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Interview mit Christian Preußer

Aus gegebenem Anlass – Klassenerhalt der U19, DFB-Pokalteilnahme derselben Mannschaft, seine Vertragsverlängerung, und weil nicht alles schlecht ist beim FC Rot-Weiß Erfurt, hier die vollständige Version eines Interviews, das ich am 25.10.2012 mit Christian Preußer geführt habe. (Erstabdruck in Heft 1 von OstDerby – Magazin für den Fußballosten)

Zur Person: Christian Preußer wurde 1984 in Berlin geboren. Er absolvierte eine Ausbildung an der Sportakademie des Landessportbundes Thüringen, ist im Besitz der A-Lizenz des Deutschen Fußball-Bundes und hat soeben die Ausbildung zum DFB-Fußballlehrer begonnen. Seit April 2010 leitet er das Nachwuchsleistungszentrum des FC Rot-Weiß Erfurt und ist – in Personalunion – Trainer der U19-Mannschaft, die in der A-Junioren-Bundesliga spielt. Einer größeren Öffentlichkeit wurde er als Interimstrainer der Drittligamannschaft des FC RWE bekannt, die er zwei Spiele lang betreute.

Fedor Freytag: Herr Preußer, Sie sind Fußball-Trainer. In den Ohren vieler hört sich das nach einem Traumberuf an. Wie kam es dazu?

Preußer: Es ist wirklich mein Traumberuf. Wie wohl fast alle Jungs habe ich sehr früh angefangen Fußball zu spielen. Mein Heimatverein ist die VSG Altglienicke Berlin. Ich habe fast alle Nachwuchsmannschaften dort durchlaufen, wobei relativ schnell klar war, dass es mit einer Karriere als Spieler im Profifußball nichts werden würde.

Ich bin sehr demütig, dass ich den Fußball trotzdem zu meinem Beruf machen konnte. Ich finde es toll, jungen Leuten dabei helfen zu können ihre sportlichen Ziele zu erreichen und sich auch als Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Die Jungs arbeiten daran sehr konsequent. Von den 23 Spielern unserer A-Jugend wollen 21 Fußballprofi werden. Diesem Ziel ordnen sie alles unter. Es ist einfach großartig, mit ihnen Dinge zu trainieren und dann zu sehen, wie diese Dinge im Spiel erfolgreich umgesetzt werden.

Aber es ist nicht allein der sportliche Aspekt: Ich arbeite jeden Tag mit Jugendlichen und begleite sie beim Erwachsenwerden. Erlebe, wie sie ihre erste Freundin haben, den Führerschein machen. Da ist auch viel Spaß dabei.

Fedor Freytag: Welche Rolle spielen Eltern und Spielberater? Wenn man am Spielfeld steht, gewinnt man nicht immer den Eindruck, dass der Ehrgeiz einiger Eltern die Dinge zum Besseren wendet. Was Spielerberater angeht, so gibt es sicherlich viele Klischees. Ich könnte mir vorstellen, dass jemand wie Jens Nowotny (Insoccer) seriöser agiert, als andere Vertreter dieses Geschäfts.

Preußer: Spielerberatung im Nachwuchsbereich ist ein schwieriges Thema. In erster Linie weil der Zugriff auf die Spieler immer früher erfolgt. Vor drei Jahren wurde die C-Jugend-Regionalliga eingeführt. Bei manchen Spielen sehen sie dort bereits 15 bis 20 Spielerberater neben dem Platz. Wir reden hier von 14-Jährigen. Das ist für mich völlig unsinnig, weil man in diesem Alter noch keine Prognose über die Entwicklung in drei bis vier Jahren geben kann. Aber es gibt in der Tat große Unterschiede bei den Beratern. Welche mit denen wir gut zusammenarbeiten und andere, bei denen nach 5 Minuten klar ist, dass man nicht zueinander findet. Prinzipiell gilt jedoch: man muss sich mit dem Gewerbe arrangieren. Das hat auch mit den fehlenden rechtlichen Grundlagen zu tun. Die Entwicklung des Jugendlichen bzw. des Spielers muss bei allen Entscheidungen des Beraters im Vordergrund stehen, das ist leider nicht immer der Fall.

Fedor Freytag: Wäre es denn sinnvoll, die gesetzlichen Grundlagen bzw. die Verbandsregularien zu verschärfen?

Preußer: Das ist schwierig. Vom DFB lizenzierte Spielerberater gibt es ja bereits, aber grundsätzlich herrscht in Deutschland Vertragsfreiheit. Jeder kann sich quasi von jedem beraten lassen. Gerade wenn das pro forma über Rechtsanwälte abgewickelt wird, ist es kaum zu unterbinden. Bei unseren U19-Spielern suche ich aktiv das Gespräch mit den Beratern. Wenn man mit ihnen über Dinge wie Leistungsentwicklung und Perspektive reden kann, ist viel gewonnen. So kann man vielleicht verhindern, dass ein Spieler nur des Geldes wegen zu einem finanzstärkeren Verein wechselt.

Fedor Freytag: Die Eltern?

Preußer: Sie sind der Schlüssel. Inklusive der Vormittagstrainings im Sportinternat  sehe ich die Jungs 8 bis 10 mal pro Woche, also deutlich öfter als ihre Eltern sie sehen. Die Eltern vertrauen uns ihre Kinder an, also muss man den Kontakt zu den Eltern permanent suchen. Das betrifft viele Bereiche, auch das Außersportliche. Hinzu kommt das Alter. Mit 18 Jahren gibt es Abnabelungsprozesse die es zu begleiten und zu moderieren gilt. Nur wenn alle drei beteiligten Parteien am selben Strang in eine Richtung ziehen, werden sich die gewünschten Erfolge einstellen.

Fedor Freytag: Wie sieht das konkret aus, wenn ein Nachwuchsspieler nach Erfurt kommt. Wer kümmert sich zum Beispiel um Wohnraum.

Preußer: Das machen wir. Und hier liegt fraglos eine unserer Stärken. Wir versuchen, ein sehr angenehmes, persönliches Umfeld zu schaffen. Davon sind die Eltern sehr angetan, weil das offensichtlich bei den wenigsten Vereinen in dieser Weise der Fall ist. Die Jungs sollen sich hier wohl fühlen und wenn das gelingt ist viel gewonnen. Durch die Sportinternate haben wir in der Regel auch kein Problem eine geeignete Unterkunft anzubieten.

Fedor Freytag: Der große Trumpf ostdeutscher Nachwuchsleistungszentren sind die Sportgymnasien. Gibt es da noch Verbesserungspotenziale, z.B.  durch stärkere Angebote im Bereich der Berufausbildung.

Preußer: 90 Prozent unserer Spieler sind noch in der schulischen Ausbildung. Dafür ist die Zusammenarbeit mit dem Sportgymnasium optimal geeignet. Auch weil auf der schulischen Seite traditionell viel Verständnis für die speziellen Belange des Leistungssports vorhanden ist. Hier im Verein würde ich mir wünschen, dass wir einen dezidierten Ausbildungsbetreuer hätten. Also jemanden, der sich ausschließlich um den Kontakt zur Schule kümmert. Das wird derzeit von mir und meinem Mitarbeitern quasi nebenbei wahrgenommen. Ohne es aktuell zu vernachlässigen, ist dies nicht die optimale Lösung. Wenn Bedarf besteht, kümmern wir uns auch um eine geeignete nachschulische Ausbildung. Das ist allerdings sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von der sportlichen Perspektive des jeweiligen Spielers.

Fedor Freytag: Warum scheitern so viele Talente beim Übergang von der A-Jugend in den Männerbereich?

Preußer: Es gibt vielfältige Ursachen, in erster Linie sportliche. Die Unterschiede im Spieltempo und der geforderten Handlungsschnelligkeit selbst zwischen A-Junioren Bundesliga und 3. Liga sind enorm. Und an diese Unterschiede müssen sich die Spieler schnellstmöglich gewöhnen. Für diese Gewöhnung gibt es maximal ein Jahr Zeit, dann hat sich ein Trainer festgelegt, ob er mit diesem Spieler weiter plant oder nicht. Dann kommen anderweitige Versuchungen. Bleibt ein Spieler fokussiert oder lässt er sich vom Geld bzw. von der eventuellen öffentlichen Aufmerksamkeit ablenken? Wir versuchen vor allem in der U19 die Spieler darauf vorzubereiten. Indem wir sehr kritisch mir ihren Leistungen umgehen und ihnen deutlich machen, dass es, obwohl sie vielleicht gerade ein tolles Spiel gemacht haben, noch immer diese große Differenz zum Männerbereich gibt. Allerdings sind mahnende Worte das eine. Selbstzufriedenheit ist das andere. Manchen ist leider nicht klar, dass ein sechster Platz in der Nordoststaffel der Junioren-Bundesliga, kein Freifahrtschein in den Profifußball darstellt. Das ist eine notwendige Voraussetzung, hinreichend ist sie nicht.

Fedor Freytag: Eine große Herausforderung eines Nachwuchstrainers ist sicherlich der beständige personelle Wandel. Sie haben in diesem Jahr vier Ihrer talentiertesten Spieler an das Drittliga-Team des RWE abgegeben. Es fällt auf, dass vergleichsweise viele Neuzugänge von etablierten, höherklassigen Vereinen aus den Alt-Bundesländern kamen. Wie werden Sie auf diese Spieler aufmerksam?

