so einige Träume am Steigerwald der normativen Kraft des Faktischen aussetzten. Kiel war eben kein einmaliger Ausrutscher.  Wenn es nicht gelingt, die Mannschaft fußballerisch und mental zu stabilisieren, werden wir auch in dieser Saison nichts mit dem Aufstieg zu tun haben.

Last but not least: die Spielzusammenfassung des Wiesbadener Stehblog.

Aus gegebenem Anlass: Eine kleine Hommage an Juri Judt

Mit Kurt Jara, Bernard Dietz, Dir und Deinem Bruder Thomas, mit Reuter, Eckstein, Dorfner oder dem Jahrhundertfußballer Griechenlands Giorgos Koudas habe ich Spieler von absoluter Klasse trainiert. Aber wie Fußballer gerne reden, hätte man dem einen das Kopfballspiel vom anderen gewünscht und dem anderen die Zweikampfstärke oder Schnelligkeit vom Ersten, um den perfekten Spieler zu haben. 1998, bei meiner Arbeit für Greuther Fürth, hat mir der liebe Gott diesen perfekten Spieler mit dem 12-jährigen Juri Judt über den Weg laufen lassen.

Heinz Höher an Klaus Allofs (Aus: «Spieltage» von Ronald Reng)

Heinz Höher, Protagonist eines der großartigsten Bücher, das jemals über Fußball geschrieben wurde, hat seinem Zögling mit diesen Worten eine schwere Hypothek auferlegt. Zunächst verlief die Karriere des Juri Judt wie Juri_Judt_2009von seinem Mentor geplant: Er setzte sich bei Greuther Fürth im Männerbereich durch, bekam einen guten Vertrag beim fränkischen Rivalen in Nürnberg, spielte anfangs auch dort regelmäßig. Dann eine langwierige Verletzung und seitdem befand sich die Karriere im Sturzflug. In Leipzig als Stammspieler aussortiert, folgte ein hektischer Wechsel zum damals chaotisch-panischen 1. FC Saarbrücken. Selbst dort kam er nur auf fünf Einsätze. Dann – in dieser Saison – der Transfer an den Steigerwald. Hier schien es zunächst ähnlich – schlecht – zu laufen wie bei seinen vorherigen Stationen. Zunächst stellte ihn Kogler als Rechtsverteidiger in die Startelf, es folgten einige weniger glückliche Spiele und es kam, wie es kommen musste: Der genesene Luka Odak verdrängte ihn auf die Bank. Dann beorderte Kogler ihn am 20. Spieltag (gegen BVB II) ins zentrale Mittelfeld. Einigermaßen überraschend, aber dann auch wieder nicht, weil Judt dereinst in Fürth auf eben dieser Position seine vielleicht überzeugendsten Spiele bestritt. Das war lange her, aber er absolvierte in Dortmund sein bis dahin bestes Spiel für die Rot-Weißen. Das nutze ihm zunächst wenig, das Tandem Menz und Tyrala war bis zur Winterpause gesetzt. Nach ebendieser musste Menz gegen Cottbus gesperrt passen und wieder griff Kogler auf Judt zurück. Erneut machte er ein starkes Spiel: äußerst laufstark, geschickt im Zweikampf, so gut wie keine Ballverluste im Spielaufbau, kluge Spieleröffnungen. So sieht das Anforderungsprofil eines defensiven zentralen Mittelfeldspielers aus. Und er verstetigte diese Leistung, einschließlich des gestrigen Spiels gegen Osnabrück. In dem gab es mehrere Schlüsselszenen, hinreichend oft benannt wurden der großartige Ballklau Klewins gegen den freien Menga, die Abwehr auf der Torlinie von Aydin und die Rote Karte gegen Thomik. Zwischen den beiden letzten Szenen liegt allerdings ein, unter hohem Gegnerdruck gespielter, langer und präziser Ball von Juri Judt auf Kammlott, der dann zur Notbremse des Osnabrücker Verteidigers führte. Dafür hält der Neusprech der modernen Spielanalyse den Begriff Keypass parat.

Seit er sich in der Startelf festgespielt hat, gab es immer wieder Szenen (u.a. sensationell gute Balleroberungen), die mehr als erahnen lassen, warum Heinz Höher in seinem Brief an Klaus Allofs den ganz hohen Ton anschlug. Hoffen wir alle, dass das fußballerische Comeback des Juri Judt fortdauert, zum Wohle des FC Rot-Weiß Erfurt. Der, da bin ich sicher, in Heinz Höher einen neuen Fan gefunden hat.

Free Kevin! Einige Anmerkungen zum Spiel des FC Rot-Weiß Erfurt

koglerZu Recht feiern alle den makellosen Start des FC Rot-Weiß Erfurt nach der Winterpause. Weil er so wichtig für die tabellarische Nähe zu den Führenden der Liga war, weil es in den letzten Jahren zumeist gegenteilig lief.

