Tag Archiv für Pfingsten-Reddig

Landespokal: Jena vs. Erfurt 0:1 / Mit Herz und Hirn

Oumari und Möckel haben alles im Griff © www.fototifosi.de

Der baumlange Jena-Fan vor mir kannte sich erstaunlich fundiert mit den Spielern des RWE aus. Wenn er das verhasste Team aus der Landeshauptstadt nicht gerade lautstark schmähte, klärte er seinen Nachbarn recht detailliert über Stärken und Schwächen unserer Spieler auf. Als in der 85. Minute Morabit für Baumgarten eingewechselt wurde, lautete sein Kommentar: «Jetzt kommt der doch noch, das ist gar nicht gut.» Wie recht er damit haben sollte, zeigte sich nur vier Minuten später. Oumari spielte einen langen Pass auf den besten Erfurter Stürmer. Dieser täuschte eine Ballannahme vor, ließ das Spielgerät jedoch auf Tunjic durchlaufen, der mittels dieser Finte allein auf Berbig zulaufen und vollenden konnte. Ich will dieses Durchlaufen lassen des Balles jetzt nicht zur Heldentat stilisieren, aber die fußballerische Raffinesse die in diesem Move von Morabit lag, fehlte dem Angriffsspiel des RWE bis dahin. (Leider sieht man diese gedankenschnelle Gewitztheit auf den mdr-Bildern nicht wirklich. Ich stand hinter dem Tor, dort erkannte man sofort, dass die Bewegung pure Absicht war.)

Um es etwas überspitzt zu formulieren: Morabit ist derart wichtig für den RWE, dass er selbst ohne Ballberührung ein Spiel mitentscheidet.

Bis zu diesem Zeitpunkt (also quasi über die volle Spielzeit) war der RWE in allen Belangen die bessere Mannschaft. Aber eben nicht deutlich besser, sondern nur graduell. Nicht genug jedenfalls, um es auf die Anzeigetafel zu schaffen. Dass Jena laufen, kämpfen und grätschen würde, konnte angesichts eines Pokalspiels und der fanatischen Kulisse kaum überraschen. Es war das Spiel der Saison für den FCC. Nicht zu übersehen war ebenfalls, dass Petrik Sander ein ziemlich guter Trainer ist. Alles, was so halbwegs unabhängig von der individuell-technischen Qualität der Spieler trainiert werden kann, stimmte im Spiel der Jenaer: aggressives Zweikampfverhalten, kompakte Raumaufteilung, Defensiv-Offensiv-Balance.

Trotz der defensiven Konstanz des FCC erarbeitete sich der RWE gute Möglichkeiten. Drexler und Möckel scheiterten in der ersten Halbzeit an Berbig und am Pfosten, Möhwalds Heber verfehlte in Halbzeit zwei das Tor nur um Zentimeter. Das Team von Alois Schwartz verlor zu keinem Zeitpunkt des Spiels den Überblick und die Kontrolle, ließ sich weder von der Kulisse noch von der robusten Zweikampfführung der Jenaer beeindrucken. Oumari, Möckel und Rickert spielten routiniert und fehlerfrei, erleichtert wurde ihnen das allerdings von der Kompaktheit des Erfurter Mittelfeldes. In der spielentscheidenden Zone des Platzes regierte meist der RWE mit Engelhardt, Pfingsten-Reddig und Baumgarten. Folgerichtig kamen oft nur lange und ungenaue Zuspiele in Richtung der Jenaer Angreifer, die unsere Verteidigung meist mühelos abfangen konnte.

Allerdings hatte der RWE ebenfalls gravierende Probleme im Offensivspiel. Zu häufig wurden schwer zu verarbeitende lange und oder hohe Bälle gespielt. Wenn einmal über mehrere Stationen und mit Raumgewinn kombiniert wurde, fehlte es oft an der Präzision beim finalen Zuspiel in die torgefährliche Zone. Ebenso häufig wurde der Ball vorher schon vertändelt, nicht selten spielte dabei der spätere Torschütze eine kaum zu übersehende ungute Rolle. Fluides Kurzpassspiel verlangt von allen Beteiligten eine hohe Passgenauigkeit – bisher keine ausgeprägte Eigenschaft von Mijo Tunjic. Er hat – wie man in der 89. Minute sehen konnte – seine nachweislichen Stärken im Strafraum, wird er dort gut in Szene gesetzt, macht er Tore.

Fazit: Der RWE hat dieses Pokalviertelfinale verdient gewonnen. Nicht weil die Mannschaft brillant kickte. (Aber damit war bei einem realistischen Blick auf die Dinge kaum zu rechnen.) Sondern weil sie über 90 Minuten konzentriert und engagiert Fußball spielte, ohne Arroganz, dafür mit Herz und Hirn. Eigenschaften, die am Samstag in Münster erneut dringend benötigt werden.

SpVgg Unterhaching vs. FC Rot-Weiß Erfurt 2:2 / Es lebt!

Besser als anders herum: Drexler im Aus, Ball im Tor © www.fototifosi.de

Das war dann wohl die Woche der kuriosen Fußballspiele. Nach dem genial-desaströsen Auftreten der Nationalmannschaft legten auch die SpVgg Unterhaching und der RWE ein Spiel hin, das man so nicht alle Tage sieht.

Ich war neugierig, wie RWE-Trainer Alois Schwartz den Ausfall von Engelhardt und Strangl zu kompensieren gedachte (böse Zungen behaupteten, da gebe es nicht viel zu kompensieren). Auf die von ihm gewählte Variante – mit Bernd Rauw – wäre ich nicht gekommen. Je nach Geschmack konnte man auf eine 4-5-1 oder 4-1-4-1-Formation erkennen. Ich tendiere nach wie vor der Auffassung zu, dass der RWE mit drei Sechsern agierte, die leicht unterschiedlichen Aufgaben nachgingen. Rauw fungierte ausschließlich als Abräumer vor der Abwehr, während Baumgarten, vor allem aber Pfingsten-Reddig, sich außerdem um den Spielaufbau bemühen sollten. Hat das funktioniert? So lala, würde ich sagen. Dafür, dass drei Leute im zentralen Mittelfeld positioniert waren, sahen die Innenverteidiger doch ganz schön häufig die Unterhachinger Stürmer unbedrängt auf sich zu laufen. Pfingsten-Redddig tat die defensive Absicherung trotzdem gut. Er machte sein bestes Spiel seit Langem und auch Baumgartens Debüt in der Startelf bot Anlass zur Hoffnung. Großartig sein geistesgegenwärtiges und exaktes Zuspiel auf Tunjic vor dem Ausgleich zum 1:1. Das eigentlich ein 3:1 hätte sein müssen. Nach ausgeglichenem Spiel in der ersten Phase der Partie, dominierte der RWE die Begegnung und ließ sich auch von der Führung der Oberbayern nicht wirklich irritieren. Schon aus fußballästhetischen Gründen hätte Möhwalds Seitfallzieher eine numerische Entsprechung auf der Anzeigetafel verdient gehabt. Von Tunjics Großchance nach dem besten RWE-Angriff, via Pfingsten-Reddig und Drexler, ganz zu schweigen. Es war zum Verzweifeln. Allerdings: In unserer Situation ist Verzweiflung bereits ein mentaler Fortschritt. Allemal besser, als ob der gezeigten Leistungen in katatonische Starre zu fallen, wie zuletzt geschehen. Dann kam es dennoch, wie es kommen musste. Zwei haarsträubende Fehler, an denen Rickert beide Male hauptdarstellerisch beteiligt war, sorgten für die fast schon absurde 2:1-Halbzeitführung der Gastgeber.