Preußer: Es ist nicht unser Ziel, jedes Jahr 10 Neuzugänge aus anderen Leistungszentren in die A-Jugend zu integrieren. Natürlich sind wir in erster Linie bestrebt eine Durchlässigkeit unserer eigenen Talente von der D-Jugend in die A-Jugend zu erreichen. Das ist das eine. Andererseits wollen wir in der A-Junioren Bundesliga konkurrenzfähig sein. Es ist ganz wichtig für den Verein, dass die A-Jugend in der Bundesliga vertreten ist. Wir haben vor drei Jahren bitteres Lehrgeld gezahlt, als wir mit nur 12 Punkten abgestiegen sind. Dann wird es sehr schwer, Spieler wie Kevin Möhwald oder Maik Baumgarten davon zu überzeugen, dass sie hier Regionalliga spielen sollen. Glücklicherweise haben wir dann den direkten Wiederaufstieg geschafft. Wir können uns ein aufwendiges Scouting nicht leisten, deshalb bedarf es eines guten persönlichen Netzwerkes für die Akquise neuer Spieler. Aber es werden uns inzwischen auch aktiv Spieler angeboten. Es hat sich herumgesprochen, dass in der A-Jugend des RWE guter, attraktiver und erfolgreicher Fußball gespielt wird. Außerdem wurde wahrgenommen, dass die Durchlässigkeit zur 1. Mannschaft relativ hoch ist. Das ist eine starke Motivation für Spieler, die Nummer 13, 14 oder 15 in den A-Jugend-Mannschaften von Hertha BSC, Werder Bremen oder Hannover 96 sind.

Fedor Freytag: Matthias Sammer war neben seiner Funktion als DFB-Sportdirektor seit 2010 auch für die Talentförderung des Verbandes zuständig. Wie bewerten Sie seine Arbeit?

Preußer: Seine tägliche Arbeit kann ich natürlich nicht beurteilen. Ich bin ihm persönlich einige Male begegnet, anlässlich der Tagung der Leiter der Nachwuchsleistungszentren, wo er als Referent auftrat. Dort hat er äußerst engagiert seine Auffassungen vorgetragen, zu quasi alle relevanten Punkten der Nachwuchsarbeit: von den Feldgrößen angefangen, über die Struktur der Nachwuchsnationalmannschaften bis hin zur Qualität der Hotels während eines Turniers. Das alles fand ich sehr fundiert. Er hat natürlich ein streitbares Auftreten und verteidigt mit aller Vehemenz seine Meinung, lässt aber andere Auffassungen durchaus gelten.

Fedor Freytag: Wie wirkt der DFB in die Arbeit der Leistungszentren hinein? Mal abgesehen von den Sonntagsreden? Gibt es jeden Morgen ein Fax aus Frankfurt?

Preußer: Nein. Unser Hauptberührungspunkt ist die  Zertifizierung der Nachwuchsleistungszentren. Die Zertifizierung wird im Auftrag des DFB durch die Firma Double Pass durchführt. Diese erfolgt alle drei Jahre und ist für Drittligisten freiwillig. Die Zertifizierung dauert drei Tage und während dieser Zeit werden quasi alle Bereiche des NLZ begutachtet: das Training, die Schule, die Infrastruktur. Als Resultat erhalten wir einen Bericht, in dem sehr detailliert beschrieben steht, was gut und was weniger gut ist. Aber, das sind Gespräche auf Augenhöhe, sehr konstruktiv und keinesfalls paternalistisch. Auf Basis dieser Begutachtung, erfolgt dann die Einstufung und die Vergabe der Mittel durch den DFB. Es gibt dabei ein 3-Sterne-System. Wir in Erfurt sind als Nachwuchsleistungszentrum zertifiziert, allerdings ohne Stern. Das liegt in erster Linie an unseren Defiziten bei der Infrastruktur. Alles sehr dezentral, das Trainingsgelände liegt 5 km vom Sportgymnasium entfernt, wir verfügen über keinen Kunstrasenplatz, usw. usf.  Das heißt, man bekommt sehr genau aufgezeigt in welchen Bereichen man sich noch verbessern kann, bzw. muss. Auch RWE sollte hier in den nächsten Jahren den nächsten Schritt gehen, um den Anschluss an die anderen Vereine in den Junioren-Bundesligen nicht zu verlieren und der Kampf um Talente dann immer schwieriger wird.

Fedor Freytag: Jogi Löw möchte Fußballspiele schön gewinnen, Jose Mourinhos diesbezüglicher Ehrgeiz ist deutlich bescheidener, dem reicht ein ergurktes 1:0. Wie ist ihre Meinung?

Preußer: Das ist aus meiner Perspektive eine Frage des Aufgabenbereiches in dem man tätig ist. Klar wollen wir mit der A-Jugend die Klasse, sprich die Bundesliga, halten. Dazu benötigt man ca. 30 Punkte in einer Saison. Aber man darf natürlich auch den Ausbildungscharakter nicht völlig aus den Augen verlieren. Wenn meine Innenverteidiger in einem Spiel 25 lange Bälle ohne Gegnerdruck nach vorne schlagen, dann werden sie wahrscheinlich nicht dritte Liga spielen. Da gilt es immer eine Balance zu finden. Unsere Grundregel ist: je jünger die Mannschaften sind, desto unwichtiger ist das Ergebnis und umso dominanter ist der Ausbildungscharakter. Ein gutes Beispiel ist die C-Jugend-Regionalliga. Das ist in Mitteldeutschland eine reine Ausbildungsliga, aus der man nicht absteigen kann. Und das ist auch gut so. Wenn ich jedoch Interimstrainer der Männermannschaft in der 3. Liga bin und wir haben zu diesem Zeitpunkt einen Punkt auf der Habenseite, dann ist es egal wie wir Fußball spielen, so lange wir punkten. Wie gesagt, es ist eine Frage der Perspektive. Trotzdem ist es mein persönlicher Anspruch als Trainer so häufig wie möglich erfolgreichen und begeisternden Fußball mit meiner Mannschaft zeigen zu können.

Fedor Freytag: Ich habe im letzten auf Youtube ein Spiel zwischen der U11 FC Barcelona und der U11 von Arsenal gesehen. Dort sah man bereits recht eindeutig die Spielphilosophie beider Vereine, also Ballbesitzorientiertheit und Kurzpassspiel. Ist dies unter den Bedingungen eines ostdeutschen Nachwuchsleistungszentrums überhaupt reproduzierbar.

Preußer: Im Grunde schon, weil es in erster Linie keine finanzielle Frage ist. Die Jungs müssen mit Spaß dabei sein und Fußball spielen wollen. Hier hat sich in den letzten Jahren beim DFB sehr viel geändert. Eine U13-Mannschaft mit einer Körpergröße von 1,30 Metern, sollte halt nicht auf einem Großfeld herumrennen, sondern auf einem Kleinfeldplatz lernen, wie man Spielsituationen fußballerisch löst. Ich denke, da sind wir hier in Erfurt auf einem guten Weg.

Fedor Freytag: Jetzt eine sicherlich erwartbare Frage zu RB Leipzig. In einem FAZ-Interview äußerte Ralf Rangnick sein Ziel, die besten Nachwuchsfußballer der Region – wobei Region einen Radius von 200 km umfasst – nach Leipzig zu holen. Hat diese Ankündigung bereits praktische Konsequenzen?

Preußer: Konkret und Stand heute, ist noch kein Spieler den wir haben oder halten wollten zu RB Leipzig gegangen. Andere Vereine – wie Dynamo Dresden, der HFC und Jena – sind davon momentan mehr betroffen.

Fedor Freytag: Eine Abwehrstrategie dagegen ist nur schwer vorstellbar?

Preußer: Wir können nur mit dem argumentieren was uns stark macht: Der Verbindung von Leistungsorientiertheit mit großer Fürsorge für die Spieler und einer überdurchschnittlichen Durchlässigkeit zur 1.Mannschaft. Aber wir können letztendlich niemanden zwingen, für den FC Rot-Weiß Erfurt Fußball zu spielen. Man sollte auch anerkennen, dass Red Bull unglaublich viel  in den  Nachwuchsbereich investiert und dies für die Region durchaus nützlich werden kann, wenn dieser Weg auch langfristig verfolgt wird. Ich war letztens in Leipzig, weil ich mir das Spiel RB gegen Meuselwitz angesehen habe und nutzte die Gelegenheit, mir auch mal das Gelände des Nachwuchsleistungszentrums anzusehen. Da stehen jetzt als Übergangslösung Container. Allein von dieser Übergangslösung sind wir infrastrukturell weit entfernt.

Fedor Freytag: Ist es nicht sehr schade, dass hierzulande der Nachwuchssport, mithin auch der Nachwuchsfußball, so wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfährt? Zu einem A-Junioren-Bundesligaspiel kommen 100 Leute, die acht Heimspiele des American Football-Teams der University of Notre Dame sahen jeweils 80.000 Zuschauer.

Preußer: Ich hatte selbst die Gelegenheit ein Jahr in den USA die Schule zu besuchen und habe in dieser Zeit in der Fußballmannschaft meiner High School gespielt. Selbst dort hatten wir manchmal 2.000 Zuschauer. Sehr beeindruckend. Aber natürlich sind die Strukturen völlig verschieden und wir werden dieses amerikanische High School und College-Sportsystem in Deutschland nicht mehr installieren können. Was die A-Junioren Bundesliga betrifft, unternimmt der DFB bereits eine Menge, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu erhöhen. Mit ersten Erfolgen: Sport1 überträgt mittlerweile immer wieder Spiele der A-Junioren Bundesliga live, die Endspiele zur Meisterschaft wurden ebenfalls live gesendet. Es ist ambivalent: Auf der einen Seite schützt die mangelnde öffentliche Wahrnehmung die Spieler auch, auf der anderen Seite ist der Schritt von der A-Jugend in die 3. Liga dann auch in dieser Beziehung enorm.

Fedor Freytag: Es gibt derzeit sehr intensive Diskussionen um die taktische Ausrichtung. Barcelona, die spanische Nationalmannschaft aber auch andere Teams spielen teilweise ohne „echten“ Mittelstürmer mit einer sogenannten „falschen Neun.“ Wird man dieses System in Zukunft häufiger sehen.