Es ist aber keineswegs so, dass die beiden Siege zu einem Taumel der Euphorie geführt hätten. Zu schwach war der erste Gegner (Cottbus) und zu glücklich der späte Sieg in Dresden. Alle drei Tore in den beiden Spielen wurden durch Standards erwirkt, was durchaus auf einen offensichtlichen Schwachpunkt hindeutet: Die Anzahl der herausgespielten Torchancen lässt zu wünschen übrig. Gegen Energie konnte man das noch geflissentlich übersehen, vor allem wegen der eklatanten Unfähigkeit des Gegners, selbst gefährliche Aktionen zu initiieren. Gegen Dynamo hatten wir in Halbzeit eins einfach nur Glück, nicht bereits mit einem entscheidenden Rückstand in die Kabine zu gehen. Das Gegenpressing funktionierte gut, allerdings war der solcherart mit großem Kraftaufwand zurückeroberte Ball nach spätestens drei eigenen Pässen aufs Neue verloren. Das konnte Dynamo gegen eine aufgerückte Erfurter Mannschaft einige Male zu blutdrucksteigernden Aktionen nutzen. Noch ärgerlicher allerdings war der Umstand, dass die rot-weißen Offensivakteure den Ball in aussichtsreicher Feldposition so einfach verloren. „Gegenpressing ist der beste Spielmacher“, lautet ein berühmter Sinnspruch von Jürgen Klopp aus besseren Tagen. An der prekären Situation der Borussia erleidet die Richtigkeit des Satzes keinen Schaden. Allerdings nur, wenn die anschließenden Offensivaktionen dann und wann präzise verwertet werden. Wenn nicht, hat man viel Kraft investiert, ohne einen Mehrwert zu erzielen.

Was tun? Nun, es hat mich schon gewundert, dass Walter Kogler Kevin Möhwald in Dresden nicht in der Startformation aufbot. Auf seine sehr späte Einwechslung konnte ich mir schon gar keinen Reim machen. Warum? Weil das durchgehend ungenaue Angriffsspiel der Mannschaft bereits sehr früh nach genau dem Spielertyp schrie, den Möhwald verkörpert. Es steht außer Frage, dass Kogler in Zusammenstellung und Vorbereitung der Mannschaft sehr viel mehr richtig als falsch gemacht hat. Sonst wären wir nicht da wo wir gerade stehen. Ich habe in diesem einen Punkt einfach nur eine andere Auffassung und die lautet: Kevin Möhwald muss spielen. Entweder als zentraler offensiver Spieler hinter einer Spitze oder, vermutlich weniger wirkungsvoll, aber immer noch besser als überhaupt nicht, auf der rechten offensiven Seite, wenn denn 4-4-2 das neue Standard-System werden soll. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gehe ich aber von einer Rückkehr zum 4-2-3-1 aus, mit Kammlott als einziger Spitze. Was ganz gewiss für neue Diskussionen sorgen würde.

Rot-Weiß Erfurt vs. FSV Mainz 05 II 1:0

Wenn ich ein Spiel des FC Rot-Weiß Erfurt sehe, leide ich innerlich an jedem Fehlpass, jeder vergebenen Torchance, jedem Abpraller, der nicht zu einem unserer Spieler springt und an tausend weiteren Unzulänglichkeiten mehr, die einem perfekten Spiel entgegen stehen. Im Spiel gegen die 2. Mannschaft des FSV Mainz 05 gab es viel zu leiden. So wie in vielen Spielen seitdem ich Anhänger der Rot-Weißen bin. Einerseits. Andererseits freute ich mich über den fünften Heimsieg in Folge und die erneute Bestätigung meiner These, dass wirklich schwache Mannschaften in dieser Liga schlichtweg inexistent sind. Jedenfalls gibt es keine, die man en passant aus dem Steigerwaldstadion, das bald eine Arena sein wird, schießt. Insofern halte ich die massive Kritik, die derzeit selbst nach einem Sieg auf Mannschaft und Trainer niedergeht, für überzogen. Man erfährt in vielen dieser Äußerungen manches über die Kritiker und wenig über das Spiel der Erfurter Mannschaft.

Natürlich spielte RWE nach der frühen Führung zu passiv, Mainz kam zu Chancen, ein Ausgleich für die Rheinhessen wäre verdient gewesen. Wie schon häufiger in den letzten Partien funktionierten Pressing und vor allem Gegenpressing (sprich attackieren nach eigenem Ballverlust) zu häufig nicht. Vor allem das zentrale Mittelfeld wurde einige Male überspielt, was bei den spielstarken Mainzern quasi immer dazu führte, dass sie die sich bietenden Räume nutzten, um sich gefährlich vor das Erfurter Tor zu kombinieren. Insgesamt muss man derzeit die Arbeit gegen den Ball in einigen Spielphasen kritisieren. In der zweiten Halbzeit wurde vieles besser, auch weil die offensiven Flügelspieler und die Stürmer konsequenter und effektiver nach hinten arbeiteten. Im Resultat hatte Mainz so gut wie keine Torgelegenheiten mehr.

Am meisten Blutdruck hatte ich jedoch bei zwei Szenen von Andreas Wiegel. Ich finde es großartig, dass wir wieder einen Tempodribbler von hohen Graden in der Mannschaft haben, und denke, dass er in den letzten Wochen noch einmal einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht hat. Aber bei seinen beiden Chancen in der 2. Halbzeit muss er den viel besser postierten Kammlott anspielen, dann werden aus passablen Einschussmöglichkeiten Großchancen. Egoshooting kann sich das Team nicht leisten.