Offensichtlich hatte die Mannschaft in der Pause die Anweisung erhalten, nicht unkontrolliert nach vorne zu spielen, um dem Unterhachinger Konterspiel zu entgehen. Sie hielt sich daran, wenngleich mit einem anderen Resultat als geplant. Nun brachte der RWE offensiv überhaupt nichts mehr zustande. In dieser Phase des Spiels machten die Gastgeber deutlich, dass Tabellen nicht lügen, erspielten sich mehrere großartige Torgelegenheiten (einschließlich Elfmeter), die allesamt ebenso großartig von Rickert vereitelt wurden. Mit der Einwechslung von Ahrens und Temür schaltete Schwartz dann doch auf den Kamikaze-Modus. Wie zwei Rummelboxer mit heruntergelassener Deckung drosch man nun aufeinander ein und der RWE hatte den besseren Punch. Drexler kam im Strafraum nicht sehr mittig und eher zufällig in Ballbesitz, umkurvte Riederer, was seine Lage zum Tor fast aussichtslos werden ließ – und traf in selbiges. Mit artistisch anmutender Körperkontrolle, zum insgesamt verdienten Ausgleich für den RWE. Würde mich nicht wundern, wenn er nach der Saison zum Cirque du Soleil in die Zirkus-Championsleague wechselt. Grandioser Treffer.

Fazit: ein unterhaltsames Gagaspiel. Die erste Hälfte wird von Erfurt (zumindest nach Großchancen) eindeutig beherrscht und 1:2 verloren. In Halbzeit zwei dominiert Haching ebenso handfest und muss dennoch den Ausgleich hinnehmen. Der RWE wusste in einige Phasen des Spiels sogar fußballerisch zu überzeugen und hat zwei Mal einen Rückstand wettgemacht. Aber Vorsicht! Der Verein, seine Fans und sein Blogger wähnten sich nach den Spielen gegen Aachen, Dortmund, Saarbrücken und Offenbach schon einmal auf dem Weg der Genesung, nur um dann erneut vom Laster überrollt zu werden. Noch eine Niederlagenserie kann man sich nicht leisten, denn dann wird aus einer prekären Situation schnell eine aussichtslose.

RWE vs. Stuttgarter Kickers 0:3 / Angst essen Verstand auf

Wie es um den FC Rot-Weiß Erfurt steht, konnte man an den Gesichtern der Zuschauer in meiner Nähe gut ablesen. Quasi: 50 Shades of Fassungs-, Rat- und Hoffnungslosigkeit. Die meisten litten eher still vor sich hin. Bei einigen gewann man den Eindruck sie schauen einem rasanten Tennisspiel zu, so regelmäßig wie sie ihren Kopf schüttelten. Andere, wenige, machten es wie immer und konzentrierten ihren Unmut auf die üblichen Verdächtigen: Tunjic, Pfingsten-Reddig, Engelhardt, Bertram, etc.

Selbst eine kurze taktische Analyse fällt schwer, auch weil ich das Gefühl habe, dass diese niemanden wirklich interessiert. Woher aber kommt der leblose Eindruck, den der RWE über die gesamten 90 Minuten vermittelte? Nun, es war offensichtlich, dass Alois Schwatz sehr viel Wert auf das permanente Einhalten der taktischen Grundordnung legte. Dagegen ist per se nichts einzuwenden. Allerdings führte die Angst vor einem Gegentreffer dazu, dass sie das gesamte Offensivspiel lähmte. Die Außenverteidiger schalteten sich so gut wie nie in die Angriffe ein, was zu permanenter Unterzahl auf den Flügeln führte. Die Spieleröffnung über das zentrale Mittelfeld wurde von den Kickers dadurch unterbunden, dass zum einen die Passwege zugestellt wurden, manchmal nahm man Engelhardt und Pfingsten-Reddig auch in Manndeckung. Damit blieben nur lange Bälle zur Spieleröffnung übrig. Oft wurden diese von Oumari auf den linken Flügel zu Drexler gespielt. Wenn sie denn mal ihren Adressaten fanden, sah sich Drexler meist zwei oder drei Gegenspielern gegenüber. Ein Überladen seiner Seite mittels der Unterstützung durch die Außenverteidiger (oder die Sechser) fand nicht statt. Das war in der letzten Saison noch anders. Da gab es die Variante der langen Bälle von Caillas auf Morabit (meist auch über links) ebenfalls, allerdings unterstützte damals Pfingsten-Reddig sehr häufig den Außenstürmer, was am Samstag völlig unterblieb.

An dieser Stelle stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem Spielplan. Sicher ist es von großem Wert, nicht in Rückstand zu geraten. Und es gibt Gegner in dieser Liga, gegen die ein Unentschieden (auch zu Hause) durchaus ein brauchbares Resultat darstellt. Der Aufsteiger Stuttgarter Kickers zählt in seiner jetzigen Verfassung nicht dazu. Gegen die Jungs aus Degerloch muss ich ein Heimspiel gewinnen wollen. Ohne ein gewisses Maß an Risiko wird das nicht funktionieren. Gegen keinen Gegner. Zu diesem Zweck muss sich eben ein Außenverteidiger in die Flügelangriffe einschalten. Wenn die beiden nominellen Spielgestalter im zentralen Mittelfeld sehen, dass die Innenverteidiger Probleme haben Anspielstationen zu finden, muss sich einer zurückfallen lassen, um diese Aufgabe zu erleichtern. Selbst wenn ich – risikominimierend – auf lange Bälle setze, müssen sich ein Sechser und der zentrale offensive Mittelfeldspieler (Möhwald) vorher auf diese Seite orientieren, damit wenigstens ab und an eine dieser Situationen in einen Erfolg versprechenden Angriff mündet (z.B. über die Eroberung bereits abgewehrter «zweiter» Bälle.)

Wie bereits in den Spielen zuvor brach die Mannschaft nach dem Rückstand komplett auseinander, obwohl Schwartz relativ früh und nur positionsersetzend tauschte. Die Grundordnung blieb (nominell) erhalten, nachdem in den Spielen zuvor die Herausnahme eines Sechser bzw. die Auflösung der Viererkette gleichfalls völlig in die Hose gegangen war. Ich hätte bereits zur Halbzeit Tunjic aus dem Spiel genommen und Drexler in die Mitte beordert, einfach um einen Spieler im Sturmzentrum zu haben, der Bälle festmachen und auf nachrückende Mitspieler prallen lassen kann. Etwas was Mijo Tunjic (bei aller Laufbereitschaft) durchweg nicht gelang (und was wohl insgesamt nicht zu seinen Stärken zählt). Keine Ahnung, ob dies etwas verbessert hätte, aber ich hatte nach 45 Minuten schlichtweg das Gefühl (womit ich kaum der Einzige war), dass wir dieses Spiel verlieren werden, wenn sich nichts ändert.

Wie auch immer, momentan haben die Apokalyptiker Konjunktur. Und gute Argumente. Jedenfalls, wenn man Rechthaberei zum obersten Vereinsziel erklärt. Nach dem jetzigen Stand der Dinge wird zutiefst offenbar, dass Rolf Rombach und seine Jünger mit vielem was sie in den letzten Monaten getan, veranlasst und unterlassen haben grandios falsch lagen. Um das zu erkennen, benötigt es nicht viele Worte, ein Blick auf die Tabelle bzw. auf die Leistung der Mannschaft genügt. Dennoch, wozu genau in der gegenwärtigen Lage ein Machtvakuum beim RWE gut sein soll, erschließt sich mir nicht. Die Forderungen nach einem Rücktritt des Präsidenten (mitsamt seiner zugegeben semiprofessionellen Entourage) sind suizidal. Es existiert momentan keine erkennbare Alternative zu ihm, weder personell und schon gar nicht konzeptionell. Ich weiß, dass viele große Sorgen um die Zukunft ihres Vereins haben und auch, dass es allzu menschlich ist, jemanden für Niederlagen sofort haftbar machen zu wollen. Allerdings: Jegliches hat seine Zeit, und gerade jetzt ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für Scharmützel zwischen Fans und Vereinsführung.

Wir werden diese Scheiße gemeinsam durchstehen oder die Zeit des RWE im deutschen Profifußball ist vorerst abgelaufen.

Karlsruher SC vs. RWE 3:0 / Hört die Signale!