Preußer: Das ist unzweifelhaft eine ernst zu nehmende Entwicklung.  Den klassischen, im Sturmzentrum auf ein Anspiel wartenden Mittelstürmer wird man immer seltener sehen. Etwas radikal formuliert, könnte man auch von einem 4-6-0 sprechen. Es ist inzwischen ein Nachteil nur ein Spielsystem zu beherrschen, weil es gegen jedes taktische System probate Mittel gibt. Erfolg wird sich in Zukunft vor allem durch überraschende taktische Variationen einstellen. Das betrifft, aus meiner Sicht, auch die Standards. Wir haben inzwischen die Möglichkeit alle Spiele der A-Junioren-Bundesliga per Videostream zu analysieren. Unsere Gegner habe diese Möglichkeit selbstredend ebenfalls. Für meine Arbeit als Trainer hat das die Konsequenz, dass ich versuchen muss, auf dem Spielfeld Situationen herbeizuführen, mit denen der Gegner nicht rechnet. Taktische Flexibilität ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts.

Fedor Freytag: Das ist ja wohl generell eine neue Herausforderung, jedenfalls in der Komplexität. Neben den fußballerischen und körperlichen Qualitäten muss der moderne Fußballer eine Menge von diesen vielen taktischen Details begreifen und umsetzen.

Preußer: Absolut. Spielintelligenz ist heute fast schon eine zwingende Voraussetzung für Erfolg. Das ist nicht einfach, da man den Fakt kaum ignorieren kann, dass auch hier die Spieler sehr unterschiedliche Begabungen mitbringen. Manchen Spielern fällt es schwer Vorgaben zu verstehen und umzusetzen. Mit denen muss man anders sprechen, als beispielsweise mit einem Kevin Möhwald, der eine hohe Spielintelligenz aufweist. Auch die Fähigkeit zur offensiven Improvisation ist nur bedingt trainierbar. In der Defensive ist das vergleichsweise einfach: „Du läufst diesen Spieler so oder so an.“ Versteht jeder. Bei Angriffen gegen eine gut abgestimmte Defensive kann man Laufwege, etc. trainieren. Was man kaum trainieren kann, ist die Qualität den richtigen Zeitpunkt zu erkennen um Zuspiele in die Schnittstellen einer Verteidigungskette zu spielen.

Fedor Freytag: Inwieweit spielt es eine Rolle, dass Sie kein Fußballprofi waren? Oder ist es sogar ein Vorteil, einen unverstellten Blick von außen auf dieses Geschäft zu haben?

Preußer: Vor allem anlässlich meines Intermezzos als Trainer des Erfurter Drittligateams habe ich mir diese Frage auch gestellt.  Ich habe zwei Jahre sehr eng mit Norman Loose zusammengearbeitet, der jahrelang in der 2. Bundesliga aktiv war. Es ist einfach so, dass ich bestimmte Erfahrungen nicht gemacht habe. Das muss man sich auch eingestehen. Ich glaube, dass Norman Loose und ich voneinander viel gelernt haben. Ich profitierte sehr von seinen Erfahrungen als Profi, er von meinem sportwissenschaftlichen Wissen. Ich glaube, durch Neugier und die Bereitschaft von anderen zu lernen entstehen Erfahrungen mit denen sich vorhandene Defizite ausgleichen lassen. Zudem gibt es ja Trainer die sehr erfolgreich arbeiten, aber nie Profifußballer waren. Mir fallen da direkt Robin Dutt, Mirko Slomka oder Ralf Rangnick ein.

Fedor Freytag: Sie stammen aus Berlin. Wie intensiv verfolgen Sie noch den Berliner Fußball.

Preußer: Sehr intensiv. Ein guter Freund, Christoph Menz, spielt in der 2. Bundesliga bei Union (Anmerkung: Menz wurde inzwischen von Dynamo Dresden verpflichtet). Mein Heimatverein, VSG Altglienicke, hat in den letzten Jahren eine gewaltigen Aufstieg erlebt, spielt momentan sogar in der Oberliga im oberen Tabellendrittel. Auch Union hat in den letzten Jahren eine großartige Entwicklung genommen, sportlich und infrastrukturell.

Fedor Freytag: Herr Preußer, ich danken Ihnen für dieses Gespräch.

(Während ich den Artikel einstelle, gewinnt die U19 des 1. FC Köln gegen Kaiserlautern das Finale des DFB-Pokals. Im Viertelfinale dieses Wettbewerbs – eines gut besuchten Spiels übrigens – benötigten die Kölner einiges Glück, um sich gegen die von Christian Preußer trainierte U19 des RWE durchzusetzen. Auf ihn setzen viele beim Verein und im Umfeld ihre Hoffnungen für die Zukunft. Wie ich finde, zurecht.)

RWE vs. SV Wehen Wiesbaden 2:2 / Stabil auf der Intensivstation

Vom Punkt nicht zu stoppen: Nils Pfingsten-Reddig © www.fototifosi.de

Alois Schwartz hatte vor dem Spiel gewarnt. Wehen Wiesbaden sei fußballerisch besser als Rostock und gehöre eigentlich in gehobenere Regionen der Tabelle. Diese Einschätzung des RWE-Cheftrainers erwies sich als richtig. Mir ist es ein Rätsel, wie eine technisch so talentierte und taktisch reife Mannschaft sich Sorgen um den Ligaverbleib machen muss. Ist aber nur eine von vielen Fragen rund um diese seltsame 3. Liga. Und an dieser Stelle naturgemäß nicht die wichtigste.

Wieso die Fans des FC Rot-Weiß Erfurt um den Erhalt des Profifußballs in ihrer Stadt bangen müssen, ist vergleichsweise einfach zu beantworten. Das Spiel am vergangenen Samstag bot besten Anschauungsunterricht. Ohne Zweifel, Alois Schwartz ist es gelungen, die Mannschaft zu stabilisieren. Die Frage ist jetzt, ob das dabei erreichte Niveau ausreichen wird, die Klasse zu halten. Sagen wir so: es könnte eng werden. Schwartz hat – sieht man von Änderungen aufgrund von Sperren und Verletzungen ab – seine Mannschaft und sein System gefunden. Der RWE hat in den letzten 5 Spielen nicht verloren und 9 Punkte geholt. Da die anderen Vereine in ähnlich prekärer Lage die unschöne und enervierende Angewohnheit haben ebenfalls Punkte zu sammeln, befinden wir uns aber wieder auf einem Abstiegsplatz. Die Leistung der Mannschaft ist fragil. Jede Substanzeinbuße bedeutet Punktverluste. Oumaris Ausfall war am Samstag nicht zu kompensieren. Weder defensiv noch offensiv. Seine beiden Innenverteidiger-Kollegen koproduzierten einträchtig den Elfmeter für Wiesbaden zum 2:2-Endstand. Erst Möckel mit einem Pass direkt aus der Hölle, dann Kopilas mit einem Zweikampfverhalten selben Ursprungs. Ich weiß, es ist nicht lange her, da hatte ich dem Duo Morabit und Drexler noch die Qualität einer RWE-Lebensversicherung zugesprochen – leider waren ihre Leistungen in den letzten beiden Heimspielen nicht durchweg geeignet, diese optimistische Prognose besonders plausibel erscheinen zu lassen.

Trotzdem, Möckel, Kopilas, Drexler und Morabit sind ganz eindeutig nicht das Problem der Mannschaft. Sie machen Fehler und/oder leisten sich schwächere Spiele, aber im Grunde gehören alle unbestritten zu den Leistungsträgern des Teams.

Es gibt allerdings zwei Positionen, bei denen ich den Langmut und das Zueinander-Finden-Lassen von Alois Schwartz nicht verstehe. Die eine betrifft die rechte Seite der Viererkette, momentan konstant besetzt mit Phil Ofosu-Ayeh. Defensiv werden uns derzeit die Schwächen auf dieser Seite von jedem Gegner um die Ohren gehauen. So auch am Samstag bei der Führung des SVWW, als sich Ofosu einen schlimmen Stellungsfehler leistete und wirkungslos im Niemandsland herumstand, als die torvorbereitende Eingabe über seine Seite erfolgte. Offensiv ist die mangelnde Passgenauigkeit unseres Rechtsverteidigers bereits in der vergangenen Saison ein steter Quell meiner Frustration gewesen. Daran hat sich leider nichts zum Besseren verändert. Warum, frage ich mich, sitzt beispielsweise Maik Baumgarten nur auf der Bank. Klar, die Position wäre für ihn ungewohnt, aber der Junge ist in der Lage mit neuen Situationen gut und schnell fertig zu werden. Und, mal ehrlich, so gewaltig ist das Risiko einer Verschlechterung nicht.

Die zweite eklatante Schwachstelle ist für mich Mijo Tunjic im Sturmzentrum. Es ist unstrittig: er läuft viel, er kämpft, gibt nie auf, wirft sich in jeden Ball. Ja, ja, ja. Aber, ein Zuspiel auf ihn bedeutet oft auch das abrupte Ende eines Erfurter Angriffs. Worin seine Fähigkeiten liegen, kann man erkennen, sobald der Ball im Strafraum ist – mit jeder Faser seines Körpers versucht er das Runde irgendwie ins Eckige zu bugsieren. In solchen Situationen ist er gefährlich. Dies jedoch ist ein Talent, dass beim RWE momentan vergeudet ist. Die Mannschaft erarbeitet sich viel zu wenige solcher Torbelagerungen. Vor allem eine Folge davon, dass das Flügelspiel nicht forciert wird (oder aufgrund mangelnder Qualität nicht forciert werden kann). Wenn aus dem Spiel heraus Gefahr für das gegnerische Tor entsteht, dann meist mit schnellen Kombinationen, die über die Mitte oder die Halbräume vorgetragen werden. Das aber ist nicht das Spiel des Mijo Tunjic und wird es vermutlich nie werden. Weshalb er bei diesen Gelegenheiten oft wie ein Fremdkörper agiert. Alternativen? Wenige! Dazu alle verbunden mit mehr oder weniger großen Umbauten in der Mannschaft. Hier muss in der anstehenden Transferperiode gehandelt werden. Ein Stürmer vom Typ des Wiesbadener Wohlfarth sollte eigentlich zu bekommen sein, der erzielt zwar auch nicht in jedem Spiel fünf Tore, ist aber in der Lage, Bälle sicher zu behaupten und auf nachrückende Spieler zu verteilen.