Zur Gretchenfrage 4-4-2 oder 4-2-3-1? Ich kann gut verstehen, dass Kogler weder auf Kammlott noch auf Brandstetter verzichten möchte. Deshalb halte ich das 4-4-2 für das derzeit richtige System zu Spielbeginn. Trotzdem müssen einige Problemstellen auf dem Platz beantwortet werden. Zum einen ist das Offensivspiel zu statisch, wenn sich beide Stürmer nicht entsprechend nach hinten orientieren und als Anspielstation im Mittelfeld anbieten. Hier kann man als Anschauungsunterricht die gegenwärtige Spielweise der Gladbacher Borussia nur empfehlen. Sowohl Kruse als auch Raffael lassen sich wechselweise tief in die eigene Hälfte fallen oder überladen die Flügel und sorgen derart für eine extreme Unausrechenbarkeit des Angriffsspiels. So muss das. Im Defensivspiel dürfen die Stürmer nicht ausschließlich als erste Pressingreihe auftreten, sondern müssen situativ nach hinten arbeiten, um Lücken (z.B. bei einem nicht gelungenen Gegenpressing) zu schließen. Als Stürmer Kräfte sparen wenn der Gegner angreift, war früher.

Auch die Integration von Okan Aydin war alles andere als optimal, aber das ist wohl kaum als Überraschung zu werten, schließlich war es sein Debüt in der Startelf. Fast durchweg gut gefallen hat mir die Leistung der Abwehr, auch der zuletzt viel kritisierte Judt bot ein überaus solides Spiel. Um Rafael Czichos mache ich mir langsam Sorgen, denn seine Qualitäten als offensiver Linksverteidiger werden so manchem Zweitligisten nicht lange entgehen.

Es wird sich in den nächsten Wochen entscheiden, ob es Kogler schafft, die offensichtlichen Defizite weitgehend zu eliminieren. Gelingt dies, hat der FC Rot-Weiß gute Chancen lange oben mitzuhalten. Das diesjährige Personal gibt dies allemal her. Doch selbst wenn es so geschieht, werde ich wieder viel leiden.

FC Rot-Weiß Erfurt vs. Holstein Kiel 3:2

Nach dem Spiel konnte niemand sagen, wann der FC Rot-Weiß Erfurt zuletzt drei Tore nach Standards erzielt hatte. Abgesehen von Pfingsten-Reddigs Elfmetern war das lange Zeit eine vernachlässigte Toreinnahme-Quelle. Es blieb Walter Kogler vorbehalten, die Gründe dafür zu nennen: Mehr gute Standardschützen (in diesem Fall: Tyrala, Aydin und Möhwald) und eine größere Anzahl potenzieller Abnehmer. Daraus resultierend: weniger Ausrechenbarkeit für den Gegner.

Soweit zu den ausschließlich positiven Aspekten des Spiels. Auf der anderen Seite ist zu vermerken, dass RWE die Standards so dringend benötigte wie die FDP Zweitstimmen, weil aus dem Spiel heraus wenig Konstruktives gelang. Das lag in erster Linie an einer bockstarken defensiven Vorstellung der Kieler. Carsten Neitzel und sein Trainerteam hatten definitiv ihre Hausaufgaben erledigt. Nichts war es mit einem gepflegten, vertikal orientierten Spielaufbau aus einer Dreierkette heraus. Quasi alle Aufbauspieler wurden früh und aggressiv gestört, sodass oft nur der Rückpass zu Klewin blieb. Dessen einzige wirkliche Schwäche, mangelnde Präzision bei langen Bällen, war ebenfalls nicht dazu angetan, das Offensivspiel von RWE zu befördern.

Kiel brachte zwar zunächst in direkter gegnerischer Tornähe auch nicht viel zustande, erwies sich aber als erstaunlich ballsicher und entzog sich so immer wieder dem Pressing der Erfurter. Beide Tore fielen dann wie aus dem Nichts. Zuerst hatte Judt einen Aussetzer und foulte Heider völlig unnötig, wenig später bilderbuchte Brandstetter die Ecke von Tyrala zum Ausgleich ins Kieler Tor.

Nach dem Wechsel brachte Kogler Aydin für den erneut wenig überzeugenden Bukva. Zunächst änderte sich dadurch wenig. Mit der folgenden Einwechslung von Kammlott (für Tyrala) wurde auf ein 4-4-2 umgestellt hatte. Aydin fand nach zehn Minuten besser ins Spiel, bzw. wurde von seinen Mitspielern in Selbiges eingebunden. Auch Wiegel, am anderen Flügel, wurde stärker. Es ergaben sich Chancen, doch erneut benötigte es einen Standard zur Führung. Danach «rächte» sicht die numerische Unterzahl im Mittelfeld, Holstein reagierte druckvoll und mit gutem Fußball auf den Rückstand, fast folgerichtig fiel der Ausgleich. Das Spiel wurde ein völlig offenes, aber der Fußballgott hatte an diesem Samstag ein Faible für Kevin Möhwald und ließ dessen Freistoß durch Freund und Feind passieren. Jetzt reagiert Kogler praktisch sofort, revidierte das 4-4-2 und wechselte Baumgarten für Brandstetter ein. Kiel mühte sich zwar noch um den Ausgleich, konnte aber die zwischenzeitliche Dominanz im Mittelfeld bis zum Ende nicht mehr erreichen.

