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Erfurt – Heidenheim: Wie Jekyll & Hyde – der RWE im Frühjahr 2012

Kevin Möhwald mit Überblick / © www.fototifosi.de

Der FC Rot-Weiß Erfurt bestritt in dieser Saison schon deutlich bessere Heimspiele. Leider hat er die wenigsten davon gewinnen können. Diesmal kam es anders, woran Drexlers gleichermaßen frühes wie sehenswertes Tor keinen geringen Anteil hatte. Das wiederum wurde weder von Pfingsten-Reddig (RWE-Bericht) noch von Hauck (Kicker, TA) vorbereitet. Der nach schönem Steilpass redlich verdiente Scorerpunkt gebührt allein Rudi Zedi – so viel Sorgfalt muss sein.

Sensationelles Spiel von Caillas

Aus der Not heraus beorderte Emmerling Marco Engelhardt in die Innenverteidigung. Dafür, dass er diese Position gewiss noch nicht allzu häufig spielte, hat er seine Sache sehr ordentlich gemacht. Am Anfang waren die beiden «Erfurter Jungs» (Bertram war der andere IV) noch etwas nervös, im Laufe des Spiels gewannen sie jedoch zusehends an Sicherheit und Ruhe. Sicherheit und Ruhe – dafür bot sich den beiden allerdings auch prima Anschauungsunterricht in unmittelbarer räumlicher Nähe. Der oft und zuweilen sogar zu Recht kritisierte Olivier Caillas bot auf der linken defensiven Außenbahn eine Leistung, die ich nicht umhin komme, makellos zu nennen. Wenn man Ballsicherheit und cleveres Zweikampfverhalten auf Flaschen ziehen und im Supermarkt verkaufen könnte, Olivier Caillas wäre ein gemachter Mann. Schade nur, dass sich seine Zeit beim RWE – deutet man alle Zeichen richtig – dem Ende zuneigt. An diesem Abend jedoch war allein er das Eintrittsgeld wert (naja, wenigstens gilt das für mich). Großes Kino, wie er in einer Szene der ersten Halbzeit gleich zwei Heidenheimer Angreifer mit einer minimalistischen Bewegung (und Ball am Fuß) ins Leere laufen ließ.

Kontrollierte Offensive

Das frühe Tor hatte taktische Konsequenzen. Marco Alles stellte in der Thüringer Allgemeinen fest, dass Morabit die Unterstützung aus dem Mittelfeld fehlte, weshalb er sich oft in zumeist erfolglosen Einzelaktionen aufrieb. Das ist gut beobachtet, allerdings nahm Emmerling dies billigend in Kauf. Jeweils nur einer der beiden Sechser schaltete sich vorsichtig in die Angriffe ein, der andere blieb konsequent in einer Defensivposition. Auf jeden Fall sollten Unterzahlsituationen bei Angriffen der Heidenheimer vermieden werden, weshalb man im Offensivspiel eben diese Unterzahl hinnahm. Taktisch ist daran nichts zu kritisieren, schließlich lag man durchweg in Führung. Klar war zudem, dass im weiteren Fortgang des Spiels die Konterräume größer werden würden, da Heidenheim das Risiko erhöhen sowie läuferisch abbauen würde. Von daher hatte das entscheidende zweite Tor beinahe etwas Zwangsläufiges. Jedoch nur beinahe, denn es handelte sich ja um den RWE der da spielte und der hatte es in dieser Saison mehrmals fertiggebracht, trotz turmhoher Überlegenheit ein Heimspiel nicht zu gewinnen. Das war am Dienstag anders: Möhwald (Vorarbeit) und Morabit sicherten den Sieg mit einem cool herausgespielten Tor.

Morabit gut, aber weniger Eigensinn wäre mehr

Morabits Performance empfand ich – trotz Tor und oftmaliger Unterzahl – zum wiederholten Mal nicht als optimal. Kein Zweifel, er ist viel unterwegs, bemüht sich stets anspielbar zu sein und arbeitet nach hinten immens fleißig. Trotzdem muss unser Trainer darüber nachdenken, wie man über diesen Ausnahmefußballer (jedenfalls für die Verhältnisse der 3.Liga) mehr und vor allem effektivere Offensivaktionen initiieren kann. Morabit besitzt die Gabe so gut wie jeden Ball (auch unter Druck) schnell unter Kontrolle zu bringen. Das ist aber oft nutzlos, da er meist am zweiten oder dritten Gegenspieler scheitert, die er dribbelnd hinter sich zu lassen sucht. Ballbesitz vorbei, Angriff vorüber. In vielen Fällen ließe sich das vermeiden, wenn er den Ball früher zum besser postierten Mitspieler passen würde. Allerdings steht dem die folgende Aussage Emmerlings entgegen: „Smail ist zielstrebiger geworden, auch ein Stück weit egoistischer. Das macht ihn noch wertvoller“. Bei allem Respekt vor dem Fachwissen und der Arbeit unseres Trainers, das sehe ich grundlegend anders. Kontrollierter Ballbesitz in der Hälfte des Gegners ist zu wertvoll, um ihn durch Gewaltdribblings mit a priori geringen Erfolgsaussichten ohne Not zu gefährden. Da liegt Potenzial brach.