Es ist schwer, nach solchen Spielen die Balance zu wahren. Auf der einen Seite waren die Kräfteverhältnisse im Wildpark keineswegs so eindeutig, wie es das Resultat nahe legt. Andererseits ist fast ein Drittel der Saison absolviert, der RWE ist 19. der Tabelle und die Leistung gestern war nicht geeignet, auf baldige Genesung des Patienten zu hoffen.

Vor allem gibt mir zu denken, dass die Mannschaft nicht in der Lage war, offensichtlich verunsicherte Karlsruher zu einem Zeitpunkt zu attackieren, als sich dafür Gelegenheit bot. Der KSC begann ganz schwach, doch irgendwie verließen sich die Erfurter darauf, dass dieser Zustand die gesamte Spielzeit über anhält. Das war viel zu passiv. Außer Tunjics Gewaltschuss gab es in Halbzeit eins keinen nennenswerten Torabschluss. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als der RWE noch mit allen Spielern auf dem Platz stand. Die zeitweilige spielerische Impotenz eines Gegners darf nicht mit eigener Spielkontrolle verwechselt werden. Das ist Selbstbetrug. Barcelona und die Bayern haben Spiele im Griff, in denen sie deutlich führen, um dann dem Gegner in schier endlosen Ballstafetten den letzten Nerv zu rauben. Daran gemessen hatte der RWE gestern zu keinem Zeitpunkt irgendetwas «im Griff». Karlsruhe verfügt über den individuell stärksten Kader aller Drittligisten. Spieler wie Calhanoglu, Krebs, Henning oder Haas können Spiele auch entscheiden, wenn die Mannschaft als Ganzes nicht wirklich funktioniert. Umso wichtiger wäre gewesen, den KSC unter Druck zu setzen. Niemand weiß, ob das zu einem erfolgreicheren Ausgang geführt hätte – mir wäre aber wohler, wenn man es wenigstens beherzt versucht hätte.

Ich hatte anlässlich der Roten Karte gegen Rauw im letzten Spiel ja bereits beklagt, dass die Hemmschwelle für Platzverweise stetig sinkt. Selbiges könnte ich heute erneut vortragen. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Gemessen an den Vorgaben des DFB sind die beiden Gelben Karten gegen Strangl gerechtfertigt. Der Spieler kennt die Regelauslegung natürlich auch, insofern trägt nicht der Schiedsrichter (der ja auch noch was werden will in seiner Karriere), sondern Marius Strangl die alleinige Schuld an dieser Herausstellung. Einerseits. Andererseits flog er mit einem Allerweltsfoul vom Platz (es war zudem sein erstes überhaupt). Ich bleibe dabei, die Bestrafung – 50 Minuten mit einem Spieler weniger auskommen zu müssen – steht hier in keinem Verhältnis zum begangenen Delikt. Womit wir wieder bei Zeitstrafen wären, der einzigen Alternative, die mir spontan einfällt. Und mit denen ich auch nicht richtig glücklich bin, weil mir schon klar ist, dass sie den Rhythmus eines Fußballspiels schwer beschädigen können.

Wie auch immer. Der RWE hat nunmehr das Fünfte von elf Ligaspielen kartenbedingt in Unterzahl beendet. Nur eines davon ging nicht verloren. Hohe Zeit für Alois Schwartz also, seine Spieler daran zu erinnern, dass es von beträchtlicher Bedeutung ist, ein Spiel in numerischer Gleichzahl mit dem Kontrahenten zu beenden. Wenn das nicht hilft, sollte der Verein über eine Antiaggro-Therapie für einschlägige Kandidaten wie Oumari und Strangl nachdenken. Hätte man womöglich bei Kumbela schon machen sollen.

Ein weiterer Grund zur Sorge ist die mangelhafte Tiefe des rot-weißen Kaders. Wir haben mit Fillinger einen langzeitverletzten Leistungsträger. Ob die Bezeichnung Leistungsträger auf Thomas Ströhl zutrifft, muss er erst noch unter Beweis stellen, sobald er wieder fit für die erste Mannschaft ist. Morabit laboriert noch immer an seinem Muskelfaserriss, hier vernimmt man derzeit ebenfalls keinen konkreten Termin für eine Rückkehr. Die hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lässt, denn er fehlt dem Angriffsspiel des RWE an allen Ecken und Enden. Allein Drexler wird es auf Dauer nicht richten können. Der gegnerische Trainer muss kein Jose Mourinho sein, um zu wissen, dass man sich vor allem auf ihn konzentrieren sollte, will man das Offensivspiel der Erfurter unterbinden. Ich will mir gar nicht vorstellen was passiert, wenn Drexler, Pfingsten-Reddig oder Engelhardt sich verletzen sollten. Wo es in der letzten Saison noch Weidlich, Zedi und Manno gab, gibt es in diesem Jahr nur talentierte aber weitgehend unerfahrene Spieler um diese Positionen ersatzweise einzunehmen.

Exakt hier liegt auch der Unterschied zu einer Mannschaft wie Unterhaching. Die dort eingesetzten jungen Spieler verfügen zumeist über Erfahrung in der Dritten oder wenigstens in der Regionalliga. Schaut man sich die Spieler von Unterhaching näher an, fällt noch eines auf. Fast alle kommen aus dem Fußballbiotop München. Nicht wenige sind bei Bayern oder 1860 ausgebildet worden, bzw. spielen seit ihrer Jugend in Unterhaching. Eine ähnliche Ballung an Talenten findet sich natürlich auch im Ruhrgebiet bis hin zu den ostwestfälischen Vereinen wie Osnabrück, Paderborn, Münster und Bielefeld. Vergleichbare Talentcluster (die sich auch gerne über Transfers regional mischen) existieren im Osten nicht (am ehesten noch in Berlin). Der Vorteil für die Spieler liegt auf der Hand: Sie müssen ihr soziales Umfeld nicht verlassen, wenn sie beispielsweise von 1860 zu Unterhaching wechseln, und bleiben zudem in steter Sichtweite für höhere (sprich besser bezahlte) Aufgaben.

Dieser kleine Exkurs scheint mir notwendig um deutlich zu machen: Die Situation in Erfurt ist eine völlig andere. Der RWE ist fußballerisch gesehen eine Insel ohne Brücken zum Festland. Nachwuchskonzept in Unterhaching bedeutet: Ich verpflichte junge, talentierte, aber durchaus erfahrene Spieler von den Vereinen Bayern München, 1860 München und aus dem eigenen Nachwuchs und forme daraus eine gute Mannschaft. Nachwuchskonzept in Erfurt bedeutet: ich haben einen richtig guten A-Jugend-Jahrgang, behaupte damit ein Konzept zu besitzen und verlasse mich anschließend darauf, dass diese 19-Jährigen schnell zu Stammspielern werden. Alle haben das Zeug dazu, aber sie müssen die Gelegenheit erhalten, behutsam, sachkundig und ihrem Leistungsstand gemäß an die erste Mannschaft herangeführt zu werden. Kaltes Wasser und so – keine gute Idee.

Wir brauchen dringend neues Personal. Das würde ich nicht schreiben, wenn Fillinger gesund und in formidabler Form wäre, Tunjic konstant gut in seinen Leistungen und Morabit nicht immer wieder mal wochenlang ausfallen würde. Denn dann hätte die Mannschaft das Potenzial relativ deutlich die Liga zu halten. Nun, die Realitäten sind leider andere. Deshalb halte ich Verstärkungen im Angriff und im Mittelfeld mittlerweile für unabdingbar. Wohl wissend, dass der Etat des Vereins bereits jetzt auf Kante genäht ist. Jedoch habe ich Rolf Rombach (zuletzt bei der Entlassung Emmerlings) stets so verstanden, dass da über externe Sponsoren immer noch etwas geht.

Holla! Da hat der Präsident wohl nicht zu viel versprochen. Aber sie hätten wenigstens warten können, bis ich den Post publiziert habe. Mist. Soeben lese ich nämlich, dass der RWE Mahmut Temür verpflichtet hat. Dies ist eine viel versprechende Nachricht. Beidfüßig, quasi im gesamten Mittelfeld einsetzbar. Torgefährlich. Klingt gut. Herzlich Willkommen und gleich an die Arbeit, Mahmut!