Die drei Punkte lassen Rot-Weiß den Anschluss nach oben nicht verlieren, damit dies aber weiterhin gilt, sollte in Wiesbaden natürlich nicht verloren werden. Aber wenn ich mich recht entsinne, haben wir da eigentlich immer ganz gut ausgesehen und gepunktet. Wird trotzdem schwer, da der SVWW jetzt drei Mal in Folge verloren hat und sicher nicht scharf darauf ist, diese Serie fortzusetzen.

Rot-Weiß Erfurt vs. Dynamo Dresden 2:0

Das war ein formidabler Fußballnachmittag im Erfurter Steigerwaldstadion. Eine ansehnliche Zahl Erfurter Zuschauer, die im Verlauf des Spiels zunehmend euphorischer ihre Mannschaft feierten, eine eindrucksvolle Dresdner Fangemeinde, die ihre Mannschaft – nicht minder imponierend – unabhängig vom Spielstand lautstark unterstützte und, natürlich als Ursache Nummer eins, eine sehr gut eingestellte und spielende Mannschaft von Rot-Weiß Erfurt.

Vor dem Spiel war ich mir nicht sicher, ob Kogler Brandstetter als einzige Spitze würde auflaufen lassen, um derart im Mittelfeld genügend Akteure für eine anzustrebende fußballerische Dominanz aufbieten zu können. Oder ob er Falk als zweite Spitze in die Startelf stellt, um mit langen Bällen (und über Kopfballablagen) gegen die zwangsweise neu formierte Dresdner Innenverteidigung den Erfolg anzustreben. Ich sollte nicht zu kleinmütig von unserem Cheftrainer denken, der Plan A (mit Brandstetter als einzigem Stürmer) ging voll und ganz auf.

Es wird zunehmend schwieriger – und das ist eine überaus erfreuliche Entwicklung – das Spiel der Erfurter Mannschaft in eine der üblichen Systemnotationen zu fassen. Mit etwas Phlegma könnte man es als 4-2-3-1 bezeichnen. Obwohl es im Spiel gegen den Ball eher wie ein 4-4-1-1 aussah, weil immer ein Spieler (zuerst meist Möhwald, im weiteren Spielverlauf Tyrala) den in vorderster Front pressenden Brandstetter unterstützte und dabei aus der Kette rückte. Im Spielaufbau hingegen war es meist eine lupenreine Dreierkette mit Menz als zentralem Aufbauspieler und weit ins Mittelfeld geschobenen Außenverteidigern. Auffallend war die starke Asymmetrie auf den Außenbahnen. Links orientierte sich Bukva sehr oft ins Zentrum und überließ dem sehr weit nach vorn rückenden Czichos die gesamte Außenbahn. Rechts hielt der sensationell starke Wiegel meist länger die Außenposition und zog erst mit Ball am Fuß in Richtung offensives Zentrum oder Außenlinie. Während Juri Judt (der von Spiel zu Spiel besser wird) meist absichernd agierte und sich situativ auch mal wieder als Anspielstation in Richtung der Dreierkette fallen ließ.

Kogler weigerte sich nach dem Sieg einen Spieler besonders hervorzuheben, da ich aber keinerlei Ambitionen in Richtung Diplomatischen Dienst hege, will ich es hier trotzdem tun. Christoph Mercedes-Menz hat erneut mit äußerst effektivem Spiel geglänzt. Seine Spieleröffnung war beeindruckend. Er vermied große Risiken und fand trotzdem immer wieder raumgewinnende Anspielstationen. Eine Voraussetzung dafür ist natürlich eine entsprechende Präsenz eigener Spieler im Mittelfeld. Dafür boten sich vor allem die ballsichersten Erfurter Spieler Tyrala, Möhwald und Bukva an. Wenn diese Anspielstationen nicht mit ausreichend großer Sicherheit erreichbar waren, wurde geduldig abgewartet oder auch mal ein halblanger Ball auf die offensiven Außen riskiert. (Auf der Gegenseite wurde Kirsten öfter ins Aufbauspiel der Dresdner eingebunden, was nur eine mäßig gute Idee war, da Brandstetter ihn immer wieder mit großem Tempo anlief und den Torwart der SGD zwang, lange, unkontrollierte Bälle zu spielen.) Defensiv agierte Menz ebenfalls gewohnt besonnen und zweikampfstark, wobei auch hier betont werden muss, dass sich alle Spieler aktiv und aggressiv an der Defensivarbeit beteiligten und so oft Überzahlsituationen in Ballnähe entstanden, die nicht selten in Ballgewinne umgewandelt werden konnten.

Exemplarisch für das Abwehrverhalten der Mannschaft über lange Strecken der Partie steht der Ballgewinn von Möhwald vor dem zweiten Tor, das ich mir gar nicht oft genug anschauen kann. Ab dem Zeitpunkt als Möhwald den Ball unter Kontrolle bringt und sofort zu Wiegel passt, ist dieser Treffer für Dynamo nicht mehr zu verteidigen. Jedenfalls nicht, wenn man es so perfekt zu Ende spielt, wie der RWE es in dieser Situation getan hat. Zwischen Balleroberung und Torabschluss liegen sechs Sekunden. In denen alles stimmt: Laufwege, Passpräzision und -tempo, Handlungsschnelligkeit und (sehr wichtig!) die uneigennützige Auswahl der richtigen finalen Option durch Wiegel. Ein tolles Tor von der Sorte, die mir viel lieber ist, als ein Volley aus 30 Metern in den Winkel. Auch toll und trotzdem ein reines Zufallsprodukt.

