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Spiel gegen Brentford, diverse Interviews & Erfurt liebt den Fußball nicht

Die einen fanden Laurito besser als Kleineheismann, andere sahen Odak offensiver als Czichos und wieder andere waren exakt der gegenteiligen Auffassung. Einig war man sich darin, dass aus Mijo Tunjic in der Sommerpause kein Claudio Pizarro geworden ist und Philipp Klewin zuweilen ganz schön nervös seinen Strafraum nicht beherrschte. Die TLZ vermeldet als Neuigkeit eine Systemänderung hin zu einem 4-1-4-1, was ich bereits vor mehr zwei Wochen als sehr wahrscheinliches Koglersches System prognostiziert hatte. Von einer Systemänderung kann überdies nicht wirklich die Rede sein, da es auch unter Schwartz in der Rückrunde des Öfteren ein 4-1-4-1 gab, meist mit Oumari auf der 6er-Position, einmal auch mit Engelhardt (bei einem weiteren zur Halbzeit abgebrochenen Versuch mit Baumgarten).

Mehr als die Unterschiede sind mir die Gemeinsamkeiten zur letztsaisonalen taktischen Formation aufgefallen. Da wäre in erster Linie die mangelnde Breite des Angriffsspiels des RWE zu nennen. Die Außenbahnspieler auf den ballfernen Positionen bewegen sich nicht in den freien Raum zur Seitenlinie hin, sondern orientieren sich zur Platzmitte. Bei Schwartz war das Absicht, in seinem System wurde bereits bei der eigenen Offensivbewegung einem möglichen Ballverlust vorgebaut. Bewegen sich die Außenbahnspieler eng zu ihren zentralen Mitspielern, ist es für den Gegner schwer, sich durch diese kompakte Formation mittels schnellem Umschaltspiel einen Vorteil zu erkontern.

Das Hauptmanko dieser Komprimierung liegt in den eingeschränkten Optionen des Offensivspiels. Der Gegner kann seine Reihen kompakt verschieben und sich dabei exklusiv auf die Platzmitte und die ballnahe Seite konzentrieren. In diesem Spielfeldviertel bewegen sich dann mindestens sechs Spieler jeder Mannschaft, was außergewöhnliche Präzision bei Weiterleitung und Verarbeitung des Balles zwingend voraussetzt, um in Strafraumnähe zu gelangen. Eine überraschende Spielverlagerung – über die Spielmitte eingeleitet – steht nicht zu Gebote. Ob das von Kogler so gewollt war, oder ob die Mannschaft nur in alte Gewohnheiten verfallen ist, will ich nach diesem einem Spiel nicht beurteilen.

Ansonsten werden viele Interviews gegeben. Der Trainer lobt die Spieler sowie die Trainingsbedingungen in Weißensee. Die Mannschaft lobt via Pfingsten-Reddig den Trainer zurück («Spricht viel mit uns», «Wir trainieren fast nur mit Ball»). Rene Müller tadelt die Stadt Erfurt und Rolf Rombach findet, dass er (zum Teil) recht hat.

Nun, was den akuten Honeymoon zwischen Mannschaft und Trainer betrifft: Ich will nicht hoffen, dass hier zutrifft, was Harald Schmidt mal über die gegenseitigen Sympathiebekundungen bei Fernsehproduktionen äußerte: «Wenn alle sagen wie lieb sie sich haben, wird die Show garantiert nach drei Folgen abgesetzt.» Es ist wirklich schön zu hören, dass die Pheromonreaktionen zwischen Mannschaft und Trainer stimmen, aber was ich in erster Linie sehen will und erwarte, ist eine sukzessive Verbesserung der fußballerischen Qualität des Teams. Ich schreibe auch deshalb über Fußball, weil es ein so grundhaft ehrlicher Sport ist und man im Angesicht der Leistung auf dem Spielfeld meist getrost alles in die Tonne treten kann, was einem vorher erzählt wurde. Denn: Am Ende liegt die Wahrheit auf dem Platz. Und nur dort.

Erfurt will den Fußball nicht. Behauptet Rene Müller in seiner vorsaisonalen Analyse der Aussichten der «Ostklubs» in der BILD. Immerhin genug, dass die Stadt das Risiko eines Stadionneubaus nicht scheut, möchte man erwidern. Aber er hat natürlich recht, unser Aufstiegstrainer im Ruhestand. Die Stadt Erfurt und viele ihrer Bewohner pflegen ein, zurückhaltend formuliert, gespaltenes und nicht in jedem Fall sinngesättigtes Verhältnis zu ihrem größten und bei weitem bekanntesten Sportverein. Dieser soll erfolgreich spielen, dabei aber möglichst keine Ansprüche stellen. Er soll seine Stadionmiete pünktlich überweisen, zahlende Fans stellen jedoch in jeder Beziehung eine Zumutung dar. Ein seit 20 Jahren offenes Verkehrsproblem mit einer Einfahrtsstraße sollte als Vehikel dafür herhalten, den Stadionbau zu unterbinden. Ausgerechnet von jener Partei als Argument benutzt, die 16 Jahre fast exklusiv die Macht an der Gera innehatte und in dieser Zeit weder Stadion noch Zufahrtsstraße grundhaft renoviert bekam.

Aber zurück zu Wichtigerem. Hat sich an meiner Einschätzung bezüglich der zu erwartenden Startelf gegen die Stuttgarter Kickers etwas geändert? Klare Antwort: nein. Eher haben sich einige Zweifel erledigt. Ich denke, dass Kleineheismann leichte aber deutlich wahrnehmbare Vorteile gegenüber Möckel hat. Wobei Kogler zweifellos recht zu geben ist, wenn er die Auffassung äußert, dass es unabdingbar ist, mit drei in etwas gleich starken Innenverteidigern in die Saison zu starten. Das ist das Minimum. Göbel hat mich gegen Brentford nicht überzeugt. Es bleibt dabei: er eignet einen überragenden rechten Fuß, hat aber nach wie vor Probleme in der Ballbehauptung und Handlungsschnelligkeit bei gegnerischem Pressing, die umso mehr auffallen je offensiver er aufgeboten wird. Tunjic bekommt wie stets Bestnoten in puncto Engagement, Laufarbeit und Pressing, war allerdings leider wenig überzeugend bei seinen Angriffsaktionen. Das Tunjic-Dilemma: Er ist als offensiver zentraler Zielspieler ungeeignet, weil er zu viele Bälle nicht schnell und gut genug verarbeitet, mithin zu viele Fehlpässe spielt; während seine Haupttugenden – Durchsetzungsfähigkeit und Geschicklichkeit in unmittelbarer Tornähe – mangels geeigneter Flanken von außen (siehe oben) nicht adäquat zum Tragen kommen. Schade, dass Derici nicht zum Einsatz kam, ich vermute aber, dass die bekannt gewordenen konditionellen Defizite sich ohnehin nicht bis zum Auftaktspiel restlos verflüchtigen, er also bis auf Weiteres eine Option auf der Bank bleiben wird. Ach ja, die Torhüterposition könnte noch zu einem Fragezeichen werden, doch ich hoffe inständig (für ihn, für uns), dass Klewin seine Nerven in den nächsten beiden Spielen (Ingolstadt, Magdeburg) besser im Griff hat. Mach dich locker, Philipp!

Evtl. Startelf des RWE am 1. Spieltag Saison 13/14 – Version 2.0 / 08.07.2013

FC Rot-Weiß Erfurt vs. Brentford FC / Vorschau

Am Sonnabend stehen sich zu einem Vorbereitungsspiel in Weißensee zwei Fußballklubs gegenüber, die mehr gemeinsam haben als die traditionellen Farben ihrer Trikots. Die Glanzzeiten beider Vereine liegen Jahrzehnte zurück. Den letzten Titel des RWE gab es 1955 zu feiern; noch schwieriger dürfte es sein, beim FC Brentford Zeitzeugen für die großen 30er Jahre des Klubs zu finden. Zu dieser Zeit spielten die Westlondoner in der höchsten englischen Spielklasse und schlugen sich mit Platzierungen im vorderen Mittelfeld äußerst respektabel. Weit verblüffender sind jedoch die aktuellen Parallelen. Sowohl Brentford als auch der RWE setzen alles daran, der momentanen Drittklassigkeit zu entkommen. Nach Jahren mittelmäßigen Abschneidens in der League 1 (Vermarktungsenglisch für 3. Liga) stand Brentford in der abgelaufenen Saison ganz kurz davor, dies Wirklichkeit werden zu lassen. Am vorletzten Spieltag der regulären Saison vergab man eine realistische Chance auf die direkte Aufstiegsmöglichkeit durch ein 1:1 beim bereits feststehenden Absteiger Hartlepool United. Brentford musste in die Aufstiegs-Play-Offs und verlor das Finalspiel gegen Yeovil Town vor 42.000 Zuschauern in Wembley mit 1:2. Entscheidende Spiele zu verlieren, dies dürfte den Anhängern des RWE aus den letzten Jahren bestens (oder schlechtestens) vertraut sein. Auch beim FC Brentford lässt der Zuschauerzuspruch im heimischen, altehrwürdigen Griffin Park (vermutlich mehr alt als würdig) das Management des Klubs nicht frohlocken. Nur zum letzten Heimspiel gegen die Doncaster Rovers (als man nur noch eine recht vage direkte Aufstiegschance hatte), kamen mehr als 10.000 Zuschauer zu einem Heimspiel. Das führt uns zur nächsten Gemeinsamkeit: beide Vereine sehen es als unerlässlich für eine erfolgreiche (oder überhaupt eine) Zukunft an, dass ihre geschichtsträchtigen aber unzeitgemäßen Stadien durch neue Spielstätten ersetzt werden. Bei diesem Punkt enden an dieser Stelle allerdings die Gemeinsamkeiten. Während der FC Brentford (oder sein Eigentümer) gezwungen ist ein neues Stadion selbst zu finanzieren (und sich damit schwer tut), befindet sich der RWE in einer vergleichsweise komfortablen Situation, da der Bau der neuen Arena zu 100% aus diversen öffentlichen (sprich steuerfinanzierten) Quellen bestritten wird. Beim FC Brentford rechnet niemand mit der Fertigstellung vor 2017, in Erfurt hoffen alle auf die Jahresmitte 2015.