Auch mal ohne Ronny Hebestreit in Offenbach gewinnen

Genug der Mäkelei, alles in allem sahen wir einen souveränen Sieg des RWE über biedere Heidenheimer, die einen neuerlichen Nachweis ihrer chronischen Auswärtsschwäche lieferten.

Jetzt freue ich mich auf die Offenbacher Kickers. Zum letzten Mal sah ich am 4. August 2000 ein Spiel auf dem Bieberer Berg. Damals gewann der RWE vor der äußerst eindrucksvollen Kulisse von 13.000 Zuschauern mit 1:0. Vielleicht erinnert sich Marco Engelhardt daran, er stand gemeinsam mit Clemens Fritz und dem – in meiner Erinnerung – überragend aufspielenden Norman Loose in der von Frank Engel trainierten Erfurter Mannschaft. Der RWE hat in den letzten Jahren in Offenbach oft gut gespielt. Nichtsdestotrotz, den letzten Sieg dort gab es in der Saison 2003/2004. Wäre mal wieder schön, wäre mal wieder Zeit. Smail, come on, mach uns den Ronny!

Werder Bremen II – RWE 1:1

Kein Liveticker, kein Liveradio, nur spärliche Informationen fanden den Weg von Platz 11 des Weserstadions auf die Monitore der zu Hause gebliebenen RWE-Anhänger. Was die Qualität der Berichterstattung betraf, fühlte ich mich in die längst vergangene Zeit versetzt, als deutsche Fußball-Nationalmannschaften in Albanien oder auf Malta spielten. Auf staubtrockenen Hartplätzen ging es um Punkte für die EM- oder WM-Qualifikation. Rundfunk-Korrespondenten knarrten schwer verständliche Umständlichkeiten durch den Mittelwellen-Äther, so denn die brüchige Telefonverbindung nach Tirana oder La Valetta überhaupt zu Stande kam. Nie gab es Erhebendes zu vermelden, allenfalls ein knapper Pflichtsieg war dort zu holen. Und manchmal blamierte man sich bis auf die berühmten Knochen – wie beim 0:0 der DFB-Elf am 17.12.1967 in Tirana.

Den Ausgleich schoss Johann Morabit

Aber jeden Samstag, ab 16.30 Uhr, wird ja Licht am Ende des Tunnels. Sport im Osten, jenes journalistische Glanzstück unseres geliebten heimatlichen Kuschelsenders würde verlässliche Informationen über das Spielgeschehen in La Valetta Bremen liefern. Allerdings, ja klar, da gab es zunächst wichtigere Dinge über die es zu berichten galt. Bevor der mdr die Zeit fand, sich den Spielberichten der Profifußballer aus Chemnitz, Erfurt und Jena zuzuwenden, musste das sportliche Highlight des Wochenendes opulent versendet werden: ein Frauenfußballhallenturnier. Handgestoppte 26 Minuten verwendeten die Schmocks des mdr auf diesen Charity-Event, der den sportlichen Wert einer südthüringischen Kreismeisterschaft im Handyweitwurf noch deutlich unterschritt. Mir ist schon klar, dass Lira Bajramajs Sex-Appeal um Nuancen höher liegt, als jenes von – sagen wir mal – Rudi Zedi, trotzdem scheinen dem mdr die Maßstäbe für die Relevanz von Sportveranstaltungen endgültig abhanden gekommen zu sein.

Auf 26 Minuten Frauenhallenfußball folgten dann 11 Minuten Profifußball mit dem RWE. Es sollte nicht der letzte Fauxpas des mdr an diesem Nachmittag bleiben. Der Reporter aus Bremen hatte wohl nicht die nötige Zeit, sich mit den Spielernamen der Teams näher vertraut zu machen, jedenfalls hieß Smail Morabit bei ihm durchgängig Johann mit Vornamen. Wahrscheinlich eine Verwechslung mit Oumaris Rufnamen, der Joan lautet und von logopädisch sparsam ausgebildeten Sprechern auch schon mal Johann artikuliert wird.