 

1. FC Saarbrücken vs. RWE 0:2 / Der verdiente erste Auswärtssieg

Möhwald erzielte seinen ersten Drittligatreffer © www.fototifosi.de

Der Ludwigspark kündet eindrucksvoll von den großen Zeiten des 1. FC Saarbrücken. Und daran, dass diese bereits einige Zeit zurückliegen. Als Anhänger des RWE kommt einem das vertraut vor. Vertraut war einem auch die Aufstellung die Alois Schwartz ins Duell der beiden Traditionsvereine schickte. Wie bereits vermutet, änderte er Preußers Formation nur da wo er musste, und brachte Tunjic für den verletzten Morabit.

Die Spiele gegen Aachen und den BVB hatten der Mannschaft Sicherheit und Struktur gegeben. Das war von der ersten Minute an zu spüren. Wenn Saarbrücken das Spiel aus der Abwehr heraus aufbaute, versuchten Tunjic und Möhwald die Passwege ins Zentrum zu blockieren. Mit einigem Erfolg – der FCS war so gezwungen lange, hohe Bälle zu spielen oder verlegte seine Angriffsbemühungen viel zu früh auf eine der Außenbahnen. Beides war relativ einfach zu verteidigen. Möckel und Oumari machten ihren Job tadellos. Können sie diese Form konservieren, werden es Bertram und Rauw schwer haben ihre Stammplätze zurück zu erobern. Vor allem Möckel überzeugte mich dieses Mal nicht nur als Abwehrorganisator, sondern wusste sogar mit einigen gescheiten und genauen Bällen zur Spieleröffnung beizutragen. Bei eigenen Ballverlusten in der Hälfte von Saarbrücken wurde versucht – nicht selten mit Erfolg -, über Gegenpressing den Ball möglichst umgehend wieder in Besitz zu nehmen. Hier verdiente sich besonders der unglaublich agile und laufstarke Strangl Bestnoten, dem kein Weg zu weit und kein Zweikampf zu viel war. Im Grunde gilt dies ebenso für Drexler. Bei der Bewertung seiner Leistungen wird aufs Neue der Fehler wiederholt, der in der letzten Saison zu einem überkritischen Umgang mit Gaetano Manno führte. Beides sind von Haus aus Stürmer, müssen aber, wenn sie auf den Außenbahnen spielen, viel Energie aufwenden, um ihren defensiven Aufgaben nachzukommen. Exemplarisch erinnere man sich an die Defensivanfälligkeit der Bayern, sobald Robben und Ribéry ihre diesbezüglichen Pflichten vernachlässigen. Die Note 4 für Drexler in der heutigen TA ist eine Frechheit. Wer allein Tore zum Kriterium der Bewertung eines Spielers erhebt, versteht von der komplexen Aufgabenverteilung im modernen Fußball in etwa soviel wie Ottfried Fischer vom Vegetarismus.

Mijo Tunjic. Hier muss ich Abbitte leisten, denn eigentlich hatte ich nach dem Pokalspiel in Heiligenstadt alle Hoffnungen fahren lassen, dass es mit ihm und dem RWE noch jemals etwas werden könnte. Und jetzt das: Honeymoon – Kate und William vergleichsweise altes Ehepaar! Ganz abgesehen vom Tor – er nahm zum ersten Mal nennenswert am Spiel der Mannschaft teil, ließ sich tiefer fallen als zuletzt und erhielt so deutlich mehr Zugriff auf das Geschehen. Er leistete sich auch am Samstag das ein oder andere vermeidbare Fehlabspiel, glänzte aber andererseits mit einigen vertikalen, längeren Zuspielen. Und schoss – nach Freistoß von Pfingsten-Reddig – ein schönes, ungemein wichtiges Tor zur Führung des RWE. Wenn es ihm gelingt, diese Leistung zu verstetigen, werden wir noch viel Freude an ihm haben.

Meine einzige, klitzekleine Kritik am Coaching von Alois Schwartz: Ich hätte Tobias Ahrens schon zehn Minuten früher eingewechselt. Es sei an das Spiel der Erfurter in Wiesbaden in der letzten Saison erinnert. Bereits damals irrwischte Ahrens durch die Innenverteidigung und erzielte fast ein Tor. Diesmal hatte er (innerhalb von nur 4 verbleibenden Spielminuten) gleich zwei Großchancen, eine davon endete am Pfosten. Sobald nach einer Führung des RWE Konterräume vorhanden sind, ist Ahrens eine erstklassige Option. Mit seiner Schnelligkeit stellt er eine Heimsuchung für alle Verteidiger dar – noch dazu, wenn sie bereits 80 Minuten Spielzeit in den ausgelaugten Knochen haben.

Am nächsten Samstag kommt es im Steigerwaldstadion zum Spitzenspiel. Der Erste und Zweite der ewigen Drittligatabelle treffen aufeinander; gewinnt der RWE schubsen wir den OFC wieder vom Thron. Ein zweifelhaftes Vergnügen, ich weiß. Aber auch so ist das Wort vom Spitzenspiel nicht völlig absurd (sondern nur ein bisschen). Zwar ringen beide Mannschaften nach einem grandios verkorksten Ligastart vorerst um Anschluss ans Mittelfeld, allerdings befinden sich alle zwei Teams momentan in sehr guter Verfassung. Offenbach hat von den letzten 5 Ligaspielen drei gewonnen und keines verloren. Dazwischen fiel der so deutliche wie verdiente DFB-Pokalsieg gegen den Erstbundesligisten Greuther Fürth (2:0). Man muss kein Loddar Matthäus sein, um sicher davon ausgehen zu können, dass der OFC stärker sein wird als zuletzt Aachen, der BVB-Nachwuchs und Saarbrücken.

Ihr wisst schon: Prüfstein, harter Brocken und so.

Alemannia Aachen vs. RWE: Den freien Fall gestoppt. Vorerst.

Ich habe gerade das Internet leer gelesen. Jedenfalls was die Berichte über das 1:1 des FC Rot-Weiß Erfurt bei Alemannia Aachen betrifft. Sehr viel schlauer bin ich nicht geworden. Im Grunde hätte ich es auch beim RWE-Ticker belassen können. Soviel jedoch scheint klar: Christian Preußer hat es geschafft die Mannschaft so zu stabilisieren, dass Sie bei einem Aufstiegsaspiranten ein verdientes Remis erreichte. Da er nicht selbst gespielt hat, ist es naheliegend, dass die von ihm vorgenommenen taktischen und personellen Änderungen dabei eine gewisse Rolle spielten.

Kleine taktische Revolution beim RWE: eine 4-2-3-1-Formation

Bertram, Tunjic und Rauw auf die Bank zu setzen war nach den bisherigen Saisonleistungen der drei Spieler konsequent. Sie wurden durch Czichos, Oumari und Strangl ersetzt, wobei vor allem Letzterem eine auffällige Partie nachgesagt wird. Dass er durch seine Dynamik dem Mittelfeldspiel gut tun könnte, hatte er bereits im Spiel gegen West Ham angedeutet.

Offensichtlich hat Preußer aber auch die taktische Ausrichtung der Mannschaft verändert. In allen Spielen unter Stefan Emmerling startete das Team mit einem 4-4-2: zwei Stürmer und eine flache Mittelfeldviererkette (also keine Raute) standen vor der Abwehr. Gestern verzichtete Preußer auf Tunjic, Morabit war der einzige nominelle Stürmer (der sich wohl ab und an mit Drexler ablöste). Es blieb bei zwei Sechsern (Engelhardt und Pfingsten-Reddig), davor spielten Czichos und Drexler auf den Flügeln und Möhwald als zentraler offensiver Mittelfeldspieler. Exakt die Position, die er unter Preußer auch bei den A-Junioren innehatte. Preußer stellte mithin auf ein 4-2-3-1-System um.

