Noch sorgenvoll und etwas grantig blickend: Walter Kogler
Schlecht gespielt und gewonnen folgt auf gut gespielt und nicht gewonnen. Mit diesem Satz lassen sich die beiden letzten Begegnungen der Erfurter Rot-Weißen auf den Punkt bringen. Erneut zwangen Walter Kogler widrige Umstände, die Mannschaft massiv umzubauen. Das wäre beinahe schief gegangen. Beinahe.
Motto des Spiels:
I can see for miles!
Die Aufstellung:
«Die personelle Situation entspannt sich.» Stand hier nach dem Spiel gegen den Nachwuchs des VfB zu lesen. Stimmte auch, bis sich gestern vor dem Spiel Andre Laurito verletzte. Schlimmer konnte es kaum kommen. Kogler war genötigt, die komplette Abwehrkette umzubauen (da ja Kleineheismann ebenfalls fehlte). Engelhardt und Czichos hatten beide schon in der Innenverteidigung gespielt, nur eben nicht zusammen. Beides sind Linksfüße, sodass Engelhardt zudem gezwungen war, die rechte Position der beiden Innenverteidiger einzunehmen. Kreuzer kann nur rechts spielen, deshalb musste Odak auf die linke Seite wechseln. Zu allem Überfluss war die Mannschaft damit auch «kleiner» geworden, was für eventuelle Standards der Unterhachinger keine gute Aussicht war. Es gibt gewiss Zeitgenossen, die an dieser Stelle einwenden werden, dass das ja alles Profis sind, die den ganzen Tag nichts anderes tun als Fußball spielen. Und deshalb mit so einer Situation umgehen können sollten. Stimmt, und das haben sie dann ja auch sehr passabel getan. Nur ist es eben so, dass ein Abwehrverbund, wie der Name schon sagt, eine kollektive Angelegenheit ist und diese Gruppenharmonie gewisse trainierte Mechanismen bedarf. Zum Beispiel müssen die Abstände untereinander stimmen, es muss die Distanz zum Mittelfeld eingehalten werden (nicht zu groß aber auch nicht zu klein). Es sollten die Kommandos zum Herauslaufen klar sein – wenn der Gegner Abseits gestellt werden soll, etc. Deshalb rotieren Trainer in der Abwehr nicht ohne Not, selbst wenn sie dies in den übrigen Mannschaftsteilen fast schon zum Stilprinzip erhoben haben, wie z.B. Guardiola bei den Bayern. Es wäre verwunderlich gewesen, wenn diese massiven Umbauten keine Leistungseinbuße zur Folge gehabt hätte.
Taktiksplitter:
Wieder das altbewährte 4-4-2, diesmal mit Pfingsten und Möhwald auf der Doppelsechs. Ein Gespann, dass keine schlechte Bilanz vorzuweisen hat. Die Bilanz ist gestern noch besser geworden, diesmal muss man aber etwas frech behaupten: Nicht wegen, sondern trotz ihnen! Beide hatten sich einen gebrauchten Tag andrehen lassen. Wer das Zentrum beherrscht, der beherrscht das Spiel. Gestern waren das ganz eindeutig die Jungs von Christian Ziege. Pfingsten-Reddig mit den – leider – schon gewohnten Lässigkeiten in der Defensive. Typisch eine Szene aus Halbzeit eins, in der – nach einem Ballverlust – die Hachinger im Umkehrspiel angreifen. Pfingsten versucht den Konter zu unterbinden, wird aber ausgespielt und muss dann eigentlich das Foul nehmen (und evtl. Gelb riskieren), tut das aber nicht, lässt den Hachinger laufen, was sich Sekunden später in direkter Torgefahr niederschlägt. Hinzu kamen – von beiden Akteuren – etliche Fehlabspiele.
Ein weiteres Problem des RWE-Angriffspiels waren die Flügel. Vor allem wirkte sich aus, dass Drazan diesmal nicht von Czichos unterstützt werden konnte, sowohl beim Aufbau der Angriffe, als auch was seine Sicherung nach hinten betraf. Hier wurde dann eine Schwäche der Lauterer Leihgabe offenbar, sein Spiel gegen den Ball. (Man ist geneigt zu sagen: ein notorisch österreichisches Defizit). Was dann wiederum Kogler auf die Palme brachte, der seinen jungen Landsmann einige Male heftig ermahnte.