Der Star des FC Brentford steht selbst nur neben dem Platz und sein Name lautet Uwe Rösler. Ich muss gestehen, dass ich Röslers aktive Zeit als Fußballer nur schlecht erinnere. Jedenfalls den Teil davon, der in Deutschland stattfand. Umso Erstaunlicheres geschah, als er 1994 zu Manchester City wechselte, sofort entscheidend an der Vermeidung des Abstiegs beteiligt war und über die Stationen Stammspieler, Torgarant, Publikumsliebling zu einem Vereinsmythos avancierte, offiziell beglaubigt durch die Aufnahme in die Manchester City Hall of Fame im Jahre 2009. Seit 2011 arbeitet er als Manager (sprich Trainer) des FC Brentford, sein Vertrag wurde Anfang 2013 um weitere zwei Jahre verlängert. Nach dem Willen des Managements soll er den Verein in eine sportlich lichtere Zukunft führen. Man setzt auf Kontinuität, selbst wenn es nach dem knappen Scheitern im Aufstiegsrennen viele lange Gesichter beim FC Brentford gab. Rösler allerdings stellt dort niemand in Frage.

Als kleines Schmankerl zur Einstimmung auf das Spiel berichtet Wilfried Mohren davon, dass dereinst sogar Rod Stewart für The Bees gespielt hätte. Das ist eine Geschichte, die seit Langem erzählt wird. Aber sie ist nur ein Mythos, wie Rod Stewart in seiner Autobiographie 2012 zugab. Richtig ist wahrscheinlich, dass er ein oder zwei Wochen in einem Nachwuchsteam mittrainierte (doch selbst dafür finden sich keine Belege mehr), er bestritt jedoch definitiv kein einziges offizielles Spiel für die Westlondoner.

Wie auch immer, ich freue mich jedenfalls sehr auf dieses Spiel und erhoffe mir davon vor allem Aufschluss über das von Kogler favorisierte Spielsystem. Und darüber, ob wir mit Okan Derici vielleicht doch einen zweiten Özil verpflichtet haben. Oder wenigstens einen zweiten Calhanoglu.

Näherung an die Startelf gegen die Stuttgarter Kickers / V1.1

Ich hatte ja versprochen, dass ich je nach Nachrichtenlage, Vorbereitungsspielen, Pressemeldungen und sonstigem Gedöns hier ab und an über die aus meiner Sicht wahrscheinlichste Startformation des RWE am ersten Spieltag spekuliere.

Nun, es haben sich harte Fakten auf einer Position ergeben: Andreas Sponsel verlässt den Verein, um in Bayreuth Sport zu studieren und nebenbei noch ein bisschen in der fünften Liga zu kicken. Über die Verdienste von Andreas Sponsel ist in den letzten Tagen alles geschrieben worden, jegliches davon ist richtig. Ich kann seine Entscheidung gut nachvollziehen, schließlich ist Ex-Fußballprofi kein Beruf, auch wenn das einige bemitleidenswerte Gestalten a la Helmer, Strunz und Basler anders sehen. Über den Zeitpunkt der Entscheidung lässt sich diskutieren, aber dem Verein bleiben noch knappe drei Wochen um einen Ersatz für Sponsel aufzutreiben – wobei ich natürlich hoffe, dass die Verpflichtung möglichst zeitnah geschieht. Ich traue mir momentan kein Urteil darüber zu, ob Klewin bereits die Stabilität aufweist, um als Stammtorhüter in eine Profisaison zu starten. Bis zur Verpflichtung eines neuen Torwarts gehe ich einfach mal davon aus. Den heute verpflichteten Okan Derici werde ich mir gegen Brentford anschauen. Mit einigen Erwartungen.

Abgesehen von der Personalie Sponsel bleibe ich vorerst bei der Version 1.0 meiner Startelf-Annäherung.

Evtl. Startelf des RWE 1. Spieltag Saison 13/14 – Version 1.1 / 01.07.2013

Mit dem grünen Pfeil werden Änderungen zur vorhergehenden Version gekennzeichnet, in diesem Fall also nur Klewin gegen Sponsel. Große Unsicherheit bezüglich einer Personalie wird durch den Kegel angezeigt. Wobei sich in der Abwehr die von Anfang an vermutete Formation stabilisiert, darauf weisen die Testspielaufstellungen gegen Baunatal und Schweinfurt hin. Hier ist wohl allein die Frage: Kleineheismann oder Möckel. Engelhardt, Pfingsten-Reddig und Möhwald halte ich ebenfalls für gesetzt. Auf den beiden offensiven Außenbahnen scheinen sich momentan Strangl, Öztürk und Fillinger einem Wettbewerb um die Gunst von Walter Kogler zu liefern. Gleichermaßen macht die Mittelstürmer-Entscheidung zwischen Brandstetter und Tunjic den Eindruck völliger Offenheit. Von dem bevorstehenden Spiel gegen Brentford verspreche ich mir vor allem eindeutige Hinweise auf das von Kogler bevorzugte Spielsystem. 4-1-4-1, 4-2-3-1, oder vielleicht doch ein 4-4-2 – am Samstagabend wissen wir mehr.

Bis dahin – bleibt mir gewogen.

Der neue Cheftrainer des RWE: Walter Kogler / Einige Anmerkungen

Mein Kollege glänzte mit wienerischem Sarkasmus, als ich ihm die Verpflichtung unseres neuen Cheftrainers verkündete: «Seids deppat? Mal wieder ein österreichischer Arbeitsloser, der in Deutschland sein Glück sucht.» Seht es ihm nach, er kann nicht anders. Für einen guten Gag würde er seine Mutter verkaufen. (Vermutlich sogar für weit weniger.) Aber er korrigierte sich schnell und seine Meinung zu Walter Kogler fiel dann doch ermutigend aus: Der wäre ja, dem Himmel sei Dank, kein Mitglied dieser 78er-Cordoba-Dampfplauderer-Gang à la Hickersberger, Prohaska und Krankl, die seit diesem – ihrem einzigen nennenswerten – Erfolg, akribisch und unentwegt am Niedergang des österreichischen Fußballs arbeiteten. (Eine etwas monokausale Sichtweise der Dinge, wie ich finde.) Kogler habe als Spieler so ziemlich das Maximale aus seinem nicht unbegrenzten Talent herausgeholt und als Trainer habe er mit Wacker Innsbruck Erstaunliches geleistet. Soweit mein Kollege aus Wien.

Das deckt sich in etwa mit all dem, was seit der überraschenden Vorstellung Walter Koglers am letzten Donnerstag geschrieben wurde. Was aber heißt dies fußballerisch für den FC Rot-Weiß Erfurt? Welchen Fußball haben wir zu erwarten? Welches System bevorzugt Kogler, wenn er denn eines bevorzugt? Hat jemand schon einmal in einer der obersten Spielklassen als Trainer gearbeitet, so ist sein Wirken relativ gut dokumentiert. Das ist auch bei Walter Kogler so. In der Aufstiegssaison 09/10 ließ er Wacker Innsbruck fast durchweg ein 4-4-2-System mit Raute spielen. Ein System, das unter deutschen Taktikexperten nicht den besten Ruf genießt. Das ist möglicherweise etwas ungerecht, nur weil einem da sofort (und exklusiv) die Thomas-Schaafsche-Variante einfällt, die nicht wenige für den fußballerischen Sturzflug von Werder Bremer verantwortlich machen. Sehr nachdrücklich und beeindruckend kenntnisreich wird so im Werder-Blog (ballverlust.net) von Johan Petersen argumentiert. Der Hauptvorwurf an das 4-4-2 mit Raute lautet: Wenn es zu offensiv angelegt ist, eröffnen sich im Defensivspiel große Räume für den Gegner, die ein Sechser allein niemals schließen kann. Einfacher ausgedrückt: So viele Tore kann man vorne gar nicht erzielen, wie man hinten kassiert. Zudem gibt es an den Spieler der als einziger Sechser aufgeboten wird einen unumstößlichen Qualitätsanspruch: Er muss fußballerisch wie taktisch herausragend gut sein. Verfügt man über diesen Spieler nicht, sollte man besser die Finger davon lassen.

Nach dem Aufstieg von Wacker in die österreichische Bundesliga konnte Kogler einen derartigen Spieler aufbieten, den Tschechen Tomas Abraham. Das erste Viertel der Saison 10/11 verlief sensationell für die Innsbrucker und ihre Fans: Am 9. Spieltag stand der Aufsteiger an der Tabellenspitze der Eliteklasse. Danach wurde es schwieriger und Kogler experimentierte mit diversen Systemen. Insgesamt spielte seine Mannschaft eine erstaunliche Saison als Aufsteiger und wurde Sechster.

Wacker bestätigte diese Leistung mit einer grundsoliden zweiten Saison. In dieser setzte Kogler fast durchweg auf eine 4-1-4-1-Formation (mit Abraham als Sechser), an deren defensiver Abstimmung man bei moderaten 46 Gegentreffern in 36 Spielen wenig auszusetzen vermag. Dass es nicht für mehr Punkte reichte, lag wohl eher an der mangelnden Durchschlagskraft des Angriffs. Dabei sollte jedoch stets bedacht werden, dass Wacker Innsbruck durchweg mit einem Minietat auskommen musste, was – wie das dritte Bundesligajahr zeigen sollte – immer das Risiko eines sportlichen Einbruchs birgt – sobald sich Leistungsträger außer Form befinden oder verletzen.

Summarisch lässt sich sagen, dass Kogler ein System mit nur einem zentralen defensiven Mittelfeldspieler zu bevorzugen scheint, ohne dass dies bei ihm den Rang eines Dogmas einnehmen würde. Er gilt dem (mit Recht) renommierten österreichischen Taktikblog abseits.at als interessanter, innovativer Trainer, wie in dieser Zusammenfassung des zweiten Bundesligajahrs von Wacker zu lesen steht.