Allein die zahlenmäßige Aufwertung des Mittelfeldes scheint eine gewisse Konsolidierung der Defensiv-Offensiv-Balance mit sich gebracht zu haben, einhergehend mit einem deutlich konsequenteren Zweikampfverhalten. Gern möchte ich auch den Schilderungen glauben, die eine Verbesserung des Flügelspiels beobachtet haben wollen. Aber es wäre vermessen daraus bereits einen Trend ablesen zu wollen. Dazu kann ich erst nach dem Spiel gegen den BVB Verbindlicheres sagen. Hoffe ich jedenfalls.

Preußer ist Rombachs Favorit

Rolf Rombach hat offensichtlich die Absicht Christian Preußer als Cheftrainer zu berufen, sollte die Mannschaft am Samstag gegen den BVB gewinnen. Und würde damit das wohl größte Risiko seiner RWE-Präsidentschaft eingehen. Einerseits. Andererseits ist jede Entscheidung für einen neuen Trainer in dieser Situation ein Risiko. Man mag von den fachlichen, rhetorischen und menschlichen Qualitäten eines Coaches noch so überzeugt sein, eine Gewähr für sportlichen Erfolg sind sie nicht. Trotzdem wäre das eine sehr mutige Entscheidung, denn Christian Preußer hat keinerlei Meriten als Trainer im Profibereich vorzuweisen, ja mehr noch: er war nicht mal Profifußballer.

Aber, das waren Mirko Slomka und Ralf Rangnick ebenfalls nicht (vielen Dank an „RWE-Chris“ für den Hinweis). Beide zählen zu den profiliertesten Fußballlehrern des Landes. Arrigo Sacchi, Trainer der brillanten Mannschaft des AC Mailand Ende der 80iger Jahre, sagte man nach, dass er nur mit Mühe geradeaus laufen konnte, geschweige denn in der Lage war, unfallfrei vor einen Ball zu treten. Andere Beispiele erfolgreicher Trainer ohne vorhergehende Profikarriere sind Volker Finke und Christoph Daum.

Ein grandioses Beispiel wie ein A-Jugendtrainer einen Verein vor dem Abstieg rettete, lieferte in der vergangenen Saison der SC Freiburg. Nach der Hinrunde noch abgeschlagener Tabellenletzter, holte Christian Streich mit dem Sportclub 27 Punkte in der Rückrunde und wurde für diese Leistung – völlig zu Recht – Dritter bei der Umfrage zum Trainer des Jahres. (Bei mir hätte er sie übrigens gewonnen.) Deshalb: Die mangelnde Erfahrung im Profibereich ist aus meiner Sicht kein stichhaltiges Argument gegen Christian Preußer.

Viel essenzieller für den Erfolg Preußers wird sein, dass Mitglieder, Vorstand, Aufsichtsrat und Anhängerschaft des Vereins auch noch hinter dieser Entscheidung und ihrem jungen Trainer stehen, wenn mal zwei Spiele nacheinander verloren gehen. Dieser Fall wird eintreten, früher oder später.

Last but not least: Die Mannschaft muss den Trainer akzeptieren. Das lässt sich nicht verordnen. Der Vorstand sollte sich sehr sicher sein, dass gerade die erfahrenen Spieler hinter Preußers Stil und Konzept stehen. Dabei sollte man leicht dahin gelabernden Lippenbekenntnissen misstrauen. Die werden bereits bei geringsten Differenzen keinen Wert mehr besitzen.

Zusammenfassung im Konjunktiv (weil es allein von der sportlichen Entwicklung abhängig ist, ob es dazu kommt): Aus rein fachlicher Sicht würde ich eine Berufung Christian Preußers für völlig gerechtfertigt erachten. Trotzdem ginge der Verein, namentlich Rolf Rombach, damit ein exorbitantes Risiko ein. Ein größeres Risiko jedenfalls, als mit der Berufung eines anerkannten, erfahrenen Fußballlehrers. Im Falle des Misserfolges (Definition Misserfolg: der RWE setzt sich auf den Abstiegsplätzen fest) werden alle die es mit Rolf Rombach nicht so gut meinen (und das scheinen angesichts der Wortmeldungen der letzten Tage nicht wenige zu sein) einen Shitstorm bisher ungeahnten Ausmaßes in seine Richtung lostreten.

Dem Präsidenten des RWE steht also – möglicherweise – in den nächsten Tagen eine Entscheidung bevor, um die ich ihn nicht beneide.

Der RWE im August 2012: Zum Stand der Dinge

Alle wollen in Osnabrück eine Verbesserung gesehen haben. Nun, gemessen am Größten Anzunehmenden Scheißspiel (GAS) der bisherigen Saison (in Halle) war es wohl eine. Aber dieser fußballerische Offenbarungseid sollte wohl kaum als Maßstab dienen. Wenn es so wie in Halle weitergegangen wäre, hätte man die Mannschaft gleich vom Spielbetrieb abmelden können.

Momentan liegt das Angriffsspiel in Trümmern

Im Vergleich zum Auftritt gegen die VfB-Reserve vermag ich allerdings nicht wirklich einen Fortschritt zu erkennen. Es fällt auf, dass in es den letzten beiden Auswärtsspielen keine zwingende Torchance für den RWE zu notieren gab. Das war in Wiesbaden noch anders. Dafür gibt es Gründe. Emmerling stellt schon nominell defensiver auf (mit dem Abwehrspieler Ofosu-Ayeh in der Mittelfeld-Viererkette) und die taktischen Vorgaben an die Mannschaft korrespondieren mit der Formation. Alles ist in erster Linie darauf ausgerichtet, Gegentore zu vermeiden: Wie Dominick Drexler in der gestrigen TA völlig richtig analysierte, beteiligen sich zu wenige Spieler an den Offensivaktionen. Er sprach von mindestens vier Spielern; Ralf Rangnick nannte letztens sogar die Zahl von fünf Akteuren, die in einen Angriff eingebunden sein müssen, wenn dieser gefährlich werden soll. Sonst fehlt es an allem, was einen Angriff zu einem solchen macht: an Breite (um die Abwehr des Kontrahenten auseinanderzuziehen), an Anspielstationen, und an der Möglichkeit, Überzahlsituationen zu erzeugen. Dies führt zu Verzweiflungsflanken auf den einen zentralen Stürmer, der in der Regel von mehreren Gegenspielern abgedeckt und somit chancenlos ist, mit so einem Ball etwas anzufangen. Wenigstens wurde in Osnabrück konsequent versucht, Ballverluste im Vorwärtsgang zu vermeiden. So wurde, wenn keine Passoption verblieb, einfach aufs Tor geschossen. Meist aus recht aussichtsloser Lage. Aber selbst diese Vermeidung von Ballverlusten muss man ambivalent bewerten, denn sie führte auch dazu, dass nur selten schnell und direkt gespielt wurde. Was wiederum eigentlich die einzige Option darstellt, eine Unterzahlsituation erfolgreich aufzulösen.

Wie gehabt: Taktische und individuelle Fehler im Abwehrverhalten

Über all das müsste man nicht so viele Worte verlieren, wenn die eigentliche Intention einer defensiven Spielweise erfüllt worden wäre: Vermeidung von gegnerischen Großchancen. Aber bereits vor dem Führungstor und der Herausstellung von Oumari hatte der VfL einige gute Einschussmöglichkeiten, danach sowieso.

Zwei exemplarische Szenen, die das derzeitige Dilemma verdeutlichen: Das zentrale Mittelfeld attackiert im Gegenpressing einen VfL-Spieler in Höhe des Mittelkreises, bekommt aber keinen Zugriff auf ihn und kann auch den einfachen Pass in den dahinter liegenden Raum nicht unterbinden. Eine Szene aus der Taktikhölle, weil beide Sechser sofort aus dem Spiel sind. Manno kann den Ball in aller Ruhe kontrollieren, sich orientieren und mit einem Torschuss abschließen (1. Halbzeit). Szene zwei: Vor dem Pfostenschuss von Nagy trabt Bernd Rauw schattenhaft neben diesem her und wirkt dabei wie die Karikatur eines Verteidigers.