Ein Wort zum Gegner. Zu meiner Überraschung attestierte Michael Windisch, neuerdings eine Art Allzweckwaffe des mdr für den Thüringer Fußball und hauptberuflich Reporter der BILD-Zeitung, der SG Dynamo Dresden, dass sie «erschreckend schwach» gespielt hätte. Diese Einschätzung trifft, wenn überhaupt, nur auf die ersten 20 Minuten des Spiels zu. Danach war es eine ausgeglichene Partie mit Chancen auf beiden Seiten. Zu jedem Zeitpunkt des Spiels war zu erkennen, dass Minge und Böger eine Mannschaft zusammengestellt haben, die über ein großes fußballerisches Potenzial verfügt und das auch abzurufen weiß. Sie traf an diesem Nachmittag nur eben auf eine – in diesem Spiel – etwas bessere Mannschaft.

Es ist einigermaßen banal, darauf zu verweisen, dass der Verein jetzt zwei extrem schwere Auswärtsspiele vor der Brust hat. Vor allem auch deswegen, weil es im Grunde in der Liga überhaupt keine anderen Spiele gibt, schon gar nicht auswärts. Münster wird, nach dem Derbysieg in Osnabrück, mit großem Selbstvertrauen aufspielen. Aber – und das ist die gute Nachricht – sie werden auf eine Erfurter Mannschaft treffen, für die das in ebensolchem Umfang zutrifft. Hoffe ich doch.

Der Saisonstart des FC Rot-Weiß Erfurt

Es ist das Wochenende der ersten DFB-Pokalrunde. Oder wie wir es in Erfurt nennen: Zeit der Schmerzen. Als am Freitag der Chemnitzer FC in einem denkwürdigen Spiel den Bundesligisten Mainz 05 aus dem Wettbewerb schoss, kamen die Gedanken an den 10. August 2008 wieder hoch, als es fünf späterer Weltmeister bedurfte, damit der FC Bayern München die Rot-Weißen mit 4:3 besiegte. Es war das letzte Mal, dass ein Spiel im Steigerwaldstadion im Blickpunkt einer landesweiten Öffentlichkeit stand. Das ist 6 Jahre her. Seitdem leben wir im fußballerischen Konjunktiv – immer in der Hoffnung auf eine neue Verheißung. Die aktuell ausgegebene Parole hört auf den Namen Mission 2016. Für das nämliche Jahr hat sich der Verein den Aufstieg in die 2. Bundesliga vorgenommen. Niemand hier hätte etwas dagegen. Allein, es sind Zweifel am Wirklichkeitssinn dieses Ziels angebracht. In den letzten beiden Jahren mussten sich die Anhänger eher um den Verbleib in der 3. Liga sorgen. Wohin deuten die Instrumente in dieser Saison? Nun, wir haben 4 Spieltage absolviert, mehr als eine erste, provisorische Bilanz lässt sich derzeit seriös nicht wagen. Hier ist sie:

Der letzte Auftritt in Cottbus mutete exemplarisch für die bisherigen Saisonspiele an. Die Mannschaft stand defensiv halbwegs stabil. Aus dem laufenden Spiel gab es kaum Chancen für die Lausitzer. Allerdings muss sich noch erweisen, ob sich diese Defensivstärke auch gegen spiel- und offensivstärkere Mannschaften als solche herausstellt. Gemessen an den Erfahrungen aus dem Spiel gegen den BVB-Nachwuchs ist es nicht übelwollend, skeptisch zu bleiben. Die offensiven Leistungen waren in Cottbus überschaubar. Diesmal reichte ein guter Angriff in Halbzeit eins (die Chance von Brandstetter) nicht zur Führung. Erst als Energie am Ende des Spiels für das hohe Tempo bezahlte, kam Rot-Weiß zu einigen Halbchancen. Ansonsten: viele Abspielfehler und in Folge davon kaum Gefahr für das Tor des Gegners.

Natürlich gibt es entlastende Gründe für die momentan durchwachsenen Leistungen: in Cottbus standen sechs neu verpflichtete Spieler auf dem Feld. Es wurde also zum Beginn der Saison wieder einmal die halbe Mannschaft ausgetauscht. Menz und Tyrala bilden im zentralen Mittelfeld das neue fußballerische Herz des Teams. Andererseits ist eine Mannschaft wie Dynamo Dresden in noch größerem Umfang umgebaut worden und präsentiert sich (bislang) ungeachtet dessen eindeutig homogener. Noch schwerer wiegt wohl das chronische Verletzungspech von Koglers Team. Mit Kammlott, Möhwald und Laurito fehlten ungemein wichtige Spieler ganz oder teilweise. Während der grandiose Möckel (nach langer, schwerer Verletzung) den Verlust von Laurito sehr passabel auffangen konnte, sind Möhwald und – natürlich – vor allem Kammlott nicht adäquat zu ersetzen. Vor allem, weil Spieler wie Bukva, Tyrala, Falk und Brandstetter einfach noch Spielpraxis benötigen, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Alle haben sportlich schwierige Zeiten hinter sich und es wäre unredlich, ihnen die nötige Geduld zu verweigern.