Es ist derzeit natürlich unmöglich zu sagen, welche Auswirkungen dies alles auf System, Taktik und personelle Aufstellung des FC Rot-Weiß Erfurt haben wird. Trotzdem, und um das spekulativ-spielerische Element diese Blogs etwas zu forcieren, will ich es wagen. In unregelmäßigen Abständen werde ich, auf der Grundlage aller mir vorliegenden Informationen (Testspiele, Transfers, Medien, Verletzungen, Form, evtl. Trainingseindrücke) eine vorsaisonale Annäherung an unsere Startelf am ersten Ligaspieltag der bevorstehenden Saison veröffentlichen. Nun denn, werfen wir mal einen ersten Blick in die Glaskugel:

Evtl. Startelf des RWE 1. Spieltag Saison 13/14 – Version 1.0 / 24.06.2013

Ich gehe momentan von nur einem Sechser aus und denke, dass dies Engelhardt sein wird. Ob der den Ansprüchen der Position (in dieser taktischen Interpretation) und von Kogler genügt, werden letztendlich erst die Ligaspiele zeigen. Davor sind Pfingsten-Reddig und Möhwald gesetzt, da beide situativ wache Spieler sind, die weder vor langen Laufwegen noch vor Defensivaufgaben zurückschrecken und außerdem über eine stabile Passqualität verfügen (zumindest an guten Tagen). Des Weiteren vermute ich, dass alle bisherigen Neuverpflichtungen zum Einsatz in der Startelf kommen.

Gegenthesen, Korrekturen, etc. sind wie immer willkommen.

Interview mit Christian Preußer

Aus gegebenem Anlass – Klassenerhalt der U19, DFB-Pokalteilnahme derselben Mannschaft, seine Vertragsverlängerung, und weil nicht alles schlecht ist beim FC Rot-Weiß Erfurt, hier die vollständige Version eines Interviews, das ich am 25.10.2012 mit Christian Preußer geführt habe. (Erstabdruck in Heft 1 von OstDerby – Magazin für den Fußballosten)

Zur Person: Christian Preußer wurde 1984 in Berlin geboren. Er absolvierte eine Ausbildung an der Sportakademie des Landessportbundes Thüringen, ist im Besitz der A-Lizenz des Deutschen Fußball-Bundes und hat soeben die Ausbildung zum DFB-Fußballlehrer begonnen. Seit April 2010 leitet er das Nachwuchsleistungszentrum des FC Rot-Weiß Erfurt und ist – in Personalunion – Trainer der U19-Mannschaft, die in der A-Junioren-Bundesliga spielt. Einer größeren Öffentlichkeit wurde er als Interimstrainer der Drittligamannschaft des FC RWE bekannt, die er zwei Spiele lang betreute.

Fedor Freytag: Herr Preußer, Sie sind Fußball-Trainer. In den Ohren vieler hört sich das nach einem Traumberuf an. Wie kam es dazu?

Preußer: Es ist wirklich mein Traumberuf. Wie wohl fast alle Jungs habe ich sehr früh angefangen Fußball zu spielen. Mein Heimatverein ist die VSG Altglienicke Berlin. Ich habe fast alle Nachwuchsmannschaften dort durchlaufen, wobei relativ schnell klar war, dass es mit einer Karriere als Spieler im Profifußball nichts werden würde.

Ich bin sehr demütig, dass ich den Fußball trotzdem zu meinem Beruf machen konnte. Ich finde es toll, jungen Leuten dabei helfen zu können ihre sportlichen Ziele zu erreichen und sich auch als Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Die Jungs arbeiten daran sehr konsequent. Von den 23 Spielern unserer A-Jugend wollen 21 Fußballprofi werden. Diesem Ziel ordnen sie alles unter. Es ist einfach großartig, mit ihnen Dinge zu trainieren und dann zu sehen, wie diese Dinge im Spiel erfolgreich umgesetzt werden.

Aber es ist nicht allein der sportliche Aspekt: Ich arbeite jeden Tag mit Jugendlichen und begleite sie beim Erwachsenwerden. Erlebe, wie sie ihre erste Freundin haben, den Führerschein machen. Da ist auch viel Spaß dabei.

Fedor Freytag: Welche Rolle spielen Eltern und Spielberater? Wenn man am Spielfeld steht, gewinnt man nicht immer den Eindruck, dass der Ehrgeiz einiger Eltern die Dinge zum Besseren wendet. Was Spielerberater angeht, so gibt es sicherlich viele Klischees. Ich könnte mir vorstellen, dass jemand wie Jens Nowotny (Insoccer) seriöser agiert, als andere Vertreter dieses Geschäfts.

Preußer: Spielerberatung im Nachwuchsbereich ist ein schwieriges Thema. In erster Linie weil der Zugriff auf die Spieler immer früher erfolgt. Vor drei Jahren wurde die C-Jugend-Regionalliga eingeführt. Bei manchen Spielen sehen sie dort bereits 15 bis 20 Spielerberater neben dem Platz. Wir reden hier von 14-Jährigen. Das ist für mich völlig unsinnig, weil man in diesem Alter noch keine Prognose über die Entwicklung in drei bis vier Jahren geben kann. Aber es gibt in der Tat große Unterschiede bei den Beratern. Welche mit denen wir gut zusammenarbeiten und andere, bei denen nach 5 Minuten klar ist, dass man nicht zueinander findet. Prinzipiell gilt jedoch: man muss sich mit dem Gewerbe arrangieren. Das hat auch mit den fehlenden rechtlichen Grundlagen zu tun. Die Entwicklung des Jugendlichen bzw. des Spielers muss bei allen Entscheidungen des Beraters im Vordergrund stehen, das ist leider nicht immer der Fall.

Fedor Freytag: Wäre es denn sinnvoll, die gesetzlichen Grundlagen bzw. die Verbandsregularien zu verschärfen?

Preußer: Das ist schwierig. Vom DFB lizenzierte Spielerberater gibt es ja bereits, aber grundsätzlich herrscht in Deutschland Vertragsfreiheit. Jeder kann sich quasi von jedem beraten lassen. Gerade wenn das pro forma über Rechtsanwälte abgewickelt wird, ist es kaum zu unterbinden. Bei unseren U19-Spielern suche ich aktiv das Gespräch mit den Beratern. Wenn man mit ihnen über Dinge wie Leistungsentwicklung und Perspektive reden kann, ist viel gewonnen. So kann man vielleicht verhindern, dass ein Spieler nur des Geldes wegen zu einem finanzstärkeren Verein wechselt.

Fedor Freytag: Die Eltern?

Preußer: Sie sind der Schlüssel. Inklusive der Vormittagstrainings im Sportinternat  sehe ich die Jungs 8 bis 10 mal pro Woche, also deutlich öfter als ihre Eltern sie sehen. Die Eltern vertrauen uns ihre Kinder an, also muss man den Kontakt zu den Eltern permanent suchen. Das betrifft viele Bereiche, auch das Außersportliche. Hinzu kommt das Alter. Mit 18 Jahren gibt es Abnabelungsprozesse die es zu begleiten und zu moderieren gilt. Nur wenn alle drei beteiligten Parteien am selben Strang in eine Richtung ziehen, werden sich die gewünschten Erfolge einstellen.

Fedor Freytag: Wie sieht das konkret aus, wenn ein Nachwuchsspieler nach Erfurt kommt. Wer kümmert sich zum Beispiel um Wohnraum.

Preußer: Das machen wir. Und hier liegt fraglos eine unserer Stärken. Wir versuchen, ein sehr angenehmes, persönliches Umfeld zu schaffen. Davon sind die Eltern sehr angetan, weil das offensichtlich bei den wenigsten Vereinen in dieser Weise der Fall ist. Die Jungs sollen sich hier wohl fühlen und wenn das gelingt ist viel gewonnen. Durch die Sportinternate haben wir in der Regel auch kein Problem eine geeignete Unterkunft anzubieten.

Fedor Freytag: Der große Trumpf ostdeutscher Nachwuchsleistungszentren sind die Sportgymnasien. Gibt es da noch Verbesserungspotenziale, z.B.  durch stärkere Angebote im Bereich der Berufausbildung.

Preußer: 90 Prozent unserer Spieler sind noch in der schulischen Ausbildung. Dafür ist die Zusammenarbeit mit dem Sportgymnasium optimal geeignet. Auch weil auf der schulischen Seite traditionell viel Verständnis für die speziellen Belange des Leistungssports vorhanden ist. Hier im Verein würde ich mir wünschen, dass wir einen dezidierten Ausbildungsbetreuer hätten. Also jemanden, der sich ausschließlich um den Kontakt zur Schule kümmert. Das wird derzeit von mir und meinem Mitarbeitern quasi nebenbei wahrgenommen. Ohne es aktuell zu vernachlässigen, ist dies nicht die optimale Lösung. Wenn Bedarf besteht, kümmern wir uns auch um eine geeignete nachschulische Ausbildung. Das ist allerdings sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von der sportlichen Perspektive des jeweiligen Spielers.

Fedor Freytag: Warum scheitern so viele Talente beim Übergang von der A-Jugend in den Männerbereich?

Preußer: Es gibt vielfältige Ursachen, in erster Linie sportliche. Die Unterschiede im Spieltempo und der geforderten Handlungsschnelligkeit selbst zwischen A-Junioren Bundesliga und 3. Liga sind enorm. Und an diese Unterschiede müssen sich die Spieler schnellstmöglich gewöhnen. Für diese Gewöhnung gibt es maximal ein Jahr Zeit, dann hat sich ein Trainer festgelegt, ob er mit diesem Spieler weiter plant oder nicht. Dann kommen anderweitige Versuchungen. Bleibt ein Spieler fokussiert oder lässt er sich vom Geld bzw. von der eventuellen öffentlichen Aufmerksamkeit ablenken? Wir versuchen vor allem in der U19 die Spieler darauf vorzubereiten. Indem wir sehr kritisch mir ihren Leistungen umgehen und ihnen deutlich machen, dass es, obwohl sie vielleicht gerade ein tolles Spiel gemacht haben, noch immer diese große Differenz zum Männerbereich gibt. Allerdings sind mahnende Worte das eine. Selbstzufriedenheit ist das andere. Manchen ist leider nicht klar, dass ein sechster Platz in der Nordoststaffel der Junioren-Bundesliga, kein Freifahrtschein in den Profifußball darstellt. Das ist eine notwendige Voraussetzung, hinreichend ist sie nicht.