Kleiner Kader – bei Sperren, Geburten und Verletzungen wird es eng

Der RWE hat mit 23 Akteuren, neben Saarbrücken, den kleinsten Kader aller Drittligisten. Caillas und Drexler waren gesperrt, Manno nach seiner Verletzung noch nicht fit und Danso Weidlich einen Tag vor dem Spiel Vater geworden. So musste Emmerling auf vier Stammkräfte verzichten, von Jovanovic und Serge Yohoua redet ja irgendwie niemand mehr. So kam es, dass die personell-taktische Ausrichtung der Mannschaft zum einen sehr gewöhnungsbedürftig war, zum anderen saßen auf der Bank eigentlich nur noch ein paar Jungpioniere Nachwuchsspieler, von denen allein Hauck in der 87. Minute einer Einwechslung für wert befunden wurde. Das macht ein weiteres Dilemma im Kader des RWE deutlich: nach den ersten 15 kommt nicht mehr viel. Können von den Stammkräften einige nicht spielen, wird es schnell sehr, sehr eng. Und auch wenn es so klingen mag, das ist keine Kritik an der sportlichen Leitung des Vereins. Es bleibt strategisch richtig, sich bei den Neuverpflichtungen für Spieler wie Oumari, Manno, Rauw, Morabit und Engelhardt zu entscheiden, die zwar teuer sind, bei denen man aber davon ausgehen kann, dass sie der Mannschaft sofort helfen können, anstatt eine größere Anzahl preiswerterer Spieler zu verpflichten, von denen es möglicherweise niemand in die erste Mannschaft schafft. Mehr gibt der Etat eben nicht her. Die Aufgabe unseres Trainers wurde zudem dadurch verkompliziert, dass sich Engelhardt für eine laufintensive Mittelfeldposition noch nicht fit genug fühlte, so dass er Ströhls Stelle auf der linken Abwehrseite einnahm. Alles in allem waren das nicht die allergünstigsten Vorzeichen, den derzeit deutlich negativen Trend zu stoppen.

Dem Spielverlauf entsprechendes Remis

Ob man das Unentschieden als Punktgewinn oder -verlust ansieht, liegt im Auge des Betrachters. Eingedenk der nach wie vor nicht völlig gegenstandslosen Ambitionen in Richtung Relegationsplatz kommt man wohl nicht umhin, von einem enttäuschenden Resultat beim Tabellenletzten zu sprechen.

Es ist schwierig die Leistungen einzelner Spieler fair zu bewerten. Engelhardt trifft jedenfalls definitiv keine Schuld am schnellen Rückstand. Der Bremer Ayik hatte bereits unsere beiden Innenverteidiger hinter sich gelassen und war dabei allein auf Sponsel zuzulaufen, als Engelhardt von links einrückte und dies zu verhindern suchte. Sein Abfälschen des Balles über unseren Torhüter hinweg war einfach nur verdammtes Pech.

Nach dem sehenswert heraus gespielten Ausgleich durch Morabit war Erfurt der Führung deutlich näher als die Bremer. Zedi und Morabit hatten danach noch zwei erstklassige Chancen. Überhaupt, Morabit, er hatte schon gegen die Bayern zu gefallen gewusst, und bestätigte mit seiner Leistung in Bremen diesen Aufwärtstrend. Wenn in dieser Saison noch etwas nach oben gehen soll beim RWE, dann wird Morabit dabei eine wichtige Rolle zukommen. Deshalb kann man nur hoffen, dass sich unser talentiertester Offensivallrounder nicht noch einmal verletzt. Take care, Smail. Auch Reichwein wusste mit dem für ihn typischen Spiel zu gefallen: mannschaftsdienlich, kopfballstark, engagiert. Beim Rest scheiden sich die Geister: dem Notengeber der Thüringer Allgemeinen gefielen Ströhl und Ofosu-Ayeh besser als Zedi und Pfingsten, sein Pendant beim Kicker bewertete die Leistungen unseres Mittelfelds genau anders herum. Herrje, wenn man nicht alles selbst macht.

Jetzt kann es schnell gehen und wir liegen aussichtslos hinten

Unnötig über die weiteren Aussichten viele Wort zu verlieren: Jetzt müssen Siege her. Sonst verdämmert die Saison im sportlichen Nirgendwo. Das wäre schade, aber es gibt Schlimmeres, wie uns ein Blick 50 Kilometer ostwärts lehrt. Jedenfalls ist es gut, dass Caillas, Manno und Weidlich nächste Woche wieder dabei sind. Gegen die spielstarke Reserve des VFB braucht es eine deutliche Steigerung in allen Mannschaftsteilen.

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