Bilanz: Spielerisch war der SV Wehen Wiesbaden die klar bessere Mannschaft. Der RWE konnte mit den vorhandenen Kontergelegenheiten wenig anfangen, kämpferisch wusste die Mannschaft von Alois Schwartz allerdings erneut zu überzeugen. Pressing und Gegenpressing funktionierten zufriedenstellend. Wurde der Ball dem Gegner abgenommen, fehlte es jedoch meist an allem, was den Aufwand eines Pressings rechtfertigt: schnelles, entschlossenes Umkehrspiel, verbunden mit hoher Passgenauigkeit bei gut abgestimmten Laufwegen. Zwei Standardtore mussten her, sonst hätten wir das Spiel verloren. Auf der anderen Seite konnte der SVWW mit seinem spielerischen Potenzial verblüffend wenig anfangen. Vermutlich der Hauptgrund, warum eines der fußballerisch besten Teams der Liga so weit im Süden der Tabelle schmort.

Und wenn ich nicht mehr lachen kann, dann schau‘ ich mir den Nachwuchs an. Sehr frei nach Erich Kästner. Es war schon in der letzten Saison ein probates Mittel – nach dürftigen Leistungen der Profis, ein Spiel der A-Junioren besuchen. Gestern gewann die Mannschaft von Christian Preußer 5:1 gegen den VfL Osnabrück. Der VfL ist Tabellenvierter und hatte bisher in 12 Ligaspielen ganze 11 Tore zugelassen. Spitzenwert in der Nordost-Staffel der Bundesliga. Gestern kamen fünf dazu. Bei eisigen Temperaturen sahen die Zuschauer eine kompakte, spielstarke Erfurter Mannschaft. Felix Robrecht, der im zentralen Mittelfeld defensiv wie offensiv den Takt vorgab, sowie Jonas Nietfeld ragten aus dem Kollektiv noch heraus. Nietfeld steht jetzt bei 9 Saisontoren und 15 Scorerpunkten. Damit führt er beide Liga-Statistiken an.

Was mir ungemein imponiert: Preußer gelingt es wieder, eine Mannschaft sukzessive zu verbessern. Im Vergleich zu den ersten Saisonspielen ist das fast komplett neu zusammengestellte Team kaum wieder zu erkennen. Selbst bei Pressing des Gegners wird versucht, die Situation spielerisch aufzulösen. Pressingresistenz nennen das die Taktikgurus. Die Mannschaft musste die letzte halbe Stunde in Unterzahl agieren. Der VfL machte Druck. Aber selbst während dieser Phase sah man kaum hektisch nach vorn gedroschene lange Bälle.

Ich weiß natürlich, dass man die 3.Liga und die A-Jugend-Bundesliga nur sehr behutsam miteinander vergleichen sollte. Doch genau dieser Mangel an Entwicklung zum fußballerisch Besseren (innerhalb einer Saison wohlgemerkt), nervt mich seit Jahren am Profiteam des RWE. Das war unter Emmerling nicht zu beobachten und daran hat sich leider wenig geändert. Nur, dass der Thrill diesmal existenzbedrohend ist.

Preußen Münster vs. FC Rot-Weiß Erfurt 3:2

Noch einer der Besten: Thomas Ströhl © www.fototifosi.de

«Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!» Hätte Hölderlin den RWE am Samstag kicken gesehen, dieser Satz wäre nie geschrieben worden. Dabei hatte ich mir vorher einiges ausgerechnet. Die Preußen waren drei Ligaspiele sieglos geblieben und lieferten unter der Woche dem FC Augsburg einen ebenso beachtlichen wie kraftraubenden Pokalfight. Als dann jedoch klar wurde, dass Drexler und Möckel nicht auflaufen würden, verflüchtigten sich diese Hoffnungen sofort. Fata Morgana nichts dagegen. Ich war sicher, dass diese Ausfälle nicht kompensiert werden könnten – und behielt leider recht.

Das Endresultat war noch das Beste an der Leistung der Erfurter Mannschaft. Oder das Schlimmste. Es ermöglichte Wilfried Mohren die irreführende Überschrift «Knappe Niederlage nach großem Kampf». Das klingt nach Fußball auf Augenhöhe, nach Hoffnung für die nächsten Aufgaben. Stand jetzt, alles falsch: kein Fußball, keine Augenhöhe, keine Hoffnung. Geschenkt, Mohren ist Pressesprecher des Vereins, er wird dafür bezahlt, das Positive aus jedem Spiel zu destillieren, selbst wenn man dafür ein Elektronenmikroskop benötigt. Im Grunde hat Marco Alles in der heutigen Ausgabe der TA sowohl meine Gemütslage als auch meine Einschätzung des Spiels treffend zusammengefasst: Trostlos.

Dann doch noch einige taktische Anmerkungen:

Seit Beginn der Rückrunde der letzten Saison hat der RWE Probleme bei hohen gegnerischen Standards. Alois Schwartz lässt Ecken mit einer Manndeckung verteidigen, wie das auch schon bei Stefan Emmerling der Fall war. Leicht verständlich: Jedem Spieler wird ein Gegenspieler zugeteilt, es kommt darauf an, gegen diesen das Kopfballduell zu gewinnen oder ihn zumindest entscheidend zu stören. Klappt aber nicht und das tut uns in dieser Saison noch sehr viel mehr weh als in der Letzten. Quasi existenzielle Pein. Christian Preußer hatte auf eine kombinierte Raum-Mann-Deckung bei Ecken umgestellt. Diese trägt dem Fakt Rechnung, dass zwei Drittel aller Tore nach Ecken über den sogenannten kurzen Pfosten erzielt werden. In den Spielen unter Preußer versammelten sich in dieser Zone die kopfballstärksten Erfurter Spieler: Möckel und Oumari. Beim Führungstor von Münster war überhaupt nicht zu erkennen, ob es sich um eine Raum- oder Manndeckung handelte. Es herrschte das pure Chaos im Strafraum. Und Oumari stand völlig wirkungslos am langen Pfosten herum.

Alois Schwartz am 11.09.2012 in der Thüringer Allgemeinen: «Ich bin ein Verfechter der offensiven Verteidigung, um den Gegner unter Druck zu setzen, den Ball zu erobern und schnell in die Tiefe zu spielen. Eher der Dortmunder als der Münchner Stil.» Niemand hier hätte etwas dagegen, wenn der RWE diesen Dortmunder Stil beherrschen würde. Nach dem Spiel in Münster müssen daran allerdings große Zweifel angemeldet werden. Die Mannschaft griff oft mit vier Spielern die Preußen tief in deren Hälfte an. Daran beteiligt waren Tunjic, Baumgarten, der ballnahe offensive Außenbahnspieler und Pfingsten-Reddig. Probleme gab es immer, wenn Münster dieses Pressing umspielen konnte, und dies war häufig der Fall. Dann öffnete sich ein gewaltiges Loch im Mittelfeld des RWE. Es ist immer etwas falsch gelaufen im Fußball, wenn Spieler des verteidigenden Teams mit dem Gesicht zum eigenen Tor Ball und Gegner hinterher rennen. Wie bereits bei einschlägigen Versuchen mit dieser Taktik in der letzten Saison (z.B. in Jena) war der Abstand zwischen der pressenden Offensivreihe und der Viererkette (plus Engelhardt davor) viel zu groß. Jegliche Kompaktheit ging dabei flöten. Das war beim Heimspiel gegen Offenbach noch völlig anders: Da liefen nur Tunjic und Möhwald (als zentraler Offensivspieler) die spielaufbauenden Gegner an, dahinter agierten zwei eng verbundene Viererketten. Ich habe den Eindruck, dass die Mannschaft mit dieser Vorwärtsverteidigung völlig überfordert ist. Wenn dem so ist, sollte dieses Experiment unverzüglich und zugunsten einer weniger komplexen Spieltaktik beendet werden. Es nützt nämlich nichts, wenn sie es am 30. Spieltag einigermaßen beherrscht, wir dann aber bereits 25 Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz haben.

Die Außenverteidigerpositionen waren in der letzten Saison bereits eine Dauerbaustelle. Hört sich ein bisschen nebensächlich an – Außenverteidiger. Nicht erst seit der Diskussion um Marcel Schmelzer wissen wir jedoch, dass Außenverteidigern im modernen Fußball eine exorbitant wichtige Rolle zukommt. Will man nicht permanent lange Bälle auf den Wide Receiver Mittelstürmer Mijo Tunjic schlagen müssen, sind sie für den Spielaufbau von kaum zu überschätzender Bedeutung. Spielaufbau bedeutet aber vor allem: sie müssen (als Minimalqualifikation) hohe Ball- und Passsicherheit mit gutem Zweikampfverhalten verbinden. Beides Attribute die momentan weder Czichos noch Ofosu-Ayeh auszeichnen. Hier ist guter Rat teuer, aber ich würde derzeit eher gelernte Mittelfeldspieler für diesen Positionen aufbieten. Baumgarten beispielsweise wäre einen Versuch wert.

Alle Mannschaften im Abstiegskampf haben ein spezifisches Dilemma, so auch der RWE. Nach schlechten Leistungen müsste die Mannschaft auf einigen Positionen umgebaut werden (wie z.B. in der Außenverteidigung). Diese permanenten Wechsel wiederum unterbinden jede Möglichkeit des Einspielens unter Wettkampfbedingungen. Das wäre notwendig, um Automatismen und Konstanz im Spiel zu etablieren. Ein Teufelskreis, um den ich Alois Schwartz nicht beneide.