Fedor Freytag: Eine große Herausforderung eines Nachwuchstrainers ist sicherlich der beständige personelle Wandel. Sie haben in diesem Jahr vier Ihrer talentiertesten Spieler an das Drittliga-Team des RWE abgegeben. Es fällt auf, dass vergleichsweise viele Neuzugänge von etablierten, höherklassigen Vereinen aus den Alt-Bundesländern kamen. Wie werden Sie auf diese Spieler aufmerksam?

Preußer: Es ist nicht unser Ziel, jedes Jahr 10 Neuzugänge aus anderen Leistungszentren in die A-Jugend zu integrieren. Natürlich sind wir in erster Linie bestrebt eine Durchlässigkeit unserer eigenen Talente von der D-Jugend in die A-Jugend zu erreichen. Das ist das eine. Andererseits wollen wir in der A-Junioren Bundesliga konkurrenzfähig sein. Es ist ganz wichtig für den Verein, dass die A-Jugend in der Bundesliga vertreten ist. Wir haben vor drei Jahren bitteres Lehrgeld gezahlt, als wir mit nur 12 Punkten abgestiegen sind. Dann wird es sehr schwer, Spieler wie Kevin Möhwald oder Maik Baumgarten davon zu überzeugen, dass sie hier Regionalliga spielen sollen. Glücklicherweise haben wir dann den direkten Wiederaufstieg geschafft. Wir können uns ein aufwendiges Scouting nicht leisten, deshalb bedarf es eines guten persönlichen Netzwerkes für die Akquise neuer Spieler. Aber es werden uns inzwischen auch aktiv Spieler angeboten. Es hat sich herumgesprochen, dass in der A-Jugend des RWE guter, attraktiver und erfolgreicher Fußball gespielt wird. Außerdem wurde wahrgenommen, dass die Durchlässigkeit zur 1. Mannschaft relativ hoch ist. Das ist eine starke Motivation für Spieler, die Nummer 13, 14 oder 15 in den A-Jugend-Mannschaften von Hertha BSC, Werder Bremen oder Hannover 96 sind.

Fedor Freytag: Matthias Sammer war neben seiner Funktion als DFB-Sportdirektor seit 2010 auch für die Talentförderung des Verbandes zuständig. Wie bewerten Sie seine Arbeit?

Preußer: Seine tägliche Arbeit kann ich natürlich nicht beurteilen. Ich bin ihm persönlich einige Male begegnet, anlässlich der Tagung der Leiter der Nachwuchsleistungszentren, wo er als Referent auftrat. Dort hat er äußerst engagiert seine Auffassungen vorgetragen, zu quasi alle relevanten Punkten der Nachwuchsarbeit: von den Feldgrößen angefangen, über die Struktur der Nachwuchsnationalmannschaften bis hin zur Qualität der Hotels während eines Turniers. Das alles fand ich sehr fundiert. Er hat natürlich ein streitbares Auftreten und verteidigt mit aller Vehemenz seine Meinung, lässt aber andere Auffassungen durchaus gelten.

Fedor Freytag: Wie wirkt der DFB in die Arbeit der Leistungszentren hinein? Mal abgesehen von den Sonntagsreden? Gibt es jeden Morgen ein Fax aus Frankfurt?

Preußer: Nein. Unser Hauptberührungspunkt ist die  Zertifizierung der Nachwuchsleistungszentren. Die Zertifizierung wird im Auftrag des DFB durch die Firma Double Pass durchführt. Diese erfolgt alle drei Jahre und ist für Drittligisten freiwillig. Die Zertifizierung dauert drei Tage und während dieser Zeit werden quasi alle Bereiche des NLZ begutachtet: das Training, die Schule, die Infrastruktur. Als Resultat erhalten wir einen Bericht, in dem sehr detailliert beschrieben steht, was gut und was weniger gut ist. Aber, das sind Gespräche auf Augenhöhe, sehr konstruktiv und keinesfalls paternalistisch. Auf Basis dieser Begutachtung, erfolgt dann die Einstufung und die Vergabe der Mittel durch den DFB. Es gibt dabei ein 3-Sterne-System. Wir in Erfurt sind als Nachwuchsleistungszentrum zertifiziert, allerdings ohne Stern. Das liegt in erster Linie an unseren Defiziten bei der Infrastruktur. Alles sehr dezentral, das Trainingsgelände liegt 5 km vom Sportgymnasium entfernt, wir verfügen über keinen Kunstrasenplatz, usw. usf.  Das heißt, man bekommt sehr genau aufgezeigt in welchen Bereichen man sich noch verbessern kann, bzw. muss. Auch RWE sollte hier in den nächsten Jahren den nächsten Schritt gehen, um den Anschluss an die anderen Vereine in den Junioren-Bundesligen nicht zu verlieren und der Kampf um Talente dann immer schwieriger wird.

Fedor Freytag: Jogi Löw möchte Fußballspiele schön gewinnen, Jose Mourinhos diesbezüglicher Ehrgeiz ist deutlich bescheidener, dem reicht ein ergurktes 1:0. Wie ist ihre Meinung?

Preußer: Das ist aus meiner Perspektive eine Frage des Aufgabenbereiches in dem man tätig ist. Klar wollen wir mit der A-Jugend die Klasse, sprich die Bundesliga, halten. Dazu benötigt man ca. 30 Punkte in einer Saison. Aber man darf natürlich auch den Ausbildungscharakter nicht völlig aus den Augen verlieren. Wenn meine Innenverteidiger in einem Spiel 25 lange Bälle ohne Gegnerdruck nach vorne schlagen, dann werden sie wahrscheinlich nicht dritte Liga spielen. Da gilt es immer eine Balance zu finden. Unsere Grundregel ist: je jünger die Mannschaften sind, desto unwichtiger ist das Ergebnis und umso dominanter ist der Ausbildungscharakter. Ein gutes Beispiel ist die C-Jugend-Regionalliga. Das ist in Mitteldeutschland eine reine Ausbildungsliga, aus der man nicht absteigen kann. Und das ist auch gut so. Wenn ich jedoch Interimstrainer der Männermannschaft in der 3. Liga bin und wir haben zu diesem Zeitpunkt einen Punkt auf der Habenseite, dann ist es egal wie wir Fußball spielen, so lange wir punkten. Wie gesagt, es ist eine Frage der Perspektive. Trotzdem ist es mein persönlicher Anspruch als Trainer so häufig wie möglich erfolgreichen und begeisternden Fußball mit meiner Mannschaft zeigen zu können.

Fedor Freytag: Ich habe im letzten auf Youtube ein Spiel zwischen der U11 FC Barcelona und der U11 von Arsenal gesehen. Dort sah man bereits recht eindeutig die Spielphilosophie beider Vereine, also Ballbesitzorientiertheit und Kurzpassspiel. Ist dies unter den Bedingungen eines ostdeutschen Nachwuchsleistungszentrums überhaupt reproduzierbar.

Preußer: Im Grunde schon, weil es in erster Linie keine finanzielle Frage ist. Die Jungs müssen mit Spaß dabei sein und Fußball spielen wollen. Hier hat sich in den letzten Jahren beim DFB sehr viel geändert. Eine U13-Mannschaft mit einer Körpergröße von 1,30 Metern, sollte halt nicht auf einem Großfeld herumrennen, sondern auf einem Kleinfeldplatz lernen, wie man Spielsituationen fußballerisch löst. Ich denke, da sind wir hier in Erfurt auf einem guten Weg.

Fedor Freytag: Jetzt eine sicherlich erwartbare Frage zu RB Leipzig. In einem FAZ-Interview äußerte Ralf Rangnick sein Ziel, die besten Nachwuchsfußballer der Region – wobei Region einen Radius von 200 km umfasst – nach Leipzig zu holen. Hat diese Ankündigung bereits praktische Konsequenzen?

Preußer: Konkret und Stand heute, ist noch kein Spieler den wir haben oder halten wollten zu RB Leipzig gegangen. Andere Vereine – wie Dynamo Dresden, der HFC und Jena – sind davon momentan mehr betroffen.

Fedor Freytag: Eine Abwehrstrategie dagegen ist nur schwer vorstellbar?

Preußer: Wir können nur mit dem argumentieren was uns stark macht: Der Verbindung von Leistungsorientiertheit mit großer Fürsorge für die Spieler und einer überdurchschnittlichen Durchlässigkeit zur 1.Mannschaft. Aber wir können letztendlich niemanden zwingen, für den FC Rot-Weiß Erfurt Fußball zu spielen. Man sollte auch anerkennen, dass Red Bull unglaublich viel  in den  Nachwuchsbereich investiert und dies für die Region durchaus nützlich werden kann, wenn dieser Weg auch langfristig verfolgt wird. Ich war letztens in Leipzig, weil ich mir das Spiel RB gegen Meuselwitz angesehen habe und nutzte die Gelegenheit, mir auch mal das Gelände des Nachwuchsleistungszentrums anzusehen. Da stehen jetzt als Übergangslösung Container. Allein von dieser Übergangslösung sind wir infrastrukturell weit entfernt.

Fedor Freytag: Ist es nicht sehr schade, dass hierzulande der Nachwuchssport, mithin auch der Nachwuchsfußball, so wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfährt? Zu einem A-Junioren-Bundesligaspiel kommen 100 Leute, die acht Heimspiele des American Football-Teams der University of Notre Dame sahen jeweils 80.000 Zuschauer.