Diese unselige Verquickung von taktischen Unfertigkeiten und individuellem Larifari war leider auch in Osnabrück das größte Manko des RWE. Wie konzentriertes Defensivspiel aussehen kann, konnte man sich im Livestream des mdr am Sonntag bei Hansa gegen den CFC ansehen. In der 2. Halbzeit bekamen beide Mannschaften nach vorne kaum etwas auf die Reihe, trotzdem war der CFC die überlegene Mannschaft – mit gefühlten 80 Prozent Ballbesitz. Wer Fan der Chemnitzer ist, konnte sich die Sache relativ entspannt betrachten, denn eines war klar: hinten stand der CFC so ungemein stabil – Hansa hätte bis zur Wiederauferstehung Störtebekers spielen können und trotzdem kein Tor erzielt. Von dieser defensiven Grundsicherheit ist der RWE derzeit ganze Fußballuniversen entfernt, und das trotz einer auf die Abwehr hin konzipierten Spielweise.

Was tun?

Kein vernunftbegabter Trainer, dessen Mannschaft nach fünf Spieltagen Tabellenletzter ist, würde eine Mitschuld an dieser Situation leugnen. Das tut auch Stefan Emmerling im heutigen Interview der Thüringer Allgemeinen nicht. Alles, was er darin sagt ist richtig. Alles, bis auf eines. Die Verpflichtung eines Stürmers „der aus dem Nichts Tore schießen kann“, wird wohl ein Traum bleiben. Keine Ahnung, wer ihm da vorschwebt. Zlatan Ibrahimović? Abgesehen von diesem Kaliber (aber im Grunde natürlich auch dort), sind Mittelstürmer auf die Zuarbeit ihrer Mitspieler angewiesen. Was nicht bedeutet, dass ein Stürmer nicht auch mal aus einer Einzelaktion heraus unvermittelt ein Tor schießt. Allerdings ist dies die Ausnahme, quasi Sahnehäubchen auf Torte. Ansonsten gilt (und es gilt umso mehr, je höher die Qualität der Liga ist): Stürmer sind das letzte Glied einer komplizierten Produktionskette namens Fußball. Sie sehen halt immer nur sehr dumm aus, wenn sie mit leeren Händen die Fabrikhalle verlassen. Schuld an der Misere sind jedoch meist andere.

Deshalb sehe ich das Problem des RWE vordergründig nicht im Sturm. Sollte Rolf Rombach noch einmal Zugriff auf die Schatulle eines Sponsors erhalten, würde ich eher einen lauf- und zweikampfstarken defensiven Mittelfeldspieler holen. Typ: Bender-Zwillinge, Luiz Gustavo. Einen Staubsauger vor der Abwehr, der zum einen diese entlastet und zum anderen den Kreativspielern mehr Sicherheit (sprich Absicherung) gibt. Außerdem ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, das nominelle 4-4-2 wenigstens zu hinterfragen. Im Grunde handelte es sich immer schon um ein 4-4-1-1, weil so gut wie nie zwei Stürmer im Strafraum auf ein Zuspiel warten. Morabit war bereits in der letzten Saison der freie Radikale hinter der Spitze (Reichwein). Um mehr Breite der Angriffe sicherzustellen, würde ich ihn und Drexler konsequent auf den Flügeln positionieren. (In der Grundordnung wohlgemerkt, denn natürlich sollen sie rochieren und Überzahlsituationen auf den Flügeln und im Zentrum schaffen). Dann wäre Platz für Möhwald im zentralen offensiven Mittelfeld – hier liegt ohnehin seine größte Stärke. Im Sturmzentrum wäre Tunjic meine erste Wahl. Auf den Sechserpositionen: Pfingsten-Reddig für den Spielaufbau aus der Abwehr und – wie erwähnt – ein in erster Linie defensiv denkender und agierender Mittelfeldspieler. Wir hätten dann ein 4-2-3-1-System, von dem ich mir vor allem mehr Präsenz (aber auch Qualität) in der spielentscheidenden Zone verspreche. Zudem würde unser momentan lebloses Flügelspiel reanimiert. Mit dem derzeitigen Personal wäre das irgendwie auch abbildbar, jedoch halt nur irgendwie. Für Trial and Error geht uns aber langsam die Zeit aus. Ich sehe derzeit keinen Spieler im Kader, der diese zentrale defensive Aufgabe übernehmen könnte.

Viel Arbeit auf und neben dem Platz für Stefan Emmerling, seine Co-Trainer und vor allem für die Spieler. Die Mannschaft gleicht momentan einer Großbaustelle. Berliner Flughafen nichts dagegen. Ich sehe es positiv, dass jetzt zwei Wochen bis zum nächsten Ligaspiel gegen die Arminia bleiben. Vorbereitung 2.0, sozusagen. Vielleicht beginnt ja dann – mit fünf Spielen Verspätung – die Saison des FC Rot-Weiß Erfurt.

RWE vs. West Ham United 0:3 / Schön verloren

Über sehr weite Teile des gestrigen Spiels war der Premier-League-Aufsteiger aus dem Londoner East End der ideale Gegner für den FC Rot-Weiß Erfurt. Individuell naturgemäß stark besetzt, aber doch mit einem angenehmen Schuss britischer Zurückhaltung ging West Ham in die Partie und ließ den RWE Fußball spielen. Anders als eine Woche zuvor gegen den BVB, fand so etwas wie Pressing aufseiten der Engländer nicht wirklich statt. Und die Rot-Weißen waren gewillt und in der Lage diese Einladung anzunehmen.

Aus dem aktuellen Kader rückten Strangl, Jovanovic, Göbel, Öztürk und Rickert in die Startelf. Hinzu gesellte sich Felix Schiller. Der bei Werder Bremen ausgebildete und zuletzt bei Oberhausen aktive 1,89 Meter große Innenverteidiger, erhielt die Chance probeweise vorzuspielen. Der Erkenntnisgewinn in dieser Personalie war begrenzt, da West Ham über große Teile des Spiels offensiv nicht stattfand. Man konnte sehen, dass Schiller auf den ersten 20 Metern nicht der Schnellste ist, was aber bei seiner Körpergröße auch nicht zu erwarten steht. Man sah aber auch, dass er fußballerisch (für einen Innenverteidiger) ein gutes Niveau vorzuweisen hat.

Strangl, Jovanovic und Göbel gehören zu den klaren Gewinnern der gestrigen Begegnung. Strangl spielte agil, laufstark und aggressiv und wies seine Drittligatauglichkeit eindrucksvoll nach. Bei subtropischen Temperaturen war das auch konditionell eine bemerkenswerte Vorstellung. Jovanovic begann auf der rechten Abwehrseite und man sah endlich, weshalb er vor einem Jahr verpflichtet wurde. An Tagen wie gestern ist er ein äußerst spielstarker, offensiv denkender Außenverteidiger, an dem wir noch unsere Freude haben könnten – wenn seine Entwicklung so weitergeht. In der zweiten Halbzeit rückte er neben Engelhardt auf die Sechserposition und deutete hier ebenfalls seine technische Begabung mehrmals an. Er zog einige Mal mit dem Ball am Fuß in Richtung Tor der Engländer. Das sah gut aus, brachte allerdings nichts Nennenswertes ein. Ich sehe ihn eher und eindeutig lieber auf der rechten Außenbahn.

Patrick Göbel war nicht anzumerken, dass er noch vor einem Vierteljahr im Erfurter Gebreite seine Pflichtspiele vor 50 Zuschauern austrug. Mit seiner ersten Aktion vernaschte er einen Premier-League-Verteidiger und im Grunde ging es das ganze Spiel so weiter. Unbekümmert, laufstark und – ganz wichtig – stets darauf bedacht, auch die taktischen Vorgaben Emmerlings in der Defensive keineswegs zu vernachlässigen. Schade, dass er nicht mit einem Tor für seine Leistung belohnt wurde. Ihm hatten wir auch zu verdanken, dass wir wieder mal einen gefährlichen, direkt ausgeführten Freistoß des RWE sahen (gefährlich für den Gegner). Überdies  ermöglichte eine von ihm getretene Ecke Jovanovic diese eigentlich 100%ige Kopfballchance in der 2.Halbzeit. Man kann, soll und darf von Patrick Göbel keine Wunderdinge erwarten. Nach dem Spiel gestern sehe ich in ihm aber eine vielversprechende Option für den Einsatz auf beiden offensiven Außenbahnen.