Das Coaching:
Für mich waren alle Wechsel nachvollziehbar, wenn sie auch nicht wirklich die gewünschten Resultate zeitigten.
Spieler des Tages:
Marco Engelhardt. Nicht fehlerfrei auf doppelt ungewohnter Position und ohne Unterstützung wenigstens eines gelernten Innenverteidigers. Trotzdem machten er und Czichos das ziemlich gut. Er sah sich – angesichts der Schwäche der beiden 6er im Spielaufbau – zunehmend auch dafür verantwortlich und schlug in Halbzeit zwei einige sehr brauchbare Pässe. (Klar hätte ich auch Kammlott nennen können, aber ich habe den Verdacht, sein Name wird hier ohnehin noch einige Mal auftauchen).
Bilanz des Spiels:
Ein Sieg, der so wichtig war, dass es fast schon irrelevant ist, wie er zustande kam. Jetzt hat RWE 10 Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze, bei sieben noch ausstehenden Spielen ist da nichts mehr zu befürchten. Zu einem frühen Zeitpunkt kann die Planung für die neue Saison verbindlich betrieben werden. Das ist ein Wettbewerbsvorteil und ich bin sehr optimistisch, dass Hörtnagl und Kogler den zu nutzen wissen.
Der Gegner:
«Nicht immer schön hinten rausspielen», hatte Ziege vor dem Spiel im kicker postuliert. Seine Jungs hielten sich nicht daran und wären – beinahe – dafür belohnt worden. Man muss schon ein Herz aus Stein haben oder rein gar nichts von Fußball verstehen, wollte man den Hachingern absprechen, gestern Abend nicht mindestens einen Punkt verdient gehabt zu haben. Es kam anders, gut für uns, schlecht für das talentierte Team aus Oberbayern.
Noch vor einigen Jahren hätte man das Folgende gar nicht erwähnen müssen, aber derzeit greift die Unsitte um sich, einfach weiter zu spielen, wenn ein verletzter Spieler des Gegners am Boden liegt. Nicht so Unterhaching, die haben zweimal den Ball ins Aus gespielt. Wohlgemerkt: Mitte der 2. Halbzeit, bei einem 0:1-Rückstand und während einer eigenen Druckphase. Großartig!
Die Konsequenzen:
Platz vier ist immer noch möglich, wenn auch schwierig, da Wehen ebenfalls gewann und irgendwie einen Lauf zu haben scheint.
Die Öffentlichkeit:
Ich habe es so vermisst – die Nörgelei in den Foren nach einem Sieg. Allemal besser als das konsternierte, entsetzte Schweigen nach den Spielen gegen Kiel und Elversberg. Die TA verblüfft ein bisschen mit dem offenkundigen Gegensatz eines eher negativen Spielberichts und guter Einzelnoten für die Spieler.
Die Aussichten:
Aus bereits beschriebenen Gründen: blendend. Man kann die Saison ambitioniert (DFB-Pokal) aber in Ruhe zu Ende spielen. Ich hoffe nur, dass sich die schlimmsten Gerüchte hinsichtlich der Verletzung Lauritos nicht bestätigen und er wirklich nur für das Spiel in Heidenheim ausfällt.
Sollte Heidenheim heute Abend verlieren, wird dort das ganz große Flattern losgehen. Könnte am Samstag ein spektakuläres Spiel werden, dazu ist aber – ganz klar – eine Leistungssteigerung des gesamten Teams vonnöten.
Wenn ich der Trainer wäre …
… würde ich schon viel an die nächste Saison denken. Es gibt in allen Mannschaftsteilen eine Menge zu verbessern. Es reicht eben nicht aus, nur ab und an mit den Besten der Liga mithalten zu können. Um ernsthaft oben dabei zu sein, muss schlichtweg mehr Konstanz auf hohem Niveau her. Das ist leicht daher geschrieben, ich weiß. Aber wir nähern uns der mystischen Zahl 2016, von daher drückt es nur aus, was sich der Verein selbst auf die rot-weißen Fahnen geschrieben hat.