1. FC Saarbrücken vs. RWE 0:2 / Der verdiente erste Auswärtssieg

Möhwald erzielte seinen ersten Drittligatreffer © www.fototifosi.de

Der Ludwigspark kündet eindrucksvoll von den großen Zeiten des 1. FC Saarbrücken. Und daran, dass diese bereits einige Zeit zurückliegen. Als Anhänger des RWE kommt einem das vertraut vor. Vertraut war einem auch die Aufstellung die Alois Schwartz ins Duell der beiden Traditionsvereine schickte. Wie bereits vermutet, änderte er Preußers Formation nur da wo er musste, und brachte Tunjic für den verletzten Morabit.

Die Spiele gegen Aachen und den BVB hatten der Mannschaft Sicherheit und Struktur gegeben. Das war von der ersten Minute an zu spüren. Wenn Saarbrücken das Spiel aus der Abwehr heraus aufbaute, versuchten Tunjic und Möhwald die Passwege ins Zentrum zu blockieren. Mit einigem Erfolg – der FCS war so gezwungen lange, hohe Bälle zu spielen oder verlegte seine Angriffsbemühungen viel zu früh auf eine der Außenbahnen. Beides war relativ einfach zu verteidigen. Möckel und Oumari machten ihren Job tadellos. Können sie diese Form konservieren, werden es Bertram und Rauw schwer haben ihre Stammplätze zurück zu erobern. Vor allem Möckel überzeugte mich dieses Mal nicht nur als Abwehrorganisator, sondern wusste sogar mit einigen gescheiten und genauen Bällen zur Spieleröffnung beizutragen. Bei eigenen Ballverlusten in der Hälfte von Saarbrücken wurde versucht – nicht selten mit Erfolg -, über Gegenpressing den Ball möglichst umgehend wieder in Besitz zu nehmen. Hier verdiente sich besonders der unglaublich agile und laufstarke Strangl Bestnoten, dem kein Weg zu weit und kein Zweikampf zu viel war. Im Grunde gilt dies ebenso für Drexler. Bei der Bewertung seiner Leistungen wird aufs Neue der Fehler wiederholt, der in der letzten Saison zu einem überkritischen Umgang mit Gaetano Manno führte. Beides sind von Haus aus Stürmer, müssen aber, wenn sie auf den Außenbahnen spielen, viel Energie aufwenden, um ihren defensiven Aufgaben nachzukommen. Exemplarisch erinnere man sich an die Defensivanfälligkeit der Bayern, sobald Robben und Ribéry ihre diesbezüglichen Pflichten vernachlässigen. Die Note 4 für Drexler in der heutigen TA ist eine Frechheit. Wer allein Tore zum Kriterium der Bewertung eines Spielers erhebt, versteht von der komplexen Aufgabenverteilung im modernen Fußball in etwa soviel wie Ottfried Fischer vom Vegetarismus.

Mijo Tunjic. Hier muss ich Abbitte leisten, denn eigentlich hatte ich nach dem Pokalspiel in Heiligenstadt alle Hoffnungen fahren lassen, dass es mit ihm und dem RWE noch jemals etwas werden könnte. Und jetzt das: Honeymoon – Kate und William vergleichsweise altes Ehepaar! Ganz abgesehen vom Tor – er nahm zum ersten Mal nennenswert am Spiel der Mannschaft teil, ließ sich tiefer fallen als zuletzt und erhielt so deutlich mehr Zugriff auf das Geschehen. Er leistete sich auch am Samstag das ein oder andere vermeidbare Fehlabspiel, glänzte aber andererseits mit einigen vertikalen, längeren Zuspielen. Und schoss – nach Freistoß von Pfingsten-Reddig – ein schönes, ungemein wichtiges Tor zur Führung des RWE. Wenn es ihm gelingt, diese Leistung zu verstetigen, werden wir noch viel Freude an ihm haben.

Meine einzige, klitzekleine Kritik am Coaching von Alois Schwartz: Ich hätte Tobias Ahrens schon zehn Minuten früher eingewechselt. Es sei an das Spiel der Erfurter in Wiesbaden in der letzten Saison erinnert. Bereits damals irrwischte Ahrens durch die Innenverteidigung und erzielte fast ein Tor. Diesmal hatte er (innerhalb von nur 4 verbleibenden Spielminuten) gleich zwei Großchancen, eine davon endete am Pfosten. Sobald nach einer Führung des RWE Konterräume vorhanden sind, ist Ahrens eine erstklassige Option. Mit seiner Schnelligkeit stellt er eine Heimsuchung für alle Verteidiger dar – noch dazu, wenn sie bereits 80 Minuten Spielzeit in den ausgelaugten Knochen haben.

Am nächsten Samstag kommt es im Steigerwaldstadion zum Spitzenspiel. Der Erste und Zweite der ewigen Drittligatabelle treffen aufeinander; gewinnt der RWE schubsen wir den OFC wieder vom Thron. Ein zweifelhaftes Vergnügen, ich weiß. Aber auch so ist das Wort vom Spitzenspiel nicht völlig absurd (sondern nur ein bisschen). Zwar ringen beide Mannschaften nach einem grandios verkorksten Ligastart vorerst um Anschluss ans Mittelfeld, allerdings befinden sich alle zwei Teams momentan in sehr guter Verfassung. Offenbach hat von den letzten 5 Ligaspielen drei gewonnen und keines verloren. Dazwischen fiel der so deutliche wie verdiente DFB-Pokalsieg gegen den Erstbundesligisten Greuther Fürth (2:0). Man muss kein Loddar Matthäus sein, um sicher davon ausgehen zu können, dass der OFC stärker sein wird als zuletzt Aachen, der BVB-Nachwuchs und Saarbrücken.

Ihr wisst schon: Prüfstein, harter Brocken und so.

Alois Schwartz? Alois Schwartz!

©kicker.de

Er ist mir damals nicht weiter aufgefallen. Er war der Mann neben Renè Müller, Feichtenbeiner und Kocian. Das ist natürlich kein Makel; die Aufgaben eines Assistenztrainers mögen vielfältig sein, die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit zählt gewiss nicht dazu. Seine erste Erfurter Zeit endete 2005 mit dem Abstieg aus der 2. Liga.

Nach anderthalb erfolgreichen Jahren bei Wormatia Worms in der Oberliga Südwest verpflichtete ihn Anfang 2007 der FCK – auf dass er die zweite Mannschaft des Traditionsvereins vor dem Abstieg aus der Regionalliga bewahre. Das ging grandios schief. 2008 gelang jedoch der direkte Wiederaufstieg und seitdem schlägt sich der FCK II äußerst wacker in der starken Regionalliga West. Das wird wohl auch in dieser Saison so sein – seit zwei Tagen müssen sie in der Pfalz jedoch ohne Alois Schwartz auskommen.

Auch ich hatte eher mit Rico Schmitt als neuem Cheftrainer gerechnet, dessen Rausschmiss in Aue mir damals sehr voreilig erschien. Immerhin war er mit Aue aufgestiegen und unter ihm hatte Wismut 2010/2011 eine grandiose Saison in der 2. Bundesliga gespielt. Aus welchen Gründen auch immer, man hat sich mit ihm nicht einigen können. Ob er die bessere Wahl gewesen wäre, werden wir mithin nie erfahren.

Auf der gestrigen Pressekonferenz führte Rolf Rombach aus, dass für Alois Schwartz gesprochen habe, dass er das Nachwuchskonzept des RWE befördern wolle. Dies ist wieder so eine Aussage des Präsidenten, die ich für unglücklich halte. Ein Nachwuchskonzept kann ich auch in der Thüringenliga haben und befördern. Es kann unmöglich die primäre Intention eines auf einem Abstiegsplatz liegenden Drittligavereins sein, dies in der gegenwärtigen Situation zur ersten Maxime zu erheben. Nachwuchsarbeit ist immer und überall Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger. Alles – inklusive das schönste Nachwuchskonzeptes – ist Makulatur, wenn der Profimannschaft der Klassenerhalt nicht gelingt. Für diesen Fall wird das Nachwuchskonzept zu unseren geringsten Sorgen zählen.

Aber, für die rhetorischen Unbeholfenheiten Rombachs kann Alois Schwartz nicht die Bohne. Er hat in Kaiserslautern nachgewiesen, dass es möglich ist, mit einem eher durchschnittlichen Kader attraktiven und durchaus erfolgreichen Fußball zu spielen. Wenn es ihm gelänge, die Mannschaft schrittweise von den Abstiegsplätzen ins gesicherte Mittelfeld zu führen, sollte man die Saison schon als Erfolg werten.

Einfach wird das nicht. Zu vielfältig sind – nach wie vor – die fußballerischen Defizite des Teams. Christian Preußer hatte im Pokal in Heiligenstadt Mijo Tunjic eine Einsatzchance in der Startelf gewährt. Genutzt hat er sie nicht. Er agiert nach wie vor wie ein Fremdkörper im Spiel der Mannschaft: einfache Bälle verspringen, Pässe über kurze Distanzen erreichen den Mitspieler nicht, selbst das Stellungsspiel bei gegnerischen Standards (also im eigenen Strafraum) gibt ihm nach wie vor Rätsel auf. Womöglich gelingt es ja Alois Schwartz den Holländer aufzubauen.

Wenn nicht, hat der RWE in der Offensive ein gewaltiges Problem. Dann lastet alles auf Drexler und Morabit. Fällt auch nur einer von beiden aus, ist das Angriffsspiel der Mannschaft sehr leicht ausrechenbar. Selbst für einen Verbandsligisten wie Heiligenstadt. Die nächste große Baustelle tut sich auf der linken Abwehrseite auf. Rafael Czichos hat gegen Dortmund defensiv recht gut gestanden, sein großes Manko liegt in der Spieleröffnung. Da spielt er chronisch haarsträubende Pässe in die Beine des Gegners. Gegen die Eichsfelder Amateure war das verkraftbar, in der Dritten Liga ist es das nicht.