Preußer: Ich hatte selbst die Gelegenheit ein Jahr in den USA die Schule zu besuchen und habe in dieser Zeit in der Fußballmannschaft meiner High School gespielt. Selbst dort hatten wir manchmal 2.000 Zuschauer. Sehr beeindruckend. Aber natürlich sind die Strukturen völlig verschieden und wir werden dieses amerikanische High School und College-Sportsystem in Deutschland nicht mehr installieren können. Was die A-Junioren Bundesliga betrifft, unternimmt der DFB bereits eine Menge, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu erhöhen. Mit ersten Erfolgen: Sport1 überträgt mittlerweile immer wieder Spiele der A-Junioren Bundesliga live, die Endspiele zur Meisterschaft wurden ebenfalls live gesendet. Es ist ambivalent: Auf der einen Seite schützt die mangelnde öffentliche Wahrnehmung die Spieler auch, auf der anderen Seite ist der Schritt von der A-Jugend in die 3. Liga dann auch in dieser Beziehung enorm.

Fedor Freytag: Es gibt derzeit sehr intensive Diskussionen um die taktische Ausrichtung. Barcelona, die spanische Nationalmannschaft aber auch andere Teams spielen teilweise ohne „echten“ Mittelstürmer mit einer sogenannten „falschen Neun.“ Wird man dieses System in Zukunft häufiger sehen.

Preußer: Das ist unzweifelhaft eine ernst zu nehmende Entwicklung.  Den klassischen, im Sturmzentrum auf ein Anspiel wartenden Mittelstürmer wird man immer seltener sehen. Etwas radikal formuliert, könnte man auch von einem 4-6-0 sprechen. Es ist inzwischen ein Nachteil nur ein Spielsystem zu beherrschen, weil es gegen jedes taktische System probate Mittel gibt. Erfolg wird sich in Zukunft vor allem durch überraschende taktische Variationen einstellen. Das betrifft, aus meiner Sicht, auch die Standards. Wir haben inzwischen die Möglichkeit alle Spiele der A-Junioren-Bundesliga per Videostream zu analysieren. Unsere Gegner habe diese Möglichkeit selbstredend ebenfalls. Für meine Arbeit als Trainer hat das die Konsequenz, dass ich versuchen muss, auf dem Spielfeld Situationen herbeizuführen, mit denen der Gegner nicht rechnet. Taktische Flexibilität ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts.

Fedor Freytag: Das ist ja wohl generell eine neue Herausforderung, jedenfalls in der Komplexität. Neben den fußballerischen und körperlichen Qualitäten muss der moderne Fußballer eine Menge von diesen vielen taktischen Details begreifen und umsetzen.

Preußer: Absolut. Spielintelligenz ist heute fast schon eine zwingende Voraussetzung für Erfolg. Das ist nicht einfach, da man den Fakt kaum ignorieren kann, dass auch hier die Spieler sehr unterschiedliche Begabungen mitbringen. Manchen Spielern fällt es schwer Vorgaben zu verstehen und umzusetzen. Mit denen muss man anders sprechen, als beispielsweise mit einem Kevin Möhwald, der eine hohe Spielintelligenz aufweist. Auch die Fähigkeit zur offensiven Improvisation ist nur bedingt trainierbar. In der Defensive ist das vergleichsweise einfach: „Du läufst diesen Spieler so oder so an.“ Versteht jeder. Bei Angriffen gegen eine gut abgestimmte Defensive kann man Laufwege, etc. trainieren. Was man kaum trainieren kann, ist die Qualität den richtigen Zeitpunkt zu erkennen um Zuspiele in die Schnittstellen einer Verteidigungskette zu spielen.

Fedor Freytag: Inwieweit spielt es eine Rolle, dass Sie kein Fußballprofi waren? Oder ist es sogar ein Vorteil, einen unverstellten Blick von außen auf dieses Geschäft zu haben?

Preußer: Vor allem anlässlich meines Intermezzos als Trainer des Erfurter Drittligateams habe ich mir diese Frage auch gestellt.  Ich habe zwei Jahre sehr eng mit Norman Loose zusammengearbeitet, der jahrelang in der 2. Bundesliga aktiv war. Es ist einfach so, dass ich bestimmte Erfahrungen nicht gemacht habe. Das muss man sich auch eingestehen. Ich glaube, dass Norman Loose und ich voneinander viel gelernt haben. Ich profitierte sehr von seinen Erfahrungen als Profi, er von meinem sportwissenschaftlichen Wissen. Ich glaube, durch Neugier und die Bereitschaft von anderen zu lernen entstehen Erfahrungen mit denen sich vorhandene Defizite ausgleichen lassen. Zudem gibt es ja Trainer die sehr erfolgreich arbeiten, aber nie Profifußballer waren. Mir fallen da direkt Robin Dutt, Mirko Slomka oder Ralf Rangnick ein.

Fedor Freytag: Sie stammen aus Berlin. Wie intensiv verfolgen Sie noch den Berliner Fußball.

Preußer: Sehr intensiv. Ein guter Freund, Christoph Menz, spielt in der 2. Bundesliga bei Union (Anmerkung: Menz wurde inzwischen von Dynamo Dresden verpflichtet). Mein Heimatverein, VSG Altglienicke, hat in den letzten Jahren eine gewaltigen Aufstieg erlebt, spielt momentan sogar in der Oberliga im oberen Tabellendrittel. Auch Union hat in den letzten Jahren eine großartige Entwicklung genommen, sportlich und infrastrukturell.

Fedor Freytag: Herr Preußer, ich danken Ihnen für dieses Gespräch.

(Während ich den Artikel einstelle, gewinnt die U19 des 1. FC Köln gegen Kaiserlautern das Finale des DFB-Pokals. Im Viertelfinale dieses Wettbewerbs – eines gut besuchten Spiels übrigens – benötigten die Kölner einiges Glück, um sich gegen die von Christian Preußer trainierte U19 des RWE durchzusetzen. Auf ihn setzen viele beim Verein und im Umfeld ihre Hoffnungen für die Zukunft. Wie ich finde, zurecht.)

„Ich nehme mir eine Auszeit vom RWE“ / Interview mit einem enttäuschten Fan

Nach der Pokalniederlage gegen Schott Jena gab es in den Vereinsforen des RWE, wie nicht anders zu erwarten, sehr emotionale Äußerungen gegenüber Mannschaft und Verein. Ich sprach mit dem RWE-Fan Fabian, der unter dem Nickname Asumel im Forum RWE-Community schreibt, und für den die Niederlage in Jena nur einen weiteren Tiefpunkt eines Vereins in der Abwärtsspirale darstellt.

Fedor Freytag: Wie lange gehst Du bereits zu Spielen von Rot-Weiß?

Fabian: Mein erstes Heimspiel besuchte ich 2005. Erfurt spielte zweite Liga und verlor gegen Köln 0:1. Am RWE interessiert war ich schon deutlich länger – schon zur Aufstiegssaison wollte ich damals unbedingt zu den Spielen. Aufgrund der Entfernung war es mir damals aber leider nicht möglich. Die Zweitliga-Saison war auch eine Saison, die es in sich hatte. Trotzdem wir abgeschlagen abstiegen sind, hat mich doch ein starkes RWE-Fieber gepackt. Die darauf folgende Saison steigerten sich die besuchten Heimspiele deutlich. Seitdem ich in Erfurt wohne, bin ich eigentlich fast immer da. Auswärts war ich auch sehr oft unterwegs – Düsseldorf, Paderborn, Burghausen, Sandhausen, Dresden, Aalen, Jena – die Liste lässt sich beliebig fortführen. Hängen geblieben ist vor allem der Auswärtssieg gegen Dynamo vor zwei Jahren aber auch die bittere Niederlage gegen Ahlen.

Fedor Freytag: Gehörst Du einer Fangruppierung an oder fühlst Du Dich einer nahe?

Fabian: Ganz klares nein. Ich habe einen Bekanntenkreis mit dem ich so oft wie möglich zu den Spielen gehe, aber einer festen Gruppierung gehöre ich nicht an. Möchte ich auch nicht. Wenn man sich die Erfordia Ultras anschaut, muss man als neutraler Betrachter den Kopf schütteln. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es den Ultras deutlich an kreativen Köpfen fehlt. Wann gab es die letzte schöne Choreo? Und mit Choreo meine ich keine vollgemalte Tapete.

Fedor Freytag: Du hast im Forum RWE-Community geschrieben: «Ich nehme mir eine Auszeit vom RWE.» Was hat Dich zu einer solchen Aussage bewogen?

Fabian: Um das auszuführen, muss ich etwas weiter ausholen. Aus meiner Sicht befindet sich der Verein seit der Entlassung von Stefan Beutel in einer Abwärtsspirale. Ich bin mir bewusst, dass auch unter Beutel nicht alles Gold war, was glänzte und vor allem im letzten Jahr unter ihm einiges schief lief. Trotzdem gab es damals noch attraktiven Fußball am Steigerwald zu sehen. Die Kombination Dotchev / Beutel hat einfach gepasst. Der Abgang von Dotchev kam damals für alle überraschend. Wir lagen nach der Hinrunde super im Rennen im Kampf um den Aufstieg und alles deutete daraufhin, dass wir es packen. Dann ging der Trainer von Bord und unterschrieb in Paderborn. Die Gründe dafür wurden damals mit der sportlichen besseren Alternative von Paderborn begründet – die Gerüchteküche brodelte. Geschichten um betrogene Ehefrauen von Sponsoren zogen ihre Kreise. Was daran wahr ist und was nicht möchte ich nicht beurteilen. Als Trainer folgte Karsten Baumann. Unter ihm fand das Team nie in die Erfolgsspur zurück und die Saison wurde auf Platz 7 beendet. Auf Baumann folgte Hörgl, dann kam Stefan Emmerling und als letzter Trainer Alois Schwartz. Aktuell befindet sich der Verein – mal wieder – auf Trainersuche. Jahr für Jahr predigt Rolf Rombach, dass wir Kontinuität auf der Trainerposition benötigen. Das gelang seit Pavel Dotchev nicht mehr. Der Trainerposten in Erfurt ist nichts anderes als ein Schleudersitz. Dies ist, zusammen mit den Etatkürzungen, ein Hauptgrund für den Niedergang des Vereins. Jeder Trainer bringt eine andere Philosophie, ein anderes System und benötigt dafür andere Spieler. Jedes Jahr erfolgt ein erneuter Umbruch. Stefan Emmerling war der beste Trainer, nach Pavel Dotchev, den wir in Erfurt hatten. Während er in seiner ersten Saison maßgeblich an der Teamzusammenstellung beteiligt war, übernahm Traub in der abgelaufenen Saison diese Aufgabe. Das Resultat haben wir eine ganze Saison auf dem Platz beobachten dürfen. Aus meiner Sicht hätten die Verantwortlichen um Herrn Rombach nur dann verantwortungsvoll gehandelt, wenn sie Traub gleich mit rausgeworfen hätten. Dies wurde nicht getan, stattdessen wurde noch ein Sportvorstand engagiert. Generell, so scheint mir, bauen wir den Verein auf Menschen die eine zweite Chance benötigen.