Möhwald harmonierte in der ersten Halbzeit eindrucksvoll mit Pfingsten-Reddig im zentralen Mittelfeld. Auf dieser Position kann er eine seiner ganz großen Stärken noch besser ins Spiel bringen: gefühlvolle, genaue Pässe in den Rücken der Abwehr. Überhaupt: Sein Spiel auf der Sechs ist für einen 19-Jährigen verblüffend: Immer anspielbereit, große Ruhe am Ball, entscheidet fast immer richtig ob die Spielsituation einen vertikalen Pass erlaubt oder eine Spielverlagerung sinnvoller ist. Ich will es mal so formulieren: Große Formschwankungen dürfen sich Engelhardt und Pfingsten-Reddig im weiteren Saisonverlauf nicht erlauben.

Manche mögen es anders sehen: Allein der beherzte und fußballerisch gelungene Auftritt der beiden Jungs war gestern sehenswert und überdies von einigem Erkenntnisgewinn.

Verloren wurde das Spiel dennoch, weil, wie bereits in Wiesbaden, zahlreiche Tormöglichkeiten ungenutzt blieben. Dazu kamen die üblichen Aussetzer im Abwehrverhalten, die von West Ham abgebrüht genutzt wurden. Das ist eine unselige Kombination. Bei aller Freude am ansehnlichen Fußball des RWE: So wird kein Spiel gewonnen – nicht gegen West Ham und nicht in der Liga. Aber, das kann sich bereits am Samstag gegen Heidenheim ändern. Mich stimmt nach wie vor optimistisch, dass die Mannschaft in der Lage ist, sich viele gute Chancen herauszuspielen. Tore (und Punkte) sollten dann eigentlich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit folgen. Sollten … Noch ganz schön viel Konjunktiv derzeit, ich weiß.

Rot-Weiße Aussichten (II) – Nachrichten from Hell

Das hatte ich mir fein ausgemalt: Ein letztes, optimistisches und versöhnliches Posting zum RWE, bevor die EM unsere Aufmerksamkeit aufzehrt. Dann kamen die ersten Gerüchte um Dominick Drexler und Greuther Fürth, die dann sehr schnell vom Verein bestätigt wurden. Auch der Verbleib Smail Morabits in Erfurt ist unsicherer denn je. Der Vertrag zwischen ihm und dem FCK soll ausverhandelt sein. Was noch aussteht, ist eine Einigung zwischen den Vereinen.

Dominick Drexler hat in der abgelaufenen Spielzeit ein herausragendes letztes Saisonviertel gespielt. Zwischen dem 29. und 38. Spieltag schoss er sechs seiner acht Saisontore. Seine Leistungen davor waren (mit wenigen Ausnahmen) tristes Mittelmaß, wenn überhaupt. Insofern ist es schon sehr überraschend, dass sich mit dem Greuther Fürth plötzlich ein Erstligist an seiner Verpflichtung interessiert zeigt. Allerdings: Die sportliche Expertise von Mike Büskens und Rachid Azzouzi sollte von niemandem in Abrede gestellt werden. In aller Regel werden dort neue Spieler äußerst bedacht ausgewählt. Machen wir uns also nichts vor – wenn die Absichten der Fürther ernsthaft sind (und gegen diese Annahme spricht derzeit rein gar nichts), wird Dominick Drexler in der nächsten Saison Spieler eines Erstligisten sein. Ich bin zwar nach wie vor skeptisch, dass er sich dort sportlich durchsetzen wird, wünsche ihm jedoch alles Gute dafür. Dass sein Verlust für den RWE keine gute Nachricht wäre, bedarf an dieser Stelle einer besonderen Erwähnung nicht.

In Fall Morabit müsste man leider von einer Katastrophe sprechen, sollte er den RWE in Richtung Betzenberg verlassen. Der RWE sollte alles in seinen Möglichkeiten stehende tun, dies zu vermeiden – und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Verantwortlichen dies ebenso sehen. Die Verpflichtung von Smail Morabit (bei einem Marktwert von quasi null) war im letzten Jahr der Transfercoup der dritten Liga schlechthin, das hat seine sportliche Entwicklung während der letzten Saison eindrucksvoll gezeigt. In meinen Augen ist diese sportliche Entwicklung noch weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein. Soll heißen: Da ist sogar noch reichlich Luft nach oben. Trotzdem ist er in der Rangliste von kicker.de der notenbeste Stürmer der letzten Saison.

Kommen wir nun – wie annonciert – zur bisher spektakulärsten Neuverpflichtung: Mijo Tunjic. Nach allem was ich bisher über ihn gelesen und gesehen habe, muss man konstatieren, dass er, was seine sportlichen Qualitäten betrifft, quasi ein Wiedergänger von Marcel Reichwein ist. Und somit eine höchst nachvollziehbare Verpflichtung darstellt. Trotz seiner 1,86 Meter Körpergröße ist er ein technisch begabter, mitspielender Centerstürmer, der sich vor allem als Wandspieler initiativ in die eigenen Angriffsbemühungen einschaltet. Er ist kopfballstark und wird dies beim RWE auch in der Defensive (vor allem bei gegnerischen Standards) unter Beweis stellen müssen. In diesem Blog wird – aus naheliegenden Gründen – in der Regel eher weniger über charakterliche Qualitäten von Spielern spekuliert. Bei Mijo Tunjic jedoch, gewinnt man schon den Eindruck, dass seiner sportlichen Performance eine positive öffentliche Wahrnehmung förderlich ist. Vielleicht mehr als dies bei anderen Spielern der Fall ist. Nun, nach zwei Jahren trostloser Unterhachinger Heimspielatmosphäre, soll es daran beim RWE nicht mangeln. Aber, er ist eben ein Mittelstürmer und als solcher auf Vorlagen und sonstige Zuarbeiten anderer Offensivspieler zwingend angewiesen. Und es ist eben ein Unterschied, ob ich einen Mittelstürmer in ein erprobtes Spielsystem einpassen kann, oder ob ich, hinsichtlich fast aller Personalien das letzte Spieldrittel betreffend, quasi bei Null anfange. Was der Fall wäre, wenn Morabit und Drexler den Verein verlassen.

Die Entscheidung der sportlichen Leitung, vier der begabtesten A-Junioren mit einem Profivertrag auszustatten, ist so konsequent wie erfreulich. Philipp Klewin, Maik Baumgarten, Kevin Möhwald und Patrick Göbel haben unter der Leitung von Christian Preußer eine herausragende Saison gespielt und zur Überraschung vieler (auch meiner eigenen) mehrheitlich auf Augenhöhe mit den Nachwuchsteams von Erstligisten agiert. Trotzdem ist ihre sportliche Perspektive im Kader der Profimannschaft sehr unterschiedlich.

Philipp Klewin muss sich als dritter Torhüter (hinter Sponsel und Rickert) erst einmal mit einer Reservistenrolle begnügen. Da es sich aber lohnt dabei nicht vorschnell die Geduld zu verlieren, hat Andreas Sponsel bewiesen, der sehr ausdauernd auf seine Chance gewartet hat, diese dann aber konsequent zu nutzen wusste.

Maik Baumgarten ist ja schon länger im Fokus der ersten Mannschaft. Sein Pech in der letzten Saison war, dass er ausgerechnet bei einer desolaten Vorstellung der gesamten Mannschaft in der Startelf stand (1. Halbzeit in Unterhaching). Auf seiner Position im zentralen Mittelfeld wird auch er sich zunächst schwer tun gegen die Konkurrenz von Engelhardt und Pfingsten-Reddig. Er ist aber ein körperlich robuster, technisch und taktisch ungemein solide ausgebildeter Mittelfeldspieler, der vor allem in der Arbeit nach hinten seine großen Stärken hat. Für ihn böten – meines Erachtens nach – die beiden defensiven Außenbahnen durchaus Alternativen zur Position im zentralen Mittelfeld.