Auf der Habenseite der bisherigen Spiele steht eine deutlich höhere taktische Variabilität der Mannschaft. Kogler hält nicht mehr unter allen Umständen und Spielsituationen am 4-4-2 der letzten Saison fest. Als er gegen Stuttgart der Meinung war, neben Falk keinen adäquaten Stürmer für 90 Minuten zu haben, beorderte er Möhwald als hängende Spitze (oder falschen Zehner) in den Sturm. Selbiges wiederholte er (nach der Auswechslung Brandstetters) mit Tyrala in der letzten halben Stunde in Cottbus. Sah beide Male äußerst passabel aus. Der Clou in taktischer Hinsicht war jedoch die Dreierabwehrkette im (gewonnenen) Spiel gegen Stuttgart, bestehend aus Czichos, Kleineheismann und Menz. Da wurde zentral defensiv kaum etwas zugelassen; im grundierenden Spielaufbau gab es jedoch noch Luft nach oben. Trotzdem vermute ich, dass Kogler, sobald Kammlott und Brandtstetter richtig fit sind, auf das 4-4-2-System zurückkommen wird.

Das Spiel gegen Dynamo Dresden wird so eine Art L’Alpe d’Huez für den FC Rot-Weiß Erfurt. Ein Scharfrichter. Danach werden wir besser einzuschätzen wissen, wo sich der Verein derzeit sportlich einsortiert. Viel ist möglich – in jeglicher Hinsicht. Und jetzt gebe ich mich wieder dem Weltschmerz hin und schaue DFB-Pokal.

Rot-Weiß Erfurt vs. VfB Stuttgart II 3:1

Für Spiele wie das gestrige wurde der Begriff Arbeitssieg dereinst erfunden. Gegen zunächst sehr defensiv eingestellte Gäste tat sich Rot-Weiß in der ersten halben Stunde äußerst schwer, passende Mittel in der Offensive zu finden. Das ist nichts Neues und im Grunde ein generelles Problem der Liga (und nicht nur dieser): Das offensive Vermögen hinkt dem defensiven hinterher.

Trotzdem war Erfurt die spielbestimmende Mannschaft; gefährliche Offensivaktionen der Stuttgarter gab es jedenfalls keine. Das hatte auch mit einer System-Innovation von Walter Kogler zu tun: Mit viel gutem Willen könnte man noch von einer 4-1-4-1-Formation mit einem extrem nach hinten orientierten Sechser (Menz) sprechen. Kann man aber auch sein lassen und gleich sagen: Das war eine lupenreine Dreierkette im Spielaufbau, aus der im Defensivspiel eine Fünferkette wurde. Ein Hybridsystem, dass bei der WM unter anderem von Holland, den Chilenen und Uruguay bevorzugt wurde. Im Spielaufbau fand ich es noch nicht ganz so überzeugend, weil für meinen Geschmack die drei Spieler (Menz, Czichos, Kleineheismann) oft zu eng beieinanderstanden und so den zahlenmäßigen Vorteil gegen die in der Regel nur mit zwei Spielern pressenden Stuttgarter nicht wirkungsvoll auskombinieren konnten. Vor allem aber, weil Menz keine Anspielstationen in der Spielmitte fand. Das wurde erst graduell besser als er etwas vertikaler nach vorne versetzt spielte, der VfB einen Tick offensiver wurde und wechselweise Tyrala, Bukva und Möhwald sich etwas mehr nach hinten fallen ließen.

Das gesamte Defensivspiel unserer Mannschaft hat mir dagegen sehr gut gefallen. Durch die vielbeinige Angriffsmitte gelang dem VfB über die gesamte Spieldauer gesehen sehr, sehr wenig.

Das erste Tor für Rot-Weiß lag zwar nicht in der Luft, fiel aber in einer Phase, als es gelang, den ein oder anderen Angriff deutlich näher an den Strafraum der Gäste zu verlagern, von daher fiel es auch nicht völlig überraschend. Zu diesem Zeitpunkt hatten Bukva und Wiegel die Seiten getauscht, was vor allem Andreas Wiegel irgendwie besser ins Spiel brachte. Nachdem er zuvor schon gute Ansätze zeigte, war er an der Entstehung beider Vorpausen-Tore maßgeblich beteiligt. Von ihm kam der Pass, den Eichmeier zu seiner prachtvollen Flanke von der linken Seite nutzte und er provozierte das Handspiel, das dem Elfmeter vorausging.

Im Grunde warteten alle Rot-Weißen mit einer soliden Leistung auf. Etwas ab fielen für mein Empfinden nur Bukva, der keine wirklich entscheidenden Impulse setzen konnte und Falk, der mir zu viele einfache Pässe in der Kurzdistanz nicht an den Mitspieler brachte. Auf seiner Habenseite steht allerdings die sehenswerte Kopfballvorlage zum entscheidenden dritten Treffer. Überhaupt spielte Falk besser, nachdem er mit Brandstetter einen Stürmerkollegen an die unmittelbare Seite bekam.