Fedor Freytag: Wie meinst Du das?

Fabian: Der Pressesprecher wegen Betruges verurteilt, der Geschäftsführer Kalt führte den OFC an den Rand des Ruins – und Spieler bekommen wir sowieso nur, weil sie verletzt sind, siehe Fillinger. Aber auch wenn ich deutliche Kritik an Rombach äußere, möchte ich betonen, dass mir bewusst ist, dass ohne ihn der Verein nicht mehr existieren würde. Allerdings kann mich aber noch gut erinnern an die Vorstellung des neuen Vermarkters erinnern. Auf der Pressekonferenz wurde vollmundig verkündet, dass man nun in der Lage sei, Leistungsträger in Zukunft in Erfurt zu halten – alles Schall und Rauch. Mittlerweile bin ich mehr als skeptisch, was den Zustand unseres Vereins betrifft. Auf der Mitgliederversammlung werden die Zahlen jedes Jahr nur aufs Äußerste verkürzt wiedergegeben, sodass sich niemand, außer den Verantwortlichen, ein Bild von der aktuellen finanziellen Lage machen kann.

Fedor Freytag: Hast du daraus Konsequenzen gezogen?

Fabian: Ich bin mittlerweile als Mitglied aus dem Verein ausgetreten. Auf der JHV war es aus meiner Sicht nicht möglich Fragen anständig zu erörtern. Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass es den meisten Anwesenden eher um die Freikarte zum Spiel ging als darum, kritischen Fragen zu stellen. Insgesamt haben die JHVs mehr Fragen aufgeworfen, als Antworten gegeben. Es sind diese Unklarheiten, die teilweise katastrophale Außendarstellung, Teile der Fans und auch die aktuelle Mannschaft die mich zu dem Entschluss gebracht haben eine „Auszeit“ vom Verein als solches zu nehmen.

Fedor Freytag: Du hast im Forum von krassen antisemitischen Äußerungen berichtet, die es beim Pokalendspiel gegen Schott gab. Würdest Du das Erlebte hier kurz wiederholen?

Fabian: Ich habe mich selten so geschämt für unsere Fans. Sicher war das Warten am Bratwurststand in Jena echt langwierig. Aber was kann die arme Aushilfskraft dafür? Es fielen die folgenden Äußerungen: „Bratwurstjüdin“, „Judensau“, „Der Jude dahinten muss erst mal abhängen“, „Im KZ ging das damals schneller“, „In Auschwitz haben sie die Judenwürste damals schneller gebraten“. Und was macht die halbe Schlange? Johlen, einen draufsetzen.

Fedor Freytag: Unglaublich. Aber sind das nicht Einzelfälle? Geäußert von schwachsinnigen «Fans» wie sie so gut wie jeder andere Verein in Deutschland auch hat?

Fabian: Klar könnte man das als Einzelfälle abstempeln. Das sind sie aber nicht. Auswärtsfahrten mit dem RWE sind zum Großteil einfach nur noch peinlich und entwürdigend. Das gegen Schott war sicherlich der negative Höhepunkt der Saison 2012/13. Wobei es so ist, dass, wenn wir gegen Jena spielen es immer besonders schlimm ist. Generell habe ich das Gefühl, dass die Aussagen entsprechender Parteien in Erfurt auf besonders fruchtbaren Boden fallen. Dass die KEF eindeutig rechtsradikal ist, steht sogar im Thüringer Verfassungsschutzbericht. Dazu gibt es noch einige andere „Fanclubs“ die schon ziemlich suspekt wirken, wie die «RWE Brigade Weimar». Fakt ist auch, dass viele – die in Erfurt ein Stadionverbot haben – sehr oft auswärts anzutreffen sind. Es interessiert einfach die Wenigsten. Den Schaden trägt der Verein durch den Imageverlust. Es geht aber nicht nur um Antisemitismus, sondern auch um das Verhalten unserer Auswärtsfans. Ein beträchtlicher Teil führt sich auswärts auf wie die Axt im Walde, gleichzeitig wird sich dann aber beklagt, wenn die Vorschriften seitens der Polizei oder der Heimmannschaft jedes Jahr strenger werden. Es ist doch selbst bei Heimspielen schon zu beobachten, dass der Teil der «Erlebnisorientierten» und Asozialen – es tut mir leid, ich finde dafür kein anderes geeignetes Wort – mittlerweile einen großen Anteil der Anwesenden ausmacht. Es ist einfach traurig, mittlerweile habe ich mich auch aus der Kurve verabschiedet, da mir das Ganze einfach zu dumm ist.

Fedor Freytag: Was sollte der Verein FC Rot-Weiß Erfurt tun, damit das besser wird?

Fabian: Es wäre schön, wenn der Verein überhaupt etwas unternehmen oder das Problem überhaupt anerkennen würde. Ich sehe hier aber vor allem den hauptamtlichen Fanbetreuer in der Pflicht. Aktuell ist diese Stelle neu ausgeschrieben. Auch wäre es wünschenswert, wenn die KEF komplett ausgeschlossen wird und die Stadionverbote konsequent umgesetzt werden. Diese Gruppierung schadet eindeutig dem Verein. Da sollte auch beinhalten, dass keine Fahnen und Flaggen der KEF mehr aufgehängt werden dürfen – weder daheim noch auswärts.

Fedor Freytag: Wie siehst Du die Zukunft des Vereins?

Fabian: Da bin ich mir noch unschlüssig. Vieles hängt davon ab, wie der erneute Umbruch dieses und nächstes Jahr gelingt. Es muss dem Vorstand endlich gelingen wieder eine Mannschaft auf das Feld zu schicken, mit der sich der gemeine Fan identifizieren kann. Generell denke ich, dass wir eine sehr junge Truppe präsentieren werden. Es wird für die neue Saison entscheidend sein, dass ein Pfingsten-Reddig und ein Engelhardt vorangehen und die jungen Spieler führen. Auch wäre es gut, wenn endlich wieder Ablösesummen erzeugt werden könnten. Ich denke ein Möhwald ist ein Kandidat dafür oder aber auch ein Klewin, wenn man ihm den Vorzug vor Sponsel gibt. Sollte der Worst Case eintreten, so bin ich fest davon überzeugt, dass der Verein in die Insolvenz schlittert.

Fedor Freytag: Vielen Dank für das Gespräch.

Abstieg vermieden! Trainer vertrieben?

Da fährt man mal eine Woche in den Urlaub und schon bietet der FC Rot-Weiß Erfurt bei der Heimkehr ein völlig neues Bild. Kein besseres, eindeutig. Auf der Hinfahrt war die Welt noch in Ordnung. Kroatische Autobahnen sind nicht nur bemerkenswert solide asphaltiert, sie bieten sogar durchgehend eine brauchbare Anbindung an die digitale Welt. Kurz vor der Mittelmeerküste kündete der RWE-Ticker von einem verdienten Auswärtserfolg in Chemnitz. Damit waren die letzten Zweifel beseitigt – der RWE würde auch im nächsten Jahr in der 3. Liga spielen. Der Sturz ins Bodenlose war abgewendet. Dass dann ausgerechnet der Mann dem dieses klitzekleine Erfurter Fußballwunder gelang, nur Tage später seinen Abgang zum Saisonende verkündet, zählt mal wieder zu den Tiefschlägen, die die Anhänger dieses Vereins seit Jahren wegstecken müssen. Und obwohl wir inzwischen daran gewöhnt sein sollten, schmerzt es jedes Mal mehr.

Über die Trennung von Alois Schwartz ist in den letzten Tage reichlich spekuliert worden. Kein Wunder, da man den offiziell verabreichten, rhetorischen Tranquilizern misstraut. Wohl zurecht. Da aber Alois Schwartz kein Klaus-Dieter «Pele» Wollitz ist, wird man die «Wahrheit» wohl nie erfahren. Sicher jedoch ist: Wie werden den vierten Cheftrainer innerhalb eines Jahres auf der Bank des RWE erleben. Sportliche Kontinuität sieht anders aus. Als ebenso zweifelsfrei darf gelten, dass Sportvorstand Alfred Hörtnagl nun endlich zeigen kann, was er bei der Trainer- und Spielersuche so drauf hat, damit rund um den Steigerwald nachhaltiger Erfolg einziehen möge (nur um mal eines seiner Lieblingsadjektive zu gebrauchen). Vielleicht findet sich ja ein Trainer, der es richtig toll findet, wenn der Manager die Halbzeitansprache an die Mannschaft halten möchte. Mal sehen.