Eine Menge Arbeit für den neuen Cheftrainer des RWE. Viel Glück dafür, Alois Schwartz! Ob er noch einmal auf dem – ohnehin sehr ausgedünnten – Spielermarkt tätig wird (werden kann oder darf) ist momentan ungewiss. Aber ich glaube, dass man dies wird tun müssen, zu offensichtlich sind die fußballerischen Mängel auf einigen Positionen. Ansonsten erwarte ich für das Spiel gegen Saarbrücken keine großen Veränderungen. Schwartz bevorzugt – wie Preußer – eine 4-2-3-1-Formation. Wir werden wohl dieselben Spieler wie gegen Dortmund auflaufen sehen – so sie denn gesund sind.

Alemannia Aachen vs. RWE: Den freien Fall gestoppt. Vorerst.

Ich habe gerade das Internet leer gelesen. Jedenfalls was die Berichte über das 1:1 des FC Rot-Weiß Erfurt bei Alemannia Aachen betrifft. Sehr viel schlauer bin ich nicht geworden. Im Grunde hätte ich es auch beim RWE-Ticker belassen können. Soviel jedoch scheint klar: Christian Preußer hat es geschafft die Mannschaft so zu stabilisieren, dass Sie bei einem Aufstiegsaspiranten ein verdientes Remis erreichte. Da er nicht selbst gespielt hat, ist es naheliegend, dass die von ihm vorgenommenen taktischen und personellen Änderungen dabei eine gewisse Rolle spielten.

Kleine taktische Revolution beim RWE: eine 4-2-3-1-Formation

Bertram, Tunjic und Rauw auf die Bank zu setzen war nach den bisherigen Saisonleistungen der drei Spieler konsequent. Sie wurden durch Czichos, Oumari und Strangl ersetzt, wobei vor allem Letzterem eine auffällige Partie nachgesagt wird. Dass er durch seine Dynamik dem Mittelfeldspiel gut tun könnte, hatte er bereits im Spiel gegen West Ham angedeutet.

Offensichtlich hat Preußer aber auch die taktische Ausrichtung der Mannschaft verändert. In allen Spielen unter Stefan Emmerling startete das Team mit einem 4-4-2: zwei Stürmer und eine flache Mittelfeldviererkette (also keine Raute) standen vor der Abwehr. Gestern verzichtete Preußer auf Tunjic, Morabit war der einzige nominelle Stürmer (der sich wohl ab und an mit Drexler ablöste). Es blieb bei zwei Sechsern (Engelhardt und Pfingsten-Reddig), davor spielten Czichos und Drexler auf den Flügeln und Möhwald als zentraler offensiver Mittelfeldspieler. Exakt die Position, die er unter Preußer auch bei den A-Junioren innehatte. Preußer stellte mithin auf ein 4-2-3-1-System um.

Allein die zahlenmäßige Aufwertung des Mittelfeldes scheint eine gewisse Konsolidierung der Defensiv-Offensiv-Balance mit sich gebracht zu haben, einhergehend mit einem deutlich konsequenteren Zweikampfverhalten. Gern möchte ich auch den Schilderungen glauben, die eine Verbesserung des Flügelspiels beobachtet haben wollen. Aber es wäre vermessen daraus bereits einen Trend ablesen zu wollen. Dazu kann ich erst nach dem Spiel gegen den BVB Verbindlicheres sagen. Hoffe ich jedenfalls.

Preußer ist Rombachs Favorit

Rolf Rombach hat offensichtlich die Absicht Christian Preußer als Cheftrainer zu berufen, sollte die Mannschaft am Samstag gegen den BVB gewinnen. Und würde damit das wohl größte Risiko seiner RWE-Präsidentschaft eingehen. Einerseits. Andererseits ist jede Entscheidung für einen neuen Trainer in dieser Situation ein Risiko. Man mag von den fachlichen, rhetorischen und menschlichen Qualitäten eines Coaches noch so überzeugt sein, eine Gewähr für sportlichen Erfolg sind sie nicht. Trotzdem wäre das eine sehr mutige Entscheidung, denn Christian Preußer hat keinerlei Meriten als Trainer im Profibereich vorzuweisen, ja mehr noch: er war nicht mal Profifußballer.

Aber, das waren Mirko Slomka und Ralf Rangnick ebenfalls nicht (vielen Dank an „RWE-Chris“ für den Hinweis). Beide zählen zu den profiliertesten Fußballlehrern des Landes. Arrigo Sacchi, Trainer der brillanten Mannschaft des AC Mailand Ende der 80iger Jahre, sagte man nach, dass er nur mit Mühe geradeaus laufen konnte, geschweige denn in der Lage war, unfallfrei vor einen Ball zu treten. Andere Beispiele erfolgreicher Trainer ohne vorhergehende Profikarriere sind Volker Finke und Christoph Daum.

Ein grandioses Beispiel wie ein A-Jugendtrainer einen Verein vor dem Abstieg rettete, lieferte in der vergangenen Saison der SC Freiburg. Nach der Hinrunde noch abgeschlagener Tabellenletzter, holte Christian Streich mit dem Sportclub 27 Punkte in der Rückrunde und wurde für diese Leistung – völlig zu Recht – Dritter bei der Umfrage zum Trainer des Jahres. (Bei mir hätte er sie übrigens gewonnen.) Deshalb: Die mangelnde Erfahrung im Profibereich ist aus meiner Sicht kein stichhaltiges Argument gegen Christian Preußer.

Viel essenzieller für den Erfolg Preußers wird sein, dass Mitglieder, Vorstand, Aufsichtsrat und Anhängerschaft des Vereins auch noch hinter dieser Entscheidung und ihrem jungen Trainer stehen, wenn mal zwei Spiele nacheinander verloren gehen. Dieser Fall wird eintreten, früher oder später.

Last but not least: Die Mannschaft muss den Trainer akzeptieren. Das lässt sich nicht verordnen. Der Vorstand sollte sich sehr sicher sein, dass gerade die erfahrenen Spieler hinter Preußers Stil und Konzept stehen. Dabei sollte man leicht dahin gelabernden Lippenbekenntnissen misstrauen. Die werden bereits bei geringsten Differenzen keinen Wert mehr besitzen.

Zusammenfassung im Konjunktiv (weil es allein von der sportlichen Entwicklung abhängig ist, ob es dazu kommt): Aus rein fachlicher Sicht würde ich eine Berufung Christian Preußers für völlig gerechtfertigt erachten. Trotzdem ginge der Verein, namentlich Rolf Rombach, damit ein exorbitantes Risiko ein. Ein größeres Risiko jedenfalls, als mit der Berufung eines anerkannten, erfahrenen Fußballlehrers. Im Falle des Misserfolges (Definition Misserfolg: der RWE setzt sich auf den Abstiegsplätzen fest) werden alle die es mit Rolf Rombach nicht so gut meinen (und das scheinen angesichts der Wortmeldungen der letzten Tage nicht wenige zu sein) einen Shitstorm bisher ungeahnten Ausmaßes in seine Richtung lostreten.

Dem Präsidenten des RWE steht also – möglicherweise – in den nächsten Tagen eine Entscheidung bevor, um die ich ihn nicht beneide.

Preußen Münster vs. RWE: Keine Auferstehung, nirgends

Das war keine gute Woche für den FC Rot-Weiß Erfurt. Nach dem – vor allem spielerisch – deprimierenden Unentschieden gegen Saarbrücken verlangten alle eine Reaktion der Mannschaft. Diese gab die Antwort auf ihre Weise, verlor in Meuselwitz (0:1) und gegen Preußen Münster (2:3). Auf das nun Klarheit hinsichtlich der Saisonziele herrsche. In beiden Begegnungen hatte man den Eindruck, dass nicht alle auf dem Platz befindlichen Spieler die Bedeutung des DFB-Pokals für ihren derzeitigen Arbeitgeber in vollem Umfang verinnerlicht hatten. Wie oft in solchen Situationen kommt eins zum anderen: mangelnde Konzentration mündet in schlechte Leistungen, diese sorgen für fehlendes Selbstvertrauen, was wiederum noch schlechtere Darbietungen mit sich bringt. Ein Teufelskreis.

Nach großer Skepsis: Dotchev etabliert sich in Münster

Dabei hätte man vor Preußen Münster gewarnt sein können. Selbst ohne aufwendige Videoanalysen musste jedem klar sein, dass Pavel Dotchev und seine Mannschaft in den letzten Spielen zueinander gefunden hatten. Spätestens mit dem Sieg gegen den Erzrivalen Osnabrück akzeptierten endlich auch – die zunächst fremdelnden – Anhänger des Bundesliga-Gründungsmitgliedes, den Bulgaren als ihren Trainer. Der zahlt das Vertrauen durch gute Arbeit zurück. Zudem bekamen die Erfurter Björn Kluft nie in den Griff. Er war Denker, Lenker und, beim dritten Tor des Gastgebers, Vollstrecker in einem. Im Gegensatz zu den Angriffen des RWE gelang es den Preußen häufig Breite in ihre Angriffe zu bekommen. Das schafft, wer die Außenpositionen konsequent besetzt (und damit anspielbereit) hält. Außerdem muss die Spieleröffnung intelligent und flexibel sein: Sieht der ballführende Spieler, dass die momentan präferierte Angriffsseite zugestellt ist, muss der Angriff neu aufgebaut werden, im besten Fall durch eine schnelle Seitenverlagerung. Das gelang Münster über weite Strecken des Spiels augenfällig gut, weshalb ich der Analyse des RWE-Kapitäns Rudi Zedi nicht zustimmen will, der nach dem Spiel sagte, dass die Preußen den RWE vor allem über ihren Einsatzwillen besiegt hätten. Sie waren an diesem Tag taktisch und spielerisch das bessere Team.