Sonst fiel mir noch eine Szene aus der 2. Halbzeit auf, als Czichos bei einem Angriff der Stuttgarter nicht den Fehler machte und den ballbesitzenden Stürmer direkt attackierte, sondern nach hinten auswich, um den frei ins Zentrum laufenden zweiten Angreifer abzudecken. So blieb den Stuttgartern keine offensive Anspielmöglichkeit und der Angriff wurde abgefangen. Das war sehr smart verteidigt.

Ich habe bereits eine Menge recht herabwürdigender Einlassungen zum gestrigen Spiel gelesen, die ich alle nur äußerst eingeschränkt nachvollziehen kann. Mir ist schon klar, dass fußballerisch momentan noch einiges im Argen liegt, in erster Linie im Offensivspiel. Allerdings setzt Kogler noch deutlicher als in der letzten Saison darauf, dass die Mannschaft vernünftig und zeitgemäß das Spiel nach vorne aufbaut, mit kurzen Pässen und sich situativ ergebenden Seitenverlagerungen und eben möglichst unter Verzicht auf lang geschlagene Bälle (die es natürlich als alternatives Stilmittel oder aus der Not heraus immer noch geben wird). Da geht noch so einiges schief, trotzdem ist der Weg der Richtige. Mich freut ebenfalls, dass Kogler taktisch offenbar variabler agiert als in der letzten Saison. All dies darf natürlich kein Selbstzweck sein, sondern muss mit gewonnenen Punkten einhergehen. Aber da bin ich für die Zukunft optimistisch.

Hansa Rostock vs. Rot-Weiß Erfurt 1:1

Der erste Punkt der neuen Saison ist auf der Habenseite verbucht. Nichts was man ausgelassen bejubeln müsste, aber ein Unentschieden in Rostock ist auch nicht Nichts.

Zunächst schien es, als ob Rostock an die erste Halbzeit gegen Münster anknüpfen wollte, doch als diese ersten zehn Minuten hanseatischen Sturm und Drangs überstanden waren, passierte bis zu Brandstetters Tor nicht viel. Rot-Weiß verteidigte geschickt, das heißt kompakt und vermied zudem größere Risiken in der Vorwärtsbewegung. Gegen eine solcherart agierende Erfurter Mannschaft fiel Hansa wenig ein. Die Zuschauer sahen ein schwaches Drittligaspiel, das seinen fußballerischen Höhepunkt in der 78. Minute hatte, als der eingewechselte Brandstetter eine glänzende Kombination über Möhwald und Wiegel zur Erfurter Führung einköpfte.

In der Logik dieses chancenarmen Spiels hätte es gelegen, dass dieser einsame fußballerische Gipfel für einen Dreier genügt. Leider stand dem die zwingendere Logik einer obskuren Erfurter Fußballtradition entgegen: Unaufmerksamkeit nach eigenen Toren. Bereits nach dem direkten Wiederanstoß schlief Judt den berühmt-berüchtigten Juri-Schlaf. Leider kennt man diese Konzentrationsschwächen von ihm zur Genüge, hauptverantwortlich dafür, dass seine bisherige Karriere weit unter seinen fußballerischen Fähigkeiten verläuft. Das ging zunächst noch einmal gut, er wurde – Fußball ist oft ein ironischer Sport – von Kleineheismann zusammengefaltet. Ein paar Minuten später traf unser Innenverteidiger ins eigene Netz. Es gibt Eigentore, bei denen man dem Verursacher nicht wirklich einen Vorwurf machen kann. Der Ausgleich gestern zählt nicht dazu.

Wiewohl Kleineheismann natürlich wieder mal nur am Ende einer Fehlerkette stand. Los geht es eigentlich schon bei Tyrala, der bei der Hereingabe von der rechten Rostocker Seite viel zu weit wegsteht von seinem Gegenspieler; dann gewinnt Judt einen Zweikampf, aber Möckel kann den Ball nicht klären und am Ende kickt eben Kleineheismann eine eigentlich harmlose Hereingabe ins eigene Tor. Manchmal denke ich: Sic transit gloria mundi (so vergeht der Ruhm der Welt) ist das eigentliche Motto des Erfurter Fußballs. Natürlich ist das Unentschieden gerecht, schon allein, weil eigentlich keiner der beiden Mannschaften gestern drei Punkte verdient gehabt hätte. Aber seien wir ehrlich, gestern hätten wir gut mit dieser im universalen Maßstab vergleichsweise kleinen Gerechtigkeitslücke leben können.

Gesicherte Angaben zum Spielsystem liegen Stand jetzt noch nicht vor. Wieder mal herausragend verwirrend die Grafik des mdr-Spielberichtes, mit einer taktischen Formation, die man in Leipzig vermutlich vom kleinen Bruder des Praktikanten hat zusammenwürfeln lassen. Wenn man schon keine Ahnung hat, steht einem ja offen, das Spielsystem bei den Verantwortlichen zu erfragen – man nennt es Journalismus.

Nach allen was mir an Informationen und Bildern vorliegt, würde ich mal mit einiger Sicherheit von einem 4-1-4-1 ausgehen. Mit Menz auf der zentralen defensiven Position im Mittelfeld, davor die beiden Achter Tyrala und Möhwald, Bukva und Eichmeier auf den beiden Außenpositionen und Falk als einziger Spitze. Werden wir – je nachdem wie Kogler den Fitnesszustand von Brandstetter einschätzt – möglicherweise am Dienstag gegen den VfB noch einmal zu sehen bekommen. Wie es in dieser Systemfrage (ein oder zwei Mittelstürmer) weitergeht, wird interessant zu verfolgen sein. Ich habe da keine besondere Präferenz, für mich ist es wichtiger, dass die Passgenauigkeit und die darauf aufbauende Variabilität des Offensivspiels peu à peu besser wird.