Die beiden Niederlagen gegen Dortmund und Darmstadt sind aus sportlicher Sicht völlig nebensächlich. Es mag absurd klingen, aber ich denke tatsächlich, dass sie einmal mehr die sehr gute Arbeit von Alois Schwartz über die gesamte Rückrunde hinweg belegen. Die Mannschaft ist eben nicht in der Lage irgendwas leichthin spielerisch zu lösen. Jeden einzelnen Punkt musste sich das Team hart erarbeiten. Dafür hatte Schwartz eine kompakte Defensivtaktik verordnet, die auf aggressivem Pressing, der Verdichtung des zentralen Mittelfelds und einer sehr nach hinten denkenden, gegentorvermeidenden Spielidee beruhte. Man kann im Abstiegskampf auch anders erfolgreich agieren, wie die Beispiele von Mönchengladbach (Rückrunde 2010/11 unter Lucien Favre) und Freiburg (Rückrunde 2011/12 unter Christian Streich) belegen. Allerdings benötigt man dafür die entsprechenden Spieler und die standen Alois Schwartz nicht zu Verfügung, weswegen er auf den Versuch ein Spiel dominieren zu wollen (so gut wie immer) verzichtete. Die Mannschaft kam physisch erstklassig vorbereitet aus der Winterpause. Solange die Faktoren taktische Disziplin, Laufbereitschaft und Konzentration zusammenkamen, war es für jede Mannschaft der Liga schwierig gegen den RWE der Rückrunde 2012/2013 Tore zu erzielen. Als im Gefühl des sicheren Klassenerhalts Schludrigkeit einzog, sah man, wo und wie man auch hätte enden können. Mithin war die von Schwartz gewählte taktische Ausrichtung richtig. Noch viel gravierender jedoch war die offenkundige Fähigkeit des Trainers, sein Team Woche für Woche, Spiel um Spiel darauf einzuschwören. Dass die Mannschaft ihm dabei folgte, stellt auch ihr ein lobenswertes Zeugnis aus.

Es war eine gute Entscheidung des Präsidiums sich für Alois Schwartz als Trainer zu entscheiden. Unter hohem Druck, man erinnere sich. Aber es verdankt sich vor allem seiner sportlichen Kompetenz, dass der Abstieg ins sportlich wie finanziell Randständige abgewendet werden konnte.

Well done, Alois Schwartz! Haben Sie sich wohl, wohin immer Ihr Weg Sie führen mag.

SV Babelsberg vs. RWE 1:1 / Bockwurst statt Foie gras

© www.fototifosi.de

Meine Instinkte scheinen sich nicht mehr vor einem Abstieg des FC Rot-Weiß Erfurt zu fürchten. Anders kann ich mir nicht erklären, warum der wichtige Punktgewinn in Babelsberg bei mir mehr Verdruss als Erleichterung hervorrief. „Sei doch froh, wieder ein Armzug mehr zum rettenden Ufer hin“, warb mein präfrontaler Cortex um Vernunft. Vergeblich – wie so häufig. Ich war enttäuscht und wusste gleichzeitig, dass diese Emotion ungerecht und irgendwie auch blödsinnig war. Ich habe hier ja selbst oft genug geschrieben, dass wir in dieser Saison von der Mannschaft keine fußballerischen Delikatessen zu erwarten haben. Bockwurst statt Foie gras, so lautet nun mal das frugale Menü dieser Spielzeit.

Vielleicht lag es ja auch an der Aufstellung von Alois Schwartz. Meinem Erwarten zuwider verzichtete er auf einen dritten zentralen Mittelfeldspieler. Oumari verblieb in der Innenverteidigung und Kopilas auf der Bank. Die Analyse der Babelsberger Offensiv(un)fähigkeiten erwies sich als richtig. Auch in dieser offensiver angelegten Formation hatte der RWE die Babelsberger Angriffsbemühungen über die gesamte Spielzeit unter Kontrolle. Das Gegentor – nach einem Standard – entkräftet diese Aussage nicht. Nach dem Spiel gegen Aachen war ich zudem zuversichtlich, was eine weitere Steigerung des rot-weißen Offensivspiels betrifft. Dieser Optimismus war unbegründet. Leider. Dabei hätte es gar nicht besser laufen können. Der RWE geht – glücklich – in Führung. Babelsberg darf dieses Spiel nicht verlieren, erhöht in der zweiten Halbzeit den Druck (oder versucht es zumindest), Räume so groß wie das Dekolleté von Barbara Schöneberger tun sich auf und der RWE mach daraus: Nichts! Oder, besser, weil richtiger und fairer: fast nichts. Ein ums andere Mal werden die Konter nur halbherzig oder ungenau (nicht) zu Ende gespielt. Den Beweis zu erbringen, dass Mijo Tunjic kein Konterstürmer ist, dazu hätte es dieses Spiels nicht auch noch bedurft. Allein – Morabit, Möhwald und Öztürk machten es nicht viel besser, gleiches trifft auf die meist nicht wirklich geglückte Spieleröffnung von Engelhardt und Pfingsten-Reddig zu. Völlig konträr verhält es sich mit der Einordnung der defensiven Leistung der gesamten Mannschaft – die war über weite Strecken der Spielzeit erneut tadellos.

Wir werden – sehr wahrscheinlich – auch in der nächsten Saison Drittligafußball in Erfurt sehen, womöglich sogar erleben. Dies verdankt sich in erster Linie einer Entscheidung, die Alois Schwartz relativ schnell nach seiner Verpflichtung getroffen haben muss und die in etwas abgewandelter Form einer alten Sport-Weisheit folgt: Der Angriff gewinnt Spiele, die Defensive vermeidet den Abstieg. In die Umsetzung dieser Erkenntnis hat der Cheftrainer des RWE viel Arbeit investiert. Dazu nur eine Statistik: Nach 14 Spielen der Hinrunde hatte der RWE bereits 27 Gegentore zu verzeichnen, nach ebenso vielen Spielen der Rückrunde sind es ganze 14. Ausschlaggebend dafür sind drei Faktoren:

  • Das Defensivverhalten der Mannschaften wurde im Verbund verbessert. Dies betrifft sowohl die Laufbereitschaft der Angreifer als auch deren taktisches Verhalten beim Pressing. Was am Anfang der Saison noch häufig unabgestimmt aussah, wirkt jetzt homogen und ist sehr effektiv. Sobald der RWE in der Hälfte des Gegners aggressiv presst, haben ausnahmslos alle Mannschaften der 3. Liga Probleme einen strukturierten Spielaufbau zu initiieren.
  • Vor allem gegen offensivstarke Mannschaften war es sinnvoll, einen dritten zentralen Mittelfeldspieler zu installieren. Diese Position wurde zumeist von Oumari besetzt, der sie in der Regel so ausgestaltete, dass er bei eigenem Spielaufbau deutlich tiefer als Engelhardt und Pfingsten agierte, quasi als deren Absicherung. Sobald der RWE tief in der eigenen Hälfte stand, reiht sich Oumari stabilisierend in die Viererkette ein. Marco Engelhardt interpretierte es ähnlich, vielleicht einen Tick offensiver. Diese Taktik ging nur einmal völlig schief, im verlorenen Heimspiel gegen Saarbrücken, als sich Maik Baumgarten auf der Position (noch) überfordert zeigte.
  • Die nach Saisonbeginn getätigten Verpflichtungen von Möckel und Kopilas erwiesen sich schnell als Gewinn. Bei aller – berechtigten – Kritik an der Transferpolitik des Vereins sollte dies nicht unerwähnt bleiben. Beide sind grundsolide Innenverteidiger, die nur wenige Fehler machen und gerade bei hohen Bällen für deutlich mehr Sicherheit sorgen, als dies noch am Anfang der Saison der Fall war.

Die Arbeit von Alois Schwartz sieht man sowohl dem Spiel der Mannschaft als auch der Tabelle an. Viel positiver kann die Bilanz eines Trainers kaum ausfallen, der eine Mannschaft übernommen hat, die desaströs in die Saison gestartet war. Da werde ich damit leben müssen, dass sich mein Unterbewusstsein besseren, schöneren, eleganteren Fußball wünscht. Fuck off, Freud!

Und nun geht’s raus und gewinnt endlich diesen verdammten Pokal.

RWE vs. Alemannia Aachen 3:1 / Hurra, er hat verschossen!

© www.fototifosi.de

Kein Achsbruch während der Anfahrt, keine neuerliche Epidemie, (noch) kein Konkurs. Das Spiel des RWE gegen Alemannia Aachen wurde angepfiffen. Einfach so. Spätestens nach 25 Minuten war jedem klar, wie es zu Ende gehen würde – mit einem verdienten und ungefährdeten Sieg des FC Rot-Weiß Erfurt.

Alois Schwartz rotierte erneut. Diesmal fanden sich Tunjic und Fillinger auf der Bank wieder, dafür kamen Nielsen und Drexler in die Startelf. Und, obwohl Ofosu wieder spielberechtigt war, beließ es der Erfurter Cheftrainer bei Kevin Möhwald auf der Rechtsverteidigerposition. Sehr zum Gefallen des Autors. Auffällig am Spiel der Aachener war, dass die Mannschaft in zwei Teile zerfiel. Die Offensive bot technisch gefälligen, wenngleich nicht übermäßig druckvollen, Fußball. Der Defensive der Alemannia hingegen ist die Drittligatauglichkeit abzusprechen. Deutlich wurde dies vor allem in der stärksten Phase des RWE (vom Führungstor bis zur Halbzeit), während der niemand sich gewundert hätte, wenn sechs oder sieben Tore für die Rot-Weißen gefallen wären. Mit dieser Abwehr wird die Alemannia nicht mehr allzu viele Punkte in den verbleibenden Spielen holen. So es denn noch welche gibt.

Beim Stand von 3:0 vergab Pfingsten-Reddig einen Elfmeter. Das ist großartig. Denn immer schießt bei Elfmetern die Statistik mit. Und die nahm langsam besorgniserregende Werte an. Bei 22 Versuchen 20-mal verwandelt, das sind rund 91 Prozent und noch immer eine herausragende Quote – berücksichtigt man den «branchenüblichen» Schnitt von 75 Prozent. Noch bemerkenswerter ist jedoch das unglaubliche Timing unseres Kapitäns. Wenn es in dieser Saison irgendeinen Zeitpunkt in irgendeinem Spiel gab, zu dem uns ein verschossener Elfmeter nicht wirklich wehtat, dann genau dieser. Schon sein erster Fehlschuss gegen den TuS Koblenz fiel beim Stand von 2:0 für Erfurt in einem Spiel, in dem der RWE aufgrund heilloser Überlegenheit etwas sorgloser mit seinen Chancen umgehen durfte (29.01.2011, Endstand 3:0). Welche Bedeutung der Fußballer Nils Pfingsten-Reddig hat, seit er für den RWE am Steigerwald die Töppen schnürt, kann man vielleicht auch daran ermessen, dass es auch damals gegen Koblenz er war, der für die erlösende Führung sorgte. Dass er jetzt auch noch Tore mit direkten Freistößen erzielt ist nur ein weiterer Beleg für seine fußballerische Klasse und seine Führungsqualitäten. Wo ist sie hin, die hitzköpfige und zuweilen geringschätzige Diskussion, ob er der richtige Kapitän für diese Mannschaft sei?