Kevin Möhwald ist derjenige unter den vier Rookies, dem ich eigentlich sofort eine Chance in der ersten Mannschaft bieten würde. In Christian Preußers Team ist er verantwortlich für den zentralen offensiven Spielaufbau, inklusive der Spielverlagerungen auf die Außenpositionen. Mehr ein Achter als ein Zehner. Das Problem ist, dass es diese Position in Emmerlings 4-4-2 eigentlich nicht gibt. Diese Aufgabe teilen sich der offensive Sechser (meist Pfingsten-Reddig) und die hängende Spitze (meist Morabit). Allerdings könnte auch in Möhwalds Fall eine Außenposition (in dem Fall die offensive) eine Option sein, ihn in die Mannschaft einzubauen. Die Umstellung auf ein 4-2-3-1 – mit ihm als zentralen offensiven Mittelfeldspieler würde seinen Fähigkeiten allerdings am ehesten Rechnung tragen. Jedoch – in Anbetracht der völlig offenen Personalfragen in der Offensive – ist all das pure Spekulation.

Patrick Göbel. Für mich die Sphinx unter den vier Jungs. 13 Tore, 11 Torvorlagen in der gerade beendeten Saison – überragende Werte für einen linken Mittelfeldspieler. Göbel (1,73 Meter) ist ein grandioser Techniker, der schon allein mit seinen sensationellen Standards neue Impulse in der Profimannschaft setzen könnte. Aber: Technisch begabte Mittelfeldspieler bevölkern zu Dutzenden Ober- und Landesligen. Viele von ihnen setzen sich im Profibereich nie durch, weil sie sich zu sehr auf ihre Begabung verlassen und zu wenig an ihren körperlichen Defiziten arbeiten. Dass Patrick Göbel die fußballerischen Fähigkeiten mitbringt, Profifußball zu spielen, steht für mich außer Frage. Doch sollte man ihm klar machen, dass neben dem Fußballfeld die Hölle des Kraftraums auf ihn wartet, damit dies kein Traum für ihn bleibt.

So, nach der Europameisterschaft geht es weiter mit den Rot-Weißen Aussichten. Vielen Dank an alle Leser dieses Blogs für die fast durchgängig positive Resonanz. Uns allen wünsche ich grandiose Spiele in Polen und der Ukraine, vor allem natürlich von der deutschen Mannschaft. Aber da bin ich sehr optimistisch.

Habt Euch wohl in diesem Sommer.

Rot-Weiße Aussichten (I) – Das defensive Mittelfeld

Auf sie wird viel ankommen: Pfingsten-Reddig und Engelhardt  / © www.fototifosi.de

Ich könnte jetzt einfach behaupten, mein längeres Schweigen in diesem Blog sei einer Schreibblockade geschuldet, oder ein postsaisonales Burn-Out-Monster hätte mich in seinen schrecklichen Klauen gefangen gehalten. Wäre aber gelogen. Mir geht es gut. Ich habe mir selbst mal ein paar Tage freigegeben, da ich es irgendwie bescheuert finde, jede Wasserstandsmeldung beim RWE kommentierend begleiten, bejammern oder bejubeln zu wollen. Jetzt allerdings, drei Wochen nach Saisonende, wird langsam deutlich in welche Richtung sich die Dinge für die kommende Saison entwickeln. Deshalb – in loser Reihenfolge – einige Gedanken zu den Aussichten für die neue Spielzeit.

Beginnen wir heute mit dem Herzstück einer Fußballmannschaft, dem zentralen Mittelfeld. Was zu befürchten war, ist nicht eingetreten. Die Mannschaft muss nicht weitgehend neu erfunden werden. So wie es momentan aussieht, bleibt (mit Ausnahme von Caillas) der gesamte Defensiverbund beieinander, einschließlich der beiden Sechser Engelhardt und Pfingsten-Reddig. Das erfreut doch sehr, denn mit der Verlängerung des Vertrages von Pfingsten hatte ich kaum noch gerechnet.

Die Saisonvorbereitung wird Stefan Emmerling u.a. dazu nutzen, die Aufgabenverteilung zwischen diesen beiden erfahrenen Spielern neu zu bestimmen. Das hat nicht in allen Spielen der Rückrunde optimal funktioniert, was natürlich auch dem Umstand geschuldet war, dass Engelhardt relativ unvermittelt Zedis Position eingenommen hat. Der Bedarf, die Positionen und Aufgaben dieser beiden Schlüsselspieler akribisch zu trainieren, ergibt sich aber in erster Linie aus ihrer relativen Gleichartigkeit. Beides sind spielintelligente und passstarke Mittelfeldspieler, die ihre Vorzüge im Offensivspiel haben. Bei den meisten Mannschaften im Profibereich übernimmt jedoch einer der beiden Sechser eher absichernde Aufgaben, während der andere sich stärker ins Offensivspiel einschaltet bzw. dieses sogar maßgeblich initiiert. In der Regel ist diese Rollenverteilung relativ starr; Spezialistentum herrscht vor: zum Beispiel wird Xabi Alonso immer einen defensiven Sechser spielen, egal ob bei Real Madrid oder in der spanischen Nationalmannschaft. (Das hat in seinem Fall auch damit zu tun, dass eine seiner großen Stärken millimetergenaue, weite Pässe auf die Außenbahnen sind, ein bevorzugtes Mittel von Mourinho zur Spieleröffnung.) Desgleichen wird Luis Gustavo in jeder Mannschaft immer den absichernden, eher destruktiven Part im Mittelfeld übernehmen.

Im Mittelfeld des RWE war dies, noch in der ersten Saisonhälfte, die Aufgaben von Rudi Zedi. Pfingsten-Reddig kümmerte sich um die Spieleröffnung und schaltete sich, wann immer dies möglich war, in die direkten Angriffsaktionen ein. Im Grunde wurde diese Aufgabenverteilung nach Engelhardts Aufrücken ins zentrale Mittelfeld beibehalten. Eine Option wäre natürlich, den derzeitigen Trend zu negieren und eine variable, der jeweiligen Spielsituation angepasste Positionierung vorzusehen. Die Vorteile liegen auf der Hand: beide könnten ihre Spiel- und Raumintelligenz kreativ zur Geltung bringen, das Aufbauspiel wäre für den Gegner schwerer zu durchschauen. Die Risiken treten jedoch ebenso deutlich hervor: ein Verzicht auf feste Zuordnungen erfordert eine immense Eingespieltheit und ein solide miteinander synchronisiertes Spielverständnis. Sicherheit gebende Automatismen würden weitgehend entfallen. Mit anderen Worten: das wäre tendenziell die offensivere Variante, allerdings mit der quasi eingebauten Garantie bei Ballverlusten dem Gegner große Räume anzubieten, wenn die Abstimmung nicht funktioniert. Keine ganz leichte Entscheidung für Stefan Emmerling. Da ich aber glaube, dass er beiden Spielern (mit einigem Recht) viel zutraut, denke ich, dass er sich für die Option einer fluiden Aufgabenverteilung entscheiden wird und die genannten Risiken in Kauf nimmt, bzw. darauf vertraut, dass diese beiden Schlüsselspieler ausreichend Erfahrung besitzen, um in der jeweiligen Spielsituation das Richtige zu tun.

In der nächsten Folge der Rot-Weißen Aussichten wird es um die jetzt schon feststehenden Neuverpflichtungen gehen, mit einem Schwerpunkt zu Mijo Tunjic, aber auch einer persönlichen Einschätzung zu den Chancen unserer aufgerückten A-Junioren Baumgarten, Möhwald und Göbel sich in der dritten Liga zu behaupten.

WP2Social Auto Publish Powered By : XYZScripts.com