Letzten Samstag hat nicht viel zu einem Punkt gefehlt, gestern trennten uns nur drei Minuten vom ersten Sieg. Die Hoffnung auf drei Punkte am Dienstag ist also nicht völlig abwegig. Das wird schwer genug gegen die bereits jetzt unter Druck stehenden Talente des VfB Stuttgart. Gelingt es, kann man aber mit einiger Berechtigung von einem halbwegs gelungenen Start in die neue Saison sprechen. Von einem, auf dem sich aufbauen lässt.

Last but not least bleibt zu hoffen, dass sich unser Kapitän nicht so schwer verletzt hat, wie es die ersten Bilder und Nachrichten vermuten ließen. Gute Besserung, André Laurito!

Rot-Weiß Erfurt vs. Borussia Dortmund II 1:2

Mir hängt die Geschichte um Marco Engelhardt noch tief in den Knochen; mein Verhältnis zum FCRWE ist derzeit so ambivalent wie lange nicht. Aber egal, gestern begann die neue Saison. Gelegenheit also, sich auf die sportlichen Aspekte zu konzentrieren.

Es war das erste Spiel einer auf vielen Positionen neu zusammengestellten Mannschaft. Es wurde gegen eine fußballerisch begabte Mannschaft verloren. Das ist ärgerlich aber kein Beinbruch. Wie wohl man natürlich sicherstellen muss, dass in den nächsten Spielen gepunktet wird. Sonst droht – wie vor 2 Jahren – eine verhängnisvolle Abwärtsspirale mitsamt den anscheinend unvermeidlichen internen wie externen Panikreaktionen.

Das Spiel gestern wurde verloren, weil die sehr ansehnlichen ersten zehn Minuten ohne Torerfolg blieben. Danach wurde der BVB besser und offenbarte die defensiven Probleme einer Aufstellung, die mit zwei vor allem offensiv agierenden zentralen Mittelfeldspielern sehr mutig zu nennen ist. Kann man machen, ist aber in jedem Fall riskant, da die defensive Absicherung funktionieren muss, was gestern erst mit der Einwechslung von Menz der Fall war. Tyrala und Möhwald bildeten vorher keinen Verbund, sondern spielten offensiv wie defensiv mehr oder weniger aneinander vorbei.

Das Spiel wurde auch verloren, weil Kogler mit der Auswechslung von Nietfeld viel zu lange wartete. Ich sage das nicht gerne und ohne jede Häme, aber in dieser Verfassung hat Nietfeld in der 3. Liga nichts verloren. Man opfert bei einem 4-4-2 immer einen Spieler im Mittelfeld, was nur zu rechtfertigen ist, wenn beide Stürmer Gefahr für die gegnerische Abwehr ausstrahlen. Davon war Jonas Nietfeld weit entfernt. Mit dem Wechsel Bukvas (bis dahin schwach) von der linken Seite in den Sturm wurde es besser. Der Österreicher konnte einige Male den Ball gut behaupten und bereitete nicht zufällig den Anschlusstreffer vor.

Ein weiteres Manko gestern ist fast schon ein RWE-Klassiker. Die Angriffsreihe, bestehend aus den beiden offensiven Außen und den zwei Stürmern, agiert viel zu statisch. Man steht auf einer Reihe mit der Viererkette des Kontrahenten und wartete auf Zuspiele, die nicht kamen. Nicht kommen konnten, weil beide Sechser aggressiv am Spielaufbau gehindert werden und mithin isoliert waren. Ein fluides Offensivspiel sieht anders aus: Ausweichen der Stürmer in den Rückraum, situatives Einrücken der Außenspieler, etc.

Zu den neuen Spielern will und kann ich nach nur einem Spiel noch nichts sagen, mit einer Ausnahme: Sebastian Tyrala. Er ist fußballerisch ganz klar eine Bereicherung im Mittelfeld, hat aber seine Stärken zweifellos in der Vorwärtsbewegung. Er ist eben nicht der Abräumer vor der Abwehr und als solcher wurde er auch nicht verpflichtet. Dies bedeutet aber auch, dass er defensiv gut abgesichert werden muss. Nach dem gestrigen Spiel würde ich sagen, dass Menz mit dieser Rolle weniger Probleme hat als Kevin Möhwald. Der kann das auch, die Frage ist nur, ob er sich mit dieser vor allem defensiven Ausrichtung auf Dauer zufrieden gibt. Auf der rechten Seite wirkte er (nach Koglers Umstellung und wie bereits am Anfang der letzten Saison) weitgehend isoliert.

Bilanzierend ist zu konstatieren, dass mit der Verpflichtung von Tyrala, Bukva und Judt die Mannschaft fußballerisch aufgewertet wurde. Jetzt bleibt abzuwarten, ob dieses mehr an offensiven Optionen mit der überlebensnotwendigen defensiven Stabilität versehen werden kann.

Im Übrigen war es das letzte Saisoneröffnungsspiel im Steigerwaldstadion, wie wir alle es kennen.

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