Viel zu wenig: ein guter Angriff in 90 Minuten

Breite in der Offensive, Außenpositionen besetzt halten, usw. usf. – all diese simplen taktischen Figurationen kennen selbstverständlich auch alle Spieler des RWE, die sportliche Leitung ohnehin. Allein, jeder taktische Plan muss scheitern, wenn die dafür notwendige Passgenauigkeit nicht vorhanden ist. In erster Linie daran mangelt es in den letzten Spielen. Kampf, körperliche Robustheit und Einsatzwillen sind in jedem Spiel einer Profimannschaft Grundtugenden. Doch damit allein erspielt man sich keine Tormöglichkeiten. Nicht gegen Meuselwitz und erst recht nicht gegen Preußen Münster. Ruhe und Abgeklärtheit am Ball, Mut zur vertikalen Spielanlage und Passsicherheit erwachsen einer Mannschaft in erster Linie aus dem Wissen um ihr spielerisches Potenzial. Dieses Wissen scheint dem RWE momentan weitgehend abhandengekommen zu sein. Dass die Mannschaft exzellent Fußball zu spielen versteht, sah man in Münster eigentlich nur in einer Spielsequenz. Dem Anschlusstreffer ging ein äußerst sehenswerter Angriff über die Stationen Sponsel, Pfingsten-Reddig, Morabit, Weidlich, Zedi, Drexler und Caillas voraus. Der Angriff beginnt auf halb rechts, der Ball wird vertikal durchs Mittelfeld kombiniert, entscheidend ist dann Drexlers – mit großer Übersicht gespielte – Verlagerung nach links auf Caillas, der eine gut temperierte Flanke vors Tor schlägt. Ein einziger Angriff dieser Qualität in 90 Minuten ist natürlich viel zu wenig. Die Szene wirkte wie ein Fremdkörper, inmitten der sonstigen Unzulänglichkeiten, Unfertigkeiten und Unkonzentriertheiten. Es war, als ob Brad Pitt, George Clooney und Natalie Portman einen 30-sekündigen Kurzauftritt in einem deutschen Fernsehkrimi hätten: eine Verheißung nur, so vorübergehend wie folgenlos.

Ein Spieler hat es sich – trotz einer insgesamt indisponierten Mannschaftsleistung – dennoch verdient, positiv erwähnt zu werden. Tom Bertram schien als Einziger von Emmerlings Feldspielern nie den Glauben daran zu verlieren, dass man zumindest noch ein Unentschieden würde erreichen können. Nicht zum ersten Mal stemmte er sich mit großem Einsatz gegen eine Niederlage, ging dabei hohes Risiko und wurde leider nicht belohnt. Hier jedoch soll der Wille für die Tat genommen werden.

Quo vadis RWE?

Nun, es ist nicht zu erwarten, dass Stefan Emmerling große Veränderungen in der Startelf gegen Heidenheim vornehmen wird. Dazu steht – nicht zuletzt für ihn – nach wie vor zu viel auf dem Spiel. Mit einem Erfolg gegen den momentanen Tabellenvierten geriete das Saisonziel DFB-Pokal wieder in Reichweite. Um nichts weniger geht es, allerdings eben auch nicht um mehr. Was spräche dagegen, in diesem Spiel einem oder zwei unserer hoffnungsvollen A-Jugendtalente eine Chance zu geben. In der Startelf, wohlgemerkt. Es ist nämlich niemandem geholfen, von den Jungs zu erwarten, dass sie in fünfminütigen Kurzeinsätzen ein durch und durch verkorkstes Spiel herausreißen. Warum nicht Patrick Göbel auf der linken Außenbahn aufbieten, statt dem in Münster erneut sichtlich überforderten Thomas Ströhl. Es wäre ein kalkulierbares Risiko, zudem man mit Göbel eine Alternative für die Ausführung der zuletzt nur noch mit Sarkasmus zu ertragenden Standards hätte. Gleichwohl sollte niemand so naiv sein, sich Wunderdinge von den jungen Spielern zu erwarten. Sie funktionieren sehr gut in der eingespielten Mannschaft von Christian Preußer. An eine völlig andere Liga werden sie sich gewöhnen müssen und sie benötigen dort in jedem Fall die aktive, uneingeschränkte Unterstützung nicht nur des Trainerteams, sondern auch ihrer erfahreneren Mitspieler. Desgleichen sollte das Heimspielpublikum Geduld mit ihnen haben. Und nicht, wie zuletzt bei Tobias Ahrens gegen Saarbrücken, nach den ersten missglückten Aktionen mit hörbarem Unmut reagieren.

RWE – 1. FC Saarbrücken 1:1 / Nicht nur vom Winde verweht

Dominik Drexler auf dem Weg zum Ausgleich / © www.fototifosi.de

Jürgen Klopp wurde einmal gefragt, worin der Hauptunterschied zwischen 1. und 2. Bundesliga bestehe. Seine Antwort: „In der Qualität der Spieler. Alles, was man trainieren kann, ist eigentlich gleich.“ Ich denke, dasselbe lässt sich mit einigem Recht auf die 3. Liga übertragen. In der Nachfolge von Rinus Michels, Walerij Lobanowskyj und – für den deutschen Fußball – Ralf Rangnick sind alle Mannschaften der dritten deutschen Profiliga in der Lage so zu verteidigen, wie es die moderne Taktiklehre vorgibt: Viererkette, Verschieben der Formation, Verdichten der Räume. Die angreifende Mannschaft soll für ihr Spiel keinen Platz haben und zu Fehlabspielen gezwungen werden.

Kein Mittel gegen tief verteidigende Gastmannschaften

Für das Team, das sich in der Offensive befindet, hält der Taktikkanon sehr unterschiedliche Rezepte parat, trotzdem gefährlich vor das Tor einer derart verteidigenden Mannschaft zu gelangen. Das Problem des FC Rot-Weiß Erfurt: Einschließlich des Heimspieles gegen Saarbrücken ist es dem RWE in dieser Saison nicht gelungen, wirksame Mittel zu entwickeln, tief verteidigende Gegner entscheidend in Verlegenheit zu bringen. Damit erkläre ich mir in erster Linie die große Zahl an Heimunentschieden gegen fußballerisch keinesfalls bessere Gegner.

Das wurde allen Fans des RWE gegen Saarbrücken noch einmal schmerzhaft vor Augen geführt. In der ersten halben Stunde fand Saabrücken offensiv nicht statt. Erfurt hatte zwar viel Ballbesitz, befand sich quasi unentwegt in der Hälfte der Saarländer, gewann die Mehrzahl der Zweikämpfe und schoss einige Mal (aus der Distanz) durchaus gefährlich auf das von Marina exzellent gehütete Tor des Gegners. Aber so gut wie nichts davon wurde mit spielerischen Mitteln erwirkt, Chancen aus Kombinationen: keine. Der Spielaufbau gestaltete sich schwierig, eben weil Saarbrücken sich bereits in dieser Spielphase gut darauf verstand, die Erfurter Playmaker weitgehend aus dem Spiel zu nehmen: Caillas erschien es wegen des böigen Windes (zu Recht) wenig sinnvoll lange Bälle nach vorn zu schlagen, die Passwege auf die beiden Sechser wurden zugestellt und auf den Außenbahnen gab es schlichtweg zu viele technische Unzulänglichkeiten um sich mit flachen Pässen in die gefährlichen Zonen der Saarbrücker Hälfte zu kombinieren. Verschärft wurde das alles durch den Umstand, dass Morabit und Reichwein, wenn sie denn einmal einen Ball bekamen, nicht in der Lage waren diesen zu behaupten. Zudem sollte die sportliche Leitung Smail Morabit noch einmal darüber in Kenntnis setzen, dass auch Tore die nicht per Hackenpass vorbereitet werden, dem Regelwerk der FIFA entsprechen.

Eine Einzelaktion führt zum Ausgleich – was sonst

Nach der Saarbrücker Führung wurde alles noch viel schlimmer und heraus kam das schlechteste Heimspiel des RWE in dieser Saison. Der Matchplan war dahin, einen Plan B gab es offensichtlich nicht. Allein Drexlers Eigen- und Energieleistung verdankte sich das Unentschieden. Er hatte begriffen, dass er auf ein gelungenes Zuspiel seiner Mitspieler bis zum Jüngsten Tag würde warten müssen, und kämpfte sich durch die Saarbrücker Abwehr wie dereinst John Rambo durch den vietnamesischen Dschungel. Mit so viel Entschlossenheit seitens eines RWE-Angreifers hatte die Saarbrücker Hintermannschaft wohl nicht mehr gerechnet. Wie sollte sie auch, bis dahin war die Performance der RWE-Angriffsbemühungen, milde ausgedrückt, eine Zumutung. An fehlendem Willen und einer mangelhaften Einstellung lag es allerdings nicht, um auch das ganz deutlich zu sagen. Der RWE spielte wie eine Mannschaft, der während eines Fußballspiels schmerzlich bewusst wird, dass ihr die Mittel fehlen, um ein Tor zu erzielen. Die daraus resultierende Verunsicherung war fast mit Händen zu greifen. Es gelang – bis auf Drexlers Solo – nichts mehr und dabei blieb es zum erlösenden Abpfiff. Erlösend deshalb, weil Saarbrücken mit Sicherheit irgendeine seiner vielen Kontermöglichkeiten genutzt hätte, wenn das Spiel auch nur noch ein paar Minuten länger gedauert hätte.

Viel Zeit die Wunden zu lecken bleibt nicht. Bei den immens kampfstarken Meuselwitzern muss ein Sieg her, damit der wahrscheinlichste Weg am DFB-Pokal teilnehmen zu können nicht gleich mit ruiniert wird.