Am Samstag geht es nach Babelsberg. Die Ausgangslage des RWE im Abstiegskampf sieht derzeit recht komfortabel aus. Ich denke, davon sollte sich niemand täuschen lassen. Zum einen weiß keiner, was aus den gegen Aachen erzielten Punkten wird, zum anderen ist die Tabelle wegen der anstehenden Nachholespiele noch immer reichlich schief. So könnte Dortmund mit zwei Siegen wieder bedrohlich nahe heranrücken, was in gleichem Maße auf Babelsberg zutrifft, sollten wir dort verlieren. Wie gestern der FC Hansa. Ich bin aber zuversichtlich, dass dies nicht passieren wird. Babelsberg wird nicht abwartend spielen können, sondern ist qua Tabellensituation gezwungen, etwas zu riskieren. Das weiß Alois Schwartz natürlich. Ich rechne deshalb damit, dass Kopilas wieder als Innenverteidiger aufläuft und Oumari ins defensive Mittelfeld rückt. Eine Renaissance der recht erfolgreichen Auswärtstaktik also. Den Unterschied könnten dieses Mal Drexler und Morabit machen, deren Formkurve eindeutig nach oben zeigt und die den zahlenmäßigen Verlust eines Offensivspielers durch ihre individuelle Klasse kompensieren könnten.

Wenn das nicht hilft, haben wir ja noch unseren Kapitän – eine direkt verwandelte Ecke und der Grand Slam für Standards wäre komplett.

Rot-Weiß Erfurt vs. Unterhaching 1:0 / Möhwald for Rechtsverteidiger

Nach Zuspiel von Drexler wird Öztürk gefoult. Elfmeter. Pfingsten. Tor. Was sonst!

Wir haben in dieser Woche zwei Spiele gesehen, für die Alois Schwartz, der Cheftrainer des FC Rot-Weiß Erfurt, völlig verschiedene taktische Konzepte wählte. Möglicherweise wählen musste. Gegen Karlsruhe stand mit Mijo Tunjc nur ein nomineller Offensivspieler in der Startformation. Die Absicht einer derartigen Aufstellung war offensichtlich – es sollte unter allen Umständen ein Gegentor vermieden werden, dafür nahm man den Mangel an Offensivkraft in Kauf. Wir alle wissen, dass diese Intention gescheitert ist. In der entscheidenden Phase des Spiels (ab Minute 15 bis zum Gegentor) konnte der KSC trotzdem enormen Druck entwickeln und erzielte folgerichtig die Führung. Damit war das Spiel entschieden, denn dem RWE fehlte an diesem Abend jedes spielerische Mittel, um die fortan clever verteidigenden Karlsruher ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Mir hat die Aufstellung gegen den KSC nicht gefallen, allerdings sollte man fair genug sein anzuerkennen, dass mit Öztürk und Drexler zwei Alternativen für eine offensivere Variante nicht zur Verfügung standen. Morabit wurde eingewechselt, aber wie immer wenn er nicht in der Startelf steht (0 Scorerpunkte in dieser Saison), konnte er sein Talent nicht wirklich nutzen. Andererseits habe ich mich gefragt, warum Morabit, Nielsen oder der agile Strangl nicht bereits viel eher ins Spiel kamen, denn sobald der RWE in Rückstand geriet, war die Anfangself unzweckmäßig und man hätte sie quasi sofort korrigieren müssen.

Offensivere Aufstellung gegen Unterhaching

Wie auch immer. Gegen Unterhaching standen Oumari, Öztürk und Drexler wieder zur Verfügung und alle drei sollten zu diesem Sieg einen wichtigen Beitrag leisten. Ebenso wie Smail Morabit, der zwar keinen unmittelbaren Anteil am Tor hatte, allerdings in der 2. Halbzeit ein gutes Spiel machte, weil er sich – im Gegensatz zur 1. Hälfte – viel mehr in die offenen Räume bewegte, um nicht stets und ständig von zwei oder drei Gegenspielen sofort bei der Ballannahme attackiert zu werden.

Schwartz verzichtete auf einen defensiven Mittelfeldspieler (was Kopilas seinen Platz in der Startelf kostete), stellte das Spielsystem aber nicht völlig auf den Kopf. Auch gegen Unterhaching spielte Engelhardt sehr konsequent und eng vor der Abwehrkette. Seine Aufgabe wurde erleichtert durch einen herausragend agierenden Joan Oumari, diesmal als Innenverteidiger aufgeboten, der alles erköpfte und erlief was an Bällen auf ihn zukam, dabei kaum ein Foul verursachte und zudem mit klugen Pässen zur Spieleröffnung beitrug. Unterhaching kam aber auch deswegen zu sehr wenigen Möglichkeiten, weil die Erfurter Offensivspieler mittels eines hohen läuferischen Aufwands das Aufbauspiel der Oberbayern massiv störte. Die situativ zu treffende Entscheidung ob aktiv gepresst oder «nur» der Passweg zugestellt wird, fiel mehrheitlich richtig aus und wirkte meist koordiniert.

Mit Möhwald könnte das Problem auf der rechten Seite gelöst werden

Da Ofosu-Ayeh gelbgesperrt war, musste sich Alois Schwartz auf der rechten Seite seiner Viererkette etwas einfallen lassen. Er entschied sich für Kevin Möhwald und das war eine ausgezeichnete Idee. Ich habe keine Ahnung, ob der 19-Jährige diese Position schon jemals innehatte (mir ist es auch bei den A-Junioren nicht erinnerlich). Allein, das war seinem Spiel nicht anzumerken. Um es ganz deutlich zu sagen: Möhwald hat gegenüber Ofosu deutliche Vorzüge. Er ist technisch besser, verfügt über eine höhere Passqualität und ein ausgeprägtes taktisches Verständnis. Der Begriff Außen-Verteidiger ist ja inzwischen völlig irreführend, dazu muss man sich eigentlich nur ein einziges Spiel des derzeit vielleicht weltbesten Spielers auf dieser Position anschauen. Die Rede ist von Philipp Lahm. Er bildet das role model für die moderne Interpretation des defensiven Außenbahnspielers und die fußballerischen Attribute, die es dazu benötigt, finden sich halt eher bei Kevin Möhwald als bei Phil Ofosu-Ayeh. Fillinger (offensiv rechts) und Möhwald standen in dieser taktischen Anordnung zum ersten Mal gemeinsam auf dem Platz. Da ist im Detail noch viel Abstimmungsarbeit zu leisten, aber diese Konstellation könnte die rot-weiße Zukunft rechts der Platzmitte sein.

Ein wenig Geduld kann nicht schaden

In den Foren ist hinsichtlich der Angriffsleistung des RWE viel Gezeter zu lesen. Das kann ich nur zum Teil nachvollziehen. Noch viel weniger kann ich dem zustimmen. Richtig ist, und jeder im Stadion konnte das sehen, dass der RWE große Probleme hatte, sich Chancen zu erspielen. Aber im Gegensatz zum Spiel gegen den KSC wurde das zumindest seriös versucht. Im taktischen Ablauf des Spiels hatte dies unabweisbare Konsequenzen. Unterhaching konnte zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Druck gegen die Abwehr des RWE aufbauen, dafür griffen sie meist mit zu wenigen Spielern an, eben weil Erfurt mit 4 Akteuren (bzw. fünf, wenn Pfingsten-Reddig aufrückte, was häufig vorkam) in der gegnerischen Hälfte präsent war. Klar, es gab massenweise Missverständnisse, Fehlabspiele und individuelle Schwächen. Aber was es von der ersten Spielminute an auch gab, war der Wille ein Tor zu erzielen.

Und dieser Wille wurde belohnt. Nach den auf Gegner-Destruktion getrimmten Aufstellungen der letzten Wochen (die allerdings auswärts reichlich Punkte einfuhren) wäre es ein schieres Wunder gewesen, wenn die Mannschaft am Samstag – mit einer Aufstellung die so noch nie zusammengespielt hat – in einem unvermittelten Offensivrausch diesen (starken!) Gegner aus dem Stadion geschossen hätte. Passende Laufwege, exaktes Umschaltverhalten bei Kontern und eine hohe Passqualität knipst man nicht einfach an wie einen Lichtschalter. Und jetzt nerve ich den Leser mal mit einer grausamen Plattitüde: Man muss sich das alles im Training und über Spielpraxis erarbeiten. Und zwar hart. Jawohl!

Erleben wir das letzte Spiel von Alemannia Aachen?

Nachdem was wir in dieser Woche aus Aachen gehört haben, ist es derzeit nicht völlig sicher, ob das Spiel am Dienstag stattfindet. Aufgrund der Aussagen des Aachener Insolvenzverwalters besteht zudem die Möglichkeit, dass es das letzte Spiel des Vereins Alemannia Aachen im deutschen Profifußball auf unabsehbare Zeit sein wird. Vielleicht für immer. Die Chance, den Mantel der Geschichte durchs altehrwürdige Steigerwaldstadion wehen zu sehen, sollte man sich nicht entgehen lassen. Auch wenn das nichts von Erhabenheit und Größe haben würde, sondern vom genauen Gegenteil zeugt: Dummheit, Ignoranz und Größenwahn. Und damit meine ich nicht exklusiv die alte Vereinsführung dieses Traditionsvereins, sondern auch den Deutschen Fußballbund, der dieses aberwitzige Trauerspiel in hohem Maße mitzuverantworten hat. Die treuen Fans der Alemannia dagegen kann man nur bedauern.

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