Leider fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit – die U19 des RWE

Nun, einen Trost hielt der Verein Rot-Weiß Erfurt an diesem Wochenende dennoch für mich bereit. Zudem keinen, den man gering schätzen sollte. Die A-Junioren lieferten gegen die Berliner Hertha erneut ein bemerkenswert gutes Spiel, das wesentlich mehr als 120 Zuschauer verdient gehabt hätte. Diesmal wurden sie nur mit einem Punkt belohnt, obwohl drei möglich und – meines Erachtens – verdient gewesen wären. In einer ausgeglichenen ersten Halbzeit erzielten die Berliner nach einer Unaufmerksamkeit der Erfurter Hintermannschaft die Führung, nicht wirklich unverdient, aber eben auch nicht zwangsläufig. Nach verteiltem Spiel in den ersten 15 Minuten des zweiten Durchganges drehte der RWE auf, spielte den Nachwuchs des Erstligaklubs regelrecht an die Wand und wurde mit dem Ausgleich belohnt. Dass sie den Weg nach Berlin nicht mit einer Niederlage antreten mussten, hatten die Herthaner ausschließlich zahlreichen nicht genutzten Erfurter Großchancen und ihrem Torwart Philipp Sprint zu verdanken. Im Grunde lag in der mangelnden Effizienz beim Torabschluss das einzige Manko im Vergleich zum Sieg gegen den HSV eine Woche zuvor.

Der RWE-Nachwuchstrainer Christian Preußer ist ein Glücksfall für den Verein. Er hat seiner Mannschaft eine überaus klare Vorstellung vermittelt, wie sie Fußball spielen soll. Der initiale Spielaufbau erfolgt fast generell über das zentrale Mittelfeld (und kippt somit nicht vorzeitig auf eine Seite ab). Dort wird situativ entschieden, wie ein Angriff vorgetragen wird, wobei die Außenbahnspieler die Anweisung haben, ihre Seite konsequent zu halten, um permanent anspielbar zu bleiben. Das soll eine maximale Breite in der Vorwärtsbewegung sicherstellen und verhindern, dass der Gegner frühzeitig auf eine Seite verschieben kann. Die technischen Fähigkeiten, Handlungsschnelligkeit und das Zweikampfverhalten aller Spieler sind verblüffend gut entwickelt und stehen dem Nachwuchs von Profivereinen wie Hertha, dem HSV und Wolfsburg in nichts nach. Davon zeigte sich gestern auch der Ex-Nationalspieler Jens Nowotny beeindruckt, dessen Agentur Insoccer mit Jonathan Lao und Niklas Wittmann zwei Spieler unter Vertrag hat, die gestern für den RWE auf dem Platz standen.

Also: Fans des RWE, schaut auf diese Mannschaft. Oder besser noch: Schaut sie euch an. Das nächste Heimspiel findet am 07.04. (14.00) gegen Hertha Zehlendorf statt, am 22.04 (12.00) wird das U19-Team von Hannover 96 erwartet. Die Jungs haben jeden Zuschauer verdient.

Wacker Burghausen – RWE 1:1 / So wird das (wieder) nichts

Smail Morabit isoliert / © www.fototifosi.de

Der Beginn des Spiels war ebenso grandios wie das Wetter. Die Erfurter präsentierten sich hellwach und gingen mit 1:0 in Führung. Der Gegner drängte auf den schnellen Ausgleich, spielte sich jedoch ein ums andere Mal in der Defensive des RWE fest. Stefan Emmerling gefiel, was er sah. Bedauerlich für ihn: es war nicht seine Mannschaft die da auf dem Platz stand, sondern die A-Jugend des RWE, die dem hoch favorisierten Nachwuchs des Multimillionen-Klubs Hamburger SV keine Chance ließ und am Ende 3:0 gewann. Auf die bemerkenswerte Vorstellung unserer U19 komme ich noch zu sprechen.

Morbus Erfordensis

Knapp 24 Stunden zuvor lief es ähnlich und doch völlig anders. Nach 4 Minuten traf Morabit – nach schöner Vorarbeit von Drexler – zur 1:0 Führung. Danach verzichtete der RWE bis zum Halbzeitpfiff auf jegliche Angriffe, die diese Namen verdient gehabt hätten. Das Beste war noch das Resultat, mit dem es in die Kabine ging. Der Rest war Kopfschütteln Verzweiflung ob eines für mich unerklärlichen, quasi linearen Leistungsabfalls innerhalb dieser Halbzeit. Wie gesagt, den Höhepunkt des Offensivspiels stellte das frühe Tor dar. Das Verteidigen klappte bis zur 30. Minute halbwegs zufriedenstellend, dann schlichen sich auch hier Konzentrationsmängel ein, aus einem resultierte der Ausgleich. Dass aus weiteren nicht die Führung für Burghausen hervorging, war pures Glück. Wäre alles verschmerzbar gewesen, hätte man es mit einem starken Gegner zu tun gehabt. Aber diese Charakterisierung traf auf Burghausen nicht zu: Fehlerhaft in der Abwehr, mit großen Defiziten im Spielaufbau und daraus folgend erheblichen Schwierigkeiten konstruktive Angriffe vorzutragen. Da kam den Bayern der Morbus Erfordensis gerade Recht – jene unausgeforschte Krankheit, die sich meist einstellt, wenn der RWE im Begriff ist etwa erreichen zu können. Symptome: Quasi alle vertikal gespielten Bälle landen beim Gegner, naives Zweikampfverhalten, leichtfertige Fehler in der Abwehr. Am 7. Mai letzten Jahres gab es den letzten dramatischen Ausbruch dieser Seuche. Beim 3:4 in Ahlen, nachdem die Mannschaft je zweimal mit zwei Toren in Führung lag. Opfer: der Relegationsplatz und zahllose gebrochene Fan-Herzen.

Nach der Pause – nicht gut, aber besser

Nicht zum ersten Mal in dieser Saison gelang Stefan Emmerling in der Pause so etwas wie eine kleine Wunderheilung. Er nahm Drexler heraus und brachte Weidlich. Eine Auswechslung verdient gehabt, hätten einige Spieler mehr. Allen voran Marcel Reichwein, dessen Zweikampf- und Passquote in den ersten 45 Minuten man nicht umhin kommt, unterirdisch zu nennen. Das Spiel der Kontrahenten stabilisierte sich fortan auf überschaubarem Niveau. Wie Mannschaften die unbedingt in die zweite Liga gehören, agierten beide Teams nicht. Der RWE hatte die qualitativ etwas besseren Chancen und war spielerisch leicht überlegen. Seine drei Großchancen konnte Reichwein jedoch nicht verwerten, diesbezüglich kein Vorwurf an ihn, das kann vorkommen.

Für den theoretischen Fall, jemand hätte mir vor dem Spiel vertraglich einen Punkt in Burghausen garantiert, dann hätte ich (nach kurzem Zögern) unterschrieben. Insofern ist das Unentschieden bei einem kampf- und heimstarken Gegner, der das gleiche Saisonziel verfolgt (nämlich den Aufstieg in die 2. Liga) völlig in Ordnung. Das Problem ist der (zumindest mir) rätselhafte Einbruch des RWE in der ersten Halbzeit. Nachdem man schnell in Führung gegangen war. Derartige Phasen darf sich eine Mannschaft nicht leisten, die bis zum Ende um den 3. Platz mitzuspielen gedenkt. Am Mittwoch bereits gibt es in Darmstadt die Gelegenheit, diesen Anspruch wieder deutlich werden zu lassen.

U19-Junioren / Moderner Fußball

Noch einige Anmerkungen zum Spiel unserer U19 gegen den HSV. Nachdem man in der Vorrunde bereits gegen den amtierenden deutschen Meister Wolfsburg gewonnen hatte, war es nicht mal der Sieg an sich der so bemerkenswert war. Es war die über 90 Minuten hoch konzentrierte, technisch-taktische Leistung des von Christian Preußer trainierten Teams. Hier gewann kein David mit rein kämpferischen Mittel und ein bisschen Glück gegen einen spielerisch überlegenen Goliath. Fußballerisch befanden sich beide Mannschaften völlig auf Augenhöhe. Der RWE gewann, weil er zum einen vor dem Tor zielstrebiger agierte: das Offensivspiel war breit gefächert angelegt, die beiden Spitzen bewegten sich permanent, die Außen schalten sich fast immer in die Angriffe ein und nutzen spielintelligent ihre Räume oder schafften diese erst, indem sie die gegnerische Abwehr zum Verschieben auf eine Seite zwangen. Zum anderen zeichnete sich die Mannschaft durch eine fast schon sensationelle Kompaktheit im Defensivverhalten aus. Die Viererkette hatte die Vorgabe des Trainers sehr hoch zu stehen, Bergmann und Torhüter Klewin organisierten dies lautstark. Preußer verzichtete auf ein kraftraubendes aggressives Pressing, die Mannschaft stellte jedoch (mit den Angreifern beginnend) die Passwege für den HSV geschickt zu. Aufgrund der hoch stehenden Viererkette wurde es im Mittelfeld sehr eng für den HSV. Im Resultat gelang es den Hamburgern so gut wie nie, sich vor das Tor des Erfurter Nachwuchses zu kombinieren. Last but not least, war es ein überragender Patrick Göbel, der zwei Tore schoss und zudem mit seinen Standards immer wieder für helle Aufregung im Strafraum des HSV sorgte.

Fazit: Die U19 des RWE wies an diesem Tag keine Schwachpunkte auf, wohl aber ragten einige Spieler heraus: Neben Göbel ist hier Abwehrstratege Johannes Bergmann zu nennen, sowie der gleichermaßen mit Spielübersicht auffallende, wie robuste Maik Baumgarten. Der Verein hat mit dieser U19-Mannschaft das wohl begabteste Nachwuchsteam beisammen, seit Clemens Fritz, Marco Engelhardt und Norman Loose in dieser Altersklasse spielten. Er sollte etwas daraus machen, sonst werden sich andere bedienen. Wie anders soll ich mir die Anwesenheit von Aues Sportdirektor Steffen Heidrich erklären, der es vorzog sich die RWE-Talente anzusehen, statt einem eminent wichtigen Spiel seiner Mannschaft in Rostock beizuwohnen.

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